29. Dezember 2023
Der Zugang zu Wasser in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ist extrem ungleich verteilt. Die perfekten Bedingungen für ein Experiment mit armen Menschen als Versuchskaninchen – dachten sich die Weltbank, ein Unternehmen und zwei Entwicklungsökonomen.
Ein Protest für besseren Zugang zu Wasser in Nairobi. Auf dem Schild im Vordergrund steht »Wasser ist Leben«.
Im August 2020 war auf Social-Media-Profilen aus dem Globalen Süden viel die Rede vom Wasserzugang in Nairobi. Es wurde heiß diskutiert; einige User posteten Galgen und forderten das Schafott. Auslöser des Ärgers war die Veröffentlichung der Ergebnisse einer Studie, die von zwei amerikanischen Entwicklungsökonomen in Zusammenarbeit mit der Weltbank durchgeführt worden war. Versucht wurde, Hausbesitzer in Kayole-Soweto – einem relativ armen Viertel im Osten Nairobis – zur Zahlung ihrer Wasserrechnungen zu zwingen, indem die Wasserversorgung in zufällig ausgewählten Wohnungen bewusst unterbrochen wurde.
Die Probleme beim Wasserzugang in der kenianischen Hauptstadt sind lange bekannt. Wie die Expertin Elizabeth Wamuchiru erklärt, hat das Wassersystem in der Stadt eine »quasi eingebaute Ungleichheit«, die noch aus der britischen Kolonialzeit stammt. So könne man recht deutlich die Unterschiede zwischen den kühleren, schön begrünten Vierteln Kilimani und Lavington – einst segregierte weiße Viertel während des Kolonialismus, in denen heute reiche Kenianerinnen, Ausländer und NGOs ansässig sind – und den grauen, staubbedeckten Wellblech-Vierteln Mathare, Kibera, Mukuru und Kayole erkennen, in denen Kenianer mit niedrigen Einkommen leben.
Auch im Wassersystem spiegelt sich die Ungleichheit wider. Das Wasser von Nairobi wird aus einer Kombination von Oberflächen- und Grundwasserquellen gewonnen. Das Grundwasser der Stadt ist jedoch von Natur aus salzig und enthält sehr viel Fluorid. In den meisten ärmeren Vierteln der Stadt gibt es keine Wasserversorgung über Rohrleitungen, wie es in den Wohnsiedlungen der oberen und mittleren Einkommensschichten der Fall ist. Die Menschen müssen stattdessen Wasser von Händlern kaufen – oft salzhaltiges Wasser, das aus Bohrlöchern gepumpt oder über klapprige Anschlüsse, die häufig mit Abwässern verunreinigt sind, aus den städtischen Leitungen abgezweigt wird. In den reicheren Vierteln verkauft die Nairobi Water Company, ein staatliches Versorgungsunternehmen, relativ sauberes, durch Leitungen geleitetes Oberflächenwasser zu einem Bruchteil des Preises, den ärmere Einwohner von Nairobi zahlen müssen. Wie Aktivistinnen und Aktivisten des Mathare Social Justice Centre es ausdrücken: »In ärmeren Vierteln wie Kayole-Soweto ist die Wasserversorgung teurer, unsicherer und weniger zuverlässig als in anderen, reicheren Teilen der Stadt.«
Forscherin Irene Nduta in Kayole-Soweto.
Nairobis Wasserversorgung ist sowohl für die Planerinnen und Verwalter als auch für die Einwohnerinnen undurchsichtig – das gilt für die Elite, die in den grünen Vororten der Stadt wohnt, ebenso wie für die städtische Unterschicht, die am Rande der Stadt in einem ständigen Überlebensmodus lebt. Zwar hat die Stadt einige Maßnahmen ergriffen, um den Zugang zu Wasser und dessen Qualität zu verbessern, doch andere Ansätze haben die Ungleichheiten in der Wasserversorgung nur noch vergrößert. So wurden nicht selten Schritte eingeleitet, die für den lokalen Kontext ungeeignet waren: Es handelte sich dabei um schlichtes »Copy & Paste« von Lösungen aus anderen Gebieten des Globalen Südens und in vielen Fällen um Finanzierungsmodelle, die die Armen zumindest indirekt benachteiligen.
Ein Wasserprojekt der Weltbank in Kayole-Soweto ist ein gutes Beispiel für diese Probleme: Zwischen 2016 und 2018 führten die Weltbank und die Nairobi Water Company ein Projekt zum Bau von Wasser- und Abwasseranschlüssen in Kayole-Soweto und anderen einkommensschwachen Stadtvierteln in Nairobi durch.
Wie andere Initiativen der Weltbank lässt sich das Projekt als »Neoliberalismus light« umschreiben: Die Kosten für die Wasseranschlüsse des Projekts wurden nur zum Teil durch Zuschüsse der Weltbank gedeckt. Der Rest musste von den Nutzern getragen werden, die Kredite in Höhe von 315 US-Dollar pro Anschluss aufnahmen, die über fünf Jahre zu einem Zinssatz von 19 Prozent abbezahlt werden mussten. Jedes Grundstück sollte nun einen eigenen Anschluss mit einem Wasserhahn und einer Toilette mit Wasserspülung erhalten. Im Rahmen des Programms Jisomee Mita (in etwa: »Lesen Sie Ihren eigenen Zähler ab«) sollten die Wasserzähler digital sein, und die Rechnungen konnten per Handy-App bezahlt werden. Das Projekt wurde als »Wunderwaffe« angepriesen, die nicht nur die vermeintlichen Vorteile digitaler Systeme bot, sondern auch ein Finanzmodell, das vorgeblich auf die Bedürfnisse der Armen in Kayole-Soweto zugeschnitten war.
Doch wie uns die Menschen in Kayole-Soweto berichten, war das Projekt von Anfang an mit Problemen behaftet (einige dieser Probleme werden sogar in der eigenen Projektbewertung der Weltbank 2019 beschrieben). So sollten die Rohre für die Wasserversorgung eigentlich mehrere Meter unter den Straßen verlegt werden, fanden sich stattdessen aber nur knapp unter der Oberfläche der unbefestigten Straßen von Soweto, sodass häufig Abwasser in die Leitungen eindrang. Die Abwasserrohre wiederum, die laut Vertretern der Weltbank einen Durchmesser von acht Zoll hätten haben sollen, wiesen stattdessen nur einen Durchmesser von vier Zoll auf, was oft zu Verstopfungen führte. Niemand konnte sich im Nachhinein erklären, warum die Arbeiten nicht wie versprochen durchgeführt wurden. Naheliegend war der Verdacht auf Korruption.
Eine der von der Weltbank gebauten Wasserleitungen, die durch die Kanalisation in Kayole-Soweto führen.
Als die Menschen versuchten, ihre Darlehen für den Wasseranschluss zurückzuzahlen, mussten sie indes feststellen, dass die Abrechnungs- und Zahlungssysteme der Nairobi Water Company im besten Fall undurchsichtig und im schlimmsten Fall kriminell waren. Ein Mann erzählte uns: »Ich ging hin und bezahlte, aber nach ein paar Wochen wurde mir einfach gesagt, dass ich das Geld nicht bezahlt hätte. Ich ging zurück [und] musste erneut bezahlen. So habe ich 4.900 Schilling [etwa 30 Euro] verloren.« Quittungen gab es nicht, Abrechnungen gingen verloren, die Leute zahlten – und ihr Geld war plötzlich nicht mehr auffindbar.
Während die Nairobi Water Company die Nachfrage in den wohlhabenderen Vierteln weiterhin (weitgehend) befriedigen kann, hat sie in Kayole-Soweto eine sogenannte »Mikrorationierung« vorgenommen. Derzeit wird Wasser in der Regel nur noch an einem Tag pro Woche für ein paar Stunden geliefert. In diesen wenigen Stunden beeilen sich die Menschen, die Kanister mit dem kostbaren Gut für die Woche zu füllen. Wer auf Arbeit ist, wenn das Wasser angestellt wird, hat Pech. Oft leitet das Unternehmen salziges Wasser ein, statt des sauberen Wassers, das den Bewohnerinnen und Bewohnern versprochen wurde. Einige Kunden haben wochen-, monate- oder sogar jahrelang kein Wasser mehr bekommen, ohne dass es dafür eine Erklärung gab. Trotz all dieser Probleme pocht die Nairobi Water Company darauf, dass die Menschen ihre Kredite für den Wasseranschluss abbezahlen. Sie sollen somit für eine Wasserzufuhr zahlen, die sie offensichtlich nicht in Anspruch nehmen können. »Unalipia hewa«, sagte uns ein Mann: Er zahle faktisch nicht für Wasser, »sondern für Luft aus dem Hahn«.
Im Jahr 2018 starteten die beiden amerikanischen Entwicklungsökonomen Paul Gertler und Sebastian Galiani eine randomisierte kontrollierten Studie (»randomized controlled trial«, RCT), die die »Effizienz der Einnahmeerhebung« in Kayole-Soweto beim Begleichen der Schulden verbessern sollte. Ihre Grundthese: Die Hauptprobleme mit der Wasserversorgung in Kayole-Soweto seien keineswegs schlecht verlegte und zu kleine Rohre, die regelmäßigen Unterbrechungen oder irgendein anderes der oben beschriebenen Probleme. Vielmehr bestehe das Problem darin, dass die Grundstückseigentümer ihre Wasserrechnungen nicht bezahlen und damit die Einnahmen der Nairobi Water Company schmälern und diese somit »daran hindern«, Wasser zu liefern. (Unsere Beobachtungen zeigten indes das genaue Gegenteil: Viele Leute stellten die Zahlungen für ihre Darlehen ein, weil sie frustriert waren, dass das Wasser, wenn überhaupt, nur ein paar Stunden an einem Tag in der Woche floss.)
Um eine »Bestrafungsmethode« zur Lösung des vermeintlichen Problems zu testen, nutzten die beiden Ökonomen eine RCT. Solche Tests – eine in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Entwicklungsökonomie äußerst beliebte Methode – werden verwendet, um eine Entwicklungsintervention zu testen, indem (1) Menschen nach dem Zufallsprinzip in eine »Behandlungs-« und eine »Kontrollgruppe« eingeteilt werden; (2) der ersten Gruppe eine »Behandlung« verabreicht wird, während sie der zweiten Gruppe vorenthalten wird; und (3) der Unterschied in den Ergebnissen gemessen wird. Die Pioniere dieser Methode wurden 2019 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Kritikerinnen sind hingegen skeptisch und monieren, dass Entwicklungsökonomen nicht selten »an den Armen herumexperimentieren«.
In diesem Fall arbeiteten die beiden US-Ökonomen mit der Nairobi Water Company und der Weltbank zusammen. Sie identifizierten Kunden, die mit den Zahlungen für ihren Wasseranschluss im Rückstand waren, teilten sie nach dem Zufallsprinzip in eine Behandlungs- und eine Kontrollgruppe ein und stellten die Wasserzufuhr bei ersteren ab, bei der Kontrollgruppe hingegen nicht. Ihren Ergebnissen nach habe das Abschalten des Wasseranschlusses einen »großen positiven« Einfluss auf die Rückzahlungen gehabt (wenig verwunderlich, oder wie es eine Person in der Twitter-Debatte ausdrückte: »Ja, Überraschung«). Sie argumentierten, dies sei ein eindeutiger Beweis dafür, dass das Abklemmen von Wasser das Eintreiben von Gebühren für die Wasserversorgung verbessern könne. Die Autoren des Experiments erwähnten freilich nicht die zahllosen Probleme der Nairobi Water Company oder mit dem Wassersystem von Nairobi im Allgemeinen.
Eine Karte aus der Veröffentlichung über die Ergebnisse dieser RCT, die zeigt, wie die Haushalte in Kayole-Soweto nach dem Zufallsprinzip den »Behandlungs-« und »Kontrollgruppen« zugeordnet wurden.
Sehen wir uns den Fall etwas genauer an: Das Experiment wäre ethisch bereits höchst kritikwürdig, wenn zumindest sichergestellt wäre, dass im Normalfall die Wasserversorgung verlässlich funktioniert. Ein ethisches Desaster wird dieses spezielle Experiment durch seinen Kontext in einem Gebiet wie Kayole-Soweto, wo die Wasserversorgung ohnehin unzuverlässig ist.
Um nur ein Beispiel für die ethischen Verrenkungen bei der Veröffentlichung der Studie zu nennen: Die Forschungsrichtlinien in den USA, wo die beiden Entwicklungsökonomen Professuren innehaben, schreiben vor, dass Versuchspersonen ihre Zustimmung zur Teilnahme an jeglicher Art von Forschung geben müssen, ganz zu schweigen von einem derartigen Experiment. Die Studienautoren behaupten nun, die Mieterinnen und Mieter, denen das Wasser im Zuge des Experiments abgestellt wurde, dieser möglichen Maßnahme zugestimmt hätten, als sie den Wasseranschluss-Vertrag unterschrieben, in dem nun einmal stehe, dass das Wasser abgestellt wird, wenn sie nicht zahlen. Wenn man es gut meint, kann man hier von einem sehr »dünnen« Verständnis von »Zustimmung zu wissenschaftlichen Experimenten« sprechen. Darüber hinaus wird aber ignoriert, dass diverse Verträge oftmals nicht von den Wohnungsmietern selbst, sondern von den Hausbesitzern unterzeichnet wurden. Dies wurde bei der Entscheidung, wessen Wasserzufuhr abgeschaltet wird, komplett außen vor gelassen.
»Das Ausmaß der Macht, die westliche Akademikerinnen und Akademiker über arme Menschen in Orten wie Kayole-Soweto haben können, hat etwas wirklich Erschreckendes.«
Wir haben auch mit diversen Immobilienbesitzern gesprochen, denen ebenfalls während des Experiments das Wasser abgestellt wurde. (Hier sollte angemerkt werden, dass die meisten dieser Immobilienbesitzer ebenfalls nicht reich sind – die meisten dieser Menschen, mit denen wir gesprochen haben, leben als Nachbarn ihrer Mieter, gegebenenfalls in einer etwas schöneren oder größeren Wohnung). Wir erklärten ihnen, dass die Wissenschaftler bei ihrer Veröffentlichung betonten, das Experiment habe den Teilnehmenden keinen Schaden zugefügt. Matthew, ein von uns befragter Grundstückseigentümer, erzählte uns, dass mehrere Bewohnerinnen seines Grundstücks – darunter eine behinderte Frau und seine eigene 95-jährige Großmutter – gezwungen waren, in Eimer und Wannen zu defäkieren, die seine Frau dann in den Ngong-Fluss kippte. Ein anderer Grundstückseigentümer, Kelvin, sagte uns klipp und klar: »Wasser ist Leben – und wir haben kein Wasser. Wie können [diese Wissenschaftler] also behaupten, dass niemandem geschadet wird?«
Der Zugang zu und die Verteilung von Wasser ist in Nairobi extrem ungleich. In diesen ungerechten Kontext platzte dann zunächst die Weltbank mit einem neoliberalen Projektplan, in dem »Kostenteilung« betont wird, und mit einem naiven und deplatzierten Vertrauen in die Fähigkeit der Nairobi Water Company, dieses Projekt gerecht durchzuführen. Darauf folgten, zweitens, die zwei Entwicklungsökonomen, die die Armen in Soweto wie Versuchskaninchen behandelten. Auch sie haben die Nairobi Water Company einfach beim Wort genommen, als das Unternehmen erklärte, das einzige Problem mit der Wasserversorgung in Kayole-Soweto sei, dass die Leute ihre Rechnungen nicht bezahlen. War das nur eine »Scare Tactic«, um die Kundinnen und Kunden dazu zu bringen, für einen bestenfalls unzuverlässigen Service zu zahlen? Ist es nur einmal mehr die hässliche Seite eines kapitalistischen Marktmodells, in dem die Notlage der Armen keine Rolle spielt und sie um ihr Recht auf Leben in der Stadt gebracht werden?
Die Weltbank hat sich seit dem Jahr 2000 von allzu strenger Austerität und den sogenannten Strukturanpassungsprogrammen, die die Bank in den 1980er und 1990er Jahren einem afrikanischen Land nach dem anderen auferlegt hatte, verabschiedet. Sie konzentriert ihre Energien nun eher auf Projekte wie die Wasserinitiative in Kenia, die oft gemeinsam mit afrikanischen Regierungen durchgeführt werden. Diese sollen im Allgemeinen die Fähigkeit des Staates verbessern, die Grundbedürfnisse seiner Bürgerinnen und Bürger zu befriedigen. Die neoliberale Ideologie ist somit zwar abgeschwächt, aber immer noch vorhanden: Das Beharren der Bank darauf, dass die kenianischen Nutzer einen großen Teil der Kosten für den Wasseranschluss über ein privates Bankdarlehen zahlen, ist charakteristisch für diesen neuen, etwas subtileren Neoliberalismus.
In Bezug auf Experimente und RCTs wie im beschriebenen Fall muss festgehalten werden: Das Ausmaß der Macht, die westliche Akademikerinnen und Akademiker über arme Menschen in Orten wie Kayole-Soweto haben können, hat etwas wirklich Erschreckendes. Wir wollen hier ganz klar betonen, dass diese spezifische Studie nicht repräsentativ für RCTs im Entwicklungsbereich im Allgemeinen ist. Tatsächlich haben wir festgestellt, dass das Experiment mit abgeschnittener Wasserzufuhr ein sehr extremes Beispiel ist; die meisten RCTs werden mit angemessenen oder sogar sehr guten ethischen Praktiken durchgeführt. Was dieses Experiment jedoch zeigt, ist, dass ein ausländischer Forscher eine absolut unethische RCT in einem Land wie Kenia durchführen kann, wenn er es denn will. Die bestehenden ethischen Schutzmechanismen funktionieren offensichtlich nicht.
Bei einer Fortführung des Wasserprojekts der Weltbank in Kayole-Soweto muss diese sich an den Forderungen der Menschen in Soweto orientieren, die wir getroffen und befragt haben. Wiederholt sagten diese uns, dass sie sehr wohl bereit wären, für Wasser zu zahlen – wenn die Wasserversorgung denn verlässlich funktionierte. Sie forderten außerdem, die Weltbank solle mit Vertreten in die Gemeinde kommen, Treffen mit den Menschen vor Ort abhalten und mit deren Hilfe die Wasser- und Abwasserinfrastruktur in Kayole-Soweto wieder auf einen angemessenen Standard bringen. Wir glauben, dass die Weltbank genau dies den Menschen in Kayole-Soweto schuldig ist.
»Wassergerechtigkeit, wie sie in der kenianischen Verfassung von 2010 verankert ist, muss auch für arme Menschen, die in benachteiligten Stadtvierteln wie Kayole-Soweto leben, Realität werden.«
Was die beiden Wirtschaftswissenschaftler und andere, die RCTs in Kenia durchführen, betrifft, so hat das bestehende System ethischer Schutzmaßnahmen in Kayole-Soweto eindeutig versagt. Wir wollen hier nicht die – von einigen Leuten vertretene – Forderung anbringen, Forschende aus dem Globalen Norden sollten keinerlei Studien und Experimente mit Menschen im Globalen Süden durchführen dürfen. Dennoch müssen die Auswirkungen dieses spezifischen Experiments zu Vorschlägen für Reformen in den Bereichen Forschungsgenehmigung, Finanzierung und Veröffentlichung führen, um sicherzustellen, dass ethische Grundsätze tatsächlich befolgt werden. Wir unterstützen solche Vorschläge und möchten die Akteure in diesem Forschungsbereich dazu aufrufen, Mechanismen einzuführen, die sicherstellen, dass Schutzmaßnahmen nicht optional, sondern obligatorisch sind. Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass es eine ethische Verpflichtung zu echter »Equipoise«, also echtem Gleichgewicht, bei Entwicklungs-RCTs geben sollte: Die Forschenden sollten im Vorfeld nicht wissen, ob die »Behandlung« oder die »Kontrolle« für die Versuchspersonen die bessere Option ist. (Bei dem Experiment in Kayole-Soweto war das offensichtlich nicht der Fall, da die Behandlungsgruppe keinen Zugang zu lebensnotwendigem Wasser hatte.)
Zu guter Letzt: die Bezirksregierung von Nairobi debattiert derzeit über einen Gesetzentwurf, mit dem die Nairobi Water Company privatisiert werden könnte. Wir glauben, dass Privatisierung keine Lösung für die Wasserversorgung in Nairobi sein kann. So haben wir beispielsweise in der kenianischen Pflegebranche immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Privatisierungen nicht im Sinne der Armen sind. Wasserprivatisierung in anderen Regionen – im bolivianischen Cochabamba in den späten 1990er Jahren und, etwas lokaler, in Dar es Salaam in den 2000er Jahren – endeten mit absoluten Misserfolgen. Wir sind der Ansicht, dass Reformen und eine demokratische Regierungsführung (statt Privatisierung der Nairobi Water Company) der richtige Ansatz wären. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise wegen der eskalierenden Lebenshaltungskosten sind wir außerdem der festen Überzeugung, dass ein privatisiertes Wasserversorgungsunternehmen noch weniger in der Lage wäre, dafür zu sorgen, dass Wasser auch für die ärmsten Menschen in Nairobi erschwinglich (wenn nicht sogar kostenlos) ist.
Wassergerechtigkeit, wie sie in der kenianischen Verfassung von 2010 verankert ist, muss auch für arme Menschen, die in benachteiligten Stadtvierteln wie Kayole-Soweto leben, Realität werden. Wir schließen uns den Forderungen des Mathare Social Justice Center an: »maji ni uhai, maji ni haki« – Wasser ist Leben, Wasser ist ein Recht.
Dieser Text erschien zuerst bei Africa Is a Country. Er basiert auf ethnografischen Untersuchungen, die Adrian Wilson, Irene Nduta und Somo Abdi im Jahr 2022 in Kayole-Soweto, Nairobi, durchgeführt haben.
Adrian Wilson ist Doktorand der Anthropologie an der University of California in Berkeley.
Faith Kasina ist Aktivistin beim Kayole Community Justice Centre.
Irene Nduta ist Aktivistin beim Kayole Community Justice Centre.
Jethron Ayumbah Akallah ist Dozent an der Fakultät für Geschichte und Archäologie der Maseno University.