14. Dezember 2023
Weil die Ampel die Krise nur weiter verschärft, müssen die Gewerkschaften den engen Rahmen der Tarifpolitik sprengen.
»Die herkömmlichen gewerkschaftlichen Methoden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen zu verbessern, sind zu beschränkt.«
Die Ampel-Koalition hat die Hälfte ihrer Regierungszeit jetzt hinter sich. Zur Halbzeitbilanz meldete sich auch der DGB zu Wort, doch die harte Kritik, die aus Gewerkschaftssicht an der Regierungsarbeit geübt werden müsste, gab es bei diesem Anlass nicht. Ein Anfang sei gemacht, konstatierte die Vorsitzende Yasmin Fahimi und würdigte, was die Koalition insbesondere in Bezug auf den anstehenden Industrieumbau bereits umgesetzt habe. Einzig DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell warnte mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen, man dürfe jetzt nicht zu einem strikten Sparkurs zurückkehren. Es bestehe hoher Investitionsbedarf, wenn die Transformation gelingen solle.
Auf den Gewerkschaftstagen hingegen zeugte die Diskussion von einer wachsenden Erwartungshaltung gegenüber der Ampel. Während die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner auf einen Brückenstrompreis drängte, betonten die Delegierten, man müsse Renten und Mitbestimmung stärken. Noch klarer war die Kritik auf dem Verdi-Bundeskongress: Der Vorsitzende Frank Werneke nahm kein Blatt vor den Mund, als er die Haushaltspläne als Spardiktat kritisierte, das zulasten der Bereiche Soziales, Integration und Bildung ginge.
Diese gewerkschaftliche Kritik ist richtig. Sie muss allerdings deutlich schärfer werden, wenn die Stimme der Lohnabhängigen bei der Bundesregierung Gehör finden soll. Denn von selbst hat diese Koalition nicht vor, die Interessen der Lohnabhängigen besonders zu vertreten. Die Ampel versteht sich vielmehr als ein klassenübergreifendes Regierungsprojekt. In Wirklichkeit ist aber der Ausgleich, den sie zwischen den Klassen herzustellen versucht, nur ein oberflächlicher. Und je mehr sich die gesellschaftliche Krise zuspitzt, desto stärker geraten die Interessen der Lohnabhängigen unter die Räder.
Wirft man einen Blick auf die Wählerzusammensetzung von SPD, Grünen und FDP, wird schnell klar: Die drei Regierungsparteien vertreten sehr unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. So ist die SPD stärker als jede andere Partei von Arbeiterinnen und Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen gewählt worden. Mit seiner »Respekt für dich«-Kampagne gab Olaf Scholz gerade den arbeitenden Klassen ein wichtiges Wahlversprechen. »Konsequent für soziale Politik wie einen Mindestlohn von zwölf Euro, eine Garantie für Ausbildung, bezahlbaren Wohnraum und eine Rente, die Lebensleistung würdigt«, hieß es im Zukunftsprogramm der SPD. Und auch wenn so manche große Tageszeitung damals unkte, das Wort »Respekt« käme im Wahlprogramm häufiger vor als »Sozialdemokratie«, traf die SPD damit einen Nerv bei abhängig Beschäftigten.
Im Gegensatz dazu rekrutierten FDP und Grüne ihre Wählerinnen und Wähler überwiegend aus Selbständigen und Angestellten. Kernpunkte im Wahlkampf der Grünen waren die sozial-ökologische Transformation, ein Mindestlohn von 12 Euro und die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Doch die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock sprach stets von einem »Angebot für die Breite der Gesellschaft«. In ihrem Denken ging es nie darum, gezielt die Lohnabhängigen zu stärken, sondern stets um »die Gesellschaft« – als wäre diese nicht von Interessengegensätzen geprägt.
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Ulrike Eifler ist Bundessprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft in der Partei DIE LINKE.