03. Juli 2023
Das Heizungsgesetz in seiner aktuellen Form ist technologischer, ökonomischer und ökologischer Unsinn. Vor allem aber zerstört es jedes Vertrauen, dass Klimapolitik auch sozial sein kann.
Robert Habeck ist der Hauptverantwortliche sowohl für das Kommunikationsdesaster um das GEG als auch für dessen Konstruktionsfehler.
IMAGO / Bernd ElmenthalerDie Heizungsdebatte der letzten Wochen war schlicht unterirdisch. Nun soll das sagenumwobene Gebäudeenergiegesetz (GEG) – vom politischen Gegner gern auch »Habecks Heizungshammer« genannt – nach wochenlangem Zerren in der Ampelkoalition in der letzten Sitzungswoche des Bundestags im Eilverfahren abgestimmt werden und sogar noch den Bundesrat passieren.
Die Heizungsmisere hat das Land auf eine Art und Weise eingenommen, wie es im Herbst vergangenen Jahres die ebenfalls katastrophale Gasumlage vorgemacht hat. Damals sorgten die äußeren Umstände – allen voran der Krieg in der Ukraine und die Gasknappheit – dafür, dass man das Gesetz in letzter Sekunde kippte und stattdessen eine Kommission für einen Gaspreisdeckel einsetzte. Beim Heizungsgesetz gab es keinen solchen Zeitdruck, trotzdem machte man fatale Fehler. Wie Robert Habeck kürzlich in einer Pressekonferenz zugab, sind die Pläne für das Gesetz im Herbst der Energiekrise entstanden. Er rechnete schlicht nicht damit, dass sich die Lage verändern und die Menschen auch soziale Ansprüche an ein Heizungsgesetz stellen würden. Und auch die SPD erkannte zu spät, dass in vielen Fällen die kommunale Wärmeplanung aus dem Bauministerium dem Heizungsgesetz schon allein logisch hätte vorausgehen müssen.
Ausgerechnet der gelbe Koalitionspartner, vertreten durch den Ultraneoliberalen Frank Schäffler, machte mit Hilfe einer konzertierten Aktion der Springerpresse und einer Kampagne der CDU Stunk gegen das Heizungsgesetz. Die Falschinformation, es gebe eine Pflicht zum Heizungstausch, hielt sich trotz gegenteiliger Beteuerungen des Wirtschaftsministers hartnäckig. Die Folge waren Wochen der Unsicherheit in der Bevölkerung.
Die Knausrigkeit des jetzigen Entwurfs wird auch noch den letzten guten Willen in der Bevölkerung zunichte machen: Lediglich bis zu einem Haushaltseinkommen von 40.000 Euro will der Bund 70 Prozent der Einbaukosten von Heizungen übernehmen. Etliche Begleitmaßnahmen zum Umbau werden gar nicht gefördert. Viele Paare und Familien aus der Mittelschicht werden damit hängengelassen. Beim ersten Vorschlag sollten die Förderungen rund 1,5 Milliarden Euro betragen. Wenn es nun das Doppelte sein sollte, sind es immer noch Peanuts im Vergleich zu anderen Ausgaben im Bundeshaushalt und angesichts der Relevanz der Wärmewende für die Einhaltung der Sektorenziele. Hier werden die Transformationskosten auf die gesellschaftliche Mitte abgeladen.
Aus ökonomischer Sicht hätte absolut nichts dagegen gesprochen, den Ersteinbau einer Wärmepumpe für alle Haushalte und Gebäudetypen zu 80, 90 oder 100 Prozent zu fördern, solange dafür inflationsbereinigte Preise dieses Jahres oder eine Preisgrenze auf regionaler Vergleichsbasis zugrunde gelegt werden. Damit würde sichergestellt, dass der plötzliche Nachfrageschub keinen künstlichen Preisanstieg verursacht. Niemand kauft sich zum Spaß oder aus Verschwendungssucht eine neue Heizung. Öffentliche Förderprogramme für Produktion sowie Aus- und Weiterbildung könnten außerdem sicherstellen, dass Industrie und Handwerk auch tatsächlich die notwendigen Kapazitäten für die Wärmewende aufbauen. Doch genau diese Maßnahmen lässt man aus und streitet sich stattdessen über Details.
Dass das Gesetz nun stärker mit der kommunalen Planung von Wärmenetzen verzahnt werden soll, ist positiv zu bewerten. Fernwärme wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Durch den Einsatz von Großwärmepumpen oder – sofern nachhaltige Quellen dafür vorhanden sind – Biomasse, lässt sie sich auch relativ leicht klimafreundlich gestalten. Ein weiterer Vorteil der Wärmeplanung ist, dass sich Privathaushalte keine Gedanken machen müssen – ihre Wärmeversorgung wird praktisch über Nacht grün.
»Die Umlage subventioniert durch die Hintertür die Vermieter und macht dabei den Anschein, sozial gerecht zu sein.«
Doch damit ist es leider nicht getan: Die kommunale Wärmeplanung muss auf Wunsch der FDP als Ausrede herhalten, um technologische Leichen am Leben zu erhalten. Weder werden in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten kommunale Wasserstoffnetze entstehen, noch wird der Markt sonstige Wundertechnologien entdecken. Die »Technologieoffenheit« der Liberalen schafft lediglich riesige Gesetzeslücken, die den Weiterbetrieb von klimaschädlichen Heizungen bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts erlauben werden.
Außerdem werden nach einer ähnlichen Logik wie bei der Gasumlage die Kosten des Heizungstauschs auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt. Bei der alten Umlage konnten Vermieter noch maximal 8 Prozent der Kosten umlegen, nun sollen es bis zu 10 Prozent sein, wenn diese die staatlichen Förderungen in Anspruch nehmen. Die SPD verkündet stolz, dass nur 50 Cent pro Quadratmeter draufgelegt werden können. Im deutschen Wohnungsmarkt, in dem jeder Zweite zur Miete wohnt, es akut an Sozialwohnungen mangelt und jede weitere Mieterhöhung der letzte Schlag sein könnte, wären auch diese 25 Euro bei einer kleinen Wohnung mit 50 Quadratmetern vermutlich zu viel. Für die Vermieter hingegen werden neue Vermögenswerte geschaffen, da sie nach der Modernisierung eine höherwertige Wohnung anzubieten haben. Die Umlage subventioniert damit durch die Hintertür die Vermieter und macht dabei den Anschein, sozial gerecht zu sein.
Das Ergebnis: Das GEG in seiner neuesten, vermutlich finalen Form, ist technologischer, ökonomischer und ökologischer Unsinn. Es vereint das Schlechteste aus allen Welten: Wachsweiche ordnungspolitische Regeln, nutzlose Marktelemente als Feigenblatt, um die Gefühle neoliberaler Ökonomen zu schonen, klimapolitisch vollkommen unzureichende Zielvorgaben und eine mangelnde soziale Abfederung, die individuelle Notlagen schaffen und die gesellschaftliche Akzeptanz für den Klimaschutz zerstören wird.
Zur Wahrheit gehört, dass sich die Grünen stärker als ihre Koalitionspartner für den sozialen Ausgleich beim Heizungstausch eingesetzt haben – doch das ändert nichts daran, dass Habeck der Hauptverantwortliche sowohl für das Kommunikationsdesaster um das Gesetz als auch für seine fundamentalen Konstruktionsfehler ist.
Wie bereits im Fall der unrühmlich begrabenen Gasumlage fehlt es Habeck und den Grünen an Gespür dafür, wie ihre gut gemeinten Initiativen bei der Mehrheit der Gesellschaft ankommen. Das GEG zeigt exemplarisch, warum grüne Austerität nicht funktioniert: Seit mehr als einem Jahr stehen die Heizkosten für Millionen von Menschen ganz oben auf der Liste ihrer Existenzsorgen. Bei vielen liegen die Nerven blank. Auch wenn bei der Verleumdungskampagne gegen das Gesetz von rechts viele Unwahrheiten verbreitet wurden, so war doch von Anfang an klar, dass sie auf günstige Bedingungen treffen würde. Dass sowohl der Wirtschaftsminister als auch der hochprofessionalisierte Parteiapparat der Grünen nun zum zweiten Mal in diese Falle tappen, zeigt, wie tief das Denken, Klimaschutz sei eine schmerzhafte Entzugstherapie, die man vor allem den unteren Klassen gegen ihren Willen aufzwingen müsse, in der Partei verwurzelt ist.
»Grüne Sparpolitik bietet keinen gangbaren Weg zu mehr Klimaschutz – sie nährt nur die absolut berechtigte Sorge der Menschen, sie könnten bei der Transformation übers Ohr gehauen werden.«
»Energie ist zu billig, und die Laute verbrauchen zu viel davon« – diese Einstellung, mal offen ausgesprochen, mal hinter vorgehaltener Hand getuschelt, gehört schon seit Jahrzehnten zum Selbstverständnis der Grünen. Sie hat alle sonstigen ideologischen Mutationen der Partei überlebt. Doch wieder und wieder müssen die Grünen beobachten, dass sich Klimaschutz nicht auf Kosten der Mehrheit durchdrücken lässt.
Grüne Sparpolitik bietet keinen gangbaren Weg zu mehr Klimaschutz – sie nährt nur die absolut berechtigte Sorge der Menschen, sie könnten bei der Transformation übers Ohr gehauen werden. Eine klimaneutrale Wirtschaft wird es nur durch massive öffentliche Investitionen und einen ordnungsrechtlichen Rahmen geben. Beides würde einen endgültigen Bruch mit dem Neoliberalismus voraussetzen – der unter dieser Regierung natürlich nicht stattfinden wird. Die Ampel zeigt uns also auf, wie weit wir unter dem herrschenden Paradigma in der Klimapolitik kommen können: nicht sehr viel weiter als bisher.
Der Inflation Reduction Act in den USA – bei all seinen Schönheitsfehlern – zeigt gerade, wie ein Klimaschutz aussehen kann, der auf eine positive gesamtgesellschaftliche Resonanz trifft. Ein zentraler Teil davon wären massive öffentliche Investitionen, die Zukunftstechnologien gezielt fördern, gute Jobs schaffen und die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften gegenüber dem Kapital stärken würden. Bidens Ansatz wirft zwar denjenigen, die schon mehr als genug Geld haben, noch einiges mehr in den Rachen und subventioniert vor allem Unternehmen – doch immerhin nimmt er überhaupt Geld in die Hand.
In Deutschland sind solche Investitionen tabu – das Exportmodell und die europäischen Lieferketten, die es füttern, basieren darauf, den öffentlichen Sektor um jeden Preis klein zu halten. Die Industriepolitik Deutschlands ist zu klein und zu ungeplant. Dabei wären eine grüne Industriepolitik und eine gelungene Wärme- und Verkehrswende für die Klimapolitik entscheidend.
Ines Schwerdtner ist seit Oktober 2024 Bundesvorsitzende der Linkspartei. Von 2020 bis 2023 war sie Editor-in-Chief von JACOBIN und Host des Podcasts »Hyperpolitik«. Zusammen mit Lukas Scholle gab sie 2023 im Brumaire Verlag den Sammelband »Genug! Warum wir einen politischen Kurswechsel brauchen« heraus.
Alexander Brentler ist Journalist und Übersetzer.