13. Juni 2021
Die Wirtschaft ist der undemokratischste Bereich unseres Lebens. Wie können wir das ändern?
ILLUSTRATION Zane Zlemeša
Wir leben in einer Demokratie – oder zumindest haben wir uns daran gewöhnt, das zu denken. Damit meinen wir, dass uns der Staat die Möglichkeit gibt, an Wahlen teilzunehmen, die über die Zusammensetzung seiner politischen Führungsriege entscheiden. Doch sofern wir nicht gerade selbst in der Politik arbeiten, spielt sich ein Großteil unseres Lebens in Zusammenhängen ab, in denen das Spitzenpersonal nicht demokratisch bestimmt worden ist.
In der Wirtschaft legitimiert sich Macht nicht mittels allgemeiner Wahlen, sondern über privates Eigentum. Die meisten Unternehmen gleichen eher Diktaturen als Demokratien: Schließlich wird das Anrecht der Vorgesetzten, ihre Belegschaften zu kommandieren, in der Regel nicht von den Angestellten selbst erteilt. Wo es Betriebsräte gibt, haben diese das Recht, vom Chef angehört und informiert zu werden sowie in einzelnen betrieblichen Angelegenheiten mitzubestimmen – was die unternehmerischen Entscheidungen angeht, haben sie aber nichts zu melden.
Einen Staat, dessen Parlament nur derart eingeschränkte Befugnisse besäße, würden wir ohne zu zögern als Scheindemokratie bezeichnen. Aber da es sich um »private« Unternehmen, also vermeintlich um eine Privatsache der Eigentümerinnen und Eigentümer handelt, nehmen wir das einfach als rechtens hin. Dass auch die Privatwirtschaft politisch ist, gehört zu den Grundeinsichten des Sozialismus – und die Demokratisierung der Wirtschaft zu seinen wichtigsten Zielen.
»Demokratisierung der Wirtschaft« kann zweierlei bedeuten: Im Rahmen des einzelnen Unternehmens bilden die Beschäftigten das »Volk«. In dieser Hinsicht müsste eine Demokratisierung die Arbeiterinnen und Arbeiter in die Lage versetzen, selbst darüber zu bestimmen, was sie mit ihrer Arbeitskraft und den durch sie erzeugten Profiten anfangen wollen. Auf Ebene der Gesellschaft müsste die Wirtschaftsdemokratie hingegen die Gesamtheit der Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden lassen, welchen Prioritäten die Wirtschaft ihres Landes folgen soll. Beide Ansprüche sind absolut gerechtfertigt – in der Praxis können sie sich aber leicht in die Quere kommen.
»Einen Staat, dessen Parlament nur derart eingeschränkte Befugnisse besäße wie ein Betriebsrat, würden wir ohne zu zögern als Scheindemokratie bezeichnen.«
Heute hat eine Privatkapitalistin Kraft ihres Eigentums die Möglichkeit, einerseits weitgehend über ihre Beschäftigten und deren Arbeitsbedingungen zu bestimmen und andererseits – abhängig von der Größe und der Wirtschaftskraft ihres Unternehmens – Druck auf den Staat auszuüben. Sie kann dadurch erwirken, dass dieser seine Arbeits-, Umwelt- und Steuergesetzgebung sowie die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Subventionen in einer Weise regelt, die für ihr privates Profitinteresse günstig ist.
Würden wir die Kontrolle über die Unternehmen ganz auf ihre Belegschaften übertragen, so wäre ein Problem gelöst: Die Beschäftigten würden von nun an nicht mehr unter Fremdherrschaft arbeiten, sondern zu den Konditionen und mit den Zielvorgaben, über die sie selbst kollektiv entschieden hätten.
Doch das andere Problem, dass nämlich große Unternehmen mit ihren Sonderinteressen ganze Staaten gefügig machen können, wäre damit nicht erledigt: Anstelle eines kleinen Kreises von Kapitalisten würde nun ein größerer Kreis von Beschäftigten dieser Konzernriesen überproportional viel gesellschaftliche Macht vereinnahmen. An die Stelle des Privatkapitalismus wäre ein Produzentenkapitalismus getreten.
Wenn wir hingegen die Kontrolle über die Unternehmen aus der privaten Verfügung autokratischer Kapitalisten in die öffentliche Hand eines demokratischen Staates übergäben, dann hätten wir damit zwar die politische Übermacht der wirtschaftlichen Eliten ausgeschaltet. Die Beschäftigten in den Unternehmen hätten jedoch keine Selbstbestimmung gewonnen. Sie wären den vom Staat eingesetzten Funktionären im Zweifelsfall genauso ausgeliefert wie zuvor dem vom Kapital eingesetzten Management. Wir hätten damit einen Staatskapitalismus geschaffen, aber noch nicht den Sozialismus erreicht.
Zu diesem Schluss kam Ende der 1940er Jahre auch die sozialistische Führung von Jugoslawien unter Josip Broz Tito. Nachdem das Land 1948 mit der Sowjetunion gebrochen hatte, versuchte es, einen eigenständigen Weg zum Sozialismus zu beschreiten und wählte als Vehikel die Wirtschaftsdemokratie.
Ein Gesetz vom Juni 1950 institutionalisierte Arbeiterräte in allen jugoslawischen Staatsunternehmen. Die gesamte Belegschaft wählte einen Arbeiterrat, der wiederum eine Unternehmensleitung ernannte. Doch der Unternehmensdirektor, der diesem Leitungsgremium vorstand, wurde von staatlicher Seite bestimmt. In der Folge gab es zwar eine Beteiligung der Arbeiterinnen und Arbeiter an den Profiten, nicht aber eine reale Demokratisierung der unternehmerischen Entscheidungsprozesse, die weiterhin einer zentralen staatlichen Planung folgen mussten.
Auf Drängen der Arbeiterräte schuf die Staatsführung in den Folgejahren einen immer größeren Spielraum für unternehmerische Eigeninitiative. Die Unternehmen gingen aus staatlichem in »gesellschaftliches Eigentum« über und gehörten von nun an kollektiv sich selbst. Die geforderte Abschaffung staatlicher Vorgaben und Regulierungen führte zusammen mit Steuererleichterungen für Unternehmen über die Jahre jedoch zu einem steileren Lohngefälle, einer Verschärfung der regionalen Ungleichheiten und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Interesse der Steigerung ihrer Profite untergruben die Arbeiterräte zudem ihre eigenen demokratischen Standards und gaben immer mehr Kompetenzen an Spezialisten ab.
Im Jahr 1968 war es mit der Liberalisierung soweit gekommen, dass die Gewerkschaften den Staat dazu aufforderten, die Wirtschaft einzuhegen. Doch die anschließenden Versuche der Staatsführung, die Kontrolle wiederzugewinnen und die Unternehmensleitung mehr mit der Zivilgesellschaft zu integrieren, brachten keine wesentliche Veränderung ihrer festgefahrenen Arbeitsweise mehr zustande.
Das jugoslawische Experiment ist vom Staatskapitalismus in den Produzentenkapitalismus umgeschwungen, ohne dazwischen oder danach einen stabilen Mittelpunkt gefunden zu haben. Die Herausforderung von damals wird in zukünftigen Versuchen die gleiche sein: eine institutionelle Architektur zu schaffen, die den Beschäftigten effektive Kontrolle über ihre Unternehmen gibt, sie aber zugleich darauf verpflichtet, im Interesse der gesamten Gesellschaft zu wirtschaften.
Eine andere Frage, mit der wir uns heute konfrontiert sehen, wenn wir unsere Wirtschaft demokratisieren wollen, hat sich im sozialistischen Jugoslawien jedoch gar nicht erst gestellt: Das Problem des Privatkapitalismus hatte sich durch die Verstaatlichung von Industrie und Banken nach der Staatsgründung 1945 bereits erledigt. Wir leben jedoch unter anderen Voraussetzungen, zu denen ein vorangegangener revolutionärer Bruch mit der kapitalistischen Eigentumsordnung nicht gehört. Also müssen wir auch hier noch nach weiteren Antworten suchen.
Im Schweden der 1970er Jahre hatten fast vier Jahrzehnte sozialdemokratischer Regierungen dem Kapitalismus einen starken Wohlfahrtsstaat aufgesetzt, der von ebenso starken Gewerkschaften flankiert war. Das Schwedische Modell beinhaltete schon seit den frühen 1950er Jahren ein System zum Ausgleich von Lohnunterschieden – nun aber wollte man einen Schritt weiter gehen und auch die Profite solidarisch teilen.
Im Jahr 1971 beauftragte der Verband der schwedischen Industriegewerkschaften eine Gruppe von Ökonominnen und Ökonomen um Rudolf Meidner mit der Erstellung eines Plans, mit dem die regierende Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens eine gerechtere Vermögensverteilung in der Gesellschaft und eine Vergrößerung der Macht von Arbeiterinnen und Arbeitern herbeiführen könnte.
Der 1975 fertiggestellte Meidner-Plan schlug vor, branchenspezifische Lohnempfängerfonds einzurichten, an die alle Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten einen Anteil ihrer Gewinne abzuführen hätten. Die von den Gewerkschaften kontrollierten Fonds würden diese Finanzmittel wiederum in Unternehmensanteile investieren, um kollektives Eigentum in der Wirtschaft auszubilden und die Unternehmensführung zugunsten der Arbeiterinnen und Arbeiter zu beeinflussen. Mit der Zeit – nach Meidners Schätzung innerhalb von 25 Jahren – würden die Fonds Mehrheiten an allen größeren Unternehmen des Landes besitzen. Damit wäre die Bestimmungsgewalt des privaten Kapitals über die schwedische Wirtschaft gebrochen.
Doch zu einer wirklichen Umsetzung dieses Plans kam es nie. Die bürgerliche Presse entfesselte eine Kampagne gegen Rudolf Meidner, den vermeintlich »gefährlichsten Mann des Landes«. Daraufhin verloren die Sozialdemokraten die schwedischen Reichstagswahlen von 1976. Diese Niederlage stärkte wiederum die Rechten innerhalb der Partei, sodass sich diese während ihrer Zeit in der Opposition gegen den Gewerkschaftsflügel durchsetzen konnten. Zwar führten die Sozialdemokraten die Lohnempfängerfonds schließlich im Jahr 1984 ein, als sie wieder an die Regierung zurückgekehrt waren, jedoch war das Konzept in der Zwischenzeit seiner Radikalität beraubt worden: Nun bezweckte man damit weder eine Demokratisierung der Unternehmen, noch eine vollständige Vergesellschaftung des Kapitals. Die Fonds kontrollierten zu keinem Zeitpunkt mehr als 7 Prozent des schwedischen Aktienmarktes und wurden schließlich im Jahr 1992 unter einer bürgerlichen Regierung privatisiert.
Auch wenn der Meidner-Plan niemals Wirklichkeit wurde, lohnt sich seine Betrachtung schon allein deshalb, weil er das ambitionierteste Vorhaben zur Demokratisierung der Wirtschaft darstellt, das jemals unter kapitalistischen Bedingungen von einer Regierung ernsthaft in Betracht gezogen wurde – und weil er ein Modell der Sozialisierung der Wirtschaft anbietet, das einen Systemwechsel nicht voraussetzt, sondern ihn umgekehrt erst bewirkt.
Dennoch sind auch die Voraussetzungen im Schweden der 1970er andere als unsere heutigen. In der Zwischenzeit hat die Globalisierung und Deregulierung der Finanzwirtschaft die gesellschaftliche Machtposition des privaten Kapitals noch weiter gestärkt. Gleichzeitig haben die Arbeiterinnen und Arbeiter heute bedeutend weniger Macht als damals: Ein Modell, in dem Gewerkschaftsfunktionäre mit der Verwaltung des vergesellschafteten Kapitals betraut sein würden, konnte nur deshalb als demokratisch gelten, weil der Organisationsgrad der Arbeiterinnen und Arbeiter in Schweden bei über 70 Prozent lag. Bei den gegenwärtig 14 Prozent in Deutschland hätte ein solches Modell hier und heute wohl kaum die nötige Legitimität.
Für unsere Gegenwart scheint ein Modell am naheliegendsten, das eine zunehmende, verpflichtende Kapitalbeteiligung der Beschäftigten vorsieht, wie der schwedische Meidner-Plan, diese aber nicht auf sektoraler Ebene ansiedelt und den Gewerkschaften unterstellt, sondern, wie das jugoslawische Experiment, die einzelnen Unternehmen als den Ort der Arbeiterselbstbestimmung begreift. Dies ist auch aus dem Grund sinnvoll, dass eine effektive demokratische Leitung durch die Beschäftigten am wahrscheinlichsten in ihren eigenen Betrieben erreicht werden kann, da sie mit deren Strukturen, Problemen und Potenzialen am besten vertraut sind.
In diese Richtung gehen auch die jüngeren wirtschaftsdemokratischen Konzepte, die 2018 von der britischen Labour Party unter Jeremy Corbyn und 2019 von Bernie Sanders in seinem Wahlkampf um die US-Präsidentschaft vorgestellt wurden. Beide Pläne würden größere Unternehmen dazu verpflichten, Kapitalbeteiligungsfonds für ihre Belegschaften einzurichten und jedes Jahr einen Bruchteil ihrer Anteile – 1 Prozent bei Labour, 2 Prozent bei Sanders – an diese zu übertragen. In beiden Modellen würden die Vorstände dieser Fonds direkt von den Beschäftigten gewählt werden und in deren Auftrag auf Hauptversammlungen und in Aufsichtsräten abstimmen.
Zwar bleiben die beiden Vorschläge durch die Festlegung willkürlicher Obergrenzen für die Kapitalbeteiligung der Belegschaften – 10 Prozent bei Labour, 20 Prozent bei Sanders – hinter dem transformatorischen Anspruch des Meidner-Plans zurück. Dies zeigt jedoch nur, wie weit sich der Rahmen des Sagbaren in den letzten Jahrzehnten nach rechts verschoben hat und wie weit wir ihn wieder in die richtige Richtung bewegen müssen.
Außerdem sehen beide Konzepte eine direkte Gewinnbeteiligung der Beschäftigten vor, wie es auch in Jugoslawien der Fall war. Die Sanders-Kampagne verkündete, dass bei einer erreichten Vergemeinschaftung von 20 Prozent der Unternehmensanteile eine durchschnittliche jährliche Dividende von mehr als 5.000 Dollar pro Person zu erwarten wäre. Der Plan der Labour Party beabsichtigte hingegen, den individuellen Gewinn auf jährlich 500 Pfund zu beschränken und darüber hinausgehende Überschüsse für die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen zu verwenden.
Ein solcher Mechanismus würde sicherstellen, dass Beschäftigte in kapitalintensiven Branchen und profitablen Betrieben gegenüber jenen in weniger profitablen nicht übermäßig bevorteilt würden. Zugleich wäre damit gewährleistet, dass von der Vergemeinschaftung der Unternehmen nicht nur ihre eigenen Belegschaften profitieren, sondern die gesamte Gesellschaft. Die Teilhabe an den Profiten ist aber wie im einzelnen Unternehmen, so auch für die Gesellschaft als Ganze nur die eine Seite der Wirtschaftsdemokratie. Zusätzlich müssen wir auch darüber nachdenken, in welcher Form und in welchem Maße gesellschaftliche Kontrolle über die Tätigkeit der Unternehmen ausgeübt werden soll.
»Geben die Belegschaften in den Unternehmen einmal den Ton an, ändern sich auch die Prioritäten und Ansprüche, welche die ›Wirtschaft‹ an ›die Politik‹ durchgibt.«
Ein von der Ökonomin Grace Blakeley vorgelegter Vorschlag zur Demokratisierung der Finanzwirtschaft sieht etwa die Einrichtung eines Systems staatlicher Investitionsbanken auf regionaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene vor, deren Leitungsgremien mehrheitlich über direkte Wahlen durch die Bevölkerung bestimmt und um Vertreterinnen und Vertreter der Regierung ergänzt würden. Diese Investitionsbanken würden ihre Geldvergabe an die Bedingung knüpfen, dass die Unternehmen gesamtgesellschaftlichen Interessen – etwa an der Dekarbonisierung der Wirtschaft – nachkommen, und wären ihrerseits demokratisch rechenschaftspflichtig.
So wäre eine demokratische Wirtschaft vorstellbar, in der die Leitung von Unternehmen und die Tätigung von Investitionen nicht mehr, wie heute, im privaten Profitinteresse einiger weniger und ungeachtet der Bedürfnisse der Arbeitenden und der Allgemeinheit geschieht. Stattdessen würden die Belegschaften in ihren Unternehmen kollektiv und selbstbestimmt über Mittel und Ziele ihrer Arbeit entscheiden und ein öffentliches Finanzsystem die Investitionsflüsse so lenken, dass sie den demokratisch ermittelten Prioritäten der Gesellschaft entsprechen.
Doch bevor es dazu kommen kann, müssen wir erst noch das Problem der Durchsetzung der Wirtschaftsdemokratie lösen: In Schweden scheiterte sie am Widerstand bürgerlicher Zeitungen und rechter Sozialdemokraten. Und auch bei Jeremy Corbyn und Bernie Sanders setzten die Reichen, die Mächtigen und ihre Verbündeten in den privaten Medien und den vermeintlich linken Parteien alles daran, zu verhindern, dass sie auch nur die Gelegenheit bekommen, sozialistische Politik umzusetzen.
Die kapitalistische Klasse bekämpft den Sozialismus deshalb so erbittert, weil sie weiß, dass mit seiner Verwirklichung die Welt vergehen würde, in der sie die Macht über die Wirtschaft ausüben und den Reichtum der Gesellschaft privatisieren kann. Dass sich auf der anderen Seite die populäre Unterstützung für den Sozialismus in Grenzen hält, liegt auch daran, dass der Blick der Menschen auf diese Welt, in der sie das Sagen hätten, verstellt ist. Linke politische Programme dürfen nicht einfach in einem Sammelsurium kleinerer und größerer Verbesserungen der Gesellschaft im Sinne der arbeitenden Bevölkerung bestehen. Sie müssen eine einleuchtende Vision einer besseren Zukunft ergeben – und eine demokratische Wirtschaft kann ein zentrales Element dieser Zukunftsvision sein.
Das erfordert auch, den gegenwärtigen Zustand schlüssig und öffentlichkeitswirksam als genau so absurd darzustellen, wie er auch wirklich ist. Denn es ist widersinnig, dass unsere dem Anspruch nach demokratische Gesellschaft praktisch unwidersprochen unzählige kleine diktatorisch regierte Enklaven beherbergt, die zudem mit ihren gezielten Desinformationskampagnen gegen progressive Steuerpolitik, sozialstaatliche Leistungen und gesetzliche Mindestlöhne die Substanz gelebter Demokratie untergraben.
Die Privatdiktatoren in ihren Unternehmensimperien werden Maßnahmen zur Demokratisierung der Wirtschaft nicht weniger erbittert bekämpfen als linke Fiskal- oder Sozialpolitik – im Zweifel eher mehr. Dennoch hat die Wirtschaftsdemokratie den Vorteil, nicht einfach nur den Anteil am gesellschaftlichen Reichtum, welcher der arbeitenden Bevölkerung zufällt, auf Kosten der vermögenden Elite zu vergrößern. Zugleich erhöht sie die gesellschaftliche Macht der Arbeiterinnen und Arbeiter im Verhältnis zum politischen Gewicht des privaten Kapitals. Denn dieses schwindet, je mehr sein ausschließliches Kommando über die Wirtschaft aufgehoben wird.
Geben die Belegschaften in den Unternehmen einmal den Ton an, ändern sich auch die Prioritäten und Ansprüche, welche »die Wirtschaft« an »die Politik« durchgibt. Wirklich im Sinne der Menschen wird selbst ein demokratischer Staat erst dann handeln können, wenn auch die Wirtschaft demokratisiert ist.
Thomas Zimmermann ist Print Editor bei JACOBIN.