19. März 2021
Katrin Lompscher ist eine Frau vom Fach. In diesem ersten Interview seit ihrem Rücktritt sprach sie mit JACOBIN über ihre Zeit als Senatorin, die Perspektiven linker Wohnpolitik und die Widersprüche sozialistischen Regierens.
Katrin Lompscher – die Berliner Bausenatorin, die den Mietendeckel einführte.
Du hast Deine Tätigkeit als Senatorin einmal als Deinen Traumjob bezeichnet. Was würdest Du rückblickend als die Höhepunkte beschreiben?
Das ist eine schwierige Frage. Wichtig war natürlich, dass wir einen Dialog mit den Mietenbewegungen aufrechterhalten und immer wieder deren Impulse aufgenommen haben. Ich glaube, das hat dazu beigetragen, dass unsere Arbeit in der ersten Phase von Rot-Rot-Grün auf breiten positiven Widerhall gestoßen ist. Dann haben wir der Bürgerbeteiligung an Bauprojekten Vorschub geleistet – auch gegen Widerstände. Denn das führt natürlich dazu, dass Bauprojekte in ihrer Vorbereitungsphase komplexer werden. Trotzdem halte ich es für richtig, dass die Menschen, für die letztendlich die Stadt gebaut wird, auch Einfluss darauf nehmen können.
Natürlich war und ist die Stadtentwicklung in Berlin von der Wohnungs- und Mietenfrage geprägt. Daher muss ich zweifellos den Gesetzesbeschluss über den Mietendeckel als einen absoluten Höhepunkt nennen. Der ist ja tatsächlich eine Berliner Erfindung gewesen, die bei den Koalitionsverhandlungen gar nicht auf dem Zettel stand, sondern sich erst mit der Zeit entwickelt hat.
Da ich Stadtplanerin bin, war es mir wichtig, die wachsende Stadt auch planerisch in eine vernünftige Bahn zu lenken. Wir haben uns nicht darauf eingelassen, das Wachstum einfach so passieren zu lassen wie einen naturgegebenen Prozess, sondern es ging uns darum, wirklich steuernd im Sinne einer sozialen und ökologischen Ausrichtung einzugreifen.
Du hast bereits angesprochen, dass der Mietendeckel gar nicht im Koalitionsvertrag stand. Wie kam es dazu, dass er in seiner heutigen Form existiert?
Das ist tatsächlich eine interessante Geschichte, auch für die Geschichtsbücher. Zunächst hat eine einzelne Person mit juristischer Expertise und einem Interesse an sozialer Stadtentwicklung einen Vorschlag entwickelt – und zwar auf der Grundlage einer föderalen Regelung, die schon seit 2006 den Bereich Wohnungswesen aus der Kompetenz des Bundes an die Länder überträgt. Seitdem konnten einzelne Länder ihre eigenen Wohnraumförderbestimmungen erlassen. Aber dass man damit auch ein Preisrecht für Mieten entwickeln könnte, das hatte damals einfach niemand auf dem Schirm.
Diese Idee ist erstmals im Rahmen eines Aufsatzes in einer Fachzeitschrift erschienen. Der Autor hat es dann an alle möglichen Leute verschickt, unter anderem auch an uns in der Senatsverwaltung. Ich habe das damals von unseren Juristinnen und Juristen prüfen lassen. Die waren sehr skeptisch. Sie meinten, das sei zwar eine sympathische Idee, aber das ginge so nicht.
Dann ist die Idee Anfang 2019 wieder aufgegriffen worden – und zwar von sozialdemokratischen Politikern, die auf einmal sagten: Mietendeckel! Allerdings ist mit diesem Wort »Mietendeckel« bis dato nur das Konzept verbunden gewesen, Mieten für einen befristeten Zeitraum einzufrieren, um die Mietenspirale zu brechen.
Im Frühjahr 2019, nachdem es ein verfassungsrechtliches Gutachten gab und man zu dem Schluss kam, dass man das tatsächlich in landesrechtlicher Kompetenz machen konnte, hat sich der Senat diesen Gedanken zu eigen gemacht. Wir fragten uns: Ergibt es denn Sinn, einfach nur die Bestandsmieten einzufrieren? Muss sich das Konzept Mietendeckel nicht auch mit einer öffentlich-rechtlichen Regulierung von Mietpreisen in einem umfassenderen Sinne beschäftigen? Anschließend haben wir gemeinsam mit Mieterverein, Rechtsanwaltsverein und den politischen Partnern den Dreiklang aus Einfrieren, Deckeln und Absenken entwickelt.
»Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, der Wohnungsmarkt angespannt ist und insbesondere der Mangel an preisgünstigen Wohnraum die wohnungspolitische Debatte beherrscht, dann bin ich mir sicher, dass der Mietendeckel ein Modell sein wird.«
Wir haben uns überlegt, wie man Mietobergrenzen ausgestalten kann, sodass sie nicht angreifbar werden – und wir kamen zu dem Schluss: Wenn wir einen außer Kontrolle geratenen Wohnungsmarkt regulieren wollen, dann müssen wir uns an den Miethöhen orientieren, als der Wohnungsmarkt noch entspannt war oder zumindest als solcher galt. Das war der Mietspiegel 2013. Wir haben also die damaligen Mittelwerte der Mieten als Grundlage genommen und sie mit den Preisentwicklungen bis 2019 aktualisiert. Daraus ist dann die Tabelle der Mietobergrenzen geworden. Und Absenkungen werden überhaupt erst fällig, wenn diese Obergrenzen um mehr als 20 Prozent überschritten werden – das ist die Schwelle, die uns verfassungsrechtlich als zulässig und zumutbar erscheint.
Dieses Konzept zu entwickeln dauerte eine Weile und führte dann im Juni 2019 zum Senatsbeschluss über die Eckpunkte des Gesetzes. Es brauchte dann nochmal ein halbes Jahr, bis das Gesetz tatsächlich alle Hürden genommen hatte – Anhörungen, Referentenentwurf, Koalitionsverhandlungen – und im Februar 2020 in Kraft trat. Von der Idee bis zum Inkrafttreten waren es keine anderthalb Jahre – das ist für ein Gesetzgebungsverfahren mit einer solchen gesamtstädtischen Relevanz eine enorm kurze Zeit.
Siehst Du den Mietendeckel auch als Modell für andere Städte und Bundesländer?
Letztlich müssen das die anderen Städte selbst entscheiden. Aber wenn die Voraussetzungen gegeben sind, der Wohnungsmarkt angespannt ist und insbesondere der Mangel an preisgünstigem Wohnraum die wohnungspolitische Debatte beherrscht, dann bin ich mir sicher, dass der Mietendeckel ein Modell sein wird – zumindest in dem Fall, dass wir vom Bundesverfassungsgericht bestätigt werden. Aber da bin ich ganz zuversichtlich.
Im Koalitionsvertrag von Bremen steht es exakt so drin: Man will die Entwicklung in Berlin beobachten, die gerichtliche Klärung abwarten und sich dann selbst auf einen solchen Weg machen.
Du warst 2016 mit der Ernennung zur Senatorin die erste LINKE in diesem Amt. Wie hat die Verwaltung darauf reagiert? Gab es Widerstände?
Ich würde nicht von Widerstand auf breiter Front sprechen. Wenn, dann gab es ihn nur vereinzelt – und tatsächlich in eher strategischen Positionen, die zuvor parteipolitisch besetzt waren. Ansonsten war die Verwaltung aufgeschlossen und neugierig. Die Tatsache, dass ich eine linke bin, hat sie nicht erschreckt. Es hat sie aber erfreut, dass ich vom Fach bin, dass sie mit mir auch professionell über die Dinge diskutieren konnten, die sie bearbeiten.
Da gab es auch Auseinandersetzungen, und die wird es vermutlich immer geben. Aber das ist okay – im Streit entwickeln sich letztlich die besseren Lösungen.
Was waren Deine wichtigsten Ziele, als Du die Senatsverwaltung übernommen hast? Und hattest Du Zweifel an ihrer Umsetz-
barkeit?
Ich wusste schon, dass der Koalitionsvertrag extrem ambitioniert war und dass wir von Anfang an volle Energie geben mussten, um auch nur ansatzweise die vereinbarten Ziele erreichen zu können.
Das große Ziel ist, Berlin zu einer sozialen Metropole zu machen. Das bedeutet, keinen Zweifel an der Internationalität und Globalität der Berliner Stadtentwicklung zu haben, aber diese Entwicklung im Sinne der Menschen zu orientieren und die Leute daran Anteil nehmen lassen, anstatt sie von vornherein zu den Verlierern zu machen. Berlin als wirklich soziale Metropole, als ökologische Modellstadt und als wirtschaftlich starke Stadt – das ist der Dreiklang, mit dem wir da ran gegangen sind. Dazu mussten wir die Planung aktualisieren – denn was wir vorgefunden haben, war zum Teil dramatisch veraltet.
Und wir mussten – das ist die wohl größte Aufgabe, die auch noch längst nicht erfüllt ist – aus den städtischen Wohnungsbaugesellschaften wieder Wohnungsbaugesellschaften machen. Denn Berlin hat einen dramatischen Mangel an bezahlbarem Wohnraum, den man am besten dadurch beheben kann, dass man den öffentlichen oder gemeinnützigen Wohnungsbestand vergrößert.
Wie sah dabei das Verhältnis zwischen Dir und der Berliner Mieterinnenbewegung aus?
Zum einen hat die linke, damals noch PDS, eine schwere wohnungspolitische Hypothek getragen. Wir dürfen nie vergessen, dass sie im Rahmen der rot-roten Koalition in Berlin – wenn auch schweren Herzens – dem Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GSW zugestimmt hatte. Diese Hypothek abzubauen war eine Notwendigkeit, um aktiv mit der Mieterinnenbewegung in Kontakt treten zu können. Es war okay, dass wir uns dafür erst einmal beschimpfen lassen mussten. Das war etwas, wofür wir Kritik verdient hatten und von dem wir uns glaubwürdig distanzieren mussten. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite ist, dass die mietenpolitische Bewegung in Berlin auch in Wellen auftritt. Ich habe zwar nicht in Westberlin gelebt, aber natürlich war die Hausbesetzerbewegung schon eine erste mietenpolitische Bewegung. Dann gab es im Osten nach 1990 eine starke Bewegung gegen die Mieterhöhungen und die Verdrängungsgefahr in den Sanierungsgebieten. Diese ist aber mit der Stagnation der Bevölkerungszahl ab Ende der 1990er Jahre verebbt. Dadurch ist die Stimme von stadt- und mietenpolitischen Initiativen sehr leise geworden.
Ich bin keine Freundin von akademischen Debatten, ob man sich an Regierungen beteiligen darf oder nicht. Das hängt erstens davon ab, wie die realen politischen Machtverhältnisse sind. Und zweitens davon, ob man eine eigene Agenda hat, die als eine linke Agenda erkennbar ist.
Für mich war der Bürgerentscheid in Friedrichshain-Kreuzberg gegen das Investorenprojekt Mediaspree das erste Wiederauftauchen einer in der Stadt sichtbaren politischen Bewegung. Daraus ist unter anderem die Initiative »StadtNeuDenken« erwachsen, die 2011 das Moratorium für Grundstücksverkäufe erwirkt hat. Die mietenpolitische Bewegung hatte sich selbst reanimiert und war 2011, als die linke aus der Regierung geflogen ist, eine bedeutende politische Kraft, an der man nicht vorbei kam, und mit der wir große Schnittmengen inhaltlicher Art hatten.
Ich bin dann zur Sprecherin für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der Fraktion gewählt worden und als stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte ich auch die Möglichkeit, gegenüber diesen Bewegungen die Stimme der Fraktion und der Berliner Partei zu sein. Das hat gut funktioniert. Es war aber auch viel Arbeit.
Die Diskussion innerhalb der LINKEN über Regierungsbeteiligung hat sich mit den Jahren weiterentwickelt, Teile Deiner Partei tun sich aber immer noch schwer damit. Wie blickst Du auf diese Frage?
Ich bin keine Freundin von akademischen Debatten, ob man sich an Regierungen beteiligen darf oder nicht. Das hängt erstens davon ab, wie die realen politischen Machtverhältnisse sind. Und zweitens davon, ob man eine eigene Agenda hat, die als eine linke Agenda erkennbar ist. Wie wichtig letzteres ist, hat die Pleite der zweiten rot-roten Koalition gezeigt – denn die ist ja an einem intellektuellen Ermüdungsprozess verstorben, weil es auch der linken an Zukunftsperspektiven gemangelt hat.
Das war jetzt in dieser rot-rot-grünen Phase anders. Durch fünf Jahre Opposition und die enge Kooperation mit stadtpolitischen Initiativen waren wir auch ein Sprachrohr dieser unabhängigen Stadtpolitik von unten. Das haben wir in den Koalitionsvertrag mit aufgenommen und das habe ich als Senatorin immer hochgehalten. Ich sah mich also nicht nur als Vertreterin meiner Partei, sondern auch als Mitstreiterin dieser Initiativen.
Hätten wir uns in den Jahren der Opposition nicht mit diesen Basisbewegungen vertraut gemacht und wären wir nicht selbstkritisch mit den Erfahrungen aus unserer Regierungszeit umgegangen, dann hätten wir nicht die Glaubwürdigkeit und den nötigen Rückenwind gehabt, uns auf dieses Abenteuer einzulassen und die Stadtentwicklungsverwaltung in die Hand zu nehmen.
Wie hält man dabei den Spagat zwischen linken Idealen und dem Regierungshandeln aus?
Das finde ich nicht so schwierig. Man muss nur immer alle Karten auf den Tisch legen. Es kann sein, dass das Wollen sowohl der Partei als auch der Bewegungen über das hinausgeht, was man administrativ wirklich erreichen kann – aber dann darf man da nicht drum herum reden, sondern muss das offen aussprechen.
Linke Ideale sind erst dann politisch relevant, wenn sich daraus auch konkretere Konzepte ableiten lassen. Wenn die Dinge wolkig bleiben, dann ist es vielleicht ein schönes Gefühl, solche Ideale zu haben. Schöne Gefühle sind auch eine gute Sache, aber sie lassen sich nicht politisch bearbeiten. Deshalb ist meine Forderung, sowohl an mich selbst als auch an die jeweiligen Gegenüber in Verwaltung, Partei oder Initiativen: Seid doch mal bitte konkret, macht einen Vorschlag, werdet ein bisschen genauer als »wir fordern dieses und jenes«.
Mit dem Mietendeckel haben wir jetzt einen ersten wichtigen Mechanismus, um den Wohnungsmarkt sozial zu regulieren. Wie könnte der nächste Schritt aussehen?
Natürlich müssen wir nicht nur den preiswerten Wohnungsbestand schützen, indem wir Preise regulieren, sondern wir müssen auch zusätzlichen preiswerten Bestand errichten. Und wir müssen mit einer vernünftigen Belegungspolitik auch stabile Nachbarschaften fördern, mit starken Partnern – ob das nun soziale Einrichtungen, Bildungsträger, Kirchen oder Vereine sind.
Nicht nur die Höhe der Miete ist entscheidend, sondern auch die Qualität des Wohnens und des Wohnumfelds. Deshalb glaube ich, dass man diese Dinge stärker gewichten muss. Und was ganz entscheidend ist: Wir brauchen funktionierende Ordnungsbehörden auf bezirklicher Ebene, um die Regulationen durchzusetzen, sei es die Vermeidung von Luxussanierungen in Milieuschutzgebieten, die Möglichkeit des Vorkaufsrechts oder das Zweckentfremdungsverbot.
Es gab in der Geschichte der sozialistischen Bewegung auch Formen der Selbstorganisation in Mieter-Gewerkschaften oder Wohnungsgenossenschaften. Welche Bedeutung kommt solchen Strukturen heute zu?
Das müsste man versuchen. Es gab durchaus auch in jüngerer Zeit Debatten dazu, Mieter-Gewerkschaften zu bilden – aber die Resonanz darauf war, sagen wir mal, gering. Es ist eine probate Forderung, auch in aktivistischen Kreisen, dass man immer alles selbst verwalten will. Aber dann findet man gar nicht so viele Leute, die das auch wollen. Die meisten finden es eigentlich ganz dufte, wenn die Sache verwaltet wird und alles seine Ordnung hat. Trotzdem ist es wichtig, dass man für die Leute, die dieses Interesse artikulieren und auch die nötige Energie aufbringen wollen, entsprechende Möglichkeiten schafft.
Das Gewerbe in den Städten ist – nicht nur, aber insbesondere aufgrund der Corona-Krise – massiv unter Druck geraten. Clubs, Restaurants und viele Einzelhändler sind existenziell bedroht. Was wird das für die Zukunft der Städte und vor allem für Berlin bedeuten und was sollte der Staat oder das Land tun?
Das mögliche Sterben der Innenstädte wird heute lautstark beklagt, wegen des Lockdowns und wegen der Probleme des Einzelhandels. Aber wenn man ehrlich ist, sind die Innenstädte schon vorher gestorben, denn die fast ausschließliche Ausrichtung aufs Einkaufen und Konsumieren hat die städtischen Zentren sozial bereits getötet.
Um das lokale Gewerbe, den lokalen Einzelhandel, die Gastronomie und Kultur zu erhalten, brauchen wir unter anderem bezahlbare Räume. Wir werden ganz bestimmt eine Initiative sehen, die auch das Gewerbe-Mietrecht in irgendeiner Form reguliert sehen will. Aber da ist die Situation so, dass die gesetzliche Regelung auf Bundesebene stattfinden muss.
Aus meiner Sicht ist dabei wichtig, dass man bei der Reanimierung von kleineren und größeren Zentren nicht nur auf kommerzielle Nutzung setzt, sondern auch über gemeinschaftliche, öffentliche, nachbarschaftliche und soziokulturelle Nutzungen nachdenkt. Und wenn ich den öffentlichen Raum zu dieser Revitalisierungsstrategie hinzuziehe, dann bin ich ganz schnell beim Thema Verkehrswende. Denn dann muss ich mich damit beschäftigen, dass die Straßen und öffentlichen Räume mit Autos zugestellt sind und der Autoverkehr in gefährlicher Weise Barrieren schafft.
Du hast Aufwertung ohne Verdrängung einmal als das »uneingelöste Versprechen der modernen Städtebaupolitik« bezeichnet. Was genau meinst Du damit?
Das kann man am besten an den Ostberliner Altbaugebieten sehen. Diese wurden nach 1990 mit viel öffentlichem Geld saniert und schön gemacht – also im besten Sinne ästhetisch-baulich aufgewertet. Aber der Preis dafür war, dass mindestens 80 Prozent der Bewohnerschaft ausgetauscht wurden – dass der Raum also letztendlich für ein besserverdienendes Klientel hergerichtet wurde.
Wenn ich genug Geld habe, kann ich mir alles kaufen. So ist das im Kapitalismus. Aber die Stadt hat nicht genug Geld. Also müssen wir stattdessen in die Eigentumsverhältnisse eingreifen.
Wenn wir den Klimaschutz im Gebäudebereich ernst nehmen, zugleich aber verhindern wollen, dass energetische Sanierungen zu überteuerten Mieten führen, dann müssen wir uns Instrumente überlegen, wie wir bezahlbares Wohnen, funktionierende Nachbarschaften und sozial-ökologische Transformation sinnvoll miteinander verbinden können. Das ist das wichtigste Ziel, denn die Stadt ist ja im Wesentlichen gebaut. Selbst wenn es uns gelingt, 20.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, dann ergibt das gerade mal 1 Prozent der Wohnungen in Berlin. Daher ist die Hauptaufgabe der Umgang mit dem Bestand – ihn so zu verändern und so einzugreifen, dass man das soziale Gefüge nicht zerstört, ist die hohe Kunst der sozialen Stadtentwicklungspolitik. Auf diesem Weg ist Rot-Rot-Grün sehr gut unterwegs, aber man stößt natürlich immer wieder an Grenzen, keine Frage.
Apropos Grenzen – wie weit ist es
überhaupt möglich, soziale Wohnungspolitik im Rahmen einer Marktwirtschaft durchzusetzen?
Das ist insofern möglich, als die Politik den Rahmen setzt – sowohl für private als auch für wirtschaftliche Akteure. Aber dafür muss die Politik ihre Rolle auch tatsächlich ausfüllen. Die Rahmen müssen so gesetzt werden, dass bestimmte gesellschaftliche Ziele und Funktionen der Daseinsvorsorge gegenüber denen der privaten Gewinnmaximierung privilegiert werden. Dafür gibt es Instrumente.
Da, wo wir an Grenzen stoßen, sind diese in der Regel finanzieller Art. Wenn wir zum Beispiel einen Mangel an öffentlichen Grundstücken haben, dann liegt das auch daran, dass man früher zu viele Grundstücke verkauft hat. Da muss man sich natürlich überlegen, welche rechtlichen Instrumente man entwickeln kann, um Grundstücke wieder in die öffentliche Hand zu bringen, ohne dass dies zu Fantasiepreisen erfolgt.
Wenn ich genug Geld habe, kann ich mir alles kaufen. So ist das im Kapitalismus. Aber die Stadt hat nicht genug Geld. Also müssen wir stattdessen in die Eigentumsverhältnisse eingreifen. In dem Zusammenhang ist interessant, wie die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen gesellschaftlichen Rückhalt gewinnt und damit solche Experimente möglich macht, für die es nötig sein wird, den bekannten marktwirtschaftlichen Rahmen – sage ich mal – zu erweitern.
In diesem Jahr stehen in Berlin Wahlen an und es gibt einige Zeichen von Seiten der SPD, Rot-Rot-Grün nicht unbedingt weiterführen zu wollen. Sind die Errungenschaften der bisherigen Koalition in Gefahr?
Die Gefahr einer konservativen Rollback-Politik in Berlin sehe ich nicht. Was ich sehe, ist, dass die SPD sich, wenn sie weiterhin so beliebig argumentiert, ihr eigenes politisches Fundament abgräbt. Das ist aber nicht mein Problem, sondern das der SPD. Die rot-rot-grüne Koalition ist 2016 mit großen Ambitionen gestartet. Sie hat ein paar Schwierigkeiten, einige davon auch im Bereich der Stadtentwicklung, etwas mehr jedoch bei der Verkehrsentwicklung. Hier sind wir ein paar Antworten schuldig geblieben. Bis zur Wahl müssen wir glaubwürdig darstellen, dass wir den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen werden.
Dazu muss man natürlich auch ein paar alte Zöpfe abschneiden. Ich nenne ein Beispiel aus der Berliner Innenstadt: die Mühlendammbrücke. Die sieht heute aus wie eine innerstädtische Autobahn und muss neu gebaut werden, weil sie technisch verschlissen ist. Wenn aber die neue Brücke dann auch eine innerstädtische Autobahnbrücke werden soll, dann wird es schwierig, glaubhaft zu machen, dass man an einer Verkehrswende interessiert ist. Man muss auch bei solchen Planungsprojekten sehr deutlich neue Akzente setzen. Ich sehe dafür gute Chancen, gar keine Frage – und ich sehe auch, dass die Unterstützung in der Stadt dafür sehr groß ist.
Katrin Lompscher ist in Ost-Berlin geboren und aufgewachsen. Sie ist Politikerin der Partei Die Linke und war die erste linke Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin. Sie war maßgeblich an der Verabschiedung des Berliner Mietendeckels beteiligt.