27. Oktober 2023
Die Ampelkoalition plant eine Neuerung des Postgesetzes - mit potenziell katastrophalen Folgen für Beschäftigte. Die Betriebsrätin Isa Senff spricht mit JACOBIN über die Gefahren einer marktliberalen Postnovelle.
Zehntausende Postbeschäftigte demonstrieren in Berlin gegen eine wettbewerbsorientierte Postnovelle, 9.10.2023.
Zehntausende Postbeschäftigte demonstrierten in Berlin und plädierten für eine arbeiterfreundliche Reform des Postgesetzes. Was für viele Menschen vielleicht überraschend kommt, ist für Postangestellte längst überfällig, denn der Brief- und Paketmarkt ist im Umbruch. In der Regel sind es die Angestellten, die die Konsequenzen zu schultern haben.
Die Bundesregierung will nun in Kürze eine Neuerung des Postgesetzes auf den Weg bringen. Auch wenn eine Reform längst überfällig ist, aus gewerkschaftlicher Perspektive ist diese Aussicht beunruhigend, denn eine marktliberale Ausrichtung des Gesetzes scheint wahrscheinlich.
Über die potenziellen Folgen einer wettbewerbsorientierten Postnovelle hat Niklas Kullick mit Betriebsrätin der Deutschen Post und ver.di-Gewerkschaftsratsmitglied Isa Senff gesprochen.
Vor zwei Wochen habt ihr, die Postangestellten und ihre Gewerkschaft ver.di, in Berlin demonstriert. Wie groß war die Demo, und was war der Anlass?
Die Demo war sehr groß. Über 30.000 Postlerinnen und Postler aus ganz Deutschland, von der Zugspitze bis Rügen, sind nach Berlin gekommen, um zu demonstrieren. Konkreter Anlass war die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Postgesetzes, welches unmittelbar Auswirkungen auf unsere Arbeitsbedingungen hat. Der Postmarkt ist nicht irgendein Markt. Er ist durch das Grundgesetz geschützt. Artikel 87f des Grundgesetzes garantiert eine flächendeckende, angemessene und ausreichende Grundversorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen.
Im großen Ganzen stimmen alle darin überein, dass es ein Update des Postgesetzes braucht. Allerdings gehen wir davon aus, dass wir uns dieses Update ganz anders vorstellen als die Ampelkoalition. Noch liegt zwar kein konkreter Referentenentwurf vor, so wie wir es aus dem Bundeswirtschaftsministerium jedoch bisher wahrnehmen, wird das Interesse der Beschäftigten bei der Novelle weniger berücksichtigt. Wir haben also präventiv schon mal Stellung bezogen, um den Ernst der Lage zu markieren. Hier geht es immerhin um 160.000 tariflich geschützte Arbeitsplätze.
Alle Beteiligten sind sich also einig, es gibt Bedarf für ein Update. Warum?
Das kann man, denke ich, schon in seinem eigenen Kommunikations- und Bestellverhalten erkennen. Ich wüsste nicht, wann ich das letzte Mal einen selbstgeschriebenen Brief verschickt habe. Vieles geht mittlerweile digital, Geburtstags- und andere Grüße verschickt man über E-Mail oder Instant Messanger.
Sicher ist Deutschland bei der sogenannten »digitalen Transformation«, etwa der Verwaltung, noch nicht so weit fortgeschritten wie einige beispielsweise skandinavische Länder. Dort werden Bußgeldbescheide schon heute nicht mehr per Post, sondern per E-Mail verschickt. Aber ein Rückgang des klassischen Briefs zeichnet sich klar ab.
Gleichzeitig boomt der Markt für E-Commerce, der Anteil von warentragenden Sendungen, Päckchen und Paketen im Zustellnetz wächst. Wir haben es also nicht einfach mit einem Schrumpfen des Briefmarkts zu tun, sondern befinden uns mitten im Wandel.
Und wie will die Bundesregierung diesen Entwicklungen begegnen?
Bis jetzt ist die genaue Ausgestaltung der Post-Novelle noch unklar. Die Basis unserer Analyse ist bisher der Koalitionsvertrag, welcher, sehr prosaisch formuliert, das Postgesetz auf neue Füße stellen und dabei ökologische und soziale Standards berücksichtigen will. Was genau sich dahinter verbirgt, lässt sich bisher nur orakeln.
»Klar ist: Profitieren würden weder die Kundinnen und Kunden noch die Beschäftigten. Von einer wirtschaftsliberalen Novelle würde in erster Linie das Kapital profitieren.«
Die Befürchtung ist jedoch, dass auch hier die marktliberalen Kräfte die Oberhand gewinnen und diesen Entwicklungen mit »mehr Wettbewerb« begegnen wollen. Das ist für die FDP natürlich ohnehin die Antwort auf alles. Aber auch die Grünen sind offensichtlich der Auffassung, dass die Postbranche aus mittelständischen Unternehmen und deren Angestellten bestehe, und deswegen verstärkt auf Wettbewerb gesetzt werden müsse. Was sie nicht sehen (wollen) ist, dass die allermeisten Zustelldienste abseits der Deutschen Post AG Kleinstunternehmen sind, die Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten betreiben, etwa durch Lohn- und Sozialdumping. Es gibt so gut wie keinen Mittelstand in der Branche, weswegen zusätzlicher Wettbewerb die ohnehin schon missliche Lage vieler Beschäftigter nochmal verstärken würde.
Wer wäre also konkret Gewinner, und wer Verlierer von einem solchen wettbewerbsorientierten Update?
Klar ist: Profitieren würden weder die Kundinnen und Kunden noch die Beschäftigten. Von einer wirtschaftsliberalen Novelle würde in erster Linie das Kapital profitieren.
Die Verliererseite ist etwas diverser aufgestellt. Zunächst wäre da die Bevölkerung zu nennen. Bestimmte Qualitätsstandards könnten wegfallen, wie etwa die E+1 Quote, die besagt, dass 80 Prozent der Sendungen am nächsten Werktag den Empfänger erreichen müssen. Bisher schaffen wir es jedes Jahr diese Quote einzuhalten, wenn auch vermehrt mit Qualitätsdefiziten, die ihren Ursprung im eklatanten Personalmangel haben. Die Abschaffung einer solchen Quote würde ignorieren, dass ein wachsender Anteil der zugestellten Briefe wichtige und zeitsensible Urkunden oder amtsgeschäftliche Dokumente beinhaltet, worunter vor allem die Kundschaft zu leiden hätte.
Hier wird der Markt für E-Commerce gegenüber dem Briefmarkt privilegiert, und das, obwohl die Margen bei Briefen immer noch größer sind als bei Paketen, weil deren Auslieferung logistisch gesehen aufgrund ihrer Größe viel effizienter ist. Diese Privilegierung zeigt sich auch in der Lizenzpflicht, die bisher nur für Briefleistungen gilt. Einen Paketdienst hingegen kann jeder eröffnen. Deshalb ist für uns klar, dass die Lizenzpflicht auf den Paketbereich ausgeweitet werden muss. Es sollten dabei unbedingt alle Unternehmen der Branche (Sortierung, Transport und Zustellung) berücksichtigt werden. Die Arbeitsbedingungen müssen strenger kontrolliert und bei Nichteinhaltung konsequent sanktioniert werden.
Aus gewerkschaftlicher Sicht liegt unser Fokus aber natürlich auf den Arbeitsbedingungen unserer Kolleginnen und Kollegen. Größerer Wettbewerb und der wachsende Anteil von spärlich regulierten Dienstleistungen wie Paketzustellung haben Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsicherheit und die Arbeitsbedingungen der Angestellten. Das wird jedoch von der Politik und Wirtschaft ignoriert. Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller hat zum Beispiel vorgeschlagen, man könne doch einen Tag weniger zustellen. Dass dabei rund 30.000 Arbeitsplätze aus allen Bereichen, von der Verwaltung über die Produktion bis hin zur Zustellung bedroht sind – also rund ein Sechstel der Beschäftigten – interessiert ihn dabei scheinbar nicht.
Durch diese gesamtgesellschaftlichen Verschiebungen verändern sich die Bedingungen für Unternehmen, auch in der Brief- und Paketbranche. Wirken diese wirtschaftlichen Neuausrichtungen auf die Gestaltung der Novelle ein, und wenn ja, wie?
Unternehmen wie die Post AG lobbyieren natürlich, so wie das alle Interessensgruppen tun. Aus ihrer Perspektive muss ein solcher flächendeckender Universaldienst, den sie ja leisten, auch in einem schwächelnden Briefmarkt finanzierbar sein. Anders als in anderen europäischen Nachbarländern, in denen die Post ebenfalls privatisiert wurde, erhält die Post in Deutschland keine staatlichen Förderungen für diese, aus meiner Sicht, staatliche Aufgabe. Es handelt sich schließlich um einen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Als Aktiengesellschaft erwarten die Aktionäre selbstverständlich auch jedes Jahr steigende Dividenden. Und wenn aus Sicht der Post der flächendeckende Universaldienst nicht mehr rentabel ist, dann kann ich mir gut vorstellen, welche unternehmerischen Entscheidungen zu Lasten der Beschäftigten getroffen werden könnten.
»Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sehr die Gesellschaft nach wie vor von der Post und den Menschen, die dort arbeiten, abhängig ist.«
Das Thema »Digitalisierung« haben wir ja bereits angerissen. Diese stellt in der öffentlichen Debatte teilweise sowas wie ein Legitimitätsproblem für die Post dar. Wie passt sich die Post momentan an diesen Prozess an, um weiterhin ihre Funktion ausführen zu können, und wie verteidigt sie ihren gesellschaftlichen Nutzen diesbezüglich?
Zunächst einmal passt die Post selbst sich der Transformation an, um weiterhin effizient arbeiten zu können. Vieles bei der Post läuft mittlerweile digital. Zustellerinnen und Zusteller nutzen Scanner und im Transport kommen digitale Routenoptimierung zum Einsatz. Kundinnen und Kunden können Brief- und Paketmarken zum Beispiel online per App kaufen oder können den Verlauf ihres Paketes online verfolgen.
Es ist darüber hinaus reines Wunschdenken, dass Postangestellte in ihrer gesellschaftlichen Funktion jemals gänzlich abgelöst werden. Ich werde mir zum Beispiel nie eine Hose bestellen können, die ich dann aus dem Telefonkabel ziehe, Digitalisierung hin oder her.
Was unseren Job ausmacht ist, dass wir Sendungen zu Menschen bringen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sehr die Gesellschaft nach wie vor von der Post und den Menschen, die dort arbeiten, abhängig ist. Und daran wird sich auch mittelfristig nichts ändern. Hier wird jetzt nicht in zehn Jahren alles automatisiert befahren sein, und das ist auch gut so.
Also wird hier doch nicht bald alles mit Drohnen ausgeliefert, wie es sich so manche Liberale herbeisehnen?
Die Post hatte mal ein Drohnen-Projekt, das allerdings mittlerweile eingestellt wurde. Sicher könnte man kleinere Lieferungen wie Arzneimittel auf irgendeinen Berg hinauffliegen. Aber mit welcher Drohne will man zum Beispiel ein 30-Kilo Hundefutter-Paket ausliefern? Und genau so etwas bewerkstelligen unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Tag.
Viele dieser Technologien sind Trends, denen für kurze Zeit alle hinterherlaufen. Und auch wenn sie in manchen Teilbereichen nützlich Anwendungen finden, werden sie uns nicht flächendeckend ersetzen können.
Nun ist Deutschland nicht allein mit diesem vielschichtigen Wandel, der Digitalisierung einerseits und dem Paket-Boom andererseits. Gibt es in anderen EU-Staaten ähnlich liberale Entwicklungen in der Gesetzeslage? Oder gibt es Gegenbeispiele, etwa der Vergesellschaftung?
Der europäische Briefmarkt ist seit 2006/2007 vollkommen liberalisiert worden. Eine wirkliche Staatspost, die noch zu 100 Prozent in staatlicher Hand ist, ist mir nicht bekannt. Die Royal Mail im Vereinigten Königreich war 499 Jahre in Staatsbesitz, und selbst sie wurde 2015 privatisiert. Ähnliche Entwicklungen gab es in Frankreich und Italien. Alle großen europäischen Postbetriebe sind mittlerweile dem Gewinndruck der Kapitalmärkte untergeordnet.
Sicher, in allen Nachbarstaaten Deutschlands hat der Staat Anteile an den Postbetrieben. In Deutschland selbst ist der Bund mit rund 20 Prozent der größte Anteilseigner der Post. Aber die Betriebe müssen ja trotzdem den Gewinnvorstellungen der Anteilseignerinnen und Anteilseigner gerecht werden. Auch deshalb liegt den Staaten etwas an mehr Wettbewerb und steigenden Unternehmensgewinnen. Der Bund beispielsweise profitiert mit, wenn bei der Post Dividenden ausgeschüttet werden.
Rosige Entwicklungen. Du meintest zu Beginn, auch die Gewerkschaft sieht den Bedarf nach einer Reform des Postgesetzes. Wie könnten alternative Reformen aus eurer Perspektive aussehen und wie können die Beschäftigten geschützt werden?
In erster Instanz geht es darum, die Arbeitsbedingungen, bzw. den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verbessern. Unsere Kolleginnen und Kollegen schleppen ja alle möglichen Pakete von bis zu 31,5 Kilo durch die Gegend, vom Verladen von Förderbändern auf Wechselbrücken bis zur Tür der Kundin oder des Kunden. Damit einher geht ein drastisch erhöhtes Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen in unserer Branche. Für das Ein-Mann-Handling sollte es eine Obergrenze von 20 Kilo geben. Wenn das nicht durch das novellierte Postgesetz geregelt wird, dann muss es über eine Arbeitsschutzverordnung passieren.
Auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene ist eine der größten Bedrohungen für Beschäftigte das Subunternehmertum. Bis auf die Post und UPS hat keiner der großen KEP Dienstleister eigenes Personal auf der sogenannten »letzten Meile«. Sie alle arbeiten ausschließlich mit Fremdpersonal, also mit Soloselbstständigen oder Sub-Sub-Subunternehmer-Ketten. Die Strategie vieler dieser Dienstleister lautet: Gewinne einstreichen, Verantwortung abtreten. Aus unserer Perspektive muss der Einsatz von Subunternehmen verboten werden.
»Eine ökologisch nachhaltige Novelle des Postgesetzes braucht eben auch einen infrastrukturellen Rahmen, in dem sie wirkmächtig werden kann. Und diesen muss die Regierung stellen.«
Der letzte große Punkt geht über das Postgesetz hinaus, und muss doch in einer Reform berücksichtigt werden. In Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit hat die Post AG sich selbst bemüht, möglichst schnell klimaneutral zu werden. Wir haben die größte Elektroflotte weltweit mit rund 38.000 Elektronutzfahrzeugen. Auch gibt es jetzt erste Gas-LKWs. Das Problem ist jedoch, dass es bundesweit aufgrund mangelnder Investitionen kaum Gas-Tankstellen gibt.
Gravierender ist dieser Umstand noch an anderer Stelle zu spüren. Früher hatte jeder größere Bahnhof eine Postanschlussstelle (Bahnpostamt), so gut wie alle Sendungen wurden mit dem Zug transportiert, selbst die Sendungen wurden dort sortiert. Politisch wurde dann alles auf die »Straße« verlagert, um Kosten zu reduzieren. In letzter Zeit gab es jedoch vermehrt Forderungen nach einem »Back to the roots«, etwa in Form einer Eisenbahntrasse zwischen Berlin und Baden-Württemberg. Allerdings brauchen diese Zustellungen ewig und drei Jahre, weil auch die Zugstrecken marode und gnadenlos unterfinanziert sind.
An sich ist es also löblich, dass die Post sich tatsächlich für den Klimaschutz engagiert. Das bringt allerdings herzlich wenig, wenn die dafür notwendige öffentliche Infrastruktur, beispielsweise in die Schiene und in Gas-Tankstellen, chronisch unterfinanziert bleibt. Eine ökologisch nachhaltige Novelle des Postgesetzes braucht eben auch einen infrastrukturellen Rahmen, in dem sie wirkmächtig werden kann. Und diesen muss die Regierung stellen.
Du hast bereits einige Reformen angeschnitten, die den Auswirkungen der Privatisierung und der Sparpolitik des Bundes entgegentreten könnten. Aber sollte die Post, selbst Teil der öffentlichen Infrastruktur, nicht eigentlich grundsätzlich in gesellschaftliche oder staatliche Hand überführt werden?
Mitte der Neunziger, als die Bundespost privatisiert wurde, war die damalige Deutschen Post Gewerkschaft (DPG) mit allen Mitteln versucht worden, diesen Prozess aufzuhalten. Die drei Aktiengesellschaften Deutsche Post AG, Postbank (Mittlerweile Deutsche Bank) und die Deutsche Telekom sind heute Zeugnis davon, dass man die politischen Verantwortlichen nicht von ihren Vorhaben abbringen konnte.
Ich persönlich bin weiterhin davon überzeugt, dass die Post wieder zurück in die öffentliche Hand überführt werden sollte. Wie im Übrigen auch andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie z.B. der Pflege- und Gesundheitsbereich.
In diesem Jahr gab es ja schon eine Reihe von Demos, Streiks und auch mehr oder weniger gewonnen Tarifverhandlungen. Fühlt ihr euch dadurch zusätzlich motiviert? Und wie ist es um die Unterstützung und Solidarität der anderen Branchen bestellt?
Die Postlerinnen und Postler waren schon immer gut organisiert. Wir haben einen Organisationsgrad jenseits der 50 Prozent. Es hat bei uns Tradition, sich kollektiv zu organisieren, anstatt allein mit einem Fähnchen vor dem Tor zu stehen. In der letzten Entgeltrunde Anfang des Jahres waren nicht alle mit dem Tarifergebnis zufrieden, dennoch ist klar, nur gemeinsam entwickeln wir genügend Druck gegenüber Arbeitgebern und Politik.
Bisher schaffen wir es gut, die Kolleginnen und Kollegen, die gewerkschaftlich organisiert sind, darauf aufmerksam zu machen. Gerade beim Thema Postgesetz ist es uns gelungen, schnell zu vermitteln, dass ein solches Gesetz uns alle betrifft.
Über kurz oder lang brauchen wir natürlich auch die Solidarität aller anderen Kolleginnen und Kollegen in ver.di und auch der Schwesterorganisationen im DGB. Die kriegen wir natürlich nicht von heute auf morgen, allerdings ist die Post einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, und dieses Gesetz wird auch strukturelle Auswirkungen auf so ziemlich jedes Individuum haben. Wir werden uns diese also Schritt für Schritt erarbeiten.
Was sind konkret die nächsten Schritte der gewerkschaftlichen Organisation?
Erstmal heißt es warten auf den Referentenentwurf, da sind wir natürlich alle sehr gespannt. Der ist für Ende Oktober angekündigt, sollte also bald erscheinen. Dieser Entwurf wird dann erst einmal mit unseren Positionen gespiegelt. Unsere Betriebsgruppen, Vertrauensleute und Betriebsräte werden dies dann zügig im Betrieb kommunizieren und diskutieren.
Darüber hinaus wollen wir in den Austausch mit Politikerinnen und Politikern, insbesondere der Regierungsparteien, gehen. Wir versuchen sie für unsere Positionen zu gewinnen, zum Beispiel, indem wir ihnen die logistische Kette zeigen, die Menschen, die dahinterstehen und dafür sorgen, dass Sendungen transportiert, sortiert und zugestellt werden. Oft sind sie dann erstmal überrascht, weil sie sich im Vorhinein nicht hätten vorstellen können, wie aufwändig diese Arbeit ist.
Natürlich geht es auch darum, die Bevölkerung von unserer Position zu überzeugen, die Gesellschaft quasi mit einzubeziehen. Es gibt zum Beispiel eine Idee, Postwurfsendungen mit Informationen zum Gesetz und unseren Positionen zu machen. So würden wir die eigene Arbeit nutzen, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen, und auch über die Bevölkerung politischen Druck auszuüben. Denn wenn so ein Gesetz erst einmal durch ist, und schon ein halbes bis dreiviertel Jahr verstrichen ist, und man dann erst merkt »Oh, das hat ja Auswirkungen auf mich als Kunde«, dann ist es in der Regel schon zu spät für Widerstand.
Wie kann man euch in der Zwischenzeit als Kundin oder Kunde unterstützen?
Zustellerinnen und Zusteller freuen sich immer über ein Lächeln oder einen kleinen Plausch. Früher waren wir sehr anerkannt in der Bevölkerung. Heute erleben wir immer öfter krasse Auseinandersetzungen, von Beleidigungen bis hin zu Handgreiflichkeiten, zusätzlich zu immer stressigeren Schichten und der körperlich belastenden Arbeit. Über zwischenmenschliche Nettigkeiten als Zeichen der Wertschätzung freuen wir uns immer.
Isa Senff ist Betriebsrätin der Deutschen Post und ver.di-Gewerkschaftsratsmitglied.