22. März 2024
Ken Loach spricht anlässlich seines neuesten und mutmaßlich letzten Filmsüber die politische Sprengkraft des Kinos – und wo sie geblieben ist.
»Filme zeigen häufig Menschen aus der Arbeiterklasse als Opfer, die Hilfe brauchen. Doch nur selten sieht man ihre kollektive Stärke.«
Nach einigen gescheiterten Versuchen, sich zur Ruhe zu setzen, hat Ken Loach 2023 das Ende seiner Film-Karriere bekanntgegeben. The Old Oak, der angeblich letzte Film des 87-Jährigen, ist der Schlusspunkt einer siebzig Jahre währenden Karriere mit dutzenden Kinofilmen, Dokumentationen und Fernseh-Dramen.
Loach hatte seinen Durchbruch 1966 mit Cathy Come Home, einem Fernseh-Drama über den Abstieg eines jungen Paares in die Armut und Obdachlosigkeit. Zwölf Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen den Film. Das Thema Obdachlosigkeit kam auf die nationale Agenda und die Wohlfahrtsverbände Crisis und Shelter entstanden. Ein unbeirrbarer Blick auf die Leben der einfachen Menschen und die politischen Kräfte, die sie bewegen, sollte Loachs Schaffen von Anfang bis Ende prägen.
Der 1969 erschienene Film Kes – ein herzzerreißender Film über einen Jungen und seinen Wanderfalken und das erdrückende mehrschichtige Bildungssystem – gilt weithin als einer der besten britischen Filme aller Zeiten. Zutiefst menschliche Darstellungen des Lebens der arbeitenden Klasse und der Einsatz für die Demaskierung von Unrecht definieren Ken Loachs »sozialen Realismus« als unverkennbaren Stil des Weltkinos.
Anstatt im Verlauf seiner Karriere softer zu werden, ist Loachs Fokus auf den Kampf gegen das Unrecht schärfer geworden – oft zum Unmut des politischen Establishments. Mit The Wind that Shakes the Barley, einem Film über den irischen Unabhängigkeitskampf nach dem Ersten Weltkrieg, gewann der Regisseur seine erste Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes 2006.
Eine Krönung seiner Karriere sollte I, Daniel Blake werden, der die Grausamkeiten des von Austerität geplagten britischen Wohlfahrtssystems schonungslos offenlegte. Mit ihm gewann Loach 2016 seine zweite Goldene Palme. Die Schroffheit von Sorry We Missed You – über einen Mann aus dem Nordosten, der in einer Spirale aus Schulden und brutaler Gelegenheitsarbeit gefangen ist – brachte ihm ebenfalls großen Applaus.
Diese Themen werden in Loachs letzten Film, The Old Oak, unter einem besonderen Gesichtspunkt wieder aufgegriffen. Der Film zeigt eine seltene Geschichte über das Schicksal syrischer Flüchtlinge, die dazu gezwungen sind, in einer ehemaligen Bergbaustadt in der Grafschaft Durham unterzukommen, und zugleich die Entbehrungen der alteingesessenen Einwohner, von denen sie empfangen werden. Der Film ist ein feinfühliges Porträt der Spaltungen und Scheinheiligkeiten, die durch die furchtbaren sozialen Bedingungen begünstigt und aufrechterhalten werden. Er ist zugleich eine bewegende Darstellung der Gemeinsamkeit der kämpfenden Menschen und erzählt, wie sich Unterschiede überwinden lassen.
Im Interview spricht Ken Loach mit Karl Hansen über die Karriere, die hinter ihm liegt und die Chancen politischen Kinos heute.
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