30. Januar 2024
Christian Lindner behauptet, die deutsche Wirtschaftsflaute liege an mangelnder Arbeitsmentalität der Menschen im Land. Er sollte besser einmal vor seiner eigenen Haustür kehren.
Das Problem bist Du selbst – außer, Du heißt Christian Lindner.
Sie ist wieder da: die Mentalitätsfrage. Nein, es geht nicht um die deutsche Nationalmannschaft. Diesmal geht es um die deutsche Wirtschaft. Wir müssten nur bereit sein, wieder mehr zu arbeiten, wieder ranklotzen und aufhören, Ansprüche zu stellen, dann ginge es auch mit der deutschen Wirtschaft endlich wieder bergauf, meint Bundesfinanzminister Christian Lindner. Das ganze arrogante Geschwätz nennt er dann noch »mentalitätspolitische Standortfaktoren«. Kein Scherz.
Wie irre diese ganze Forderung ist, sieht man an einer Zahl. Eine Zahl reicht aus, um diesen Quatsch zu widerlegen. Denn Christian Lindners Sparpolitik hat im vergangenen Jahr dazu geführt, dass 260.000 Menschen zusätzlich arbeitslos geworden sind. 260.000 Menschen haben wegen seiner schlechten Finanzpolitik ihren Job verloren.
Obendrauf malochen die Leute in Deutschland tagein, tagaus weiter, obwohl die Inflation ihre Löhne aufgefressen hat. Die Zahl dazu: Die Reallöhne waren im dritten Quartal 2023 ganze 6 Prozent niedriger als im dritten Quartal 2019. 6 Prozent Reallohnverlust – das heißt, die Menschen verzichten bereits und arbeiten trotzdem. Millionen Menschen arbeiten hart – teilweise mehrere Jobs auf einmal – und kommen trotzdem vorne und hinten nicht hin. Wie lässt sich das mit angeblich fehlender Leistungsbereitschaft erklären, Herr Minister?
Das Mentalitätsproblem haben nicht die Leute, sondern die Ampelminister. In keiner Industrienation läuft die Wirtschaft so mies wie in Deutschland. Selbst das Kapital fängt an, gegen die Ampel zu streiken. Fünfzig große Unternehmen – ein Who’s Who der deutschen Wirtschaft, von Telekom über Miele bis Puma – haben einen Brandbrief an die Regierung veröffentlicht. Sie fordern mehr Geld, mehr Investitionen, mehr Plan, weniger ideologisches Festhalten an der Schuldenbremse.
Und sie haben recht. Der deutsche Staat investiert seit Jahrzehnten zu wenig, die Ampel aber streicht sogar mitten in der Wirtschaftskrise den Haushalt zusammen. Dabei weiß jeder VWL-Erstsemester: Wenn der Staat in einer Krise kürzt, verschärft er die Krise nur. So tut es auch die Ampel gerade. Jetzt die Schuld für die Arbeitslosigkeit allein bei den Betroffenen abzuladen, ist feige und hinterhältig.
Statt arrogant und arbeiterfeindlich von oben daher zu quatschen, sollten Christian Lindner und die Ampel sich mal um ihre eigene Arbeit kümmern. Die machen sie nämlich ziemlich beschissen.
Maurice Höfgen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag und Autor des Buches »Mythos Geldknappheit«. Zudem betreibt er den YouTube-Kanal »Geld für die Welt«.