20. Juni 2024
Der Fortschritt von KI-Systemen lässt Tech-Bildungsreformer wie Bill Gates träumen. Doch Chatbots werden die Krise des Schulsystems nicht lösen.
»Innerhalb weniger Sekunden erhielt ich eine Erzählung von 458 Wörtern, betitelt mit ›Der tapfere Benny und das Geheimnis der Zahnfee‹, die aus Klischees und fader Ermutigung bestand.«
Als mein Sohn fünf wurde, bemerkte er, wie alle seine Freunde anfingen, ihre Zähne zu verlieren. Die Erwachsenen versicherten ihm schleunigst, wenn auch seine Zähne ausfallen würden, würde nachts jemand bei ihm zu Hause eindringen und ihm Bargeld für sie anbieten. Er reagierte, verständlicherweise, mit Panik.
Wochenlang erklärte er unter Tränen: »Ich werde meine Zähne nicht verlieren! Ich liebe meine Zähne!« Beim Abendbrot lehnte er sich zu mir rüber und fragte beiläufig: »Werden Papas Zähne ausfallen? Deine?« Dann flüsterte er wütend: »Meine werden es nicht!« Irgendwann entwickelte er eine Routine, bei der er wie Charlie Chaplin in der Regie von Tim Burton herumhuschte, mit seinem Zahnfleisch schmatzte und unheimlich murmelte: »Meine Zähne! Meine Zähne! Ich habe meine Zähne verloren!«
So seltsam sein Verhalten auch erscheinen mochte, verstand ich doch, dass er dabei war, etwas Einfaches und Wahres über das Leben zu lernen: Es kann uns genommen werden, auf subtile Weise, Stück für Stück, und es endet immer mit dem Tod. Der Verlust von ein paar Milchzähnen scheint unbedeutend, bis wir, wie es ein durchschnittlicher Vorschüler es intuitiv tut, erkennen, dass das dem Verlust von allem und jedem vorausgeht, den wir lieben. Die Angst meines Sohnes war obsessiv, aber sie war nicht pathologisch oder seiner Entwicklung hinderlich. Tatsächlich war dies seine Entwicklung.
Jeder, der Zeit mit Kindern verbringt, wird die fesselnde, manchmal unheimliche, oft poetische Qualität ihrer Sprech- und Spielweise kennen, die von Metaphern und Symbolen durchdrungen ist, die sich nicht nur der Vernunft entziehen, sondern sie irrelevant machen. Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget entdeckte, dass das symbolische Spiel bei Kindern so früh entsteht wie die Sprache und für die kognitive Entwicklung sowie für das »emotionale und intellektuelle Gleichgewicht« unerlässlich ist. Kurz gesagt, ist das Spiel die Arbeit der Kinder und – wie die großartige Pädagogin Maria Montessori schrieb: »Der Mensch bildet sich durch Arbeit.«
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