01. Mai 2025
Die Marschlandschaften im Südirak sind die Wiege der Zivilisation. Jetzt drohen sie, infolge von Umweltzerstörung, Krieg und Klimawandel gänzlich auszutrocknen. Büffelzüchter, Fischer und Schilfmattenhersteller erzählen vom Blühen und Vergehen ihrer Lebensweise.
Ein Mann auf seinem Boot im zentralen Marsch.
In Mesopotamien, in den Marschgebieten des Südiraks, ziehen Wasserbüffel gemächlich durch die nur noch seicht mäandernden Wasserläufe. Ihre schwarze Haut glänzt in der erbarmungslosen Sonne. Die ausgetrocknete und rissige Erde erstreckt sich kilometerweit bis zum Horizont. Ein ausrangiertes Holzboot liegt verlassen auf dem staubtrockenen Boden. Noch vor wenigen Monaten war diese trostlose Landschaft eine Süßwasserlagune.
»Wir halten hier seit alttestamentarischen Zeiten Büffel«, so der 73-jährige Argeol Issa Omarah, einer der zahlreichen Viehzüchter (Ma’dan, deutsch auch »Marscharaber«). Laut Bibelforschern standen die mesopotamischen Marschgebiete Vorbild für den Garten Eden. [1] Sowohl die Sümpfe an sich als auch die Kultur der Ma’dan wurden 2016 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. »Als ich ein Kind war, gab es hier Wasser, so weit das Auge reichte«, sagt Omarah. »Überall war grünes Gras und das Wasser war rein und klar.«
Die Feuchtgebiete im Süden des Landes galten einst als eine der außergewöhnlichsten Landschaften der Welt. Sie waren die Heimat einer alten Kultur, die hier über Jahrtausende hinweg lebte. Die Flüsse Tigris und Euphrat, die von der Südtürkei durch Syrien und den Irak fließen, treffen im Schatt al-Arab in der Nähe des irakischen Basra aufeinander und bilden dort ausgedehnte Sumpfgebiete, die sich über irakisches und iranisches Staatsgebiet erstrecken. Saisonale Überschwemmungen verwandelten die Region einst in ein riesiges, verzweigtes Netz aus diversen Feuchtgebieten.
Das Leben in diesen abgelegenen Marschgebieten verlief über Jahrtausende ungestört, denn die Region war für Außenstehende weitgehend unzugänglich. Diese Isolation endete in den 1980er Jahren mit dem Iran-Irak-Krieg, gefolgt vom Golfkrieg und dem Schiitenaufstand in den frühen 1990er Jahren. Was darauf folgte, war eine vorsätzliche und nahezu vollständige Zerstörung der Sumpfgebiete.
»Als ich ein Kind war, gab es hier Wasser, so weit das Auge reichte«, sagt Argeol Issa Omarah.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden diverse Anstrengungen unternommen, die Marschlandschaften im Südirak zu renaturieren. Dennoch droht der Region eine beispiellose Umweltkatastrophe. Während der Klimawandel zu einem rasanten Temperaturanstieg geführt hat, wurde durch den Bau von Staudämmen weiter flussaufwärts der Wasserzufluss in den Irak drastisch reduziert. Somit haben Marschlandbewohner wie Omarah heute zunehmend mit extrem harten Bedingungen zu kämpfen. Für die Marscharaber geht es um alles: Sie führen einen harten Kampf um ihre Lebensgrundlagen.
Die Marschlandschaften waren einst das größte Feuchtgebiet-Ökosystem im Nahen Osten. Sie bedeckten einen riesigen Teil des südlichen Irak. Die aus dem Wasser wachsenden Schilfhalme boten reichlich Material für den Bau traditioneller Schilfhütten (die sogenannten Mudhif) sowie für Matten, die als Sitz- und Schlafgelegenheiten dienten. Dank des Fischreichtums in den Sümpfen konnten Menschen sich gut versorgen. Hinzu kamen zahlreiche Zug- und Brutvogelarten. Sogar Löwen und Hyänen streiften einst durch diesen einzigartigen Lebensraum.
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Jaclynn Ashly ist freie Journalistin.