04. Juli 2024
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle hat Angst aus dem Bundestag zu fliegen. Dabei würde er weich fallen.
Konstantin Kuhle gab sich vor allem abgehoben und realitätsfern.
IMAGO / dts NachrichtenagenturNeulich bei Hart aber Fair: Ein gefrusteter LKW-Fahrer trifft auf den FDP-Abgeordneten Konstantin Kuhle. Oder anders gesagt: Praxis trifft auf Politik. Was folgte, war bezeichnend dafür, wie weit FDP-Abgeordnete von den Sorgen und Nöten der Arbeiter entfernt sind.
»Ich platz gleich«, grummelte der LKW-Fahrer in das Mikrofon von Moderator Louis Klamroth, als der ihn fragt, ob er sich von den anwesenden Politikerinnen und Politikern verstanden und vertreten fühle. Der LKW-Fahrer entgegnete, dass er nicht verstehen könne, wie die Diäten der Abgeordneten mal eben so um einen ganzen Bürgergeldregelsatz – nämlich 635 Euro – erhöht werden können, während im Bundestag gleichzeitig höhere Spesen für seine Berufssparte vom Tisch gewischt wurden. Er müsse als jedes Mal, wenn er auf der Autobahn bei Sanifair sein Geschäft verrichtet, die Kosten aus eigener Tasche zahlen: Ein Euro für den Toilettengang, das mehrmals am Tag, und am Tagesende noch vier oder fünf Euro für die Dusche. Im Parlament wird aus dem Vollen geschöpft, aber bei der arbeitenden Bevölkerung werden Erbsen gezählt, so der nachvollziehbare Vorwurf.
Zumal man bedenken muss, dass der LKW-Fahrer jeden verdammten Tag unter dem Investitionsstau im Straßennetz und der Privatisierung der Raststätten zu leiden hat. Was für den LKW-Fahrer mehrmals am Tag eine bittere Alltagserfahrung ist, ist für Kuhle ein Haushaltsposten, mit dem er sich im Bundestag einmal im Jahr auseinandersetzt.
Kuhle reagierte mit Unverständnis und Arroganz. Ob der LKW-Fahrer denn nicht wisse, dass er als Abgeordneter nächstes Jahr arbeitslos werden könne, wenn die Wählerinnen und Wähler entscheiden, die FDP nicht noch einmal in den Bundestag einziehen zu lassen. Sympathien gewann Kuhle damit keine. Sorgen muss man sich um abgewählte Abgeordnete nämlich nicht. Während ihrer Parlamentszeit gehören sie zu den Spitzenverdienenden.
»Der FDP-Abgeordnete Kuhle will einem LKW-Fahrer mit vorgegaukelten Existenzängsten seinen Frust über politische Entscheidungen absprechen.«
Seit diesem Monat liegt die monatliche Diät eines Bundestagsabgeordneten bei 11.227 Euro brutto. Dazu kommt eine steuerfreie Aufwandspauschale von 5.052 Euro, ein bezahltes und eingerichtetes Büro im Bundestag, bezahlte Ausstattung für Wahlkreisbüros, eine Bahncard 100, bezahlte Dienstreisen, eine Kostenpauschale für allerlei Büro- und Technikanschaffungen sowie ein Personalbudget von monatlich 25.874 Euro, um Mitarbeitende einzustellen. Und wenn Abgeordnete ausscheiden, gibt es erstens für jedes Jahr im Parlament einen Monat die volle Diät als Übergangsgeld und zweitens 2,5 Prozent der aktuellen Diät als Pension.
Mal angenommen, Konstantin Kuhle würde bei der nächsten Wahl ausscheiden, hätte er acht Parlamentsjahre auf dem Buckel. Er bekäme also acht Monate die volle Diät in Höhe von 11.227 Euro, in Summe knapp 90.000 Euro brutto, und im Ruhestand nochmal 20 Prozent der dann geltenden Diät als Pension, Stand heute also 2.245 Euro. Und das zusätzlich zu seinen Rentenansprüchen aus seinem sonstigen Erwerbsleben als Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter an Universitäten sowie diversen Aufsichtsmandaten. Die Durchschnittsrente nach 45 Jahren malochen, liegt hingegen bei gerade einmal 1543 Euro. Also weit weniger als das, was Kuhle sich in acht Jahren für sich »erarbeitet« hat.
All das heißt nicht, dass Abgeordnete per se überbezahlte Egoisten sind. Wenn aber der FDP-Abgeordnete Kuhle einem LKW-Fahrer mit seinen eigenen vorgegaukelten Existenzängsten seinen Frust über politische Entscheidungen absprechen will, sollte man sich mal bewusst machen, von welchem Berg an Privilegien Kuhle hier zu diesem Fahrer herabspricht. Und dafür muss man kein Verständnis haben.
Maurice Höfgen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag und Autor des Buches »Mythos Geldknappheit«. Zudem betreibt er den YouTube-Kanal »Geld für die Welt«.