08. Juli 2020
In den 1990ern begannen Bill Clinton und andere Führungsfiguren der Demokratischen Partei damit, ihre Ideologie des Dritten Wegs auf der ganzen Welt zu verbreiten und damit die Sozialdemokratie in vielen Ländern grundlegend zu verändern.
Bill Clinton und Tony Blair als entscheidende Figuren des »Dritten Wegs«.
Der Soziologe Anthony Giddens veröffentlichte im Oktober 1998, ermutigt vom Wahlerfolg Tony Blairs im Jahr zuvor, sein inzwischen berühmtes Manifest Der Dritte Weg. Auf etwas mehr als 150 Seiten verkündete das Werk der Welt einen neuen politischen Glauben.
Giddens Ruf nach einer »Erneuerung der Sozialdemokratie« erschien zu einer Zeit, in der die Linke noch von den Geistern des Sozialismus und Kommunismus verfolgt wurde. Sie zielte darauf ab, mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Kapitel in der Geschichte des sozialen Fortschritts aufzuschlagen. Damals war alles neu – New Economy, New Labour, New Democrats, die Neue Mitte.
Tatsächlich war auch dieses Neue das Ergebnis eines Prozesses, der viel früher begonnen hatte. Die wahlorientierte Linke hatte sich seit Jahren der neoliberalen Weltordnung und den damit einhergehenden Privatisierungen angepasst. Was ihr jedoch fehlte, war ein gemeinsames, transnationales ideologisches Narrativ für diese Umorientierung. Giddens’ Aufgabe war es, der britischen Labour Party und den übrigen europäischen sozialdemokratischen Parteien »theoretisches Fleisch« zu geben, um das Skelett ihrer politischen Entscheidungen zu umhüllen. Auch wenn das Buch später ein zentraler Referenzpunkt für Forscher von New Labour wurde, zeigte sein Erfolg vor allem, dass es der Dritte Weg erfolgreich zum neuen Schlagwort gebracht hatte.
Im selben Monat, in dem Giddens’ Buch zum ersten Mal die Verkaufsregale zierte, erklärte Bill Clintons Policy-Guru Al From im The New Democrat, dem Journal der neoliberalen Pressure-Group Democratic Leadership Council (DLC), dass der Dritte Weg jetzt »ein weltweiter Markenname für progressive Politik im Informationszeitalter« geworden sei.
Der Sieg von New Labour 1997 und die Machtübernahme ähnlich denkender Sozialdemokraten in anderen Staaten verstärkte den Bedarf der mitte-links Politiker wie Clinton und Blair nach einem stärkeren theoretischen Fundament für das, was sie ohnehin bereits taten.
Gemeinsam unternahmen Intellektuelle und Politiker, die die »Mitte« in der Mitte-Links-Gleichung ausmachten, den – in ihren Augen – finalen Feldzug gegen die linken Fundamentalisten in ihren Parteien.
Ursprünglich war die Kampagne, den Dritten Weg als internationales ideologisches Projekt festzuschreiben, von Sorgen über das politische Erbe und um die politische Kontinuität motiviert. Als sich Politiker auf der ganzen Welt den Kernpositionen der New Democrats zuwandten – »Chancengleichheit, Verantwortung und Gemeinwesen« – war Clinton bereits seit längerem in seiner zweiten Amtszeit. Dies motivierte sein DLC, ernsthafter darüber nachzudenken, was die eigene Rolle in einer Welt nach Clintons Präsidentschaft sein soll.
Aufgrund der Tatsache, dass die Organisation in so enger Beziehung mit den Entscheidungen des Präsidenten gesetzt wurde, begann sie, sich selbst als einen Teil (und in bestimmten Bereichen sogar als eigentlichen Schöpfer) einer globalen Revolution in der Politik der Linken zu betrachten. Das DLC wollte mehr sein als nur Wahlvehikel für konservative Demokraten oder Clinton-Anhänger. Es sah sich mehr und mehr als den amerikanischen Ausdruck einer weltweiten Bewegung – als Pionier eines neuen ideologischen Projekts der Mitte-Linken.
Zwar gehörte das DLC zu den ersten Erscheinungen dieser neuen Sorte von Politik, die den Begriff des »Dritten Wegs« genutzt hatten: bereits 1992 taucht er im Programm der demokratischen Partei auf. Doch bis in die späten 1990er Jahre wurde er nur selten als Beschreibung für die eigene Politik gebraucht. Die New Democrats hatten eine reichhaltige konzeptuelle Karte erstellt, aber der von ihr geschaffenen Ideologie nur selten ein Label gegeben. Dies änderte sich, nachdem auch international andere Mitte-Links-Parteien diesen politischen Rahmen übernahmen. Dank einer Zahl von nationalen politischen Erfolgen nahm das DLC die Führungsrolle eines internationalen Projekts des Dritten Wegs für sich in Anspruch.
Dass seine Art von Politik auch international übernommen wurde, hätte für Bill Clinton zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Kurz zuvor drohten Amtsenthebung und Skandal die Erinnerung an seine Präsidentschaft zu prägen. Doch das plötzliche internationale Interesse an der Politik des Dritten Wegs eröffneten ihm die Chance, ein größeres und ehrwürdigeres Erbe zu hinterlassen.
Das Weiße Haus, in Zusammenarbeit mit From und dem DLC, begann eifrig, den Dritten Weg zu bewerben, sei es auf Treffen mit den Führern anderer Länder oder auf internationalen Konferenzen, die sowohl von Akademikern als auch Parteiführern besucht wurden.
Das erste dieser internationalen Treffen um die Ideen des DLC fand bereits 1993 statt, Jahre bevor der Begriff des »Dritten Wegs« in Mode kam. Blair und sein Verbündeter Gordon Brown trafen sich als Delegierte für die Labour Party mit Clintons Übergangsteam, um den Erfolg der New Democrats bei der Umwälzung ihrer Partei zu diskutieren. Die Labour Party war zu diesem Zeitpunkt noch in der Opposition und Blair und Brown suchten nach Ratschlägen, wie sie gegenüber den britischen Konservativen zum Beispiel beim Thema Kriminalität in die Offensive gehen und in ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung das Wachstum des privaten Sektors unterstreichen können.
From erinnert sich an ein Treffen vier Jahre später, bei dem der inzwischen Premierminister gewordene Blair ein Stück Papier aus seiner Tasche holt und sich an From wendet: »Chancengleichheit, Verantwortung, Gemeinschaft«, sagte er, »das sind meine Notizen von unserem ersten Treffen während der Clinton-Übergangszeit.«
Bereits 1993 verbreiteten sich also die zentralen Vorstellungen des DLC international. Sie waren von Anfang an zentraler Teil der Agenda von Blairs New Labour.
Im November 1997 kam es zum ersten offiziellen bilateralen Treffen der zukünftigen »New Democrat/New Labour-Politik«, ausgerichtet von Blair in Chequers, dem Landhaus des Premierministers. Die Konferenz sollte die »Neue Fortschrittlichkeit« konsolidieren, damit der Dritte Weg nicht zu einem vergänglichen Marketingbegriff während der Wahlen verkommt. Blair sprach von der Gefahr »die Macht zu gewinnen, aber nicht den Kampf um die Ideen.«
Die neunköpfige US-Delegation wurde von First Lady Hillary Clinton angeführt und bestand aus From, Regierungsvertretern wie Larry Summers, Frank Raines und Andrew Cuomo, sowie dem Journalisten Sidney Blumenthal und dem Politikwissenschaftler Joseph Nye. Auf der britischen Seite waren unter anderem Blair, Brown, Giddens, Peter Mandelson und David Miliband anwesend.
Die Diskussionen zwischen Repräsentanten der New Democrats, New Labour und anderen, die sich der Bewegung anschließen wollten, dauerten die nächsten anderthalb Jahre an. Als Blair im Februar 1998 Washington besuchte, traf er sich mit Vizepräsident Gore und From, um den Dritten Weg zu diskutieren. Im Mai und Juni desselben Jahres diskutierte Präsident Clinton mit dem italienischen Premierminister Romano Prodi und dem brasilianischen Präsidenten Fernando Cardo über mitte-links Positionen.
Vielfach wurde spekuliert, dass Clinton und Blair die Sozialistische Internationale schwächen wollten, um diese globale Allianz der sozialdemokratischen Parteien mit einer echten »Dritter Weg-Internationale« zu ersetzen.
Die Annahme der Ideologie des DLC durch bekannte ausländische Politiker stärkte und legitimierte dessen konzeptionellen Rahmen innerhalb der Demokratischen Partei selbst. Das Wachstum der globalen Bewegung des Dritten Wegs wurde in ein Instrument verwandelt, um die Opposition gegen die New Democrats zu vereinnahmen.
Um die Demokratische Partei zu vereinen, organisierte Hillary Clinton ein Treffen von Akteuren der unterschiedlichen Fraktionen im Weißen Haus im Sommer 1998, um den Dritten Weg zu diskutieren und Verbündete für die Orientierung der New Democrats zu gewinnen. Teilnehmer waren unter anderem Ruy Teixeira vom Economic Policy Institute, Elain Kamarck und Bruce Reed vom DLC, Repräsentant Dick Gephardt, der sich inzwischen von den DLC Positionen verabschiedet hatte und ein starker Gegner des Freihandels geworden war, und John Sweeney, Anführer des amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO.
Als Blair im Herbst ein weiteres Treffen organisierte, fuhren auch Hillary Clinton und From erneut nach Chequers. Bei der Eröffnung der Generalversammlung der UN organisierte die New York University in Zusammenarbeit mit dem Progressive Policy Institute, ein dem DLC nahestehenden Think Tank, ein Forum über den Dritten Weg. Auf dem von Will Marshal geleiteten Event waren die Clintons, Gore, Blair, Giddens, Prodi, der schwedische Premierminister Göran Persson und der bulgarischer Premierminister Peter Stoyanow anwesend.
Im folgenden Januar 1999 organisierten Marshall und PPI eine eintägige Konferenz zur Politik des Dritten Wegs in Virginia. Auf dieser Konferenz einigten sich From und David Miliband, dass sich dem NATO-Gipfel in Washington im April eine Veranstaltung des DLC anschließen solle. Beide Clintons, Blair, der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, der dänische Premierminister Wim Kok und der neue italienische Premierminister (und ehemalige Anführer der Kommunistischen Partei Italiens) Massimo D’Alema nahmen an diesem Treffen nach dem NATO-Gipfel teil. Mit seiner Ablehnung der Einladung schien der Anführer der französischen Sozialdemokratie, Lionel Jospin, unter den westeuropäischen Sozialdemokraten völlig isoliert zu sein.
From eröffnete die Konferenz mit einer Rede darüber, wie die versammelten Staatsführer den Dritten Weg in ihren jeweiligen Ländern präsentieren sollten und wiederholte noch einmal dessen zentrale Konzepte.
»Sein erstes Prinzip und sein erhaltender Zweck sind gleiche Chancen für alle und spezielle Privilegien für niemanden. Seine öffentliche Ethik ist gegenseitige Verantwortung. Sein zentraler Wert die Gemeinschaft. Seine Sichtweise ist global. Und seine moderne Methodik ist die Stärkung des privaten Wirtschaftswachstums...«
Im nächsten Jahr begann der dramatische Aufstieg des Dritten Wegs auf internationaler Ebene. Als der Guardian über das Meeting berichtete, beschrieb er die sich formierende Allianz folgendermaßen: »der elitärste Club der Welt wird extrem beliebt«. Kurz vor den europäischen Wahlen 1998 veröffentlichten Blair und Schröder ein gemeinsames Statement, Europe: The Third Way / Die Neue Mitte, in dem sie Sozialdemokraten auf dem ganzen Kontinent dazu aufriefen, die Logik der »Modernisierung« zu akzeptieren und sich den sich verändernden Bedingungen anzupassen.
Indem sie das hinter sich ließen, was sie als linke ideologischen Zwangsjacken verstanden, präsentierten die beiden Politiker das britische/deutsche Modell als den neuen Maßstab für sozialdemokratische Partner. Ihr Schreiben stellte den grundlegenden Versuch dar, in ganz Europa die Rahmenbedingungen des Dritten Wegs als Ausgangspunkt festzusetzen.
Das Programm war eine Abrechnung mit der »alten linken« Politik, wenn auch nicht besonders originell – das Schreiben von Blair und Schröder kopierte im Grunde die Aussagen des DLC. Das schloss ein, Chancengleichheit gegenüber der Gleichheit des Resultats zu priorisieren, die Sozialhilfe als durch persönliche Verantwortung bedingten Vertrag zu verstehen und den Klassenkampf aufzugeben: zugunsten einer »Fähigkeit der Gesellschaft zum Dialog« und Partnerschaft. Außerdem forderten sie »eine stärkere Rolle des privatwirtschaftlichen Sektors für das ökonomische Wachstum, sowie flexible Arbeitsmärkte und einen Staat, der in seinem angebotsorientierten« Sozialstaatsregime die »nicht rudern sondern steuern« würde, der sich auf Investition in Humankapital statt Umverteilung konzentrieren würde und eine verantwortungsvollere Haltung zu öffentlichen Schulden einnimmt. Zum Schluss beschreiben sie in ihrem Papier die Politik des Dritten Weges als »Europas neue Hoffnung«.
Es waren jedoch nicht alle europäischen Sozialdemokraten so leicht bereit, der britisch geführten und US-inspirierten Neudefinition des Sozialismus zuzustimmen. Jospin, der bereits zuvor die Einladung zur Konferenz in Washington von From und Miliband abgelehnt hatte, kommentierte das Dokument mit den Worten: »Die französische Linke kopiert, genau wie Frankreich selbst, niemanden.«
Das Programm des Dritten Wegs – sowohl in seinem DLC-Original als auch seinem europäischen Abkömmling – war gerade deshalb haarsträubend, weil der Umfang, in dem die alten traditionellen linken Prinzipien für die der Neuen Rechten eingetauscht wurden, so enorm war. Clinton, Blair und der Rest der Anhänger des Dritten Wegs behaupteten gegenüber der Linken, dass sie nicht länger auf die alten politischen Formeln des »großen Staates« setzen könnten und erwarteten von ihnen, innerhalb einer globalisierten Welt zu agieren.
Anstatt von eisernen Treueschwüren gegenüber bestimmten politischen Leitsätzen, wie öffentliches Eigentum, wirtschaftliche Planung, oder Forderungen nach Kontrolle, sollten sich Sozialdemokraten von jenen Werten leiten lassen, von denen sie vorgeblich schon immer inspiriert gewesen sein sollen. Ob nun New Democrats, New Labour oder die Neue Mitte: der inhaltliche Kern der Chancengleichheit, Verantwortung, und Gemeinschaft kam immer wieder zum Vorschein.
Bereits 1990 erklärten Clinton und das DLC in der »New Orleans Declaration«, dass sie versuchen würden, die Sprache des Konservativismus zu imitieren. Die Anhänger des Dritten Wegs widmeten sich der Mission »gleiche Möglichkeiten« zu bestärken, »nicht den Staat«. Der Krieg gegen die Armut wurde durch eine »Politik der Inklusion« ersetzt, welche die Sozialhilfe überflüssig machen sollte. Die ausgleichenden Funktionen der Sozialpolitik und von Affirmative Action wurde bestritten. Individuelle Initiative und Aufwärtsmobilität wurden positiv hervorgehoben, und stellten sich damit gegen einen Fokus auf Probleme der Gruppenungleichheit und eine Suche nach sozialen Lösungen für Diskriminierung.
Wirtschaftliche Sicherheit würde durch Freihandel erreicht werden, nicht durch Protektionismus. Eine starke Verteidigungshaltung auf der Weltbühne müsse aufrechterhalten werden, während die Verhinderung und Bestrafung von Kriminalität die nationale Sicherheitspolitik bestimmen würde. Die Bedenken der Unterdrückten sollten dadurch umgangen werden, dass die Integration der Minderheiten in den »wirtschaftlichen und kulturellen Mainstream« den »Separatismus entlang von Ethnie, race, oder Geschlecht« überwinden würde. Abschließend sollte der Status des Staatsbürgers entlang von gemeinschaftlichen Prinzipien neu definiert werden und »sowohl Rechte als auch Verpflichtungen« einschließen. Sie setzten darauf, dass »moralische und kulturelle Werte« das öffentliche Verhalten leiten werden.
Was Blair und die anderen europäischen Sozialdemokraten des Dritten Wegs sich aus den USA liehen, war nicht nur ein Wahlkampfslogan oder politisches Marketing. Vielmehr bedeutete der Bruch mit lang bestehenden linken Verpflichtungen gegenüber Gleichheit, ökonomischer Sicherheit, und Solidarität eine vollständige ideologische Abwendung von den Grundlagen der Sozialdemokratie.
Die Debatte über den Dritten Weg war immer, auf einer grundlegenden Ebene, ein Kampf um Ideen, der sich vor dem Hintergrund einer massiven politischen und wirtschaftlichen Veränderung abspielte. Reagan und Thatcher hatten nicht gezögert, die globale Wirtschaft nach der Krise des Keynesianismus in eine neoliberale Richtung zu schieben und formen. Die Neue Rechte formierte, in wahrhaft gramscianischer Manier, bereits in den 1980ern ihren historischen Block und irgendwann formierte sich der Dritte Weg als ein Teil dieses Blocks.
Zum Jahrtausendwechsel war der Kampf um die Seele der Sozialdemokratie beendet. Die Linke zeigte weiter ihre Ablehnung, doch ihre Kräfte waren enorm geschwächt und sie waren machtlos gegenüber dem Aufstieg des Dritten Wegs.
Zum Schluss blieben nur wenige Gegner für Clinton, Blair und andere innerhalb ihrer eigenen Partei. Gegen die letzten Konsolidierungen des Dritten Wegs im November 1999 regte sich kaum Widerstand. Die Reihe von Treffen und Konferenzen, die From, Marshall und andere in den vergangenen Jahren organisiert hatten, kulminierte in einer internationalen Konferenz, die in Florenz stattfand. Ihr Titel: »Progressives Regieren für das 21. Jahrhundert.«
In der Eröffnungsrede führte Clinton aus, wie wichtig das Denken des Dritten Wegs für das Regieren in der neuen globalen Wirtschaft sei und er nutzte erneut die Chance, das Chancen-basierte Konzept für Gleichheit der New Democrats zu unterstreichen, sowie deren Betonung von individueller Verantwortung, und gemeinschaftlichen Werten. Dies im Gegensatz zu den traditionellen, klassenbasierten Sichtweisen der Linken.
Wir sind der Überzeugung, dass Ideen eine Bedeutung haben. Wir glauben, dass es eine große Herausforderung ist, unsere Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und gleichen Chancen für alle mit unseren Verpflichtungen gegenüber der Globalisierung in Einklang zu bringen. Wir sind der Ansicht, dass wir das finden müssen, was oftmals als ein Dritter Weg bezeichnet wurde: ein Weg, der Regierungen dazu zwingt, Menschen mit den Werkzeugen und Bedingungen auszustatten, die notwendig sind für Individuen, Familien, Gemeinschaften und Nationen, um ihr menschliches Potenzial größtmöglich auszuschöpfen.
Den globalisierungskritischen Blick, den Clinton und andere Führer des Dritten Wegs zu ihrer Linken bekämpften, stellte seinen Einfluss eine Woche später unter Beweis: Proteste überschatteten das Treffen der Welthandelsorganisation in Seattle und lenkten die Aufmerksamkeit auf die Kosten für Mensch und Natur, die mit dem globalen Freihandelsregime verknüpft waren. Die Ereignisse in Seattle zeigten, dass, auch wenn die Politiker des Dritten Wegs innerhalb ihrer eigenen Partei die Kontrolle übernommen hatten, sie immer noch dem Widerspruch auf der Straße gegenüberstanden.
Die Hauptredner auf der Konferenz in Florenz waren mehr oder weniger dieselben wie auf dem Forum nach dem NATO-Gipfel, mit der Ausnahme von Jospin, der endlich auch einen Auftritt hatte. Auch wenn er den Diskussionen in ihrer Substanz zustimmte, äußerte er dennoch Unbehagen mit der anglo-amerikanisch geführten Neudefinition der Sozialdemokratie.
In einem Pamphlet, das nur zwei Tage vor der Konferenz erschien, sprach er sich für einen »modernen Sozialismus« aus, aber nicht in der Form des Dritten Wegs:
Wenn der Dritte Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus liegt, ist es höchstens ein neuer Name für den demokratischen Sozialismus wie ihn die Briten betreiben. […] Wenn aber der Dritte Weg darin besteht einen Mittelweg zwischen Sozialdemokratie und Neoliberalismus zu finden, dann ist dieser Weg nicht meiner.
Unabhängig von Jospins Unbehagen mit einigen spezifischen Begriffen, präsentierte die Konferenz in Florenz dennoch in ihrer Essenz den Beginn einer losen »Dritte Weg-Internationale«. Der Ideologie der New Democrats folgend, hatte sich die europäische Sozialdemokratie vollständig verändert.