12. Mai 2021
Ein gängiger Vorwurf lautet: Karl Marx’ Blick auf die Gesellschaft war geschlechtsblind und ökonomistisch. Dabei waren seine Analysen zur Sorgearbeit und seine Kritik an der bürgerlichen Familie komplexer als viele glauben.
Das Verhältnis zwischen Marxismus und Feminismus war nicht immer konfliktfrei. Heather Brown zeigt, warum sich die Auseinandersetzung trotzdem lohnt.
Marx hat sich sehr viel gehaltvoller und aufschlussreicher mit Geschlecht und Familie befasst, als üblicherweise anerkannt wird. Er lieferte wichtige Erkenntnisse zu den Geschlechterverhältnissen in seiner eigenen Zeit und betonte die Notwendigkeit einer völligen Umgestaltung der Gesellschaft, die zwangsläufig auch mit neuen Beziehungen zwischen Männern und Frauen verbunden sein müsste (auch wenn einige Aspekte bei ihm problematisch bleiben). Mit dieser Frage beschäftigte er sich bereits in einer seiner frühen Schriften, den »Manuskripten« von 1844, und sie sollte Zeit seines Lebens eine wichtige Rolle in seiner theoretischen Arbeit und bei seinen politischen Aktivitäten spielen.
Es stimmt, dass sich die Überlegungen von Marx zu Geschlecht und Familie nur verstreut in seinen Schriften finden und er keine Theorie der Geschlechterverhältnisse ausgearbeitet hat. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass Marx nicht daran interessiert war, die Geschlechterverhältnisse zu verstehen, oder dass er sexistisch war. Sicherlich finden sich einige problematische Aspekte in seinen Überlegungen zu Geschlecht und Familie, wie zum Beispiel seine ambivalente Position in Bezug auf den sich verändernden moralischen Status von erwerbstätigen Frauen, die möglicherweise eine gewisse viktorianische Sichtweise verrät. Außerdem bleiben seine Aussagen zu einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft recht abstrakt in Bezug auf die Stellung der Frauen.
Trotz dieser und anderer Probleme gibt es jedoch eine Reihe positiver Elemente in seiner Arbeit in Bezug auf Geschlecht und Familie. Erstens erörtert Marx in einigen seiner Schriften wie Die heilige Familie, dem Selbstmord-Aufsatz, den Artikeln für The New York Tribune und Das Kapital familiäre und andere Formen der Unterdrückung, denen Frauen ausgesetzt sind, weil sie Frauen sind. Zweitens entwickelte sich Marx’ Position zu einer Reihe von geschlechtsspezifischen Fragen, einschließlich der des Familienlohns, im Laufe der Zeit weiter, als er sich genauer mit diesen Themen beschäftigte und von Arbeiterinnen lernte, die für ihre eigenen Rechte kämpften. Drittens, und das ist am wichtigsten, bemüht sich Marx, Geschlecht als einen dynamischen Begriff und eine veränderliche Größe zu betrachten, auch wenn er in diesem Punkt manchmal etwas unklar bleibt. So wies er in den »Manuskripten« von 1844 darauf hin, dass sich die Stellung von Frauen (und Männern) ändern kann und sollte.
Viele feministische Wissenschaftlerinnen nehmen tendenziell höchstens einen zwiespältigen Bezug auf Marx und den Marxismus. Einer der wichtigsten Streitpunkte betrifft die Beziehung zwischen Marx und Engels. Die Frage nach den Unterschieden zwischen ihnen wurde zwar in Bezug auf einige andere theoretische Aspekte ausführlich diskutiert, bisher aber noch kaum im Hinblick auf ihre Positionen zu Geschlecht und Familie. Meistens wird davon ausgegangen, dass Marx und Engels sehr ähnliche Positionen zu Geschlecht und Familie vertreten haben, da Engels mit Der Ursprung der Familie ein ganzes Buch hierzu verfasst hat, während es von Marx kein vergleichbares Werk gibt.
Studien von Lukács, Carver und anderen haben auf signifikante Unterschiede zwischen Marx und Engels in Bezug auf die Dialektik und eine Reihe anderer Fragen hingewiesen. Aufbauend auf diesen Arbeiten habe ich die Unterschiede zwischen ihnen auch in Bezug auf Geschlecht und Familie untersucht. Dies ist für aktuelle Debatten von besonderer Bedeutung, da eine Reihe von feministischen Wissenschaftlerinnen Marx und Engels einen ökonomischen Determinismus vorgeworfen haben. Lukács und Carver betonen jedoch, dass gerade in der Frage des ökonomischen Determinismus ein deutlicher Unterschied zwischen Marx und Engels besteht. Sie betrachten Engels als monistischer und szientistischer im Vergleich zu Marx. Dunayevskaya ist eine der wenigen, die zwischen Marx und Engels auch in Bezug auf das Geschlecht einen Unterschied erkennt. Sie bezieht sich ebenfalls auf den monistischeren und deterministischeren Charakter der Position von Engels, der sie die nuanciertere dialektische Analyse der Geschlechterbeziehungen von Marx gegenüberstellt.
Während in den letzten Jahren wenig über Marx’ Schriften zu Geschlecht und Familie diskutiert wurde, waren diese Texte in den 1970er und 1980er Jahren Gegenstand heftiger Debatten. Von feministischen Wissenschaftlerinnen wie Nancy Hartsock und Heidi Hartmann wurden Elemente der marxschen Gesamttheorie mit psychoanalytischen oder anderen Formen feministischer Theorie verbunden, weil diese Wissenschaftlerinnen die marxsche Theorie für grundsätzlich geschlechtsblind hielten und daher nach zusätzlichen Theorien suchten, mit denen auch die Geschlechterverhältnisse verstanden werden könnten. Sie hielten jedoch am historischen Materialismus von Marx als Ausgangspunkt für die Analyse der Produktion fest.
Des Weiteren haben einige marxistische Feministinnen von Ende der 1960er bis in die 1980er Jahre eigene theoretische Beiträge vorgelegt, die insbesondere die politische Ökonomie betrafen. So haben sich beispielsweise Margaret Benston, Mariarosa Dalla Costa, Silvia Federici und Wally Seccombe darum bemüht, der Hausarbeit einen größeren Stellenwert zu geben. Darüber hinaus hat Lise Vogel versucht, über duale Systeme hinaus zu einem einheitlichen Verständnis von politischer Ökonomie und sozialer Reproduktion zu gelangen. Und Nancy Holmstrom hat einen Vorschlag gemacht, wie Marx dazu beitragen kann, die historische Entwicklung des Frauseins zu verstehen.
Allerdings wurde die Theorie der dualen Systeme, die in den 1970er und 1980er Jahren eine weitverbreitete Form des sozialistischen Feminismus war, ab den 1990er Jahren von vielen als ein gescheitertes Projekt betrachtet. Zum einen war der sozialistische Feminismus wahrscheinlich durch den Sturz des Kommunismus in der Sowjetunion und in Osteuropa in die Krise geraten, wie Iris Young schreibt, zum anderen war die Zwei-Systeme-Theorie unzulänglich, weil sie auf zwei sehr unterschiedlichen Gesellschaftstheorien beruhte – die eine betraf die historische Entwicklung der Gesellschaft durch gesellschaftliche, ökonomische und technologischen Veränderungen, während die andere auf einer statischen psychologischen Auffassung vom Wesen des Menschen beruhte. Diese beiden Theorien lassen sich aufgrund ihrer großen Unterschiede nur sehr schwer miteinander verbinden.
»Bereits 1844 hatte Marx in den ›Ökonomisch-philosophischen Manuskripten‹ geschrieben, die Stellung der Frau in der Gesellschaft könne als Maßstab für die Entwicklung der Gesellschaft überhaupt herangezogen werden.«
Die von der Zwei-Systeme-Theorie formulierte Kritik an dem angeblichen Determinismus von Marx, seinen geschlechtsblinden Kategorien und seiner einseitigen Betonung der Produktion auf Kosten der Reproduktion waren für mich jedoch ein Ausgangspunkt, um das Werk von Marx durch eine genaue Textanalyse erneut zu untersuchen – und damit die oben erwähnten Arbeiten der marxistischen Feministinnen zu ergänzen.
Auch wenn sich in den Schriften von Marx Spuren viktorianischer Ideologie finden lassen, enthalten sie immer wieder an einzelnen Stellen interessante Überlegungen zu Geschlecht und Familie. Bereits 1844 hatte Marx in den »Ökonomisch-philosophischen Manuskripten« geschrieben, die Stellung der Frau in der Gesellschaft könne als Maßstab für die Entwicklung der Gesellschaft überhaupt herangezogen werden. Marx war sicherlich nicht der erste, der dies gesagt hatte – Fourier wird oft als seine Quelle genannt –, aber für Marx war es mehr als nur eine Aufforderung an die Männer, die Stellung der Frauen zu verändern.
Wie ich gezeigt habe, entwickelt Marx an diesem Punkt eine dialektische Argumentation, die in direktem Zusammenhang mit seiner allgemeinen Theorie der Gesellschaft steht. Die Gesellschaft könne sich nur über ihre kapitalistische Form hinaus weiterentwickeln, wenn neue soziale Beziehungen geschaffen werden, die nicht mehr auf einer rein instrumentellen Wertschätzung beruhen. Die Menschen müssten in der Lage sein, sich gegenseitig als Selbstzweck und nicht nur als Mittel für andere zu betrachten. Diese Veränderung habe für Frauen eine besondere Bedeutung, da sie in den meisten, wenn nicht sogar allen Gesellschaften eine marginalisierte Gruppe darstellen. Männer und Frauen müssten eine Entwicklungsstufe erreichen, auf der ein Individuum für das geschätzt wird, was es ist, und nicht einer abstrakten Kategorie wie Mann, Frau usw. unterworfen wird.
Darüber hinaus scheint die Argumentation von Marx in die Richtung zu weisen, Geschlecht als eine dynamische und nicht als statische Kategorie zu begreifen. Marx hat dies zwar nie selber so formuliert, aber in den »Manuskripten« von 1844 und in »Die deutsche Ideologie« kritisiert er in eindringlicher Weise den traditionellen Dualismus von Natur und Gesellschaft und schlägt eine alternative Betrachtungsweise vor. Statt Natur und Gesellschaft als zwei getrennte Entitäten zu betrachten, die miteinander interagieren, ohne dabei ihr eigenes Wesen grundlegend zu verändern, sieht Marx beide als dialektisch aufeinander bezogen. Wenn Menschen durch ihre Arbeit mit der Natur interagieren, verändere sich sowohl das Individuum als auch die Natur. Denn der Mensch sei selbst Teil der Natur und durch den Arbeitsprozess stelle er eine temporäre Einheit mit ihr her. Da weder Natur noch Gesellschaft statische Entitäten sind, könne es keine überhistorische Vorstellung von dem geben, was »natürlich« sei. Jeder Begriff des »Natürlichen« habe nur für bestimmte historische Umstände seine Gültigkeit.
Sicher wäre es gefährlich, eine zu enge Parallele zwischen dem Natur-Kultur-Dualismus und dem Mann-Frau-Dualismus zu ziehen, weil damit eben die Kategorien, die wir aufheben wollen, wieder verdinglicht werden könnten. Aber die dialektische Herangehensweise, die Marx in Bezug auf den Natur-Kultur-Dualismus bemüht, zeigt sich auch in den Überlegungen von Marx und Engels zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in »Die deutsche Ideologie«. Hier verweisen sie auf die Arbeitsteilung in der frühen Familie als etwas, das nicht völlig »natürlich« sei. In ihrer knappen Darstellung der Geschichte der Familie betonen sie, dass diese geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nur für sehr unterentwickelte Produktionsverhältnisse »natürlich« sei, unter denen es den Frauen aus biologischen Gründen nicht möglich wäre, bestimmte körperlich anstrengende Arbeiten auszuführen. Damit ist implizit gesagt, dass die vermeintliche Unterlegenheit der Frauen in diesen Gesellschaften historisch bedingt ist und mit der Veränderung der Gesellschaft überwunden werden kann. Da dieses Verhältnis ein soziales Element enthält, bedarf es außerdem mehr als nur einer technologischen Weiterentwicklung: Die Frauen müssen selber daran arbeiten, ihre Situation zu verändern.
An mindestens zwei weiteren Stellen in seinen Frühschriften geht Marx auf die Stellung der Frau in der kapitalistischen Gesellschaft ein. In Die heilige Familie kritisiert Marx Eugène Sues moralistischen Kommentar zur fiktiven Pariser Prostituierten Fleur de Marie in Die Geheimnisse von Paris. In diesem Roman wird Fleur de Marie von einem deutschen Prinzen aus der Armut und ihrem Leben als Prostituierte »gerettet«. Er vertraut sie der Obhut einer Ordensfrau und eines Priesters an, die sie beide über die Unmoral ihres Verhaltens belehren. Schließlich tritt sie in ein Nonnenkloster ein und stirbt bald darauf.
Marx kritisiert an Sue, dass er unkritisch die katholische Soziallehre übernimmt, die eine abstrakte Form von Moralität predigt, die sich eigentlich nie erreichen lässt. Die Menschen seien keine rein geistigen Wesen, die ihre körperlichen Bedürfnisse ignorieren können. Für jemanden wie Fleur de Marie sei dies besonders relevant, da sie außer der Prostitution keine anderen Möglichkeiten habe, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Priester weise Marie jedoch nur auf ihren moralischen Verfall hin und rede ihr Schuldgefühle ein, obwohl sie kaum eine Wahl habe. Marx zeigt in diesem Text viel Sympathie mit den in Not geratenen Frauen aus der Arbeiterklasse und kritisiert die Einseitigkeit des Christentums, das der reinen Körperlichkeit eine überhöhte reine Geistigkeit entgegenstellt.
Während Kritikerinnen wie Claudia Leeb meinen, Marx wolle dem Körper auf Kosten des Geistes einen Vorrang einräumen, habe ich gezeigt, dass mehr dafür spricht, dass er Geist und Körper als eine dialektische Einheit zu fassen versuchte. Am kritischsten betrachtet Marx die einseitige Konzentration des Christentums auf eine bestimmte Form des Geistes, die den Körper degradiert. Obwohl die Situation von Fleur de Marie zu Beginn des Romans bei Weitem nicht perfekt war, da sie kaum Einfluss auf ihre Lage hatte, litt sie unter dem Leben im Kloster noch mehr, weil sie für etwas büßen sollte, für das sie nicht verantwortlich war und das sie nicht habe ändern können.
»Marx kritisiert den repressiven Charakter der Familie in ihrer bürgerlichen Form. Sie müsse grundlegend verändert werden, wenn eine bessere Gesellschaft entstehen soll.«
Marx beschränkte seine Kritik an der konkreten Situation der Frauen im Kapitalismus jedoch nicht auf die Frauen aus der Arbeiterklasse. In seinem Aufsatz von 1846 mit der Übersetzung von Peuchets Text über den Selbstmord thematisiert Marx die familiäre Unterdrückung innerhalb der Oberschicht. In drei der vier Fälle, die Marx diskutiert, geht es um den Selbstmord von Frauen aufgrund familiärer Unterdrückung. In einem Fall nahm sich eine verheiratete Frau unter anderem deswegen das Leben, weil ihr eifersüchtiger Ehemann sie in der Wohnung einschloss und sie körperlich und sexuell missbrauchte. Im zweiten Fall ging es um eine verlobte Frau, die die Nacht im Haus ihres Verlobten verbracht hatte. Als sie nach Hause zurückkehrte, wurde sie von ihren Eltern öffentlich gedemütigt, und ertränkte sich später. Der letzte Fall betraf eine junge Frau, die nach einer Affäre mit dem Ehemann ihrer Tante keine Möglichkeit fand, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
An mehreren Stellen zeigt Marx sein großes Mitgefühl für die Notlage dieser Frauen, indem er bestimmte Passagen aus Peuchet hervorhebt und verstohlen seine eigenen Kommentare hinzufügt. Wenn Marx die folgende Aussage von Peuchet unterstreicht, betont er damit die Notwendigkeit einer völligen Umgestaltung der bürgerlichen Familie: »Die Revolution hat nicht alle Tyranneien gestürzt; die Übel, die man den willkürlichen Gewalten vorgeworfen hat, bestehen in den Familien; sie verursachen hier Krisen, analog denen der Revolutionen.« Auf diese Weise kritisiert Marx den repressiven Charakter der Familie in ihrer bürgerlichen Form. Sie müsse grundlegend verändert werden, wenn eine bessere Gesellschaft entstehen soll.
Im Kommunistischen Manifest kommen Marx und Engels auf die Kritik an der bürgerlichen Familie zurück und schreiben, die Familie in ihrer bürgerlichen Form, die hauptsächlich auf der Verwaltung und Übertragung von Eigentum beruhe, befinde sich bereits in einem Zustand der Auflösung. Unter den Proletariern seien die materiellen Bedingungen, die zu dieser Form der Familie geführt hatten, bereits verschwunden, weil sie über kein Eigentum verfügen, das sie ihren Kindern vermachen können. Sie mögen einmal kleine Subsistenzbauern gewesen sein, aber weil sie auf verschiedene Weise von ihrem Land enteignet wurden, mussten sie in die Städte ziehen und in Fabriken arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da die Väter ihren Kindern kein Eigentum vererben können und zu Lebzeiten nicht mehr die Arbeitskraft der Familienmitglieder kontrollieren können, sei ihre Macht erheblich geschmälert worden, was die Entstehung einer anderen Form von Familie andeute. Marx und Engels gehen jedoch nicht näher darauf ein, wie diese aussehen könnte.
Obwohl das Kapital der Kritik der politischen Ökonomie gewidmet ist, findet sich in diesem Werk einiges an Material zu Geschlecht und Familie. Marx kommt hier wieder auf das zu sprechen, was er im Kommunistischen Manifest als die Aufhebung der Familie bezeichnet hatte, und konkretisiert es. Mit der Einführung von Maschinen in den Fabriken, die weniger körperlich anstrengende Arbeit erforderlich machen, seien auch Frauen und Kinder zu wichtigen Teilen der Arbeiterklasse geworden. Für das Kapital seien diese Arbeiterinnen besonders interessant, da sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen Unterdrückung gezwungen werden können, für einen geringeren Lohn zu arbeiten.
Eine Reihe anderer Passagen im Kapital veranschaulicht, dass Marx die Stellung der Frauen in der Produktion sehr viel nuancierter betrachtete, als die meisten Feministinnen annehmen. Mit ihrer Erwerbstätigkeit hätten die Frauen, schreibt Marx, potenziell Macht in ihrem Privatleben gewonnen, da sie damit finanziell zum Wohl der Familie beitrugen und für einen Großteil des Tages nicht mehr unter der direkten Kontrolle ihrer Ehemänner oder Väter standen. Dies habe sich in erheblichem Maße auf die Familie ausgewirkt. Marx weist hier auf die beiden Seiten dieser Entwicklung hin. Einerseits hätten die langen Arbeitszeiten und die Nachtarbeit die traditionellen Familienstrukturen tendenziell zersetzt, da die Frauen durch ihre Arbeit gewissermaßen »vermännlicht« wurden und oft nicht mehr in der Lage waren, sich in dem Umfang wie früher um ihre Kinder zu kümmern. Andererseits stellt Marx in einer späteren Passage fest, dass diese scheinbare »charakterliche Entartung« in die entgegengesetzte Richtung führen könne – hin zu einer »höheren Form der Familie«, in der die Frauen den Männern wirklich gleichgestellt wären.
Auch wenn Marx’ Auseinandersetzung mit der Unterdrückung von weiblichen Arbeiterinnen an manchen Stellen etwas zu kurz kommt, ist hier seine deutliche Kritik am Begriff der produktiven Arbeit im Kapitalismus zu beachten, die er im ersten Band des Kapitals und den früheren Entwürfen zum Kapital formuliert. Er unterscheidet klar zwischen dem, was im Kapitalismus als produktive Arbeit gilt, und dem, was produktive Arbeit im Allgemeinen ist. Erstere beruht auf einem einseitigen Verständnis von Produktivität, bei dem der einzig relevante Faktor die Produktion von Mehrwert für den Kapitalisten ist. Der zweite Begriff der produktiven Arbeit bezieht sich hingegen auf die Herstellung von Gebrauchswerten. Der Wert dieser Arbeit besteht darin, dass sie etwas produziert, was von Einzelnen oder der Gesellschaft genutzt werden kann. Damit ist zumindest eine gewisse theoretische Grundlage geschaffen, um die traditionell den Frauen zugeschriebenen Arbeiten stärker zu berücksichtigen, wozu Marx selbst allerdings kaum etwas geschrieben hat.
»Nicht allein die Arbeiterklasse sei zur Revolution fähig. Auch die Bauern und insbesondere die Frauen wurden in der Theorie von Marx zu wichtigen Kräften der gesellschaftlichen Veränderung.«
Die politischen Schriften von Marx lassen erkennen, wie sich seine Position im Laufe der Zeit verändert hat. Seine theoretischen Erkenntnisse fließen oft in seine politischen Aktivitäten ein. In einem frühen politischen Artikel, der den Streik im englischen Preston 1853–1854 behandelt, bezieht er sich relativ unkritisch auf die Forderung der Arbeiterinnen nach einem Familienlohn für die Männer. Marx hat diese Forderung zwar nie explizit kritisiert, aber er scheint seine Position in dieser Frage geändert zu haben, da er sich in den 1860er Jahren dafür einsetzte, Frauen gleichberechtigt mit den Männern in die Erste Internationale aufzunehmen.
Später hat sich Marx positiv auf die Forderungen der arbeitenden Frauen während und nach der Pariser Kommune bezogen. Besonders deutlich wird dies im »Programm der Parti Ouvrier« von 1880, das Marx, Lafargue und Guesde zusammen geschrieben haben. In der von Marx allein verfassten Präambel heißt es einleitend, »dass die Emanzipation der Klasse der Produzenten alle Menschen, ohne Unterschied von Geschlecht und Rasse, umfasst«. Dies war besonders in Frankreich eine deutliche Aussage, weil unter den dortigen Sozialisten die ziemlich sexistische proudhonistische Tradition vorherrschend war.
Auch in seinen Artikeln für die New York Tribune von 1858 kommt Marx wieder auf die Stellung der Frauen der Oberschicht in der kapitalistischen Gesellschaft zu sprechen. In zwei Artikeln für die Tribune berichtet Marx von der Unterbringung einer aristokratischen Frau in einem Irrenhaus, um sie zum Schweigen zu bringen und daran zu hindern, ihren politisch einflussreichen Ehemann weiter in Verlegenheit zu bringen. Marx kritisiert alle, die an der Inhaftierung von Lady Bulwer-Lytton beteiligt waren, und weist nach, dass sie keineswegs verrückt war. Marx geht zwar nicht darauf ein, wie insbesondere Frauen oft zu Unrecht eingesperrt werden, um sie kontrollieren zu können, aber er prangert die Leichtigkeit an, mit der Menschen unabhängig von ihrem tatsächlichen psychischen Zustand weggesperrt werden können, wenn die Antragsteller wohlhabend und mächtig genug sind, um Ärzte zu Gefälligkeitsgutachten bewegen zu können. Außerdem stellt er sich klar auf die Seite von Lady Bulwer-Lytton, die mit einer Vereinbarung dazu gezwungen wurde, nie wieder über den Vorfall zu sprechen, wenn sie ihre Freiheit behalten wollte.
Wie ich zu zeigen versucht habe, gehörten die letzten Jahre im Leben von Marx, 1879–1883, zu einer der theoretisch interessantesten Perioden, insbesondere in Bezug auf seine Auseinandersetzung mit Geschlecht und Familie. In seinen Forschungsheften sowie in Briefen und veröffentlichten Schriften begann er, ein weniger deterministisches Modell der sozialen Entwicklung zu formulieren. Es könne zuerst in den weniger entwickelten Gesellschaften zu Revolutionen kommen, denen dann Revolutionen in den fortgeschritteneren Staaten folgen müssten. Wichtiger für diese Studie war jedoch, dass Marx neue historische Subjekte in seiner Theorie berücksichtigte. Nicht allein die Arbeiterklasse als eine abstrakte Größe sei zur Revolution fähig. Auch die Bauern und insbesondere die Frauen wurden in der Theorie von Marx zu wichtigen Kräften der gesellschaftlichen Veränderung. Diese Exzerpthefte geben, wenn auch fragmentarisch, einige Hinweise darauf, wie Marx Frauen als Subjekte im historischen Prozess sah.
Besonders wichtig sind die Exzerpte von Marx aus Morgan, da sie einen direkten Vergleich mit Engels’ Schrift Der Ursprung der Familie ermöglichen, von der Engels behauptet, sie gebe relativ genau wieder, wie Marx das Buch von Morgan Die Urgesellschaft interpretiert habe. Im Gegensatz dazu habe ich auf deutliche Unterschiede hingewiesen. Insbesondere zeigt sich bei Marx ein weniger deterministisches Verständnis der gesellschaftlichen Entwicklung und eine dialektischere Auffassung von den Widersprüchen innerhalb des relativ egalitären Clans.
Während Engels dazu neigte, sich fast ausschließlich und einseitig auf den ökonomischen und technologischen Wandel als Faktoren der gesellschaftlichen Entwicklung zu konzentrieren, verfolgte Marx einen stärker dialektischen Ansatz, für den die gesellschaftlichen Organisationsformen nicht nur einen subjektiven Faktor darstellen, sondern unter bestimmten Bedingungen auch zu einem objektiven Faktor werden können. Diese theoretische Differenz ist besonders wichtig, um die Unterschiede zwischen Marx und Engels in Bezug auf die Geschlechterunterdrückung zu verstehen. Engels behauptet, die Entwicklung der landwirtschaftlichen Technologie, des Privateigentums und der darauf folgende Übergang des Clans vom Mutterrecht zum Vaterrecht hätten zu einer »weltgeschichtlichen Niederlage des weiblichen Geschlechts« geführt und die Frauen könnten ihrer damit durchgesetzten Unterwerfung erst mit der Abschaffung des Privateigentums wieder entkommen.
»Marx scheint die Familie ähnlich dialektisch zu begreifen wie andere Bereiche der Gesellschaft.«
Im Gegensatz dazu stellt Marx nicht nur die untergeordnete Stellung der Frau fest, sondern sieht selbst unter den Bedingungen des Privateigentums Möglichkeiten der Veränderung, wenn er zum Beispiel auf die Bedeutung der griechischen Göttinnen hinweist. Obwohl die altgriechische Gesellschaft Frauen in extremer Weise unterdrückte und in gesonderte Bereiche des Hauses verbannte, hätten die griechischen Göttinnen möglicherweise ein alternatives Modell für die Frauen dargestellt. Ebenso verweist Marx in seinen Exzerptheften auf die Besserstellung der Frauen aus der antiken römischen Oberschicht im Vergleich zu den Frauen in Griechenland. In seiner Darstellung der frühen egalitären Gesellschaften beachtet Marx nuancierter und dialektischer das Auftauchen von ersten Widersprüchen. Wie im fünften Kapitel gezeigt wurde, überzeichnet Engels das Bild von relativ egalitären kommunalen Gesellschaften, in denen es keine nennenswerten Widersprüche, insbesondere im Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse, gegeben habe. Marx wies hingegen auf die Einschränkungen der Rechte von Frauen in der gemeinschaftlichen Irokesengesellschaft hin.
Während Engels in Der Ursprung der Familie nur auf Marx’ Exzerpte aus Morgan zurückgreift, enthalten die Hefte von Marx zur Ethnologie noch eine Reihe weiterer Quellen. In seinen Exzerpten aus Henry Sumner Maines Lectures on the Early History of Institutions und Ludwig Langes Römische Alterthümer finden sich ebenfalls wichtige Überlegungen zu Geschlecht und Familie in vorkapitalistischen Gesellschaften, insbesondere in Irland, Indien und Rom. An seinen Exzerpten aus beiden Büchern wird sichtbar, dass Marx sich Morgans Theorie über die Entwicklung des Clans bereits weitgehend angeeignet hatte. Seine Auszüge aus Maine enthalten zwar sehr viel mehr eigene kritische Kommentare als die Exzerpte aus Lange, aber beiden Autoren wirft Marx vor, dass sie unhinterfragt davon ausgehen, die patriarchale Familie sei die erste gesellschaftliche Organisationsform gewesen.
Diese Kritik ist besonders wichtig, weil sie tendenziell darauf verweist, die Familie in ihrer historischen Entwicklung zu begreifen. In den Exzerpten aus Maine, Lange wie auch Morgan verfolgt Marx, welche Widersprüche in jeder Form der Familie vorhanden sind und wie sich diese Widersprüche verschärfen und zu bedeutenden Veränderungen in der Struktur der Familie führen. Damit scheint Marx die Familie ähnlich dialektisch zu begreifen wie andere Bereiche der Gesellschaft.
Historisch gesehen war die Beziehung des Marxismus zum Feminismus bestenfalls prekär, was auch daran lag, dass sich viele Marxisten kaum mit Geschlecht und traditionellen Frauenfragen befasst hatten. Und wenn die Fragen von Geschlecht und Familie überhaupt von Marxisten aufgegriffen wurden, folgten deren Studien eher dem ökonomischen Determinismus von Engels. Wie ich jedoch dargelegt habe, weist die Arbeit von Marx zu Geschlecht und Familie erhebliche Unterschiede zu dieser Art von Determinismus auf. Trotzdem bleiben wichtige Fragen hinsichtlich des möglichen Werts seiner Überlegungen offen: Was, wenn überhaupt etwas, hat Marx den zeitgenössischen feministischen Debatten zu bieten? Besteht die Möglichkeit eines marxistischen Feminismus, der bei der Analyse der heutigen kapitalistischen Gesellschaft nicht in einen ökonomischen Determinismus oder eine Privilegierung von Klasse gegenüber Geschlecht verfallen würde?
Diese Arbeit kann nur einige sehr vorläufige Antworten auf diese Fragen geben. Ich habe jedoch ausgeführt, dass es eine Reihe von möglichen Ansatzpunkten für eine weniger deterministische und weniger geschlechtsblinde Form des Marxismus gibt. Gewiss, Marx’ Überlegungen zu Geschlecht und Familie sind gelegentlich von viktorianischer Moral beeinflusst; wie ich aber zeigen konnte, ist dies kein Fehler, der sich zwangsläufig aus seiner Theorie ergibt. In einer Reihe von Bereichen bietet die Gesellschaftstheorie von Marx die Möglichkeit, feministische Einsichten in den Marxismus einzubeziehen, um eine einheitliche Theorie der Geschlechter- und Klassenunterdrückung zu formulieren, die keiner dieser beiden Dimensionen den Vorrang vor der anderen einräumt.
Einer der wichtigsten Aspekte der Arbeit von Marx für das Verständnis von Geschlecht und Familie ist seine dialektische Methode. Wie ich erläutert habe, stammen die Kategorien von Marx in den meisten Fällen aus einer dialektischen Analyse der empirischen Welt. Diese Kategorien sind dynamisch und basieren auf sozialen Beziehungen und nicht auf statischen ahistorischen Aussagen. Daher können sich diese Kategorien verändern, wenn sich die Gesellschaft ändert.
»Marx hat zwar nicht viel über Geschlecht geschrieben, aber die Geschlechterverhältnisse waren für ihn ein wesentliches Moment, um Arbeitsteilung, Produktion und die gesellschaftlichen Verhältnisse im Allgemeinen verstehen zu können.«
Dieser dialektische Ansatz könnte eine Bereicherung für den Feminismus sein. Marx hat sich nie direkt mit geschlechtsspezifischen Dualismen und Kategorien befasst, aber seine Theorie bietet einen gewissen Spielraum, um die Veränderlichkeit dieser Kategorien zu denken. Dies gilt insbesondere für die beiden Dualismen von Natur und Kultur und von Produktion und Reproduktion. In beiden Fällen weist Marx auf den historischen und transitorischen Charakter dieser Gegenüberstellungen hin. Natur und Kultur sind keine absoluten Gegensätze, sondern Momente eines Ganzen. Die Arbeit als überlebensnotwendige Tätigkeit vermittelt die Beziehung der Menschen zur Natur auf ganz spezifische Weise, ausgehend von der jeweiligen Produktionsweise. In Bezug auf den Dualismus von Produktion und Reproduktion betont Marx in der Regel, dass beide Bereiche für die Menschheit notwendig sind, aber je nach der technologischen und sozialen Entwicklung der betreffenden Gesellschaft unterschiedliche Formen annehmen.
In beiden Fällen weist Marx auf zwei verschiedene Aspekte dieser Kategorien hin – ihre historisch spezifischen Elemente und ihre abstrakteren Merkmale, die in jeder Gesellschaft existieren. Im Hinblick auf das Verständnis des Verhältnisses von Frauen zu diesen Dualismen wäre es daher im Rahmen des marxschen Denkens logisch, der Biologie eine gewisse Bedeutung einzuräumen. Aber das Biologische kann nicht als solches und außerhalb der sozialen Beziehungen einer bestimmten Gesellschaft betrachtet werden. Diese Herangehensweise könnte dazu beitragen, die biologistische und deterministische Argumentation einiger radikaler und sozialistischer Feministinnen – die die »Natur der Frau« essenzialisieren – zu vermeiden, ohne in einen Relativismus zu verfallen, der die Welt im Unterschied zu Marx als etwas vollständig sozial Konstruiertes betrachtet. Biologie und Natur sind wichtige Variablen, wenn sie in ihrer gesellschaftlichen Vermittlung berücksichtigt werden.
Dieser Ansatz ist auch aus einem anderen Grund wichtig. Marx geht in seiner Theorie zwar kaum darauf ein, warum die Geschlechterverhältnisse ein wichtiges Moment in der Analyse des Kapitalismus sind, aber seine Kategorien weisen in die Richtung einer systematischen Kritik des Patriarchats, wie es sich im Kapitalismus manifestiert. Denn mit ihnen lassen sich die historisch spezifischen Elemente des Patriarchats von einer allgemeineren Form der Frauenunterdrückung unterscheiden, wie sie während eines Großteils der Menschheitsgeschichte existiert hat. In diesem Sinne bieten seine Kategorien Ressourcen für die feministische Theorie oder zumindest Bereiche für einen neuen Dialog zu einer Zeit, in der Marx’ Kritik am Kapital wieder in den Vordergrund rückt.
Außer seiner Betonung der gesellschaftlichen Vermittlung und seinem Interesse an der Spezifik bestimmter Gesellschaftssysteme habe ich noch hervorgehoben, dass Marx keinen strikten ökonomischen Determinismus vertreten hat. Sicherlich hat er ökonomischen Faktoren eine sehr wichtige Rolle zugeschrieben, weil sie andere soziale Verhaltensweisen bedingen. Aber Marx war in vielen Fällen sehr bemüht, die reziproke, dialektische Beziehung zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Faktoren zu beachten. Wie Natur und Kultur oder Produktion und Reproduktion sind ökonomische Aktivitäten und gesellschaftliche Aktivitäten dialektische Momente des Ganzen einer bestimmten Produktionsweise. Letztlich lassen sich beide Seiten nicht völlig voneinander trennen, wie Marx in seinem »Selbstmord«-Aufsatz und in den Artikeln für die New York Tribune veranschaulicht, indem er darauf hinweist, wie die ökonomischen Verhältnisse und die spezifisch kapitalistische Form des Patriarchats zusammenwirken, um die Frauen zu unterdrücken. Auf diese Weise begann Marx hier und in anderen Schriften, sich zumindest zögerlich mit dem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Klasse und Geschlecht auseinanderzusetzen, ohne in seiner Analyse eine der beiden Momente grundsätzlich zu privilegieren.
Ich habe größere und kleinere Schriften von Marx untersucht und kritisiert, um systematisch zu ergründen, wie er Geschlecht und Familie theoretisch analysiert. Obwohl nicht alle von ihm behandelten Aspekte zu diesen Fragen noch heute von Interesse sind und einigen seiner Schriften die Grenzen des Denkens des 19. Jahrhunderts anzumerken sind, bieten diese Texte wichtige Einsichten zu Geschlecht und politischer Theorie. Marx hat zwar nicht viel über Geschlecht geschrieben und keine systematische Theorie von Geschlecht und Familie entwickelt, aber die Geschlechterverhältnisse waren für ihn ein wesentliches Moment, um Arbeitsteilung, Produktion und die gesellschaftlichen Verhältnisse im Allgemeinen verstehen zu können.
Wie ich gezeigt habe, bezieht sich Marx dabei auf weit mehr als nur die Erwerbstätigkeit von Frauen als Fabrikarbeiterinnen. Er verwies auf das Fortbestehen der Unterdrückung in der bürgerlichen Familie und sah die Notwendigkeit, eine neue Form der Familie zu entwickeln. Außerdem brachten ihn seine Studien zum Kapitalismus und seine Wahrnehmung der wichtigen Rolle von Frauen bei solchen herausragenden Ereignissen wie der Pariser Kommune von 1871 dazu, zunehmend die Forderungen der Frauen nach Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, in den Gewerkschaften und in der Internationale zu unterstützen. Trotz ihres unausgearbeiteten und fragmentarischen Charakters sind Marx’ Anmerkungen zur Ethnologie von besonderer Bedeutung, da er in seinen Exzerpten aus Morgan, Maine und Lange ganz explizit auf den historischen Charakter der Familie verweist. Und Marx’ Gebrauch der Dialektik stellt einen wichtigen methodologischen Beitrag zum Feminismus und zur Sozialforschung im Allgemeinen dar, weil er mit ihr Geschlecht nicht als einen statischen Begriff, sondern als eine sich entwickelnde und verändernde Kategorie zu begreifen scheint.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus »Geschlecht und Familie bei Marx« von Heather Brown (Karl Dietz Verlag Berlin, 2021).
Heather Brown ist Assistenzprofessorin für Politikwissenschaft an der Westfield State University, Massachusetts. Neben dieser deutschsprachigen Ausgabe wurde ihr Buch »Marx on Gender and the Family« noch ins Türkische und Persische übersetzt.