01. Mai 2025
Ines Schwerdtner war früher Chefredakteurin dieses Magazins – bis sie inmitten der Krise der Linken in die Partei ging. Jetzt ist die Linke zurück und Ines Vorsitzende. Ein Gespräch darüber, was die Partei bräuchte, um widerständiger zu werden.
»Viele haben mir gesagt, der beste Kampf gegen Rechts ist es, in Lichtenberg die AfD zu schlagen«, so Partei-Chefin Ines Schwerdtner.
Die Linkspartei ist jetzt so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das ist erstmal ein Erfolg. Viele, die den Rechtsruck nicht mittragen wollten, sind in die Partei geströmt. Besteht jetzt die Gefahr, noch mehr zu einer Partei für Linke zu werden, anstatt zu einer linken Partei im Sinne einer Arbeiterpartei?
Wir wissen von den neuen Mitgliedern noch nicht sehr viel, deswegen machen wir ausgiebige Umfragen. Wir wissen erstmal nur, dass es mehrheitlich junge Frauen sind. Aber ich glaube auch, dass die Tendenz zu jung und städtisch geht. Man muss sich die Frage stellen: Funktioniert das, wenn die Mitglieder mehrheitlich aus diesen Gruppen kommen, aber Politik für die anderen machen? Eine Zeit lang geht das. Aber die langfristige Perspektive muss sein, dass man wieder zu einer Politik der ersten Person kommt und arbeitende Menschen einbindet. Man muss die Leute permanent dazu bringen, den Sprung aus der Blase zu machen.
Ich glaube, die Haustüren sind da ein gutes Mittel. Dieser Kontakt zu den Menschen ist sehr lehrreich, sowohl für die vielen Studis als auch für Mandatsträger oder Aktivistinnen, die sich ansonsten wieder in ihre Szene zurückziehen könnten. Wenn man einmal pro Woche Sozialsprechstunden gibt, dann bricht man das immer wieder auf.
Gerade viele junge Leute sind total offen dafür. Viele haben mir gesagt, der beste Kampf gegen Rechts ist es, in Lichtenberg die AfD zu schlagen. Ich glaube, die harten Grenzen haben sich aufgeweicht, auch in der linken Szene. Anstatt wie früher zu sagen, die Antifa ist der Schwarze Block und die Linke macht parlamentarische Arbeit, hat man sich ein Stück weit auf diesen praktischen Antifaschismus vor Ort geeinigt, was ich für einen Fortschritt halte.
Jetzt hat die Wahl auch gezeigt, dass Arbeiter, Arbeitslose und Gewerkschafter – die natürliche Basis einer sozialistischen Partei – sich gerade vor allem von der AfD vertreten fühlen. Es wirkt so, als hätte man bei diesen Menschen im Kampf um politische Deutungshoheit – warum wird das Leben immer teurer und die Welt immer kriegerischer? – gegen die Rechten verloren.
Ich war schon mal froh, dass wir in dieser Wählergruppe überhaupt wieder dazugewonnen haben. Das war ja in den Jahren zuvor rückläufig. Ich finde das noch lange nicht zufriedenstellend. Aber zumindest müssen wir keine Debatten mehr darüber führen, wie man das progressive studentische Milieu erreichen und gleichzeitig das prekäre Milieu ansprechen kann.
Mein Modell für die Zukunft lautet: Wir müssen beide Milieus ansprechen, aber die Arbeit auf die prekären Milieus fokussieren. Denn die anderen kriegt man quasi en passant darüber, dass man die richtige Haltung hat – etwa, dass man sich in der Migrationsfrage sehr klar positioniert. Und das tun wir. Aber durch Mietendeckel und Heizkostencheck waren wir viel wirkungsvoller im politischen Diskurs und haben wirklich was erreicht für die Leute im Alltag. Und das finden auch Progressive super.
Jetzt geht es um die Proletarisierung der Partei, die auch die belgische Partei der Arbeit, die PTB, stark gemacht hat. Das ist die Kärrnerarbeit, die vor uns liegt. Im Osten ist die AfD der Hauptgegner, die holen dort 30 bis 40 Prozent. Da müssen wir uns fragen: Wie kommen wir da ran?
Und wie könnte das gelingen?
Mit den Direktmandaten haben wir das im Kleinen schon geschafft, das war ein bisschen wie in einem Labor. Die große Frage ist jetzt, wie uns das bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern gelingen kann. Wie können wir unser sozialpolitisches Profil so stark machen, dass die Leute wieder über die soziale Frage statt über Migration sprechen?
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Ines Schwerdtner ist seit Oktober 2024 Bundesvorsitzende der Linkspartei. Von 2020 bis 2023 war sie Editor-in-Chief von JACOBIN und Host des Podcasts »Hyperpolitik«. Zusammen mit Lukas Scholle gab sie 2023 im Brumaire Verlag den Sammelband »Genug! Warum wir einen politischen Kurswechsel brauchen« heraus.