10. Dezember 2024
Menschen geben immer mehr Geld für ihre Gesundheit aus, doch die Lebenserwartung stagniert. Hinter diesem Boom steht die Überzeugung, Gesundheit sei eine Frage individueller Verantwortung und Krankheit ein Anzeichen persönlichen Versagens.
Die gesellschaftliche Obsession mit der Gesundheit hat in den letzten Jahren nicht dazu geführt, dass es körperlich und mental besser geht.
Die US-amerikanische Luxus-Fitnesskette Equinox hat im Frühjahr 2024 ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Unter dem Namen »Optimize by Equinox« bietet sie für 40.000 Dollar im Jahr ein besonders exklusives Fitness-Paket an. Mit dessen Hilfe soll es gelingen, hundert Jahre alt zu werden und dabei gesund und fit zu bleiben. Dabei helfen sollen personalisierte Ernährungs-, Schlaf- und Fitnesstrainings, basierend auf den biologischen Daten der Kundschaft.
Konkret beinhaltet das Fitness- und Longevity-Paket, neben dem Zugang zu den Fitnessstudios des Konzerns, regelmäßige Bluttests auf gängige Risikofaktoren, die in jeder Arztpraxis zum Standardprogramm für einen Gesundheits-Check-up gehören. Außerdem erhalten die Mitglieder einen Smartring, der rund um die Uhr diverse Biomarker aufzeichnet, und darüber hinaus 16 Stunden pro Monat Personalcoaching mit Schlaf-, Ernährungs- und Fitness-Expertinnen und -Experten sowie eine professionelle Massage pro Monat on top.
37 Millionen Menschen praktizieren in den USA Yoga, das entspricht 14 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung. Gleichzeitig rauchen heute nur noch 11 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung. Mitte der 1960er Jahre, als die ersten Hippies Yoga für sich entdeckten, lag der Anteil der Raucherinnen und Raucher noch bei über 40 Prozent der Volljährigen. Zwischen 2000 und 2023 haben sich die Mitgliedschaften in Fitness-Studios von 33 auf 69 Millionen mehr als verdoppelt. Die Hälfte der US-amerikanischen Bevölkerung nutzt mindestens eine Health-App.
Auch in Deutschland werden Gesundheits-Apps von mehr als 40 Prozent der Bevölkerung aktiv genutzt. Und statt rund 4 Millionen Fitnessstudio-Mitgliedern im Jahr 2000 sind es heute mit über 11 Millionen fast dreimal so viele. Der gesamte Wellness-Sektor weltweit hat ein jährliches Volumen von 4.400 Milliarden Dollar. Das entspricht 110 Millionen exklusiven Equinox-Mitgliedschaften. Das jährliche Medianeinkommen im US-Bundesstaat Mississippi hingegen betrug 2023 gerade einmal 37.500 Dollar. Das reicht nicht ganz für ein Jahr »Optimize by Equinox«. Vielleicht liegt die Lebenserwartung in Mississippi deswegen bei nur 72 Jahren und ist damit niedriger als in Bangladesch oder Peru.
Die vielen individuellen Gesundheitsinvestitionen scheinen zumindest auf der Bevölkerungsebene keine Wirkung zu entfalten. Nicht nur in den USA, auch in Deutschland und Großbritannien ist die Lebenserwartung zuletzt stagniert, während die Ausgaben für das Gesundheitswesen trotz Wellness-Boom und zunehmendem Gesundheitsbewusstsein weiter ansteigen. Ein Beispiel: die Verschreibungszahlen von Schmerzmitteln und Psychopharmaka in Deutschland. Im Verlauf der 2010er Jahre nahm die Zahl der verschriebenen Tagesdosen für Opiate um 13 Prozent zu. Bei den übrigen Schmerzmitteln waren es im selben Zeitraum 36 und bei Antidepressiva 37 Prozent. Geht man zeitlich weiter zurück, dann haben sich die Verschreibungen von Antidepressiva seit 1990 in Deutschland sogar fast verzehnfacht.
Offensichtlich führt die gesellschaftliche Gesundheits-Obsession bei vielen Menschen also nicht zu einer Verbesserung ihres physischen und psychischen Wohlbefindens. Stattdessen macht sich ein anderer Trend bemerkbar. Gesundheit, Fitness und Schlankheit werden immer mehr zum exklusiven Statussymbol. Und umgekehrt wird Krankheit, Erschöpfung, frühzeitige Alterung, und Behinderung den Betroffenen vermehrt als persönliches Versagen angelastet.
Genau diese Tendenz zur Wahrnehmung von Gesundheit als Tugend und von Krankheit als selbstverschuldetem Scheitern hat der britische Schriftsteller Samuel Butler in seinem 1872 erschienenen Roman Erehwon beschrieben. In diesem fiktiven Land, dessen Name Erehwon die rückwärts geschriebene Version von »nowhere« (Nirgendwo) ist, können Kriminelle auf Empathie, Nachsicht, Verständnis und wohlwollende Behandlung hoffen, während Kranke moralisch geächtet und zu drakonischen Strafen verurteilt werden.
»Viele sozial unerwünschte Verhaltensweisen werden nicht länger als moralische und juristische, sondern als medizinische und psychologische Probleme interpretiert.«
Der Umgang mit Erkrankten in Erehwon lässt sich als Kritik an der Klassenjustiz im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts lesen, die die konkreten Umstände der Tat, die Biografie und die soziale Lage der Straffälligen bei der Urteilsbestimmung unberücksichtigt ließ. Samuel Butler weist mit den Mitteln der utopischen Erzählung darauf hin, dass diese Strafpraxis ebenso hartherzig ist wie die fiktive Rechtsprechung gegenüber körperlich geschwächten Menschen in Erehwon. Das Pendant zum punitiven Umgang mit kranken Menschen in Erehwon ist der dort praktizierte therapeutische Ansatz gegenüber Straffälligen, die in »Krankenhäuser gebracht und auf öffentliche Kosten sorgfältig gepflegt« werden. Hier zeigen sich Parallelen zur Medikalisierung in gegenwärtigen Gesellschaften. Zwar sind gegenwärtige Gesellschaften alles andere als nachgiebig: Der Ruf nach härteren Strafen ist fester Bestandteil jedes Wahlkampfs, und die Zahl der Gefangenen ist in vielen westlichen Staaten in den letzten Jahrzehnten, sinkenden Kriminalitätsraten zum Trotz, kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig aber werden heute viele sozial unerwünschte Verhaltensweisen nicht länger als moralische und juristische, sondern als medizinische und psychologische Probleme interpretiert.
Dazu zählen etwa der (exzessive) Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln, aber auch abweichendes Verhalten von Kindern und Jugendlichen in Erziehungseinrichtungen, die etwa mit Diagnosen wie ADHS versehen und pharmakologisch sowie verhaltenstherapeutisch behandelt werden. Auch in der Rechtsprechung haben medizinische und psychologische Gutachten in den vergangenen Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. Obwohl das für die Betroffenen nicht immer von Vorteil sein muss, bleibt doch in vielen Fällen eine psychologische oder medizinische Diagnose für abweichendes Verhalten Voraussetzung für den Schutz vor moralischer Ächtung ebenso wie vor rechtlichen Sanktionen.
Auch in der Analyse, die der US-amerikanische Soziologe Talcott Parsons Mitte des 20. Jahrhundert zur Rollenerwartung an Kranke in der Gesellschaft entwickelt hat, wird Gesundheit als ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit definiert, der es einer Person erlaubt, ihre gesellschaftlichen Aufgaben und Rollen zu erfüllen. Anders als in Butlers Erehwon aber folgt für Parsons daraus nicht, dass Erkrankte bestraft werden, wenn sie die an sie gerichteten Erwartungen nicht (mehr) erfüllen können. Im Gegenteil: Krankheit geht für Parsons mit der temporären Befreiung von sozialen Verpflichtungen einher. Der Preis dafür ist soziale Kontrolle. Medizinisches Fachpersonal muss den Status des Krankseins und die damit verbundenen Privilegien legitimieren. Die erkrankten Personen werden nicht für ihre Krankheiten verantwortlich gemacht, müssen aber zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit respektive Leistungsfähigkeit mit dem medizinischen und psychologischen Fachpersonal kooperieren.
»Der normative Konsens, dass man Kranke nicht bestrafen, sondern behandeln sollte, ist in der jüngeren Vergangenheit vermehrt infrage gestellt worden.«
Zwar gilt dieses Modell heute im Grundsatz immer noch. Doch der normative Konsens, dass man Kranke nicht bestrafen, sondern behandeln sollte, ist in der jüngeren Vergangenheit vermehrt infrage gestellt worden. Kranke, konstatiert die Bochumer Gesundheitswissenschaftlerin Bettina Schmidt, seien in dieser Logik nicht mehr Opfer unglücklicher Fügungen und gesundheitsschädlicher Lebensbedingungen, sondern in erster Linie »tatverdächtig aufgrund ihrer mangelnden Anstrengungen zur gesundheitlichen Selbstoptimierung«.
1980 hat der US-amerikanische Soziologe Robert Crawford diese gesellschaftliche Tendenz erstmals als Healthismus bezeichnet. Healthismus basiert auf der Überzeugung, dass der eigene Körper beliebig formbar ist, dass Gesundheit eine Frage des Verhaltens ist, und dass chronische Erkrankungen Folge einer falschen Lebensweise sind. Wer seine Risikofaktoren kennt, sich richtig ernährt, nicht raucht, nicht trinkt, sich genug bewegt, weder zu viel noch zu wenig schläft, Schadstoffe und Stressfaktoren jeglicher Art vermeidet, der oder die bekommt nach dieser Logik keinen Schlaganfall oder Krebs. Wer dennoch krank wird, muss also etwas falsch gemacht haben.
Wer der neuen Gesundheitsideologie genügen will, kann sich nicht länger nur auf die Befolgung medizinischer Maßnahmen beschränken, wie das Parsons noch als Voraussetzung für eine gesellschaftlich akzeptierte Krankenrolle definiert hat. Healthismus impliziert hingegen, dass man sich seine Gesundheit immer wieder proaktiv erarbeiten muss. Ähnlich wie es Samuel Butler in seinem Roman Erehwon beschrieben hat, bedeutet Healthismus, dass genetische und soziale Prädispositionen wie Erbkrankheiten, Armut und damit einhergehende widrige Lebens- und Arbeitsbedingungen als Ursachen für gesundheitliche Probleme ignoriert oder als Ausrede für mangelnde Eigenverantwortung abgetan werden.
Der Bedeutungsgewinn von Healthismus hat einen politökonomischen Hintergrund in den westlichen Wohlfahrtsstaaten, der maßgeblich durch die Zunahme von Prekarität und Ungleichheit für die arbeitende Bevölkerung ab den 1970er Jahren geprägt ist. Umso weniger Einfluss Menschen auf globale politische, ökonomische und technische Entwicklungen haben, die für ihre Chancen auf den gesellschaftlichen Märkten entscheidend sind, umso stärker konzentrierten sie sich auf die Optimierung ihrer Körper als das letzte Refugium, von dem sie glauben, dass sie es noch eigenständig kontrollieren können.
Healthismus basiert auf dem unerschütterlichen Glauben daran, dass wir als Individuen absolute Kontrolle über unseren Körper und damit über unser Leben haben können. Damit korrespondiert die Vorstellung, dass sich soziale Ungleichheit mit vermeintlich selbstverschuldeten gesundheitlichen Unterschieden rechtfertigen lässt. Dieser healthistisch inspirierte Sozialdarwinismus führt zwangsläufig zu einer Stigmatisierung derjenigen, die nicht dem gesellschaftlich tradierten Gesundheits- und Schönheitsideal entsprechen, weil sie zum Beispiel als zu dick gelten. Sie alle werden wie im fiktiven Erehwon »dem öffentlichen Spott ausgesetzt« und sozial sanktioniert.
»Der opportunistische Umgang mit den Humanressourcen im Silicon Valley zeigt beispielhaft, wie die Frage des Zugangs zu einer gesundheitsförderlichen Lebenswelt zum Herrschaftsinstrument geworden ist.«
Wenn man heute Erehwon in eine Internetsuchmaschine eintippt, dann ist der erste Treffer eine exklusive Supermarktkette für Biolebensmittel im Großraum Los Angeles. Der Name des Einzelhändlers ist Programm. Anders als Butlers anklagender Text aber bringt er die Idee der unbedingten Eigenverantwortung für Gesundheit bejahend zum Ausdruck. Den meisten Kundinnen und Kunden in den Erehwon-Filialen, viele von ihnen bekannte Schauspielerinnen und Influencer, die dort frische Obstsalate mit Bio-Beeren für 40 Dollar, vier hartgekochte Eier für zehn Dollar, ein halbes Kilo Müsli für 20 Dollar oder Toilettenpapier für 25 Dollar in ihre Einkaufswägen legen, dürfte das literarische Vorbild unbekannt sein. Unbewusst aber transformieren sie durch ihre Konsumperformance in den Erehwon-Märkten den Geist der Butler’schen Dystopie aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart.
Eine Erehwon-Filiale in Beverly Hills ist dann auch ein angemessener Startpunkt für die Analyse der gegenwärtigen Gesundheitsobsession. Von hier führt die erste Etappe in eine mögliche Zukunft der Arbeitswelt, die sich heute schon im nahegelegenen Silicon Valley studieren lässt. In den architektonischen Tempeln der großen Techunternehmen locken weitläufige Gastronomiebereiche, in dem nicht selten Spitzenköchinnen und Spitzenköche ihr Handwerk praktizieren; Cafés, in denen ausgebildete Baristas ausgefeilte Kaffeespezialitäten offerieren; Fitness und Wellnesscenter, die nicht nur die neuesten Geräte vorrätig halten, sondern in denen auch Trainer den Mitarbeitenden jederzeit beratend zur Seite stehen. Die genannten Annehmlichkeiten werden den Mitarbeitenden zusätzlich zu ihren generösen Gehältern angeboten. Google setzt in der Tech-Industrie den Standard, dem alle größeren, aber auch viele kleinere Firmen folgen.
Die Firmenkultur im Silicon Valley legt aber nicht nur Wert auf gesunde Ernährung und körperliche Fitness, sondern hat auch ein ausgeprägtes Faible für Entspannungstechniken. Meditation und Yoga am Arbeitsplatz sind gang und gäbe. Aber auch die Teilnahme an mehrtägigen Retreats legen viele Firmen ihren Mitarbeitenden nahe und übernehmen gerne die Kosten. Ziel dieser Maßnahmen ist nicht die kontemplative Hingabe an ein höheres Wesen, und es geht auch nicht um Selbstfindung. Die Motivation für Tech-Unternehmen, ihren Mitarbeitenden Entspannungstechniken wie Meditation und Yoga anzubieten, ist es, in möglichst kurzer Zeit ihre Kreativität und Konzentration wiederherzustellen, um so ihre »Ware Arbeitskraft« zu optimieren.
Der große Aufwand, den die Firmen hierfür betreiben, wird dadurch gerechtfertigt, dass es sich in diesem Fall um eine besonders wertvolle Ware handelt: nämlich die Arbeitskraft von jungen, hochtalentierten und motivierten Computerprofis, die ihr Handwerk an den Eliteuniversitäten gelernt haben.
Die Küchenhilfen, die Gebäudereinigungskräfte, die Angestellten der Sicherheitsdienste, Busfahrerinnen, selbst die Yogalehrer und Fitnesstrainerinnen, die Bay View, Googleplex und all die anderen Hightech-Tempel am Laufen halten, können hingegen mit dem Verdienst aus ihren Dienstleistungen die exorbitanten Lebenshaltungskosten im Silicon Valley nicht annähernd finanzieren. Statt mit dem Firmenshuttle fahren sie mit dem öffentlichen Bus zur Arbeit.
Sie pendeln oft stundenlang, weil sie der durch die hohen Löhne in den Tech-Unternehmen angefeuerte Immobilienboom immer weiter von ihren Arbeitsplätzen vertreibt. Nicht wenige sind obdachlos, schlafen in Campingbussen, bei Bekannten auf der Couch oder in Notunterkünften, und sind trotz Vollzeitjob auf Lebensmittel- und Kleidungsspenden angewiesen. Ihre prekäre finanzielle Lage zwingt viele dazu, zusätzlich zu ihren Hauptjobs noch nebenbei zu arbeiten. Gesteuert von Algorithmen, die in den Konzernzentralen des Silicon Valley entwickelt wurden, sortieren sie Pakete, liefern Essen aus, bieten Fahrdienstleistungen an, reinigen und bewachen Apartments und Büros, pflegen und versorgen Kinder und alte Menschen und verschaffen so ganz nebenbei den Firmen, die die Apps-betreiben gigantische Umsätze.
Überarbeitung, Schlaflosigkeit und Stress schaden der psychischen und physischen Gesundheit der Outgesourcten mehr als der Kernbelegschaft, die nicht nur von ihren Arbeitgebern umsorgt wird, sondern auch über eine Krankenversicherung verfügt, die ihr eine erstklassige medizinische Versorgung garantiert. Die unsichtbaren Arbeitskräfte im Hintergrund haben dagegen oft keinen oder zumindest keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Der Mangel an finanzieller Sicherheit macht es ihnen zudem unmöglich, ihren Stress zu kompensieren. Auch ihre Arbeitstage sind lang und ermüdend, aber für die fürsorgliche Kontrolle ihres Wohlbefindens fühlt sich niemand zuständig. Für ihr Seelenheil wird keine Klangschale zum Schwingen gebracht. Ihre Gesundheit und ihr Karma sind für die Tech-Unternehmen irrelevant.
Der opportunistische Umgang mit den Humanressourcen im Silicon Valley und allen Unternehmen, die sich deren Firmenphilosophie zum Vorbild genommen haben, zeigt beispielhaft, wie die Frage des Zugangs zu einer gesundheitsförderlichen Lebenswelt zum Distinktionsmerkmal und Herrschaftsinstrument geworden ist. Und er macht deutlich, wie in unserer Gesellschaft die Gesundheit der Wenigen auf Kosten der Gesundheit der Vielen gefördert wird. Die gelebte Synthese aus sozialdarwinistischem Gesellschaftsbild, Technikgläubigkeit und Offenheit für Spiritualität und Esoterik schließlich bringt nicht nur die Philosophie vieler Tech-Unternehmen auf den Punkt, sondern beschreibt auch sehr gut die Grundprinzipien von Healthismus.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund ist eine Gesundheitsförderung, die auf einen kollektiven Einsatz für die Verbesserung der Lebensverhältnisse aller verzichtet, zum Scheitern verurteilt. Gesundheitskompetenz kann sich nicht auf die Kenntnis von Risikofaktoren und gesundheitsförderlichen Bewältigungsstrategien beschränken. Sie muss, um Wirksamkeit zu entfalten, Menschen dazu befähigen, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern. Nur mithilfe von kollektiven Organisationen kann es gelingen, die Logik von Healthismus aufzubrechen und die individualistische Gesundheits-Obsession durch ein Recht auf gesundheitsförderliche Lebenswelten zu ersetzen.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen gekürzten und leicht überarbeiteten Auszug aus dem Buch »Healthismus. Gesundheit als gesellschaftliche Obsession. erschienen im Psychosozial-Verlag«.
Friedrich Schorb ist Soziologe an der Universität Bremen. Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen von sozialer Ungleichheit auf Gesundheit und ist Autor des Buches »Healthismus. Gesundheit als gesellschaftliche Obsession« (Psychosozial-Verlag, 2024).