06. Juli 2022
Emma Chambers wollte in ihrer Starbucks-Filiale in LA eine Gewerkschaft gründen. Ihr wurde gekündigt, sie verlor ihre Wohnung und ihre Krankenversicherung. Trotzdem würde sie es wieder tun – für sich, für ihre Kollegen und für die arbeitende Klasse.
Emma Chambers und einige ihrer Kollegen wurden in der Woche der Gewerkschaftswahl gefeuert.
Innerhalb weniger Monate ist die Zahl der gewerkschaftlich organisierten Starbucks-Filialen in den USA von null auf über 160 gestiegen – und die Zahl wächst weiter. Starbucks reagierte mit aggressivem und illegalem Union Busting. Emma Chambers, 22 Jahre alt, kommt aus dem kalifornischen San Fernando Valley und arbeitete in einer Starbucks-Filiale in Los Angeles. Emma und ihre Kolleginnen und Kollegen hatten sich für eine Gewerkschaftsgründung eingesetzt und wurden deswegen entlassen. Die Folgen belasteten ihr Leben sehr, weshalb sie beim National Labor Relations Board (NLRB) Klage gegen das Unternehmen eingereicht hat.
Emma hat ihre Wohnung verloren, ihren Therapieplatz und konnte nicht mehr an Uni-Seminaren teilnehmen. Momentan weiß sie nicht einmal, ob sie aufgrund der Kündigung Arbeitslosengeld erhalten wird. Trotzdem würde sie es wieder tun, sagt sie selbst. JACOBIN hat mit ihr über ihre Erfahrungen im Kampf gegen den Megakonzern gesprochen.
Wie bist Du zu Starbucks gekommen?
Starbucks war mein erster Job überhaupt. Ich habe mich für Starbucks entschieden, weil sie die Gebühren für das Studium übernehmen, und ich einen Abschluss als psychologische Beraterin machen wollte. Ich arbeitete zwei Jahre und zwei Monate lang dort, und ich habe es wirklich geliebt; in den ersten drei Monaten wurde ich sogar Gesellschafterin des Ladens hier. Aber dann bin ich umgezogen und im Laden an der Fernstraße Interstate 5 gelandet. Dort wurde ich mir dann schließlich gekündigt.
Ich bin also von einem winzigen Starbucks-Café in Burbank zu einer der größten Filialen in den USA gewechselt. Das ist ein Drive-Through-Laden – es wirklich viel los. Ich hatte nicht einmal eine richtige Ausbildung und musste zum ersten Mal nachts arbeiten. Ich habe jeden Tag nach der Arbeit geweint, weil es so schwierig war.
Was hat die Arbeit dort so schwer gemacht?
Das schnelle Tempo im Drive-in: Der Laden macht normalerweise 90.000 Dollar pro Woche bei einem Lohn von etwa 17 Dollar pro Stunde. Ich wurde genauso bezahlt wie in meiner alten Filiale, aber jetzt hatte ich dreimal so viel zu tun. Ich fühlte mich erschöpft; ich habe es kaum geschafft, nach der Arbeit noch zur Uni gehen.
Außerdem gab es in der Filiale eine Menge Sicherheitsprobleme, die nicht gut gelöst wurden. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, wenn jemand eine Überdosis nimmt oder wir jeden Tag beschimpft werden. Einmal hat jemand versucht, mich zu überfahren, ein anderes Mal ist ein Mann mit einer Pistole in den Drive-in gekommen. Einmal kam ein Typ in einem Joker-Kostüm auf uns zu, mit einem Schachtelteufel in der Hand. Er hat uns einfach angestarrt. Das war schon verstörend.
Deine Arbeitsbedingungen waren also eine Zumutung. Was hat Dich dazu bewegt, dann eine Gewerkschaft gründen zu wollen?
Ich habe von Gewerkschaftsgründungen gehört, weil mein Freund mir immer wieder sagte: »Du solltest Dich gewerkschaftlich organisieren«. Eines Tages dachte ich: »Vielleicht sollte ich das wirklich tun.« Ich fing an, mit den Leuten zu sprechen, mit denen ich an diesem Abend gearbeitet hatte, weil ich ihnen sehr nahe stand, und fragte sie, was sie davon halten würden. Am Ende habe ich mit fast allen gesprochen, und wenn nicht ich mit ihnen gesprochen habe, hat es jemand anderes getan. Ich beschrieb, was eine Gewerkschaft ist, und erzählte meinen Kolleginnen und Kollegen dann, was wir mit einer Gewerkschaft erreichen könnten: Das reichte von Lohnerhöhungen bis hin zu so kleinen Dingen wie der Musik, die wir im Laden hörten.
Als die Mehrheit zustimmte, habe ich Starbucks Workers United auf Twitter angeschrieben. Ich besorgte die Stimmzettel für eine Gewerkschaftsgründung, verteilte sie und ließ die Leute direkt unterschreiben, weil ich weiß, dass die Leute sie sonst wahrscheinlich mit nach Hause nehmen und dann einfach vergessen würden. Sobald die Stimmzettel verteilt waren, ging es super schnell. Wir haben die Wahlunterlagen in der folgenden Woche eingereicht.
Wie hat die Geschäftsführung reagiert?
Wir hatten diese furchtbare Managerin, die mit ein Grund dafür war, dass sich alle gewerkschaftlich organisieren wollten. Kurz bevor wir die Wahl einreichten, wurde sie krank und wir haben nie wieder etwas von ihr gehört.
Dann gab es da noch den stellvertretenden Manager, der mich auch in diesem Laden eingestellt hat. Er rief mich an und sagte: »Ich werde mit jedem in der Filiale ein persönliches Gespräch führen, um zu verstehen, wo jeder so steht.« Wir dachten sofort: »Oh mein Gott, will er die Gewerkschaft sofort wieder auflösen? Ich habe das Gefühl, das geht gegen die Gewerkschaft«, aber wir wussten es nicht genau. Wir mochten ihn, wir wollten darauf vertrauen, dass das nicht der Fall war. Gleichzeitig wollten wir auch nicht naiv sein und uns einfach zurücklehnen. Wenn ich mir jetzt einige Dinge, die passiert sind, vor Augen führe, wird mir rückblickend klar: Das war definitiv Union Busting.
Er sagte uns jedenfalls, dass er einen neutralen Arbeitsplatz erhalten wollte, also stimmten wir zu. Das war fatal.
Und dann wurdest Du gefeuert.
Genau in der Woche, in der unsere Wahlen zur Gründung stattfanden, wurden vier von uns entlassen – ich, die beiden anderen Gründerinnen der Gewerkschaft und ein Kollege, der auch sich auch für eine Gewerkschaft ausgesprochen hatte.
Ich wurde mit der Begründung entlassen, ich hätte die Leute angewiesen, Tassen zu stehlen. Es ging also nicht darum, dass ich selbst gestohlen hätte, sondern dass ich die Mitarbeitenden dazu angestachelt hätte. Dabei gibt Aufnahmen, auf denen zu sehen ist, wie die Kolleginnen und Kollegen für diese Becher bezahlen. Sie beschuldigten mich auch, einen Saft genommen zu haben und das nicht vermerkt zu haben. Sie baten mich, eine Erklärung zu schreiben, doch ich sagte, dass es ein Missverständnis gab.
Dann wurde ich von jemand anderem gefeuert. Ich wusste es bereits den ganzen Tag. Mein Bezirksleiter hatte ein Papier mit der Entlassungsmitteilung, und darin war auch meine Erklärung enthalten – aber in umformulierter Fassung! Mein Vorgesetzter wiederholte mir gegenüber immer wieder: »Das ist eine Entscheidung, die Sie selbst getroffen haben.« Es ist so frustrierend, wenn jemand einfach dasitzt und einem etwas unterschiebt, das man nicht getan hat. Wir hatten mit dem Unternehmen zuvor keine Probleme, unsere Unterlagen waren völlig sauber, es gab keinerlei Beschwerden.
Ich verlor dadurch meine Lebensgrundlage. Ich hatte eine Gehaltserhöhung bekommen und wollte in eine neue Wohnung ziehen, und jetzt lebe ich bei jemandem auf der Couch. Ich habe meinen Therapieplatz über Starbucks bekommen, also konnte ich meinen Therapeuten, zu dem ich seit zwei Jahren gehe, nicht mehr aufsuchen. Ich habe ein schlechtes Zeugnis, weil ich einen Kurs nicht beenden konnte. Die Person, die mich gefeuert hat, war ursprünglich meine Referenz gewesen. Und weil mir wegen Diebstahls gekündigt wurde, bekomme ich nun vielleicht kein Arbeitslosengeld.
Und was ist jetzt der Stand in der Filiale?
Sie haben die Wahl tatsächlich zurückgezogen. Mein Gewerkschaftsvertreter fragte mich, ob ich glaube, dass die Leute mit »Ja« stimmen werden. Und ich glaubte das tatsächlich nicht. Wenn in der Woche der Abstimmung vier Leute an einem Tag entlassen wurden, reicht das, um den Leuten Angst zu machen. Ich wünschte mir, die Leute hätten noch die Möglichkeit gehabt, abzustimmen. Gleichzeitig hasste ich die Vorstellung, dass unsere Niederlage für Starbucks eine Genugtuung ist.
Aber die Sache ist für Dich noch nicht erledigt.
Nein, nein. Mein Anwalt hat eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde (NLRB) eingereicht. Ich werde weiterhin für Gerechtigkeit kämpfen, aber ihr Wort steht gegen meines. Ich kann selbst kaum glauben, dass ich gegen die Behauptungen eines Unternehmens ankämpfe.
Warum kannst Du mit der Sache nicht abschließen?
Die Möglichkeit, wieder einen Job zu bekommen, ist für mich Grund genug, zu klagen. Aber ich fühle mich auch hintergangen: Es frustriert mich, dass Starbucks einfach so davon kommt. Ich habe mir für diesen Konzern den Arsch aufgerissen. Wir haben den Laden geschmissen. Jetzt werde ich einfach so fallen gelassen, nur weil ich ein bisschen mehr für mich einfordere. Für mich ist das Grund genug, weiter zu kämpfen.
Du würdest es trotz allem also wieder tun?
Schon allein der Versuch, den Laden gewerkschaftlich zu organisieren, war eine echte Erfahrung – Teil eines größeren Aufstandes zu sein, den Kampf für die Arbeiterklasse ein wenig voranzubringen und sich gegen die Konzerne zu stellen, um das zu bekommen, was einem zusteht. Ich würde heute nichts anders machen. Das ist für mich Grund genug, es immer und immer wieder zu tun.
Wir sollten uns nicht davor zurückschrecken, auch am Verhandlungstisch zu sitzen, um für die Dinge einzutreten, die wir brauchen. Du bist diejenige, die die Arbeit erledigt, also solltest Du darüber mitbestimmen können, was an Deinem Arbeitsplatz passiert – und nicht irgendwelche Business-Typen, die noch nie in ihrem Leben einen Kaffee gekocht haben. Solange wir uns gegenseitig inspirieren und zusammenarbeiten, können sie uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht aufhalten. Denn wir sind viele und in der Chefetage sitzen nur eine Handvoll Leute.
Emma Chambers ist Barista bei Starbucks.
Will Shattuc ist Mitglieder der Lehrergewerkschaft und der Democratic Socialist of America (DSA) in Los Angeles.
Emma Chambers ist Barista bei Starbucks.