25. Juni 2024
Globalisierung ist Klassenkampf von oben und hat viele Arbeiter den Rechten in die Arme getrieben. Die Linke braucht Antworten auf die Probleme, die durch die globale Mobilität des Kapitals entstehen. Kapitalverkehrskontrollen wären ein Anfang.
Kapitalverkehrskontrollen können im Kampf für bessere Löhne helfen.
Die Globalisierung ist eine Form von Klassenkampf. Doch die Linke hat es bis heute nicht geschafft, eine kohärente Strategie zu entwickeln, um sie zu bekämpfen.
Auf einer Ebene ist dies verständlich: Angesichts der zahlreichen bedrohlichen rechtsradikalen Bewegungen könnte ein Fokus auf die Gefahren der Globalisierung das Risiko bergen, nationalistischem Denken weiteren Vorschub zu leisten. Allerdings ist es so, dass das Fehlen einer klaren Vision für den Kampf gegen die wirtschaftliche Umstrukturierung, die in den vergangenen Jahrzehnten den Lebensunterhalt der Arbeiterklasse zerstört hat, es der radikalen Rechten ermöglicht, den Frust der arbeitenden Bevölkerung in Unterstützung für nationalistische und rassistische Politik zu kanalisieren.
Wer die Globalisierungskritik aufgibt, gibt dieses Terrain an die Rechte ab. Darüber hinaus läuft dies darauf hinaus, sich implizit mit der neoliberalen Mitte als vermeintliches Bollwerk gegen einen rechtsradikalen Autoritarismus zu verbünden. Das bedeutet auch, die direkte Mitwirkung neoliberaler Mitte-Politik am Aufstieg der Rechten zu ignorieren.
Die Linke muss auf plumpen Nationalismus à la »America First« mit einer substanzielleren, klassenbasierten Analyse antworten – einer Analyse der Verhältnisse und Kräfte, die das Leben der Arbeiterklasse zerstört haben. Die heutige Verelendung ist nicht die Schuld von »China« oder »Mexiko«, die »Amerika« in Form von »schlechten Handelsdeals« und einer vermeintlichen »Einwandererflut« ausnutzen, die wiederum von »Globalisten« ermöglicht werden (denen oft unterstellt wird, sie seien Juden oder Marxisten oder anderweitig subversive, unamerikanische Elemente). Vielmehr haben alle amerikanischen Kapitalisten jahrelang auf die Beseitigung von Hindernissen für den internationalen Investitionsverkehr gedrängt und davon massiv profitiert.
Der freie Kapitalverkehr hat es multinationalen Konzernen ermöglicht, Produktion und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern und die Ausgaben für Arbeitskräfte, Steuern und Vorschriften zu senken. Gleichzeitig wurden Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Staaten auf der ganzen Welt in einen Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze gesetzt. Dies führt zu einem »Wettlauf nach unten«, bei dem die Löhne gedrückt und der Sozial- und Umweltschutz sowohl daheim als auch im Ausland zurückgefahren werden.
Es braucht eine Strategie, um sich gegen dieses Klassenprojekt namens Globalisierung zu wehren. Dies beginnt mit der Forderung nach Kapitalverkehrskontrollen oder Beschränkungen des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs. Ein solcher Schritt wirft freilich sofort die Frage auf, was mit dem Kapital geschieht, das im Inland bleibt. Kapitalverkehrskontrollen sind nicht das Ende, sondern lediglich der Anfang eines Kampfes um eine breitere gesellschaftliche Kontrolle über Investitionen. Die Frage, wo, wann und warum Investitionen getätigt werden, sollte eine demokratische Entscheidung sein und nicht die von Despoten in Form von rechenschaftspflichtbefreiten Konzernen.
Entgegen zahlreicher anderslautender Aussagen geht es bei der Globalisierung nicht in erster Linie um eine Ausweitung des »Freihandels«. Vielmehr ist das Ziel, die uneingeschränkte Bewegung von Investitionen über Grenzen hinweg zu erleichtern. Das Kapital hat enorm an Macht gewonnen, da es Länder einfach »verlassen«, sprich: Investitionen nach Belieben abziehen und dorthin verlagern kann, wo die Arbeits- und Regulierungskosten am niedrigsten sind. Heute findet etwa die Hälfte des Welthandels innerhalb multinationaler Konzerne statt, die Waren und Kapital über internationale Grenzen hinweg bewegen. Wenn man die weiter gefassten, von multinationalen Konzernen organisierten globalen »Wertschöpfungsketten« einbezieht, steigt dieser Wert sogar auf rund 70 Prozent.
Die Internationalisierung der Produktion hat den Spielraum der Staaten für Reformen eingeschränkt, den Arbeitern die Verhandlungsmacht am Arbeitsplatz genommen und die hiesige Arbeiterklasse durch Betriebsschließungen dezimiert. Die Verzweiflung und Wut über die zunehmende Ungleichheit, die Prekarität und das Elend, die dadurch entstanden sind, werden nun zu Brandbeschleunigern für rechte Politik.
Eine linke Strategie für einen Bruch mit der Globalisierung beginnt mit Kapitalverkehrskontrollen. Aus rein ökonomischer Sicht gibt es keinen Grund, warum die Einführung solcher Kontrollen nicht möglich sein sollte. Die Herausforderungen wären vielmehr politischer Natur, da sie auf den entschiedenen Widerstand aller Teile der Kapitalistenklasse stoßen würden. Einige Linke waren oder sind zwar der Ansicht, die Arbeiterinnen und Arbeiter sollten ein Bündnis mit dem Industriekapital eingehen, um das Finanzkapital einzudämmen, »gute Arbeitsplätze« daheim zu schaffen und das »Goldene Zeitalter« des Kapitalismus der Nachkriegszeit wiederaufleben zu lassen. Dabei wird aber übersehen, dass die globale Integration des Finanzwesens entscheidend war und es Industrieunternehmen ermöglicht hat, Kapital auf der ganzen Welt hin und her zu bewegen. Sowohl das Industrie- als auch das Finanzkapital profitieren massiv von der Globalisierung – wie man an den Rekordgewinnen für beide sehen kann.
Die Globalisierung infrage zu stellen, ist gleichbedeutend mit einer massiven Konfrontation mit der inländischen Kapitalmacht. Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen wäre daher ein wichtiger Schritt, um die Macht der Arbeiterschaft zu stärken und eine breitere gesellschaftliche Kontrolle über Investitionen zu erreichen.
»Wenn man das Kapital daran hindert, aus einem Land ›abzuhauen‹, wird seine Verhandlungsmacht geschwächt und andererseits die Macht der Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen gestärkt.«
Kapitalverkehrskontrollen sind Vorschriften, die den Ab- oder den Zufluss von Kapital einschränken. Solche Kontrollen gibt es in vielen Formen, Arten und Größen. Dies können beispielsweise Beschränkungen der Möglichkeit sein, im Ausland zu investieren oder Geld in unterschiedliche Währungen umzutauschen, ebenso Steuern auf den grenzüberschreitenden Geldverkehr und sogar absolute Verbote einzelner Arten von Kapitalbewegungen. Die Kontrollen können sich auf bestimmte Sektoren oder auf die gesamte Wirtschaft beziehen. Sie können darauf abzielen, kurzfristige Kapitalflüsse zu verhindern oder aber auch mittel- oder langfristige Investitionen zu regulieren.
Zwar hat die Integration und Vernetzung des internationalen Finanzwesens, die für die Globalisierung von zentraler Bedeutung war, dazu geführt, dass solche Kontrollen verringert oder ganz abgeschafft wurden, doch gibt es derartige Regelungen in unterschiedlichen Formen nach wie vor in einer Reihe von Staaten auf der ganzen Welt, vor allem in der globalen Peripherie. In diesen Fällen zielen sie in der Regel darauf ab, die eigene wirtschaftliche Entwicklung zu fördern oder Volatilität zu begrenzen, indem sie kurzfristige spekulative Geldbewegungen beschränken.
Im Zuge der schweren Finanzkrise in Asien 1997/98 führte beispielsweise Malaysia Kapitalverkehrskontrollen ein, um die Spekulation gegen die heimische Währung zu begrenzen und die Kapitalflüsse aus dem Land heraus einzuschränken. In ähnlicher Weise starteten mehrere Staaten nach der Finanzkrise 2008 Kapitalverkehrskontrollen, von denen die meisten vorübergehend konzipiert waren – und die alle den Interessen des Kapitals dienten, um eine finanzielle und wirtschaftliche Stabilisierung zu unterstützen. Unter anderem China und Indien haben in unterschiedlichem Maße diese Kontrollen beibehalten, um die Wechselkurse ihrer Währungen zu steuern und ausländische Investitionen zu regulieren. Beide Länder stehen unter starkem Druck der globalen Finanzwelt, diese Maßnahmen wieder zurückzufahren.
Sogar die Vereinigten Staaten und andere hochentwickelte kapitalistische Länder unterhielten bis in die 1970er Jahre hinein Kapitalverkehrskontrollen als Teil des sogenannten Bretton-Woods-Systems, das nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt wurde. Da es den Staaten eine gewisse Autonomie von der Macht der globalen Finanzströme gewährte, sodass sie eine relativ unabhängige Wirtschaftspolitik betreiben konnten, schuf Bretton Woods einen stabilen Rahmen für die Integration, Konsolidierung und Legitimierung des globalen Kapitalismus und des US-Imperiums.
Tatsächlich waren Kapitalverkehrskontrollen vom US-amerikanischen Staat immer als ein vorübergehender Schritt bei der »Schaffung des globalen Kapitalismus« gedacht. Mit der zunehmenden Vernetzung des globalen Kapitalismus wurde der frühere »Brutkasten« in Form von Kapitalkontrollen schließlich unnötig und konnte abgeschafft werden. Die Abschaffung der Kontrollen trug dazu bei, die Profitkrise der 1970er Jahre zu lösen: Die Arbeitskosten sanken, da die riesige Zahl von Niedriglohnarbeitern in der globalen Peripherie für die Ausbeutung in rationalisierten, weltweit integrierten Produktionsketten zugänglich gemacht wurde.
Aus unserer Sicht sollte es bei Kapitalverkehrskontrollen weder darum gehen, die Internationalisierung des Kapitals zu fördern, noch kurzfristige Wirtschaftskrisen zu bekämpfen oder die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Unternehmen zu stärken. Wir sehen sie vielmehr als Teil einer Strategie, um die Marktabhängigkeit zu begrenzen und so dazu beizutragen, die Machtverhältnisse zwischen den Klassen zu verändern und die demokratische Kontrolle über die Wirtschaft auszuweiten.
Wenn man das Kapital daran hindert, aus einem Land »abzuhauen«, wird seine Verhandlungsmacht geschwächt und andererseits die Macht der Arbeiterinnen und Arbeiter im Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen gestärkt. Wenn die Unternehmen nicht mehr einfach im Ausland investieren können, um die Forderungen der Arbeiterschaft hierzulande zu umgehen, wären sie eher gezwungen, Kompromisse einzugehen. Darüber hinaus würde sich mehr Spielraum für die Ausweitung von Sozialprogrammen ergeben, die dringend notwendig sind, um der jahrzehntelangen neoliberalen Zerstörung zu begegnen. In den USA zählen dazu Programme wie Medicare for All oder eine verbesserte öffentliche Bildung. Wenn die Kapitalmobilität eingeschränkt wird, könnte dies das Kapital dazu zwingen, Reformen zu akzeptieren, die ihm vielleicht nicht gefallen – und die es bisher auch blockiert hat, indem damit gedroht wurde, Investitionen zurückzuhalten.
»Solange die Kontrolle über Investitionen in privater Hand bleibt, hat das Kapital den ultimativen Trumpf in der Hand: Es kann sich sich einfach weigern, zu investieren.«
Wie es James Crotty und Gerald Epstein schon 1996 in ihrem Essay im Socialist Register zu diesem Thema ausdrücken: »Wenn Kapitalverkehrskontrollen und Handelsbeschränkungen nicht eingeführt werden oder zumindest glaubhaft angedroht werden, welchen Hebel können die Arbeiter und die Bürger dann überhaupt noch ansetzen, um die Kapitalisten dazu zu zwingen, ernsthaft über solche Themen zu verhandeln?«
Sozialdemokraten haben oft die Strategie einer »progressiven Wettbewerbsfähigkeit« verfolgt, die einerseits darauf abzielt, Sozialprogramme und hohe Lohn- und Steuersätze aufrechtzuerhalten, andererseits aber die Globalisierung an sich nicht infrage zu stellen. Anstatt den Druck des Marktes zu lockern, nehmen solche Strategien ihn dankbar auf. Sie bieten Subventionen an (beispielsweise in Form von Aus- und Fortbildungen für Arbeitskräfte), in der Hoffnung, dass das Kapital damit dazu gebracht werden kann, im Inland zu investieren.
Dies zeigte sich zum Beispiel bei Tony Blairs New Labour in Großbritannien. Dort wurden sowohl Globalisierung als auch nationale Wettbewerbsfähigkeit unter dem Deckmantel einer zukunftsorientierten »Modernisierung« verkauft. Diese Ausrichtung hat sich seit den 1990er Jahren weiter vertieft, wie in der Führung Gordon Browns bis zu der wirklich erbärmlichen Stiefelleckerei von Keir Starmer schmerzlich deutlich wurde. Der Drang, sich an die angeblich »neuen Realitäten« des globalen Kapitalismus anzupassen, hat nicht nur die »neuen« sozialdemokratischen Parteien eines »Dritten Weges« in Ländern wie Kanada und Australien geprägt, sondern auch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Hochburgen wie Finnland, Schweden und Norwegen. Tatsächlich haben sogar linke Sozialdemokraten wie Jeremy Corbyn und Bernie Sanders bisher davor zurückgeschreckt, Kapitalverkehrskontrollen anzusprechen.
Inzwischen ist klar, dass die »progressive Wettbewerbsfähigkeit« keine Alternative ist zu den neoliberalen Dynamiken mit Lohnbeschneidung, Austeritätsmaßnahmen und einer Verschlechterung des Lebensstandards für die Mehrheit. All diese Dynamiken haben den Aufstieg rechtsradikal-nationalistischer Kräfte begünstigt. Sich nicht mit der (andauernden) Aussichtslosigkeit solcher sozialdemokratischer Politik abzufinden, bedeutet auch, sich auf einen schwierigen Kampf für eine radikalere Alternative einzulassen.
Kapitalverkehrskontrollen sind kein Allheilmittel. Beim Versuch, den instabilen Kapitalismus zu »managen«, sind auch solche Kontrollen von Natur aus instabil. Wie bei allen Reformen, die die Interessen des Kapitals bedrohen, werden sich die Unternehmen gegen eine Beschränkung ihrer Fähigkeit, Investitionen frei zirkulieren zu lassen, wehren und versuchen, solche Regelungen zu umgehen und zu untergraben.
Darüber hinaus ist die Umsetzung von Kapitalverkehrskontrollen innerhalb eines einzelnen Staates ohne einen multilateralen, internationalen Rahmen mit erheblichen Herausforderungen verbunden: Es bleiben Möglichkeiten für das Kapital, die Kontrollen zu unterlaufen, indem es zum Beispiel auf relativ unregulierte Offshore-Dollarmärkte ausweicht. Selbst wenn Unternehmen daran gehindert würden, Dollars offshore zu halten, könnten sie andere Wege finden, um Geld international zu bewegen.
Die Beschränkung des Zugangs des Kapitals zu den Devisen, die es für Investitionen in anderen Ländern benötigt, ist daher entscheidend für den Erfolg von Kapitalkontrollen. Da der Handel jedoch den Kauf und Verkauf von Fremdwährungen erfordert, könnten Unternehmen ihre Handelsstatistiken zu hoch oder zu niedrig angeben, um Devisen zu erwerben und zu halten. Die Unternehmen könnten auch die Vorschriften umgehen, indem sie Briefkastenfirmen gründen, um über diese Firmen internationale Transaktionen durchzuführen.
Des Weiteren könnten andere wirtschaftliche Spannungen entstehen. Da Kapitalverkehrskontrollen globale Produktionsketten unterbrechen dürften, die auf Niedriglohnarbeit angewiesen sind, könnten die potenziell höheren Kosten für die Produktion im Inland dann in Form höherer Preise an die Endverbraucher weitergegeben werden. Wichtig ist es hier allerdings, anzumerken, dass die Inflation keineswegs ein Problem darstellen würde, wenn sie lediglich das Ergebnis eines Reallohnwachstums ist (also ein Lohnwachstum, das die aktuellen Preissteigerungen übersteigt) und somit eine Verschiebung der Einkommensverteilung widerspiegelt. Tatsächlich ist es eines der Hauptziele von Kapitalverkehrskontrollen, die Unternehmen zu Zugeständnissen an die Arbeiterschaft zu zwingen – einschließlich höherer Löhne, besserer Arbeitsbedingungen und strikterer Arbeits- und Umweltvorschriften (die für das Kapital natürlich neue/höhere Kosten bedeuten).
»Wer die Globalisierung von links infrage stellt, will nicht die Interessen inländischer Arbeiterinnen und Arbeiter auf Kosten anderer fördern, sondern mit dem Aufbau einer internationalen Wirtschaftsordnung beginnen, die die Arbeiterbewegung weltweit stärkt.«
Angesichts dessen würden die Konzerne natürlich vehemente Lobbyarbeit leisten, um solche Beschränkungen zu beseitigen. Die politischen Konflikte, die durch Kapitalverkehrskontrollen ausgelöst würden, dürften aber weit über die Auseinandersetzungen im Parlament hinausgehen. Sie würden sich auf die gesamte staatliche Verwaltung ausbreiten, einschließlich, aber keineswegs beschränkt auf Behörden, die zur Durchführung der Kontrollen eingerichtet werden müssten. Von Beamten, die aktuell ihre Aufgabe darin sehen, das reibungslose Funktionieren des Kapitalismus zu erleichtern, kann nicht automatisch erwartet werden, dass sie ebenso Maßnahmen umsetzen (können), die ausdrücklich darauf abzielen, die Macht des Kapitals infrage zu stellen – ganz zu schweigen von einem umfassenderen Plan, die Kontrolle über die Investitionen zu übernehmen.
Die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen erfordert daher die Entwicklung gänzlich neuer staatlicher Kapazitäten zur Steuerung der Wirtschaft. Ob diese lediglich auf die Sicherung der Marktstabilität und der Profite ausgerichtet sind oder zur Grundlage für eine umfassendere Demokratisierung der Investitionen werden könnten, hängt von den sozialen Kämpfen ab. Solange die Kontrolle über Investitionen in privater Hand bleibt, hat das Kapital den ultimativen Trumpf in der Hand: Wenn die Gewinne nicht ausreichen, die wirtschaftlichen Bedingungen instabil sind oder das Unternehmen sich politisch bedroht fühlt, kann es sich einfach weigern, zu investieren.
Wenn das Kapital nicht investieren will, kann allerdings die Öffentlichkeit investieren: Eine Möglichkeit wäre die Schaffung einer nationalen Investitionsbehörde, die Unternehmen, die keine privaten Investitionen anziehen können, Kredite gewährt – ein weiterer wichtiger Schritt, um »dem Kapital das Kapital wegzunehmen« und sich einer Art sozialistischer Wirtschaftsplanung anzunähern. Da die Märkte bei Investitionen in einen dringend benötigten grünen Wandel versagen und somit der Staat eine führende Rolle spielen muss, kann so etwas nicht früh genug geschehen.
Ein ernstzunehmendes linkes Programm für einen Bruch mit der Globalisierung könnte bei den vielen Menschen, die unter vier Jahrzehnten neoliberaler Umstrukturierung leiden, Anklang finden – und der Rechten den Wind aus den Segeln nehmen. Außerdem kann die sozialistische Linke in den USA im Gegensatz zur Rechten tatsächlich eine sinnvolle Alternative zum Neoliberalismus anbieten und damit aufzeigen, dass es eindeutige Widersprüche gibt zwischen Donald Trumps schrill-nationalistischer Rhetorik und seinem Versagen, tatsächlich Arbeitsplätze und Investitionen in das industrielle Herz des Landes zurückzubringen.
Natürlich birgt dies aber auch die Gefahr, nationalistische Gefühle zu wecken. Die Forderung, die Globalisierung rückgängig zu machen, könnte der xenophoben »America First«-Politik gleichgesinnt erscheinen. Dabei ist diese rechte Politik das Gegenteil von Internationalismus und kultureller Offenheit, die im Mittelpunkt sozialistischer Politik stehen sollten. Es ist daher unerlässlich, dass eine entsprechende linke Politik mit einem entschiedenen Widerstand gegen alle Formen von Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung verbunden bleiben muss.
Eine Arbeiterbewegung zu organisieren bedeutet, die absolut gleichgestellte Menschlichkeit jedes einzelnen Mitglieds der Arbeiterklasse anzuerkennen und für sie einzutreten, unabhängig von Ethnie, nationaler Herkunft, Geschlechtszugehörigkeit und so weiter. Wer die Globalisierung von links infrage stellt, will nicht die Interessen inländischer Arbeiterinnen und Arbeiter auf Kosten anderer fördern, sondern mit dem Aufbau einer internationalen Wirtschaftsordnung beginnen, die die Arbeiterbewegung weltweit stärkt.
Unabhängig von den Risiken, die die Forderung nach einem Ende der neoliberalen Globalisierung mit sich bringt, wäre es sicherlich noch schlechter, dieses Terrain weiterhin einer aufstrebenden Rechten zu überlassen. Nur eine (erneuerte) linke Kritik kann die Globalisierung als das darstellen, was sie bisher war: das Produkt eines Klassenkonflikts, mit den US-amerikanischen multinationalen Konzernen und Finanziers als Hauptnutznießer – und gewiss nicht als Opfer – der globalen kapitalistischen Ordnung.
Stephen Maher ist Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften an der SUNY Cortland sowie Co-Redakteur des Socialist Register. Er ist außerdem Co-Autor von The Fall and Rise of American Finance: From J. P. Morgan to BlackRock mit Scott Aquanno sowie Autor von Corporate Capitalism and the Integral State: General Electric and a Century of American Power.
Scott Aquanno ist Assistenzprofessor für Politikwissenschaften an der Ontario Tech University. Er ist außerdem Co-Autor von The Fall and Rise of American Finance: From J. P. Morgan to BlackRock mit Stephen Maher sowie Autor von Crisis of Risk: Subprime Debt and US Financial Power from 1944 to Present.