14. Februar 2025
Über den Konsum am Valentinstag kann man sich ärgern. Aber die Kommerzialisierung der Liebe ist weder neu noch auf den Valentinstag beschränkt: Sie ist ein Kernstück des Kapitalismus.
Warenauslage für den Valentinstag in einem Geschäft in Frankfurt.
Jedes Jahr am 14. Februar hagelt es Kritik an der Vulgarisierung von Liebe und Romantik durch einen Konsumfeiertag: Am Valentinstag würden wir dazu manipuliert, unsere Liebe durch den Kauf übergroßer Teddybären und Grußkarten zu beweisen. Doch die Kommerzialisierung der Liebe ist weder neu noch auf den Valentinstag beschränkt: Sie ist ein integraler Bestandteil des kapitalistischen Projekts.
»Nichts hat unsere Arbeit, die Familie und unsere Abhängigkeit von Männern so stark institutionalisiert wie die Tatsache, dass diese Arbeit nicht mit einem Lohn, sondern immer mit ›Liebe‹ bezahlt wurde«, schreibt die italienische Wissenschaftlerin Silvia Federici in Revolution at Point Zero. Hausarbeit, Reproduktion und feministischer Kampf. Care-Arbeit – also Kochen, Waschen, Kindererziehung et cetera – wurde traditionell als eine Pflicht der Frau dargestellt, die im Namen der Liebe erfüllt werde. Dabei wird ihre tatsächliche Funktion als Arbeit, die für die Reproduktion und Aufrechterhaltung des globalen Marktes notwendig ist, verschleiert.
Federici verortet die Delegitimierung der Care-Arbeit historisch im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus. Im feudalen Leibeigenschaftssystem erhielt die Bauernschaft Schutz sowie das Recht, bestimmte Felder für ihren eigenen Lebensunterhalt zu nutzen, im Austausch für kostenlose Arbeit und Teile der Ernteerträge. Im Feudalismus leistete somit »jede Arbeit einen Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie«.
Mit dem Niedergang des Feudalismus setzte sich jedoch eine neue Organisation der Produktionsverhältnisse auf Grundlage von Lohnarbeit durch. In diesem System entstand eine klare Hierarchie zwischen dem Zuhause und dem Arbeitsplatz: Da Löhne zum Überleben notwendig wurden, schien nur die am Arbeitsplatz mit Lohnarbeit verbrachte Zeit wertvoll zu sein. Die Arbeit hingegen, die erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der Arbeiter jeden Tag aufs Neue an diesen Arbeitsplatz zurückkehren kann, geriet allmählich in eine Art Schattenbereich, in die Sphäre des Häuslichen. Die Kosten für die Reproduktion der Arbeitskraft, von der Kapitalisten abhängig sind, wurden von diesen Kapitalisten natürlich nicht vergütet.
Die Ausbeutung von Care-Arbeit und die Instrumentalisierung von Liebe waren in der Vergangenheit also Grundlagen des Kapitalismus. Seitdem hat sich nicht viel geändert. Auch die Umwandlung des Valentinstags von einem Gedenktag für einen wenig bekannten Heiligen in einen festen westlichen Konsumfeiertag in den 1840er Jahren sollte dementsprechend nicht als Abweichung von der Norm verstanden werden.
Der Prozess der Massenkommerzialisierung von Liebe und Zuneigung stützte sich zu einem großen Teil auf ein romantisches Gefühl der Entfremdung angesichts der raschen Industrialisierung. Ein Autor des Philadelphia Public Ledger drückte es so aus: »Wir sind so vernünftig geworden, dass all die alten Feste oder Feiertage praktisch aus dem Kalender gestrichen wurden [...], wir kalkulieren alle zu viel.« Daher lobte er den 14. Februar, diesen »gesegneten Tag«, an dem die Menschen ihre »geschäftlichen Sorgen und Gedanken« beiseite schöben und stattdessen ihre »Hingabe an die Gefühle« zelebrierten.
»Der Valentinstag ebnete den Weg für die Massenvermarktung anderer Feiertage. Der neue Zweck dieser Feiertage im Kapitalismus bestand darin, das Bedürfnis nach Festlichkeit zu befriedigen und es gleichzeitig zu domestizieren.«
Das puritanische Ethos von Disziplin und Enthaltsamkeit, das den Geist des frühen US-Kapitalismus prägte, inspirierte im »viktorianischen Amerika« eine regelrechte Gegenkultur mit einer romantischen Nostalgie für Spaß, Feierlichkeiten und festliche Anlässe. In seinem Buch Consumer Rites untersucht Leigh Eric Schmidt die Wiederbelebung des Valentinstags als Reaktion auf eine tiefsitzende Romantik-Sehnsucht. Drucker, Buchhändlerinnen und Lithografen nutzten die aufstrebende Werbebranche, um diese Wünsche anzusprechen und auf dem Markt zu verwerten: »Die romantische Entfremdung von bürgerlichen Tugenden und der Rationalität der Aufklärung – die quichoteske Sehnsucht nach Festen und Spiel, die erneut aufflammende Sehnsucht nach Freiheit, Freizügigkeit und Fantasie – lud zu neuen Marktexperimenten mit den Feiertagen ein: Händler konnten diese romantische Sehnsucht nach Gefühl, Fantasie und Feiern sowohl wecken als auch stillen.«
Der Valentinstag war dabei nur ein Vorreiter. Wie Schmidt feststellt, ebnete er den Weg für die Massenvermarktung zahlreicher anderer Feiertage wie Weihnachten, Ostern und den Muttertag. Der neue Zweck dieser Feiertage im Kapitalismus bestand darin, das Bedürfnis nach Festlichkeit zu befriedigen und es gleichzeitig zu domestizieren. Mit der konsumorientierten Veränderung dieser Tage wurden Rituale von einst lokalen, gemeinschaftlichen Festen zu landesweit begangenen familien- und freundschaftszentrierten Feiertagen umgestaltet. Der Valentinstag ist ein gutes Beispiel für diesen Wandel: Er entwickelte sich von einem gemeinschaftlichen Fest mit Partnerspielen, Wahrsagerei und Trinkgelagen auf der Straße oder auf Kirchenvorhöfen zum privaten Austausch standardisierter Grüße.
Die Massenproduktion von privaten Gefühlsbotschaften löste sehr bald Gegenreaktionen aus. »Es ist ein kaltes, lebloses Geschäft, wenn man in die Läden geht, um etwas zu kaufen, das nicht das eigene Leben und Talent widerspiegelt«, beklagte Ralph Waldo Emerson bereits 1844. Das einzig wahre Geschenk könne nur »ein Teil von dir selbst« sein, schloss er.
»Der Valentinstag ist ein gutes Beispiel für diesen Wandel: Er entwickelte sich von einem gemeinschaftlichen Fest mit Partnerspielen, Wahrsagerei und Trinkgelagen auf der Straße zum privaten Austausch standardisierter Grüße.«
Emersons Aufrufe, »dem Herzen zu gehorchen« und »alles für die Liebe zurückzulassen«, mögen eine direkte Reaktion auf den Druck der Industrialisierung gewesen sein. Da sie aber die Autonomie des Einzelnen und den spontanen und freien Ausdruck betonten, waren sie durchaus mit bürgerlichen Ideologien vereinbar. Emerson nahm die Atomisierung der sozialen Sphäre hin und plädierte für den Rückzug der Liebe aus dem kollektiven gesellschaftlichen Leben in »eine private und zärtliche Beziehung von Mensch zu Mensch«. Da die Betonung des Individuums in einer solchen romantischen Ideologie keine Bedrohung für die Grundlagen des Kapitalismus darstellte, konnte letzterer derartige Impulse leicht vereinnahmen und konsumierbar machen.
Bleibt die Frage: Wenn die Liebe zu einer Komplizin des Kapitalismus gemacht worden ist, wie können wir sie uns dann zurückholen? Dem Sozialismus wurde (und wird nach wie vor) oft vorgeworfen, das Individuum, die Romantik und die Familie im Namen des Kollektivs zu diskreditieren. Dabei strebt er genau das Gegenteil an: Durch die Vergemeinschaftung von Care und der Arbeit, die erforderlich ist, um sicherzustellen, dass wir einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können (beispielsweise in Form von Gesundheitsversorgung, Bildung und Kinderbetreuung), wird der individuelle Druck auf die Familie, die Liebespartnerin und das Individuum verringert. Ohne die Last, ausschließlich für das schiere Überleben arbeiten zu müssen, können derartige Beziehungen erst florieren.
Kurzfristig könnte dies in Form von großzügigeren Sozialleistungen erreicht werden, wobei die zentrale Rolle der Care-Arbeit bei der sozialen Reproduktion unserer Gesellschaft anerkannt werden muss. Ein starkes Unterstützungssystem sollte es allen ermöglichen, am politischen Leben und an der Gestaltung der Gesellschaft teilzunehmen. Darüber hinaus würden damit auch die Wettbewerbsbedingungen für diejenigen verbessert, die dem Marktdruck am stärksten ausgesetzt sind, beispielsweise für Personen, die auf Niedriglohnjobs angewiesen sind, um ihre Familien großzuziehen und für sie zu sorgen.
Wenn wir uns fragen, wie wir die Liebe zurückerobern können, dann sollte die Antwort vielleicht lauten: indem sie zum revolutionären Thema gemacht wird.
Sofia Guimarães Cutler ist die Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wahlen der Democratic Socialists of America in North New Jersey sowie Mitglied des nationalen Politikkomitees der DSA. Sie ist aktiv im Bread & Roses Caucus.
Felix Fuchs ist Hochschullehrer und Dozent sowie Mitglied der Fédération nationale des enseignantes et des enseignants du Québec (Verband der Lehrerinnen und Lehrer in Québec) im kanadischen Gewerkschaftsbund Confédération des syndicats nationaux.