18. August 2023
Mit der digitalen Revolution ist der Traum der sozialistischen Kybernetik in greifbare Nähe gerückt: Demokratisch kontrollierte Computertechnologie könnte den Markt als Steuerungszentrale der Wirtschaft ersetzen. Doch viele Fragen bleiben noch offen.
Computergeneriertes Bild des Kontrollzentrums von Projekt Cybersyn.
Rama / Wikimedia CommonsWährend der digitalen Revolution der letzten vier Jahrzehnte haben die Informations- und Computertechnologien unsere Gesellschaft so weit durchdrungen, dass sie heute praktisch allgegenwärtig sind und Milliarden von Menschen miteinander verbinden. Auch vor der sozialistischen Bewegung hat diese Entwicklung nicht halt gemacht, und in den letzten Jahren sind mehrere Gruppen entstanden, die sich dem sogenannten »kybernetischen Kommunismus« zugehörig fühlen. Doch auch wenn es den Anschein macht: Es geht hier nicht einfach nur um Kommunisten, die Computer benutzen.
In diesem Artikel wollen wir zeigen, dass die Kybernetik als Wissenschaft der Steuerung und Regelung die marxistische Kritik der politischen Ökonomie ergänzt. So erlaubt sie uns, die Informationsgrundlagen zu erblicken, die unter den kapitalistischen Realitäten verborgen liegen, und diese in Sachen Effizienz und Anpassungsfähigkeit mit alternativen Institutionen zu vergleichen.
Um die wesentlichen Merkmale dieses neuen theoretischen Paradigmas zu verstehen, ist es sinnvoll, sich einen historischen Überblick über Konzepte, Autorinnen und Autoren sowie Strömungen zu verschaffen, die ihm vorausgingen. Das ist auch der Zweck dieses Textes: Einen »Stammbaum« des kybernetischen Kommunismus zu skizzieren. Obwohl wir aus Platzgründen nicht zu tief in die Materie eindringen werden, glauben wir, dass die von uns vorgeschlagene Schematisierung einen guten Einstieg bietet und möglicherweise zu weiteren Fragen anregt.
Das ist also die Geschichte, wie zwei ungleiche Konzepte auf kohärente Weise zusammenkommen: Kommunismus und Kybernetik. Ersterer ist in den Kreisen, in denen wir uns bewegen, besser bekannt. Wir sprechen hier über den politischen Ausdruck der Arbeiterbewegung seit der Ersten Internationale, systematisiert unter anderem von Karl Marx und Friedrich Engels. Theoretisch nimmt dieser mit der Kritik der politischen Ökonomie, wie sie im Kapital dargestellt wird, seinen Anfang. Die Entnaturalisierung der bürgerlichen Institutionen (Märkte, Geld, Preise und Profitanreize) und die Analyse ihrer inneren Gesetzmäßigkeiten würden eine radikal demokratische Planung der Wirtschaft ermöglichen: ein revolutionäres politisches Programm, das in der Lage ist, diese Gesetzmäßigkeiten aufzubrechen.
Und die Kybernetik? Bei ihr handelt es sich um ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das seine Anfänge in der Entwicklung von Flugabwehrsystemen während des Zweiten Weltkriegs hatte und anschließend durch die Übertragung einiger innovativer Ansätze auf Bereiche wie Neurowissenschaft und Ökologie konsolidiert wurde. So begann man mit der Kybernetik, Lebewesen als komplexe Systeme zu begreifen, die über ihre Sinne Informationen aufnehmen, welche an das Gehirn weitergeleitet und von diesem verarbeitet werden. So wird eine effiziente Entscheidungsfindung ermöglicht. Dies ist ein Verhalten, das als Kontrollsystem modelliert werden könnte, das auf bestimmte Eingangssignale reagiert, ein Ausgangssignal erzeugt und damit eine sogenannte Rückkopplungsschleife (zwischen dem Individuum und seiner Umwelt) schafft.
Die große Errungenschaft der Kybernetik war, zu erkennen, dass diese Rückkopplungsschleifen in vielen verschiedenen Sphären auftreten. Norbert Wiener, der vielfach als Vater der Disziplin genannt wird, definiert sie als »Gebiet der Kontroll- und Kommunikationstheorien, sei es in der Maschine oder im Tier«. Solche Kontrollprozesse sind also nicht nur auf die Tierwelt beschränkt, sondern können auch von »Automaten« imitiert werden, die sich dann ebenfalls an eine sich verändernde Umwelt anpassen und mit ihr interagieren können.
Die Entwicklung solcher komplexen Automaten wäre nicht möglich gewesen ohne zwei der größten theoretischen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts: der Informationstheorie von Claude Shannon und Alan Turings Turing-Maschine. Shannon formalisierte das Konzept der »Information« mathematisch und stellte damit ein ganzes Arsenal theoretischer Werkzeuge zur Verfügung, die es ermöglichten, wesentlich effizientere Mechanismen zu entwickeln, um Informationen zu übertragen und zu speichern. Turing seinerseits demonstrierte die Möglichkeit, jede berechenbare mathematische Funktion Schritt für Schritt zu kodieren – das heißt, jeden Algorithmus in einer endlichen Folge von Bits, die heute als Programm oder Anwendung bekannt ist. Außerdem zeigte er, dass ein solcher Binärcode von einer universellen Turing-Maschine verarbeitet werden kann, die in der Lage ist, Code von jeder anderen Turing-Maschine auszuführen. Das bildet die Grundlage für jeden modernen Computer.
»Wiener vertrat die Ansicht, dass merkantile Beziehungen Informationen misshandeln, weil sie technologisch-wissenschaftliche Errungenschaften in Privateigentum umwandeln.«
Beeinflusst von diesen Ansätzen haben Autorinnen und Autoren wie William Ross Ashby bestimmte Beziehungen zwischen der Informationstheorie und der Steuerung komplexer Systeme aufgezeigt. Eine der wichtigsten ist das sogenannte Gesetz der erforderlichen Varietät – auch bekannt als das Theorem des guten Reglers: Jeder gute Regler muss die Komplexität des Steuerungssystem bewältigen können, die sich in der Anzahl der möglichen Situationen ausdrückt, und für jede von ihnen eine Antwort haben. Andernfalls reduziert die erzwungene Verringerung der Komplexität erheblich seine Reaktionsfähigkeit.
An dieser Stelle fragen sich die Leserinnen und Leser bestimmt, was das alles mit Kommunismus zu tun hat. Nunja: Was wäre, wenn man diese Informationsanalyse komplexer Systeme auf die Wirtschaft anwenden würde? Ist dies möglich und sinnvoll? Interessanterweise hat sich Wiener selbst dazu geäußert:
»Ich schreibe dieses Buch in erster Linie für Amerikaner in amerikanischer Umwelt. In dieser Umwelt werden Informationsfragen entsprechend dem dort herrschenden Bewertungskriterium eingeschätzt: Ein Ding wird als Ware danach gewertet, was es auf dem freien Markte einbringt. [...] Das Schicksal der Information ist, zu einer mit einem Preis versehenen Ware zu werden, die gekauft oder verkauft werden kann. Es ist nicht meine Aufgabe, herauszutüfteln, ob diese merkantile Haltung moralisch oder unmoralisch, klug oder unklug ist. Ich habe nur darzulegen, daß sie zu Mißverstehen und Mißbrauch von Information und den damit verknüpften Begriffen führt.«
Erstaunlich kapitalismuskritisch, oder? Zumindest fanden das bestimmte Kreise in der UdSSR und der DDR nach 1955. Wiener vertrat die Ansicht, dass merkantile Beziehungen Informationen misshandeln, weil sie Entdeckungen und technologisch-wissenschaftliche Errungenschaften – die das Produkt kollektiver Anstrengungen sind und letztlich die gesamte Menschheit betreffen – in Privateigentum umwandeln. Dies macht sie für die Gesellschaft undurchsichtig und führt zu einem unverantwortlichen Umgang mit diesen Ressourcen. Die sowjetischen Kybernetiker Anatoli Kitow, Sergei Sobolew und Alexei Ljapunow erklärten dies zu »einer scharfen Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft«, die bis dahin wenig erforscht war.
Als dieser Weg einmal eröffnet war, dauerte es nicht mehr lang, bis die kybernetische Analyse für sozialistische Zwecke angewandt wurde. In diesem Sinne erklärte man nun Märkte und kapitalistische Unternehmen als defekte Automaten oder Kontrollsysteme.
Indem er sich auf Wieners Forschung stützte, entwickelte der polnische Wirtschaftswissenschaftler Oskar Lange ein neues Verständnis ökonomischer Probleme. In ihrer polemischen Auseinandersetzung mit Vertretern des Austromarxismus hatten Hayek und Co. deren Vorschlag für einen »neoklassischen Sozialismus« kritisiert, indem sie unterstellten, dass die Computer, mit denen Lange die Preise von Produkten ohne Wettbewerb zwischen den Unternehmen berechnen wollte, eine »digitale Version des Marktes« seien. Dabei sei letzterer aber in Wirklichkeit ein wesentliches »Telekommunikationssystem« für Industriegesellschaften.
Lange argumentierte umgekehrt, dass der Markt nichts anderes sei als ein »Computer sui generis«, der Gleichungssysteme durch soziale Interaktionen, rein statistische Informationen und Trial-and-Error Dynamiken löse. Diese Aussage stimmt mit den oben erwähnten Entwicklungen von Turing überein: Da der Markt ein »dezentrales Programm« ist, sollte er auch jenen Programmen entsprechen, die in jeder universellen Turing-Maschine ausgeführt werden können. Sobald wir genau verstünden, wie er funktioniert, müssten wir also einen Rückkopplungsmechanismus nachbilden können, der dasselbe und noch viel mehr leistet, ohne all die Unannehmlichkeiten des herkömmlichen »analogen Marktes«.
»Die durch die Informations- und Kommunikationstechnik eröffnete Möglichkeit, riesige Mengen an Informationen zu sammeln, zu speichern und zu verarbeiten, erlaubt es uns, auf den Markt zu verzichten.«
Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs veröffentlichte der britische Kybernetiker Stafford Beer das Buch The Brain of the Firm, in dem er aus Ashbys Gesetz der erforderlichen Vielfalt weitreichende Konsequenzen zog. Er vertrat die Auffassung, dass die Marktwirtschaft – indem sie die spontane Entstehung von Bedürfnissen und sozialen Initiativen in die Grenzen der Profitlogik einschränkt und alle Informationen auf monetäre Variablen reduziert – den gesellschaftlichen Stoffwechsel in eine kybernetisch »ungeschickte« Dynamik zwingt, was für die Menschheit dramatische Folgen hat.
Für beide war die sozialistische Planung den Märkten darin klar überlegen, erstens transparenten Zugang zu allen ökonomischen Informationen zu haben, zweitens unmittelbar auf neue Bedürfnisse der Bevölkerung zu reagieren, ohne dass diese durch Profitabilität gefiltert werden und drittens die Voraussicht, langfristige wirtschaftliche Berechnungen anzustellen.
Die herausragendsten historisch-politischen Konkretisierungen dieser Ansätze waren erstens OGAS von Viktor Glushkov in der UdSSR, zweitens Stafford Beers Cybersyn im Chile der Unidad Popular und drittens die »wirtschaftsgeographischen« Projekte, die das Nowosibirsker Institut im Lichte der Arbeiten von Leonid Kantorowitsch und Nikolai Veduta steuerte. Die ersten beiden Projekte sind relativ bekannt, das dritte hingegen weit weniger erforscht, aber gerade aufgrund der ökologischen Sensibilität, die es bei der Urbanisierung der sibirischen Steppe entwickelte, von großem Interesse. Dieses Vermächtnis wurde in Russland von Nikolais Tochter, Elena Veduta, bewahrt.
Als sich neoliberale Diktaturen in ganz Lateinamerika ausbreiteten und anschließend die UdSSR zerfiel, bedeutete das für all diese Projekte das Aus. Doch überraschenderweise erschien 1993 im Westen ein Werk, das das Interesse an diesen Ansätzen in kleinen Kreisen nach und nach wieder aufleben ließ: Towards a New Socialism von Paul Cockshott und Allin Cottrell. Eineinhalb Jahrzehnte später veröffentlichten sie zusammen mit Gregory John Michaelson, Ian P. Wright und Victor Yakovenko ein weiteres Buch, Classical Econophysics. Diese beiden Veröffentlichungen kondensierten alle Erkenntnisse der vorgenannten Autoren und fassten diese in nie dagewesener Formalisierung und Präzision zusammen. Man könnte sagen, dass sie den kybernetischen Kommunismus quasi begründeten und der revolutionären Bewegung zwei theoretische Waffen an die Hand gaben: die Ökonophysik als Analyse von Marktwirtschaften und die kybernetisch-kommunistische Planung als politischen Vorschlag, der die strukturellen Mängel traditioneller Planungsformen überwinden will.
Beginnen wir mit der Ökonophysik: Das 1983 von Emmanuel Farjoung und Moshe Machover veröffentlichte Buch Laws of Chaos: A Probabilistic Approach to Political Economy verdient hier besondere Aufmerksamkeit. Darin vollziehen sie den Schritt von der klassisch deterministischen zur statistischen Physik nach und zeigen, dass sich die Dynamiken der politischen Ökonomie nur mittels der Statistik mathematisch ausdrücken lassen, da es sich bei ihrem Untersuchungsobjekt grundsätzlich um ein chaotisches System handelt. Damit ließen sich die mathematischen Techniken des Marxismus weiterentwickeln, was wiederum die Entwicklung präziserer Modelle ermögliche, mit denen sich die gesamte marktwirtschaftliche Komplexität erfassen ließe. Dass die Wettbewerbsdynamiken, die schließlich für die Festlegung von Preisen, Löhnen und dergleichen verantwortlich sind, lediglich mit Informationen statistischer Natur spielen, hatte bereits Lange angedeutet.
Dieses Projekt wurde in Classical Econophysics weitergeführt, in dem der Marxismus vollends mit der Kybernetik fusionierte. Darin erklären Autoren wie Wright, dass das Kapital als gesellschaftliches Produktionsverhältnis kybernetisch betrachtet ein »Kontrollsystem« ist, das sich durch eine bestimmte Rückkopplungsschleife an unsere biophysikalische, aber auch geopolitische Umwelt anzupassen versucht: atomisierte soziale Einheiten konkurrieren untereinander um bestimmte Verbraucher-Nischen, um so ihre Tätigkeiten zu monetarisieren. Das Wertgesetz und seine Grundformel, M–C–M’ [Geld – Ware – mehr Geld], fungiert als Bewertungsmaßstab, der nicht profitable Initiativen als »irrational« herausfiltert. Die Marxsche Konzeption des Kapitals als »automatisches Subjekt«, dessen »Wille« sogar über den Kapitalisten selbst steht, ist keine Metapher. Die Kapitalisten, ermutigt durch ihren mit Privilegien verbundenen Reichtum und verängstigt durch die Möglichkeit, von der Konkurrenz weggefegt zu werden, verkörpern und vollziehen lediglich die Output-Signale des Kontrollsystems, dem sie unterworfen sind.
Diese Output-Signale sollen der kapitalistischen Gesellschaft ermöglichen, sich an veränderte Umstände anzupassen, indem sie die finanziellen Ausgaben um ein bestimmtes »Gleichgewicht« herum optimiert. Wie Farjoun und Machover aber zeigen, ist ein solches Gleichgewicht in der Praxis unerreichbar, weil die Signale zu simpel sind, um die ganze Komplexität des Systems zu erfassen. Dies führt zu impulsiven und rudimentären Investment- und Einspar-Dynamiken. Auf diese Weise wird die gesellschaftliche Mehrheit nicht nur auf ein bestimmtes Lohn- und Konsumniveau, eine bestimmte Wachstumsrate oder, kurz gesagt, eine bestimmte Profitrate beschränkt, sondern es entstehen auch die anhaltende soziale Instabilität und die periodischen Krisen, die wir heute beobachten.
Aus diesem Grund lassen sich Märkte auch als defizitäre Automaten beschreiben. Sie verkomplizieren den gesellschaftlichen Stoffwechsel, indem sie parallel ablaufende, aber nicht miteinander kommunizierende Prozesse und Intransparenz erzeugen und dabei Informationen produzieren, die teils redundant und teils vollkommen nutzlos sind. Dies führt zu einer Überbeanspruchung und Verschwendung von Ressourcen in Wachstumsperioden und zu einer Unterauslastung der Produktionskapazitäten in Krisenzeiten. Man denke nur daran, wie viele Unternehmen jeden Tag gegründet werden, die bloß leichte Variationen ein und desselben Produkts produzieren, die die Menschen in diesen Mengen ohnehin nicht konsumieren, geschweige denn sich leisten können.
»Mit dem Markt überlassen wir das Schiff (die Gesellschaft) dem Schicksal von Wind und Gezeiten, während die kybernetische Planung es uns ermöglicht, das Steuer zu selbst in die Hand zu nehmen und dorthin zu segeln, wo wir wollen.«
Doch das ist noch nicht alles. Paradoxerweise ignoriert der Markt gleichzeitig genau die Informationen, die für unsere Zukunft von entscheidender Bedeutung sind, und verhindert sogar, dass sie berücksichtigt werden. In Teilen liegt das daran, dass der Markt alles, was über die engen Grenzen der monetären Parameter hinausgeht, einfach nicht als Input-Signal »erkennen« kann. Aber das eigentliche Problem besteht darin, dass es, selbst wenn sie politisch sichtbar gemacht werden, dem Profitprinzip widerspricht, ihnen nachzugehen. So werden unendlich viele Themen, über deren enorme Bedeutung die Fachleute sich einig sind (Austrocknung der Böden, fortschreitende Ressourcenknappheit, chronischer Stress und so weiter), in die Schublade der »negativen externen Effekte« gesteckt und den öffentlichen Verwaltungen überlassen, die mittelfristig ebenso sehr von der Rentabilität der Unternehmen abhängig sind wie die Unternehmen selbst.
An dieser Stelle lässt sich bereits erahnen, was die Verbindung zwischen der Ökonophysik und der kybernetisch-kommunistischen Planung ist. Erstere erlaubt uns, zu erklären, dass letztere im Vergleich zur Marktwirtschaft die Nutzung gesellschaftlicher Informationen optimiert und damit unsere Anpassungsfähigkeit deutlich erhöht. Die Planung ist kybernetisch gesehen also quantitativ und qualitativ überlegen. Indem sie redundante Informationen beseitigt, kann sie schneller und genauer das tun, was der Markt tut (Kosten optimieren und die Arbeit nachfrageorientiert auf die Branchen verteilen). Die durch die Informations- und Kommunikationstechnik eröffnete Möglichkeit, riesige Mengen an Informationen zu sammeln, zu speichern und zu verarbeiten, erlaubt es uns, auf den Markt zu verzichten.
Die Planung ist auch in qualitativer Hinsicht eindeutig anders und überlegen. Wie Otto Neurath erläuterte, entsteht dank des Naturalkalküls und der direkten Demokratie eine neue Art von Rationalität, die mehrdimensionale Faktoren berücksichtigen kann und auf die Befriedigung sozialer Bedürfnisse ausgerichtet ist. Wir würden von einem Kontrollsystem sprechen, das die Fähigkeit besitzt, bewusst zu entscheiden, was zu tun ist und wie. Pläne sind der bewusste Ausdruck des demokratischen Willens zu einem bestimmten Zeitpunkt mittels selbst auferlegter Ziele und Zwänge.
Je nachdem, was berücksichtigt wird, kann dies sowohl einen Ausbau als auch einen Rückbau unterschiedlicher produktiver Sektoren bedeuten. Und warum? Weil durch die Abschaffung der Kapitalistenklasse und die Zentralisierung der Produktionsmittel die soziale Reproduktion nicht mehr von den Gewinnerwartungen eines bestimmten Arbeitgebers in einem Sektor oder von Spekulationen abhängt, sondern die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens (Gesundheit, Konsum, Ökologie und so weiter) von Fall zu Fall auf der Grundlage bestimmter wissenschaftlicher Studien und ethisch-politischer Erwägungen, die in öffentlichen Beratungen zum Ausdruck kommen, gesteuert werden.
Für diese neue Art der Organisation des gesellschaftlichen Stoffwechsels ist die Demokratie – etwas ganz anderes als die repräsentative Despotie des bürgerlichen Parlamentarismus, der vor der Macht des Kapitals in die Knie geht und dessen wesentliche Aufgabe darin besteht, die allgemeinen Reproduktionsbedingungen des Kapitals zu garantieren – keine bloße rhetorische Floskel. Nur eine breite und kontinuierliche Beteiligung der Bevölkerung kann eine soziale Reproduktion garantieren, die – solange sie einvernehmlich ist – nicht zu sozialen Unruhen führt.
Ebenso ist die zielgerichtete, das heißt mathematisch ausdrückbare Erfassung sozialer Bedürfnisse und damit die Planung selbst ohne eine fließende Informationsübertragung von unten nach oben unmöglich. Dies wurde glücklicherweise in unserem Umfeld von – wenn wir den Ausdruck verwenden dürfen – kybernetischen Kommunisten in spe wie Felipe Martínez Marzoa erkannt: »Die Integration der gesamten Produktion in eine einzige Berechnung ist nur durch die totale Transparenz des Produktionsapparates möglich [...], die nur erreicht werden kann, wenn Information und Kontrolle eine Tatsache der allgemeinen sozialen Kommunikation darstellen; denn es ist offensichtlich, dass diese Bedingungen nur in einer politischen Situation der uneingeschränkten Demokratie erfüllt werden können.«
Wir hoffen, dass mit diesem kurzen Umriss ein wenig klarer geworden ist, was wir mit der Ergänzung der Kritik der politischen Ökonomie durch moderne Informations- und Kontrolltheorien meinen. Es ist bemerkenswert, dass sogar die Etymologie des Wortes uns so etwas zu suggerieren scheint. »Kybernetik« kommt von dem griechischen Verb kubernáō, was soviel bedeutet wie »ein Schiff steuern« oder »lenken«. Eine bildhafte Erklärung unseres Ansatzes wäre also folgendes: Mit dem Markt überlassen wir das Schiff (die Gesellschaft) dem Schicksal von Wind und Gezeiten, während die kybernetische Planung es uns ermöglicht, das Steuer zu selbst in die Hand zu nehmen und dorthin zu segeln, wo wir wollen.
Letztlich plädieren wir dafür, dass es die Priorität jedes revolutionären politischen Programms des 21. Jahrhunderts sein sollte, Forschungsprojekte zur Vergesellschaftung der Produktionsmittel und ihrer radikal-demokratischen Verwaltung durch den Einsatz von heute verfügbaren Technologien zu fördern. Es gibt also noch viel zu tun, und deshalb sind neue Theorien und Arbeitsgruppen so wichtig – zum Beispiel Tomas Härdin, Jan Phillip Dapprich, David Zachariah, Grigory Kopanev, Spyridon Samothrakis, das Forum von Nicolas D. Villarreal und so weiter. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber die rasche Verbreitung dieses Ansatzes in den letzten fünf Jahren zeigt uns, dass seine Grundlagen solide sind – und seine Zukunft vielversprechend.
Cibcom ist ein spanischsprachiges Kollektiv, das an der Entwicklung und Verbreitung cyberkommunistischer Konzepte arbeitet.