24. September 2024
Die KPÖ könnte das erste Mal seit 65 Jahren wieder in das österreichische Parlament einziehen. Spitzenkandidat Tobias Schweiger erklärt, wie das gelingen soll.
KPÖ-Bundessprecher Tobias Schweiger beim Wahlkampf.
Am 29. September wählt Österreich ein neues Parlament und selten war der Ausgang so ungewiss wie dieses Mal. Während sich auf den letzten Metern vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen FPÖ und ÖVP um Platz 1 abzeichnet, gibt es auch zum ersten Mal seit Jahrzehnten Bewegung im linken Parteienspektrum. Die Kommunistische Partei könnte das erste Mal seit 1959 wieder in den Nationalrat einziehen.
Die Weichen dafür wurden in der Steiermark, in Salzburg und kürzlich auch in Innsbruck gelegt. Dort folgt die KPÖ dem Konzept der »nützlichen Partei«. Sie bietet Sozialsprechstunden an, bei denen Bürgerinnen und Bürger sich beraten oder unterstützen lassen können. Abgeordnete behalten nur rund 2.500 Euro ihres Gehalts, der Rest geht an Bedürftige. Als »Wohnpartei« setzt sich die KPÖ besonders für günstigere Mieten ein. Ob das reicht, um auch auf nationaler Ebene erfolgreich zu sein, ist offen. In Österreich gibt es eine 4-Prozent-Hürde, die KPÖ steht in Umfragen aktuell zwischen 3 und 4.
Tobias Schweiger ist seit 2021 Sprecher der Partei. Im Gespräch mit JACOBIN erklärt er, wo aktuell die größten Probleme im Parteiaufbau liegen, wie Sozialsprechstunden auf nationaler Ebene aussehen könnten und welche Ideen er etwa für eine Vergesellschaftung des Energiesektors hat.
Die KPÖ wurde lange als klassische Kaderpartei bezeichnet, bei der es nicht so einfach war, anzudocken. Heute ist die Partei zwar offener, aber sie macht es Interessierten immer noch nicht unbedingt leicht, Mitglied zu werden. Es gibt Geschichten von Leuten, die sich engagieren wollten, aber im langwierigen Prozess aufgegeben haben, weil sie etwa nach dem ersten Andocken nicht mehr von der Partei kontaktiert wurden. Woran liegt das?
Für eine kleine Partei, die stark auf Ehrenamt angewiesen ist, ist es tatsächlich schwierig, aus dem Stand Mitmachstrukturen aufzubauen. Gerade in Österreich, wo es eine Kultur gibt, in der die Parteimitgliedschaft als das eigentliche Mitmachen definiert wird. Es hat einen Grund, dass das oft nur dann funktioniert, wenn du auf bezahlte Apparate zurückgreifen kannst, wenn Organizer und Community-Manager angestellt sind, die die Zeit und technischen Mittel dafür haben.
Das heißt aber nicht, dass es uns kein Anliegen ist, dass Menschen bei uns mitarbeiten können, aber das bundesweite Team ist relativ klein und manchmal laufen auch klassische Organisationsabläufe noch nicht ganz ideal. Gerade bei einer Partei, die sehr stark von unten strukturiert ist, und wo eine große Verantwortung bei den Bezirksorganisationen liegt, sind Veränderungsprozesse komplex.
»Wir haben uns in den letzten Jahren stark verändert, um weg von der reinen Interpretation der Welt hin zur alltäglichen Organisierung von Klasseninteressen zu kommen.«
Da ist es fast unvermeidlich, dass im Zuge dieser Übersetzungen Kollateralschäden entstehen. Und am ehesten entstehen sie in den sehr arbeitsintensiven Bereichen. Das Feld der Mitglieder-Integration oder eigentlich der Interessierten-Integration ist sicher eines der fehleranfälligsten im Aufbau aller Organisationen. Wir haben darauf schon Augenmerk gelegt, aber leider fehlt es oft noch an den nötigen Ressourcen.
Glaubst Du, dass der Erfolg in den Bundesländern auch eine Rolle dabei spielt, dass die Strukturen überlasten? Der hat die KPÖ ja relativ plötzlich sehr präsent gemacht, was sie in den Jahrzehnten davor nicht war.
Ja, natürlich. Die Integration und Einbindung von Interessierten hat viele Voraussetzungen. An der Oberfläche nehmen Leute dann beispielsweise wahr, dass es lang gedauert hat, bis sich jemand bei ihnen gemeldet hat. Aber dass es tatsächlich möglich ist, sich bei einer Person zu melden und ihr ein Angebot für Kennenlernveranstaltungen zu machen, setzt eine Reihe an Prozessen voraus: aktuelle und innere Terminkoordination und ein sehr enges Kommunikationsnetzwerk. Das heißt, es geht um mehr als nur einen Tag, wo eine Person eine Telefonliste abzuarbeiten hat.
Wir haben uns in den letzten Jahren stark verändert, um weg von der reinen Interpretation der Welt hin zur alltäglichen Organisierung von Klasseninteressen zu kommen. Das ist etwas, wo man sehr viel Mikromanagement macht und sehr viel Zeit braucht.
Euer Versuch ist ja, Du hast es angesprochen, die Partei von unten aufzubauen. Kommt die aktuelle Wahl für diesen Prozess nicht zu früh? Hat man schon die Strukturen für die nationale Ebene?
Ich glaube, das kann man in diesem konkreten Fall tatsächlich nicht sagen, dass die Wahl zu früh kommt. Unsere langjährige Erfahrung war, dass Wahlkämpfe keine Zeiten sind, in denen man gut Organisationsstrukturen aufbauen kann. Diese Einschätzung haben wir mit diesem Wahljahr aber korrigiert. Die Bezirksgruppen haben sehr viel Motivation geschöpft – über Umfragen, aber auch über das gute Ergebnis der EU-Wahl, wo wir am Rande des Einzugs waren.
Also finden aktuell wirklich viele Strukturierungsprozesse in den Grundorganisationen statt. Mehr Leute übernehmen Verantwortung. Dinge, die vor einem Jahr noch sehr viel Arbeit gemacht haben, werden selbstverständlich. Das hat auch damit zu tun, dass der Wahlkampf ein klares Ziel und einen klaren Anfang und Ende hat, eine gemeinsame Mission. Wenn solche Rahmenbedingungen geklärt sind, ist es manchmal einfacher bestimmte Strukturen zu entwickeln, als wenn du für jeden Schritt des Strukturaufbaus mit Bezirksorganisationen klären musst, ob gerade alle vor denselben Fragen stehen.
Gleichzeitig sind viele der Events, die man im klassischen Wahlkampf macht, normalerweise nicht nachhaltig. Also, wenn ich an Infostände oder so denke. Aber wir sehen aktuell, dass es auch Hand in Hand gehen kann. Dass Strukturen so aufgebaut werden, dass sie auch nach der Wahl weiter funktionieren. Und außerdem ist es ohnehin so: Eine Wahl kommt, wann sie kommt. Für uns ist sie aktuell mit Sicherheit eine Beschleunigung bei der Parteientwicklung.
In einem früheren Interview hast Du 2022 gesagt: »Der Zustand der Partei ist momentan nicht der, den wir für eine kommunistische Partei gerne sehen würden.« Ihr habt Euch zum Ziel gesetzt, die KPÖ kampagnen- und interventionsfähig zu machen. Wie weit seid Ihr auf diesem Weg gekommen?
Die Interventionsfähigkeit ist schwer zu beurteilen. Aber es gibt schon so Momente, wo man die Entwicklung der KPÖ merkt. Ich würde es wirklich ernst nehmen, wenn die Bundesregierung ihre Maßnahmen zur Erleichterung einer erhöhten Leerstandsabgabe damit begründet, dass eine KPÖ, vor der sie offensichtlich warnen möchte, mit dem Thema Wohnen Erfolge feiert.
»Da ist eine Angst da, dass die Mehrheitsverhältnisse, die in der Gesellschaft ja vorhanden sind, auch politisch einen Ausdruck bekommen.«
Es gibt also die Sorge, es könnte zu einer kritischen Masse für eine linke Gegenkraft kommen. Das sieht man auch daran, wie fokussiert die bürgerlichen Medien auf unseren Themenkomplex Krieg und Frieden sind. Da ist eine Angst da, dass die Mehrheitsverhältnisse, die in der Gesellschaft ja vorhanden sind, auch politisch einen Ausdruck bekommen – jenseits der FPÖ, die das Themenfeld natürlich nur populistisch bedient. In diesen Diskursen haben wir mehr Relevanz bekommen, als wir in den letzten Jahrzehnten meistens hatten.
Bei anderen sozialpolitischen Themen haben wir das wahrscheinlich noch nicht geschafft. Insofern sind wir noch lange nicht in einem Zustand, wo wir sagen, dort möchten wir die Kommunistische Partei haben.
Also Ihr seid weiter gekommen, aber noch nicht am Ziel?
Es gibt sehr viele positive Beispiele aus den letzten Jahren. Dazu zählt besonders, dass wir solidarische Projekte inzwischen wirklich als Kernstück der Parteientwicklung sehen. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, gerade weil wir damit auch unser Parteiverständnis verändert haben. Das klingt vielleicht klein, ist aber ein großer Schritt.
Dieses Verständnis ist eng mit Eurem Anspruch verbunden, einen konkreten Unterschied im Leben der Menschen zu machen – »nützlich« zu sein. Was würde die erste KPÖ-Fraktion im Parlament am Alltag der Menschen in diesem Land ändern?
Wir könnten das, was wir jetzt schon tun, in einem viel größerem Umfang anbieten, die Sozialsprechstunden etwa geografisch verbreiten. Mehr Menschen hätten dann Zugang zu ihnen und wir würden einen besseren Einblick darin bekommen, was an welchen Orten als zentrale gesellschaftliche Probleme definiert werden. Ich glaube zwar, dass die Probleme sehr ähnlich sind, aber relevant sind diese Erkenntnisse für uns trotzdem.
Es macht auch einen Unterschied, ob Leute nur in der Zeitung lesen, dass etwa die Grazer Bürgermeisterin jemandem geholfen hat, oder ob sie selbst jemanden kennen, der von der Partei unterstützt wurde oder selbst mit uns Kontakt hatten.
Habt Ihr Euch schon überlegt, wie der Ausbau dieses Projekts genau aussehen soll? Auf nationaler Ebene ist das Anbieten von Sozialsprechstunden ja schwieriger als auf lokaler. Für eine Person in Wien ist das wahrscheinlich kein Problem, aber an wen kann sich eine Vorarlberger KPÖ-Wählerin wenden?
Es ist noch nicht ganz fixiert, aber der Plan ist, dass wir Zielgebiete bestimmen, für die unterschiedliche Leute zuständig sind. Das bedeutet, dass ich nicht nur in Wien Sozialsprechstunden anbieten werde, sondern auch regelmäßig in Niederösterreich – als Beispiel. Es muss noch genau entschieden werden, was die sinnvollste Option ist.
Im Falle eines Einzugs würden wir wahrscheinlich um die sieben Mandate erhalten, die alle einen erheblichen Teil ihres Gehalts abgeben. Damit hätten wir viel mehr Geld in unserem Sozialtopf.
Aktuell verdient man im österreichischen Nationalrat circa 10.000 Euro brutto. KPÖ-Mandatare haben versprochen, sich davon nur rund 2.500 Euro netto zu behalten. Das sind große Summen zur direkten Umverteilung.
Genau. Wir könnten so auch Leute in unterschiedlichen Gegenden des Landes, dabei unterstützen, selbst Beratungsgespräche durchzuführen – ihnen die »finanziellen Möglichkeiten« dafür quasi in die Hand zu geben. Das wäre eine große Veränderung, die auch bei den Menschen vor Ort direkt ankommt.
Wir haben auch definiert, dass der Sozialtopf hauptsächlich für die Weitergabe von Geld an Menschen, die es dringender brauchen, zur Verfügung steht. Zum Teil fließt das Geld auch in den Ausbau solidarischer Projekte. Das bedeutet etwa die Finanzierung unserer Gratisküchen. Die haben wir vor ein paar Jahren gestartet, weil wir festgestellt haben: Es braucht solidarische Projekte im Bereich der Ernährungssicherheit.
Das Projekt ist sehr erfolgreich und wird von immer mehr Bezirksorganisationen angeboten, weil dort viele Leute aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen zusammenkommen. Nachbarn vor Ort, prekär lebende Studierende und Leute, die von Armut betroffen sind. Die sitzen dann zusammen und lernen sich kennen. So entstehen Diskussionsräume, in denen Leute erzählen, was bei ihnen los ist. Es ist quasi eine Sozialsprechstunde plus und kollektiviert, aber irgendwie auch ein demokratischer Raum. Um das durchführen zu können, braucht man vergleichsweise lächerliche Summen, aber für die einzelnen Grundorganisationen kann das trotzdem relevante Kosten verursachen.
Wir hätten also viel mehr finanzielle Mittel, aus denen sich neue Handlungsperspektiven ergeben. Mit dem Argument haben wir zum Beispiel unsere Parteizeitung wiederbelebt. Unser Ziel ist, zuerst als Monats-, dann als Wochen- und letztlich wieder als Tageszeitung zu erscheinen und damit langfristig eigene Medien, quasi eine Gegenöffentlichkeit, aufzubauen.
»Aktuell ist klar, dass sowohl der objektive Bedarf für eine KPÖ im Parlament und unser subjektives Interesse daran gerade zusammenfallen. Wir wollen eine gesellschaftliche Oppositionskraft sein.«
Ein Anliegen ist uns auch die politische Bildungsarbeit. Dazu zählt auch, Seminare zu veranstalten, oder mit Leuten, die etwas Spannendes zu sagen haben, Veranstaltungen zu organisieren. Damit könnten wir auch die Partei intellektuell voranbringen. Erst im Rahmen einer Bildungsakademie hätte man dafür einen seriösen Rahmen, in dem sich intellektuell kontinuierlich vernetzt und betätigt werden kann.
Du siehst es also auch als Möglichkeit, die Partei ideologisch stärker zu entwickeln.
Ja, da sind wir wieder bei der Interventionsfähigkeit. Die unmittelbare, positionelle Intervention, die eine Partei führen kann, ist immer nur ein Moment von dem, was eine kommunistische Intervention in der Gesellschaft insgesamt bedeutet. Dazu gehört auch ein intellektueller Rahmen. Es gibt ja aktuell kaum Intellektuelle, die in den bürgerlichen Medien Partei für die KPÖ ergreifen oder gar Forderungen formulieren, die über unsere hinausgehen.
Das sind alles Dinge, die ein Parlamentseinzug nicht unmittelbar löst, aber wo zumindest für einzelne dieser Bereiche eine kritische finanzielle und personelle Masse erreicht wird, um sie anzugehen.
Gleichzeitig birgt ein Parlamentseinzug auch Schwierigkeiten. Man läuft etwa Gefahr, den Staat nur noch zu verwalten, besonders als Regierungspartei. Wie geht Ihr mit diesem Spannungsfeld zwischen politischem Erfolg und der Reformismusfalle um, wie man es etwa bei der deutschen Linkspartei sieht?
Auf nationaler Ebene stellt sich diese Frage weniger. Wir wollen mit niemandem in Koalition gehen und niemand mit uns. Wir meinen das ernst, wenn wir sagen, es braucht eine Oppositionskraft im Parlament, die nicht einfach Teil eines politischen Spektrums ist.
Durch einen Einzug bekommt man mehr Anteil an der bürgerlichen Öffentlichkeit. Und aktuell ist klar, dass sowohl der objektive Bedarf für eine KPÖ im Parlament und unser subjektives Interesse daran gerade zusammenfallen. Wir wollen eine gesellschaftliche Oppositionskraft und Gegenkraft sein.
Aber verliert man so das Ziel der befreiten Gesellschaft nicht aus den Augen?
Es bleibt ein Spannungsverhältnis, natürlich hat der Parlamentarismus 10.000 Fallstricke. Gerade in den Bereichen, die vielleicht nicht zu den eigenen Kernthemen gehören, gibt es schon die Tendenz, Positionen zu formulieren, die eigentlich hinter die einer kommunistischen Partei zurückfallen. Das merke ich auch als Spitzenkandidat.
Aber die Sache ist: Das weiß ich auch. Darum suche ich den regen Austausch mit unseren Mitgliedern, damit wir uns gegenseitig korrigieren können. Und dabei hilft auch der solidarische Umgang miteinander in der Partei.
Kommen wir zu Euren Positionen. In Eurem Wahlprogramm fordert Ihr, dass »Wohnen, Energie, Gesundheit, gesunde Lebensmittel und eine lebenswerte Umwelt« gemeinschaftlich organisiert werden. Sollen diese Bereiche also vergesellschaftet werden?
Wenn man es anhand der Wohnungsfrage durchdekliniert, ist eine Vergesellschaftung deutlich umfangreicher als das, was wir momentan in konkreten Projekten fordern. Aber das hängt trotzdem zusammen. Wenn man beispielsweise für kommunalen Wohnbau eintritt, ist es in der Regel ein staatliches Projekt. Ob es wirklich vergesellschaftet ist, ist damit noch nicht gesagt. Also ob die Bevölkerung mitgestalten kann, wie die Wohnungen aussehen und genutzt werden.
Und das ist etwas, das uns schon immer wichtig ist. Zu sagen: Es geht nicht nur darum, dass staatliche Wohnungen errichtet werden, sondern auch darum, dass sie einen Wert für die Bevölkerung haben. Wohnraum soll nicht einfach nur leistbar sein, Menschen sollen sich demokratisch daran beteiligen können.
Wenn wir jetzt eine Perspektive jenseits von Staat und Kapital im Blick haben, dann ist öffentlicher Wohnraum, der schon gemeinschaftlich gestaltet ist, natürlich leichter zu transformieren als Wohnraum, der auf individuellen Spekulationsprofit aufgebaut ist. Je nachdem, wie Wohnbau gestaltet ist, ist er für andere Gesellschaftsformen adaptierbar oder eben nicht. Das meine ich mit diesem Zusammenhang.
Es gibt natürlich bei uns ein Bewusstsein darüber, dass mehr öffentlichen Wohnbau zu fordern, isoliert für sich nicht Kommunismus ist. Jede sozialpolitische Kraft muss sich heutzutage dafür einsetzen.
Ihr versteht die Forderung quasi als ersten Schritt.
Ja, bei der Energie-Grundsicherung haben wir das beispielsweise strenger ausformuliert. Wir haben zwar in Österreich fast verstaatlichte Energiekonzerne – aber sie existieren in der Form von Aktiengesellschaften. Das heißt, obwohl sie im Staatseigentum sind, ist der Unternehmenszweck der Profit der Aktionäre. Sie sind an Profitmaximierung interessiert, das hat man ja besonders in der letzten Energiekrise gesehen.
Wir sagen, es soll eine Energie-Grundsicherung geben. Der Grundbedarf an Strom soll kostenlos sein und was darüber hinausgeht, progressiv bepreist werden. Da liegt eine ökologische Steuerungsfähigkeit drin, aber vor allem wird dadurch Energiearmut mit einem Schritt abgesetzt.
Und wie kann man das umsetzen?
Das ist nur möglich, indem ich beginne, die verstaatlichten Energiekonzerne wieder zu vergesellschaften. Schritt eins wäre die Rückkehr zu einem Gemeinnützigkeitsprinzip, also die Rückabwicklung der Aktienkonzerne hin zu einem gemeinnützigen Unternehmen in der Hand des Staates. Das ist aber nur ein Teil. So wie Konzerne aktuell Energie produzieren, gibt es keine Möglichkeit, sich von fossiler Energie zu lösen und von den internationalen Rohstoffmärkten abzukoppeln.
Damit ich das tun kann, brauche ich einen massiven Ausbau von erneuerbaren Energien, die oft mit Widerstand in der Bevölkerung einhergehen, weil sie etwa keine Windräder vor ihren Häusern haben wollen.
»Wir sagen, es soll eine Energie-Grundsicherung geben. Der Grundbedarf an Strom soll kostenlos sein und was darüber hinausgeht, progressiv bepreist werden.«
Deshalb sagen wir, dass ein Teil des Umbaus dieser staatsnahen oder verstaatlichten Unternehmen hin zu erneuerbaren Energien in Form von Energiegenossenschaften stattfinden soll, an denen die Bevölkerung direkt als Eigentümer beteiligt ist. Diese Energiegenossenschaften sollen dann als gemeinnützige Energieunternehmen staatlich eingegliedert werden. Das bedeutet erstens die direkte Mitbestimmungsmöglichkeit der Bevölkerung und zweitens schafft es eine Trendumkehr. Die Windräder sind dann kein äußerliches Produktionsmittel mehr, die für den Profit von anderen meine Energie produzieren. Sie sind der Garant dafür, dass ich niemals eine kalte oder dunkle Wohnung haben werde.
Und genauso wie in der Frage der Wohnung lässt sich diese Art der Infrastruktur leichter transformieren, wenn sich die Kräfteverhältnisse insgesamt gegenüber Staat und Kapital verändern. Das sind dann unsere »transformativen Ansätze«, die natürlich um die Grundfrage – wie man eine Gesellschaft verändert – nicht herumkommen. Aber so bauen wir die Infrastruktur, die wir heute und in Zukunft brauchen, schon in einer Perspektive, die es ermöglicht, sie künftig zu adaptieren.
Du hast zu Beginn erwähnt, dass Ihr nirgendwo so viel Gegenwind bekommt wie in der Frage um Krieg und Frieden. In der Position zu Russland, der Ukraine und der österreichischen Neutralität nehme ich die KPÖ sehr deutlich wahr. Zu Israel und Gaza weniger. Woran liegt das?
Ich würde sagen, ein Teil davon ist tagespolitisch abhängig. Es gibt einen Unterschied in der bürgerlichen Öffentlichkeit zu beiden Konflikten. Israel und Palästina, vor allem die Menschen dort, sind der bürgerlichen Öffentlichkeit an sich egal. Sie leben zwar ihre Projektionen und Ressentiments aus, aber in Wirklichkeit hat man sich an die Eskalationen seit Jahrzehnten gewöhnt. Es gilt, regelmäßig die Staatsräson herzustellen, und wer die Situation anders interpretiert, kriegt auf die Goschn.
»Menschen haben das Gefühl, sie haben zwar eine Wahrheit, aber keine Macht. Und Wahrheit ohne Macht ist Ohnmacht und Ohnmacht ist Resignation.«
Der Angriffskrieg von Russland hat die Art und Weise, wie wir Außenpolitik betreiben, wie wir Interessenpolitik in den letzten Jahrzehnten betrieben haben, verändert. Darum bedroht er die Hegemonie des außen- und weltpolitischen Modells, das Europa und die USA, mit allen Widersprüchen, in den letzten Jahrzehnten gefahren und entwickelt haben.
Aber würdest Du nicht sagen, dass das auch aus der Partei selbst kommt? Die Junge Linke und die KJÖ, quasi Eure Jugendorganisationen, haben zum Beispiel 2022 gemeinsam die Aktion »Jugend gegen Krieg« gestartet. Wenn ich jetzt auf die Kommunikationskanäle von Junge Linke schaue, finde ich kaum etwas zu Israel und Gaza, obwohl das ja gerade junge migrantische Leute stark politisiert.
Ich finde, es ist wichtig, dass unsere Position zu Israel und Gaza etwas mit den Lebensverhältnissen hier zu tun hat. Es soll mehr sein als nur ein Glaubensbekenntnis, sondern eine Handlungsperspektive bieten. Relevanz hätte es, wenn Österreich sich im Sinne seiner Neutralität außenpolitisch engagiert. Und auch sagt: Wir stehen dafür ein, dass die beste Perspektive, wie die Zivilbevölkerung vor Ort zu Frieden kommen kann, die Zwei-Staaten-Lösung ist.
Dafür muss Österreich Palästina überhaupt erst einmal anerkennen – und diese Anerkennung in den Vordergrund des außenpolitischen Engagements stellen. Das soll natürlich gleichzeitig mit anderen Forderungen passieren, wie etwa jener nach Waffenstillstand und Verhandlungen. Aber es geht auch darum, eine Perspektive für die Zukunft zu haben.
Das klingt vielleicht langweiliger als vieles von dem, was sonst gesagt wird. Aber gleichzeitig fehlt es in aktuellen internationalistischen Debatten oft: Menschen haben das Gefühl, sie haben zwar eine Wahrheit, aber keine Macht. Und Wahrheit ohne Macht ist Ohnmacht und Ohnmacht ist Resignation. Daraus entsteht entweder Frustration und Fanatismus, aber keine Perspektive auf eine befreite Gesellschaft. Und auch keine Perspektive auf die Frage, wie ich Auseinandersetzungen um gesellschaftliche Kräfteverhältnisse hier vor Ort mit internationalistischen Notwendigkeiten verknüpfe.
Zum Abschluss vielleicht noch. Wie geht es nach dem 29. September für die KPÖ weiter?
So oder so. Wir werden unsere Organisationen weiterentwickeln. Dazu zählen wichtige Projekte, wie etwa der Ausbau der kostenlosen Küchen und Sprechstunden. Das sind die beiden Projekte, die es an so vielen Orten gibt, dass man darüber als allgemeine Projekte sprechen kann. Es gibt aber auch viele andere Ideen. Da gibt es die Holzsammel-Aktionen in Innsbruck oder Kleiderkreisel-Projekte in St. Pölten, wodurch vor allem junge Frauen in Kontakt mit der Partei kommen.
Wir bauen an einer Partei, die ein lebendiger Ort der Nachbarschaft sein soll und sich daran orientiert, den Sozialismus aufzubauen. Darum kümmern wir uns vor und nach der Wahl, der Unterschied ist nur, ob wir es mit mehr oder weniger finanziellen Mitteln machen.