18. Dezember 2020
John Carpenters Filme zeigen Gesellschaften im Zerfall. Kein Wunder, dass seine Filme heute beliebter sind denn je.
Gehorsam und Konsum: In John Carpenters »They Live« wird die breite Masse von einer außerirdischen Oberschicht manipuliert.
Es mag seine Fans überraschen, aber der Ruf des Regisseurs John Carpenter war nicht immer so gut. Heute gilt Carpenter als einer der großen amerikanischen Genrefilmemacher, als Auteur eines halben Dutzends düsterer Klassiker, die für ihr beständiges Tempo, ihre pulsierenden elektronischen Soundtracks und ihre rohe Action bekannt sind. In dem Versuch, aus Carpenters breiter Beliebtheit Kapital zu schlagen, hat Hollywood im letzten Jahrzehnt eine Flut von Remakes, Neufassungen und Neuinterpretationen seiner Filmklassiker angekündigt.
Im Jahr 2018 spielte die von Carpenter genehmigte (und vertonte) Halloween-Fortsetzung von Blumhouse Productions 255 Millionen Dollar ein – bei einem Budget von 10 Millionen Dollar. Damit ist Halloween der Slasher-Film mit den höchsten Einnahmen in der Filmgeschichte. Im letzten Sommer gab dieselbe Produktionsfirma bekannt, dass sie mit Carpenter an einer weiteren Neufassung eines Klassikers arbeitet – The Thing von 1982 –, obwohl es bereits ein Prequel gab, das vor weniger als einem Jahrzehnt von einer anderen Produktionsgesellschaft produziert wurde.
Seit den späten 1990er Jahren, als Carpenter nicht einmal einen Low-Budget-Film auf den Markt bringen konnte, hat sich die Lage also drastisch verändert. Bis zur Jahrtausendwende hatte er das Filmemachen fast vollständig aufgegeben. Mittlerweile widmet er sich hauptsächlich seiner Musikkarriere und geht mit seinem Sohn Cody auf Tour, um seine gefeierte Filmmusik und andere Kompositionen weltweit aufzuführen.
Wie kam es nach einem so steilen Absturz also zu der mittlerweile weit verbreiteten Verehrung John Carpenters? Man würde zum Beispiel nicht erwarten, dass die meisten seiner Filme an den Kinokassen schlecht abgeschnitten haben. Nach einer Reihe großer und kleiner Hits in den 1970er und frühen 80er Jahren – darunter Halloween (1978), The Fog (1980), Escape From New York (1981), Christine (1983) und Starman (1984) – folgten kommerzielle Misserfolge mit Big Trouble in Little China (1986), Prince of Darkness (1987), Memoirs of an Invisible Man (1992), In the Mouth of Madness (1994), Village of the Damned (1995), Escape From L. A. (1996) und Ghosts of Mars (2001), die ihn zunehmend unfinanzierbar machten und zum Verhängnis seiner Karriere wurden.
Carpenters Meisterwerk The Thing von 1982 war vielleicht der schockierendste Flop: In jenem tragischen Jahr, in dem auch Blade Runner jämmerlich scheiterte, wurde er vom Publikum ignoriert und von den Kritikern weitgehend verschmäht. Das Publikum bevorzugte zu dieser Zeit den sonnigen und vorstädtischen E.T. Laut einem von Carpenters treuesten Bewunderern, dem Regisseur Guillermo del Toro, hat dieser Misserfolg »Carpenters Herz gebrochen«. Er berichtete auch, dass Carpenter über seinen neu errungenen Ruf verbittert ist: »Was zum Teufel bringt mir das?«
Im Jahr 2016 veröffentlichte del Toro eine Serie von zwanzig Tweets zu Ehren von John Carpenter, »einem wahren Auteur«, die mit den Worten begann: »Wenn ich an John Carpenter denke, bin ich erstaunt über die Tatsache, dass wir ihn für selbstverständlich halten. Wie können wir das nur tun? Und warum sollten wir?« Nach der Würdigung einzelner Carpenter-Filme aufgrund ihrer »schonungslosen Präzision, Einfachheit und Eleganz« und des perfekten »sparsamen rhythmischen Metrums« der Filmmusik, folgt eine Flut von Tweets, in denen er The Thing als Höhepunkt Carpenters Karriere bejubelt. »Scheiß auf sie alle«, antwortet er den Kritikern, die das nicht wahrhaben wollten. Das Ganze endet mit den Worten: »Letzter Gedanke für den Tag: Carpenter schafft ein Meisterwerk nach dem anderen, und immer wieder werden sie ignoriert. Geht in die Kirche und betet.«
Del Toro ist bei weitem nicht der einzige. Quentin Tarantino, Bong Joon Ho, Robert Rodriguez, Olivier Assayas, Danny Boyle, Edgar Wright, Nicolas Winding Refn, James DeMonaco (der Regisseur der Purge-Reihe), David Robert Mitchell (It Follows) und Kleber Mendonça Filho (Bacurau) gehören alle zu den Filmemachern, die Carpenter in Interviews gelobt, seinen Einfluss auf ihr eigenes Filmschaffen erwähnt und seine Filme manchmal bewundernd in ihren eigenen Werken zitiert haben.
Vor allem junge Leute schwärmen heute von Carpenters sogenannter »Apokalypse-Trilogie«: The Thing, Prince of Darkness und In the Mouth of Madness. Diese Filme sind, zusammen mit Halloween, Escape From New York und They Live, wahrscheinlich die am häufigsten angeführten Beweise für sein Genie.
Dafür gibt es einen einfachen Grund – sie sind gut gealtert. Carpenters apokalyptische Visionen, die in der Ära von Ronald Reagan, George H. W. Bush und Bill Clinton vielleicht noch etwas zu düster erschienen, fühlen sich jetzt vorausblickend an. Ausgehend von den enttäuschten linken politischen Hoffnungen, der maroden Wirtschaft der 1970er Jahre und seinen zynischen, antiautoritären Neigungen, identifizierte Carpenter bereits in den 1980er Jahren – zeitgleich mit Reagans zwei Amtszeiten als Präsident – die Vereinigten Staaten als »failed State«.
Sein explizitester Angriff auf den amerikanischen Alptraum ist der pseudomarxistische Film They Live, in dem ein Held der Arbeiterklasse, gespielt vom Profi-Wrestler Roddy Piper, gegen Außerirdische kämpft, die sich geschickt als die Bourgeoisie der Reagan-Ära verkleidet haben. »Das ist ein Dokumentarfilm«, sagt Carpenter immer wieder, »nicht Science-Fiction«.
In der selbstgefälligen Erzählung des Films verteilt eine politische Untergrundorganisation spezielle Sonnenbrillen, mit denen sich die Außerirdischen in unserer Mitte erkennen lassen. Die Außerirdischen wiederum versuchen, die menschliche Bevölkerung mit ausgeklügelten Überwachungstechnologien und allgegenwärtigen unterschwelligen Botschaften wie »Konsumiere« und »Gehorche« und »Stelle Autorität nicht in Frage« zu kontrollieren. Mit der Sonnenbrillen-Idee versuchte Carpenter politischen Aufbruch einfach und greifbar darzustellen: »Ich wollte mit den Augen der Revolutionäre auf die Welt blicken. Wie können wir die Menschen wachrütteln, damit sie ihre eigene Welt erkennen?«
Aber Carpenters schwer verdauliche Ansichten zum amerikanischen Kapitalismus gehen über They Live hinaus. Man denke nur an den Antihelden John Trent (Sam Neill) in In the Mouth of Madness (1994). Als gefühlloser und gut gekleideter Versicherungsermittler ist Trent in der Mittagspause so in ein Gespräch mit einem leitenden Angestellten vertieft, dass er den Axt schwingenden religiösen Fanatiker nicht auf sich zukommen sieht, bis der Angreifer durch das Restaurantfenster einbricht und auf dem Tisch landet. Der Wahnsinnige ist selbst ein ehemaliger Karrieremensch, einst Literaturagent eines ultra-erfolgreichen Pop-Horror-Schriftstellers namens Sutter Cane und jetzt ein fanatischer Cane-Verehrer.
Es ist ein düsteres Vergnügen, dabei zuzusehen, wie Trent sich selbst zerlegt, als er entdeckt, dass die Werke von Cane eine monsterhafte Apokalypse entfesseln, die direkt aus einer Geschichte von H. P. Lovecraft kommen könnte. »Dieses Buch wird die Leute verrückt machen«, warnt er Canes Verlegerin. »Hoffen wir es«, antwortet sie. »Der Film kommt nächsten Monat raus.« Das Ganze endet im Kinosaal als sich Trent selbst auf der großen Leinwand wiedererkennt: Er ist nichts weiter als eine Figur in der Verfilmung von Canes neuestem Roman – einer monströsen kapitalistischen Errungenschaft, die sich die Realität selbst einverleibt.
Es ist kein Zufall, dass linke politische Filmemacher so stark auf Carpenters Filme reagieren, und dass zunehmend linksgerichtete junge Amerikanerinnen und Amerikaner immer wieder auf ihn zurückkommen. Carpenters Figuren sind Typen aus der Arbeiterklasse, die ein prekäres Leben führen, das bereits schwierig ist, bevor sich die Monster in ihrer Umwelt offenbaren. Man denke nur an Protagonisten wie den grobschlächtigen und trübsinnigen John Nada (»Rowdy« Roddy Piper). Er ist der obdachlose Arbeiter auf der Jagd nach einem Job, der in They Live mit dem Schwarzen Bauarbeiter Frank Armitage (Keith David) befreundet ist. Und man erinnere sich daran, wie Frank verächtlich stöhnt, als Nada hartnäckig darauf beharrt, dass harte Arbeit und Beharrlichkeit ihm Chancen bieten, auch entgegen aller Anzeichen des sozialen Verfalls. Denn wie Nada sagt: »Ich glaube immer noch an Amerika.«
Die häufig erwähnte »Belagerungsstruktur« vieler Carpenter-Filme, bei der die Hauptfiguren auf engem Raum gefangen sind, umsäumt von sich vervielfachenden und verstärkenden Gefahrenquellen, spiegelt sich in der von uns erlebten dauerhaften Katastrophe wider. Wir fragen uns, wohin wir uns noch verkriechen können, um Pandemien, Klimakatastrophen, kollabierende Märkte, erodierende Bürgerrechte und Sozialprogramme sowie den politischen Rechtsrucks, im schlimmsten Fall sogar den Faschismus, zu überleben.
In der Stadt in Assault on Precinct 13 zeigt sich diese für Carpenter typische »Belagerungsstruktur« zum ersten Mal. In den nachfolgenden Filmen verkompliziert er dieses Konstrukt und lässt schon früh im Film Gefahrenquellen in den beengten, »sicheren Raum« eindringen. Es wird immer unklarer, ob man den Zufluchtsort verteidigen, aus ihm ausbrechen und die Bedrohung von außen bekämpfen oder einen Zweifrontenkrieg führen sollte.
Andere »Belagerungsstrukturen« sind bei Carpenter das Vorstadthaus als Terrorfalle in Halloween, die von körperraubenden Außerirdischen infiltrierte Antarktisstation in The Thing, die von besessenen Obdachlosen umringte Kirche in Prince of Darkness und das in ein Hochsicherheitsgefängnis verwandelte Manhattan aus Escape From New York. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass Carpenter und George A. Romero mit seinen berühmten Zombiefilmen über »Belagerungsstrukturen« eine gegenseitige Bewunderung füreinander teilten. Beide fielen in Hollywood in Ungnade, als die Reagan-Revolution gerade in vollem Gange war und man sich mit Filmen, die zeigten, wie sich die amerikanische Gesellschaft auf ihr desaströses Ende zubewegte, nicht gerade beliebt machte.
Carpenter ist sicherlich kein extravaganter Regisseur, und sein schlichter, klarer, schnörkelloser Ansatz beim Filmemachen ist leicht als Ambitionslosigkeit misszuverstehen. Tatsächlich ist Klarheit eine seltene und schätzenswerte Eigenschaft in einer Filmkultur, in der prätentiöses, verschachteltes, symbollastiges Aufbauschen als Beweis für Intellekt und Tiefgang erachtet werden – frei nach dem Motto, ein Film sei nur dann gut, wenn man ihm kaum folgen kann.
Carpenters Stil ist so gradlinig, dass man sein Können fast übersieht. Er schafft heimtückisch erschreckende Effekte durch scheinbar simple inszenatorische Kunstgriffe. Sein bevorzugter Stil der Weitwinkelaufnahme verstärkt nicht nur den Effekt von Bewegungen in Actionszenen, er ist auch trügerisch »offen« und gibt uns das vage Gefühl, dass gesamte Setting zu überblicken, auch wenn wir die Gefahr meist nicht lokalisieren können. Oder aber die Gefahr ist bereits als Element in der Einstellung sichtbar, wird aber in einer Weise heruntergespielt, die die erschreckend illusorische »Normalität« der Umgebung akzentuiert.
Im ursprünglichen Halloween-Szenario steht der psychotische Mörder am helllichten Tag unnatürlich still, bleibt aber neben einem hohen Zaun, an einer Wäscheleine hängenden Laken und kleinen Kindern, die mit ihren Eltern Süßes oder Saures spielen, weitgehend unbemerkt.
Eine ähnliche Art schnörkelloser Fertigkeit kann man in den Filmen von Carpenters Regie-Idol Howard Hawks sehen, der sich ebenfalls auf Genrefilme spezialisiert hatte und dafür bekannt war, dass er mit scheinbar jedem populären Genre Wunder bewirken konnte. Carpenter kehrt wiederholt zu Hawks zurück, um sich sowohl formal als auch erzählerisch inspirieren zu lassen. Am offensichtlichsten wird das in Assault on Precinct 13, der auf Hawks’ Rio Bravo beruht, und The Thing, einem düsteren Remake von Hawks gleichnamiger Produktion von 1951.
Carpenters Adaption basiert, wie die von Hawk, auf der Novelle Who Goes There? von 1938. Seine Interpretation ist ein Meisterwerk des suggestiven Terrors, das alle beruhigenden Element aus Hawks’ Version entfernt. Das betrifft vor allem Hawks’ Antwort auf Chaos, das in seinen ernsten, handlungsorientierte Filmen, von starken, professionellen und kompetenten Männern sowie deren klaren Verhaltenskodexen befriedet wird.
Bei Carpenter sind die Mitglieder der Besatzung, die dem Außerirdischen zum ersten Mal begegnen, fast direkt zu Beginn des Films alle tot. Und anstatt das Außerirdische in einer einzigen, stabilen Gestalt erscheinen zu lassen (ursprünglich gespielt von James Arness als einem schwerfälligen Frankenstein-Monster), entscheidet sich Carpenter für eine formwandelnde Kreatur. Jeder – oder jedes Lebewesen – könnte der Außerirdische sein. Er beginnt seinen Film mit einer großartigen Verfolgungsjagd, die aus der Perspektive einer leicht schwankenden Steadicam gedreht wird und auf eine gewaltige, gefrorene Felswand stößt. Wessen Blickwinkel ist das? Er entpuppt sich als der des Außerirdischen, der aber eine Form angenommen hat, die noch niemand im Publikum erkennen kann oder will – ein einsamer Husky, der über die gefrorene Tundra rennt, gejagt von einem scheinbar Verrückten in einem Hubschrauber, der auf den Hund unter ihm schießt.
Der Verrückte, der auf Norwegisch flucht, wird von der amerikanischen Besatzung getötet, in einem Akt, der als Selbstverteidigung erscheint. Der Hund wird zu den anderen Huskies gebracht, die den Eindringling verängstigt anjaulen – aber von der Besatzung ignoriert werden. Von da an werden wir Zeugen eines totalen sozialen Zusammenbruchs in den Baracken, wo bald klar wird, dass die Bedingungen drinnen ebenso tödlich sind wie draußen. Denn das Alien vollzieht schleichend seinen Schlachtplan, nimmt die Körper der Besatzungsmitglieder ein, und vernichtet einen nach dem anderen.
Zu Beginn werden die Männer in großen, gemeinschaftlich wirkenden Gruppen gezeigt. Dann, unter dem Druck von zunehmender Paranoia und Misstrauen, schrumpfen die Gruppen zu unbehaglichen Allianzen von drei Männern pro Aufnahme, oder auch nur zwei, und gegen Ende kommt es zur totalen Vereinzelung – kein Mann teilt einen »Bildausschnitt« mit einem anderen; jeder kämpft für sich, um die Übernahme durch den Außerirdischen zu überleben.
In Hawks’ Darstellung gibt es keinen einzigen Helden. Es ist ein Team von Gleichberechtigten. Und ihr Band wird immer stärker, bis sie schließlich gemeinsam den Außerirdischen besiegen. Hawks beendet seinen Film damit, dass die Crew eine Warnung an die Welt sendet: »Beobachtet den Himmel – egal wo. Haltet Ausschau.« Hier zeigt sich die »Can do«-Attitüde eines Amerikas, das frisch aus dem Sieg des Zweiten Weltkriegs taumelt.
Carpenters Film hingegen endet damit, dass sich sein Held R.J. MacReady mit seinem Hauptkonkurrenten Childs (Keith David) zögerlich wieder zusammenschließt, während sie vor ihren brennenden Baracken gemeinsam zu Tode frieren. Ihre letzte Mission besteht darin, lange genug zu leben, um zu verhindern, dass das Außerirdische den Flammen entkommt.
Es stellte sich heraus, dass das kein Rezept für einen Kassenschlager ist. Carpenter drückte später sein Bedauern über sein Beharren auf diesem trostlosen Ende aus. Vielleicht wären einige seiner Filme beim Publikum besser angekommen, wenn er ihnen mehr Happy End geboten hätte. Doch Carpenters düster ambivalente Schlussfolgerungen stehen ganz im Einklang mit seiner Gesamtvision einer auseinanderbrechenden Gesellschaft, deren Bevölkerung zunehmend der Paranoia und dem Zynismus verfällt und unfähig ist, das Misstrauen zu überwinden, um sich zu wehren. Ein echter Filmemacher für unsere Zeit.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts Filmsuck.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts »Filmsuck«.