24. November 2024
Mit ihren neuen Parteivorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak empfehlen sich die Grünen als die folgsamsten Juniorpartner für den neoliberalen Kurs der Merz-Union.
Die neuen Grüne-Bundesvorsitzenden Felix Banaszak und Franziska Brantner bei einer Pressekonferenz in Berlin, 18. November 2024.
Die Grünen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Karriere hingelegt: Einst waren sie gegründet worden, um für eine ökologische Politik und gegen die Militarisierung anzutreten. Damit waren sie Außenseiter im Bundestag und lange Zeit als linksradikal verschrien – bis sie gemeinsam mit Gerhard Schröder zeigten, dass sie de facto längst in der Mitte der deutschen Parteienlandschaft angekommen waren.
Ihre »Kompromissbereitschaft« und »Regierungsfähigkeit« stellten sie ab den 1990er Jahren unter Beweis, indem sie den ersten deutschen Militäreinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg initiierten und den größten sozialen Kahlschlag in der Geschichte der Bundesrepublik umsetzten. Stolz demonstrierten sie, dass sie alle Notwendigkeiten und Hässlichkeiten der Machtpolitik akzeptiert und in ihr Programm integriert hatten.
2024 hat sich daran nichts geändert, im Gegenteil: Die Grünen präsentieren sich so staatsmännisch wie nie zuvor. Als Kanzlerkandidat wurde Robert Habeck ausgelobt, dessen nachdenklich-selbstkritische Selbstdarstellung in den vergangenen Jahren bei vielen Deutschen gut ankam – wenn da nur nicht das Heizungsgesetz gewesen wäre, mit dem er sich so unbeliebt gemacht hat. An der Parteispitze stehen des Weiteren seine enge Vertraute Franziska Brantner, die als Realo gilt, sowie der ehemalige Grüne-Jugend-Chef Felix Banaszak, der zuletzt als Vertreter des linken Flügels dargestellt wurde.
Banaszak als links zu bezeichnen, ist einigermaßen lustig. Zwar tritt er optisch auf wie der Sänger einer linksliberalen Kuschelrock-Band, in Wahrheit ist er aber ein knallharter Realpolitiker, der als Ermöglicher von Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen gilt: Er selbst hat vor zwei Jahren den Koalitionsvertrag mit Hendrik Wüst verhandelt. Kein Wunder, dass er nun auch eine klare Ansage von Friedrich Merz einfordert: Während Teile der Union (besonders in Bayern) ununterbrochen gegen die Grünen schießen, fordert er vom Kanzlerkandidaten der CDU ein Bekenntnis zu einer möglichen Zusammenarbeit.
Seine Rolle in der Parteispitze ist klar: Er soll den linken Flügel abholen und behutsam auf Schwarz-Grün vorbereiten – und dann Brücken zur CDU/CSU bauen. Diese Doppelstrategie kann man an seinen Aussagen wunderbar ablesen. Im Heute Journal darauf angesprochen, wie man innerhalb der Grünen zu Asylkompromissen kommen solle, erklärte Banaszak, er sei froh, »dass diese Partei in dieser Lage miteinander debattiert und vielleicht auch miteinander streitet. Eine Partei, die das jetzt gerade nicht täte, wäre eine tote Partei, und ich bewerbe mich als Vorsitzender einer quicklebendigen Partei, die in dieser Zeit, die neue Antworten nötig macht, weil sich neue Fragen stellen, diese Antworten gemeinsam sucht«.
»Die einstige Revoluzzer-Partei, sie ist erwachsen geworden und will um jeden Preis mitregieren.«
Diese edeldemokratische Phrasendrescherei klang zwar erst einmal nach einem Bekenntnis zum Dialog, aber weit gefehlt. Denn wenige Augenblicke später erklärte Banaszak: »Ein Europa, das seine Grenzen nicht schützt, wird seiner Verantwortung nicht gerecht, und da gibt es auch keine zwei Meinungen.« Keine zwei Meinungen wollte Banaszak, der eben noch die innerparteiliche Pluralität lobte, in Fragen von Frontex und Abschiebungen gelten lassen. Klare rote Linien wurden auch nicht benannt – ein klares Zeichen an die Abschiebungsfanatiker innerhalb der Union, dass man jede Schweinerei mitmachen wird, wie man es auch schon innerhalb der Ampel getan hat.
Ähnlich kompromissbereit zeigte sich seine Kollegin Franziska Brantner an anderer Stelle: »Wenn Klimaschutz kein technokratisches Klein-Klein ist, dann ist es die beste Chance für eine starke Wirtschaft«, erklärte sie in ihrer Bewerbungsrede. Nach der marktkonformen Demokratie bekommen wir von den Grünen also die marktkonforme Ökologie.
Mit diesem Projekt hat sich Brantner auch in der Union Freunde gemacht. Zum Beispiel den CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Im Handelsblatt war kürzlich folgende Anekdote zu lesen: »Als sich Brantner und Linnemann erblicken, freuen sie sich. Die klügste Staatssekretärin im Wirtschaftsressort, schmeichelt Linnemann. Mit Brantner würde er gern zusammenarbeiten, auch in der Regierung. Brantner erwidert das. Beim Einsteigen ins Auto sagt sie noch, mit der Union sei es zuletzt schwierig: ›Aber der Carsten, der ist super.‹«
Ja, der Carsten, der ist super: Keine Woche vergeht, in der er nicht in Talkshows gegen Erwerbsarme und Arbeitslose hetzt – ein wunderbarer Partner für die neue Grünen-Spitze. Die einstige Revoluzzer-Partei, sie ist erwachsen geworden und will um jeden Preis mitregieren. Und damit auch keine technokratischen Probleme mehr dazwischenkommen, hat sie sich bei ihrem Parteitag von der Abschaffung der Schuldenbremse distanziert, die sie noch in der Ampel-Regierung lange Zeit gefordert hatte.
Des Weiteren fordern die Grünen nun eine Flat Tax auf Erbschaften, wodurch weiterhin reiche Erben privilegiert werden. Devoter kann man sich als potenziellen Juniorpartner kaum ins Gespräch bringen. Friedrich Merz wird all das genau beobachten – und dann entscheiden, ob er mit der SPD oder den Grünen leichteres Spiel hat bei der Umsetzung seiner neoliberalen Agenda.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.