20. Juni 2024
Die Linkspartei braucht ein neues, erkennbares Profil. Statt einen bunten Blumenstrauß an Themen anzubieten, sollte sie sich auf die Wohnungsfrage fokussieren. Denn hier steht bereits eine Mehrheit der Menschen hinter linken Konzepten.
Flugblatt für eine Demonstration gegen steigende Mieten an einer Haustür in Berlin.
Die Ergebnisse der Europawahlen sind eine herbe Niederlage für Die Linke. Die Partei steckt in einer existentiellen Krise. Auch in Hochburgen wie Thüringen, Berlin, Bremen oder Hamburg konnte die Partei bei den Europawahlen nur schwache, deutlich einstellige Ergebnisse verbuchen. Zwar sagen Umfragen der Partei bei Landtagswahlen, etwa in Berlin oder Hamburg trotz der Konkurrenz zum BSW etwas bessere Ergebnisse voraus. Klar ist dennoch: Die Partei braucht dringend ein neues, erkennbares Profil.
Dafür gibt es viele Bausteine. Eine Aufgabe besteht darin, eine politische Fokussierung auf wenige, konkrete Forderungen zu entwickeln, mit denen Die Linke wahrgenommen wird. Es gibt gute Beispiele, an die dabei angeknüpft werden kann: Beim Kampf um einen gesetzlichen Mindestlohn konnte Die Linke ein Thema setzen und am Ende durchsetzen. Sie zog 2005 mit der Forderung zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erfolgreich in den Wahlkampf und setzte das Thema fortan auf die Agenda.
Damit hatte die Partei gegenüber den anderen im Bundestag vertretenen Parteien und allen voran der SPD ein Alleinstellungsmerkmal, das bei breiten Wählerschichten auf Anklang stieß. Nach und nach zogen zunächst die Gewerkschaften und später die anderen Parteien angesichts der riesigen Zustimmung in der Bevölkerung nach. Nach zehnjährigem Kampf führte die Große Koalition aus CDU und SPD schließlich den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn ein. Der Mindestlohn von heute könnte ein bundesweiter Mietendeckel und der Kampf um bezahlbares Wohnen sein.
Wie sich mit einer inhaltlichen Fokussierung auf leistbares Wohnen (kommunale) Wahlerfolge organisieren lassen – dazu lohnt der Blick nach Österreich. Völlig zurecht diskutieren viele in der politischen Linken aktuell über die KPÖ. Als Gründe für deren jüngste Erfolge werden oft die kontinuierliche Basis- und Kampagnenarbeit sowie die Gehaltsabgabe und Sozialsprechstunden der KPÖ-Mandatare in Parlamenten und Regierung als Ausweis politischer Glaubwürdigkeit betont. Ein wesentlicher Faktor gerät häufig aus dem Blick: Die KPÖ konzentriert sich in ihrer politischen Praxis und Kommunikation konsequent auf das Thema »leistbares Wohnen«.
Egal ob bei öffentlichen Auftritten, bei Infoständen oder auf Parteiplakaten – immer steht bei der KPÖ Wohnungspolitik im Vordergrund. In jedem Statement schaffen es die Funktionäre der Partei, die Sorgen vieler Menschen über hohe Mieten, steigende Heizkosten und den Mangel an bezahlbaren Wohnungen zu adressieren. Selbst bei der Europawahl plakatierte die Partei »Wohnen statt Kanonen«. Durch eine dauerhaft laufende Petition zur Einführung eines Mietenstopps auf Bundesebene untermauert sie ihr Engagement.
»Mit ihrer inhaltlichen Fokussierung konnte die KPÖ im Feld der Wohnungspolitik eine gewisse Vorherrschaft und hohe Glaubwürdigkeit aufbauen.«
Ihre Schwerpunkt-Kommunikation kombiniert die Partei mit praktischer Hilfe für Mietende in Form von Sozialsprechstunden, Mieterversammlungen und Beratungen. Auch nach (erfolgreichen) Wahlkämpfen setzt die Partei auf ihr Kernthema und scheut auch nicht vor Verantwortungsübernahme zurück: Elke Kahr hat sich als Bürgermeisterin von Graz die Zuständigkeit für das Wohn-Ressort gesichert. Und auch Kay-Michael Dankl wird in Salzburg als Vizebürgermeister künftig für das Wohnen zuständig sein.
Mit ihrer inhaltlichen Fokussierung konnte die Partei im Feld der Wohnungspolitik eine gewisse Vorherrschaft und hohe Glaubwürdigkeit aufbauen. In den politischen Debatten schafft sie es, die hohen Mieten zu einem Thema zu machen. Dadurch werden auch die anderen Parteien während der Wahlkämpfe dazu gezwungen, sich zu positionieren. In der KPÖ finden Mietende eine politische Interessensvertretung und direkte Hilfe.
Gleichzeitig gelingt es den Kommunistinnen und Kommunisten, sich als Gegenpol und Alternative zu den etablierten Parteien zu positionieren, die allesamt bei der Lösung der Wohnungsfrage versagen, beziehungsweise diese mitverursacht haben. Mit ihrer kampagnenförmigen Parteiarbeit, Sozialsprechstunden und der Gehaltsabgabe schaffen sie es, sich als glaubwürdige Vertretung einer Politik für Mietende zu behaupten. Natürlich muss die KPÖ erst noch unter Beweis stellen, dass ihre Glaubwürdigkeit auch nach einer Regierungsverantwortung bestehen bleibt.
Die deutsche Linke ist in der Defensive und schafft es aktuell selten, eigene Themen auf die politische Agenda zu setzen oder andere Parteien vor sich herzutreiben. Die Ursachen dafür sind vielfältig. In Umfragen werden für Die Linke nur noch in wenigen Politikfeldern relevante Kompetenzwerte gemessen. Hinzu kommt eine eingeschränkte mediale Sichtbarkeit, die mit dem Verlust der Fraktionsstärke im Bundestag zunimmt. Es fehlt der Partei an allgemein bekanntem Spitzenpersonal. Politische Streitigkeiten über den weiteren Kurs werden nach wie vor zu häufig offen ausgetragen.
Die Linke muss diese Schwäche anerkennen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen: Ein Baustein, um wieder stärker sichtbar zu werden, ist eine inhaltliche Fokussierung. Statt eine breite Themenpalette zu bespielen, ist es notwendig, für sich wesentliche Politikfelder und -inhalte zu definieren und sich auf diese zu konzentrieren. Dadurch wird die begrenzte Aufmerksamkeit für zentrale Botschaften und Themen maximal genutzt.
»›Bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit‹ – das wusste 2018 schon der damalige Bundesbauminister Horst Seehofer.«
Der Fokus auf »soziale Gerechtigkeit« ist dabei häufig sehr diffus und wenig greifbar. So verpuffte die Kampagne zur Europawahl unter dem Motto »Gerechtigkeit geht #nurmitlinks«, die ein Sammelsurium an Themen von höheren Löhnen und Steuern für Reiche mit Fragen von Energie und Klimaschutz bis zu Themen wie Migration und Frieden miteinander zu verbinden suchte. Um im politischen Wettbewerb wieder erkennbar zu werden, braucht es konkrete Themenfelder und eingängige Forderungen.
Eine politische Priorisierung ist immer eine schmerzhafte Entscheidung, weil damit gleichzeitig andere Themen als weniger prioritär eingeordnet werden. Gleichzeitig würde der Schritt unter Beweis stellen, dass Die Linke in der Lage ist, die organisatorischen Weichenstellungen zu setzen, um eine echte und neue Strategie- und Kampagnenfähigkeit zu entwickeln.
Es spricht einiges dafür, die Wohnungsfrage als eines der zentralen Themen ins Zentrum linker Politik zu stellen. »Bezahlbares Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit« – das wusste 2018 schon der damalige Bundesbauminister Horst Seehofer. Steigende Mieten und die Knappheit an bezahlbaren Wohnungen gehören für viele Menschen mit unteren und mittleren Einkommen zu den drängendsten Alltagssorgen.
Eine repräsentative Befragung des Forschungsinstituts YouGov aus dem Herbst letzten Jahres zeigt, dass sich nahezu jeder zweite Befragte um hohe Wohnkosten sorgt. Das gilt vor allem für Menschen mit niedrigen Einkommen. Fast zwei Drittel der Haushalte mit einem Nettoeinkommen von weniger als 2.500 Euro im Monat können sich ihre Wohnungen laut Umfrage kaum noch leisten. Auch für junge Menschen spielt leistbares Wohnen eine große Rolle, wie die Studie Jugend in Deutschland 2024 belegt. Für 54 Prozent der Jugendlichen zwischen 14- bis 29-Jährigen ist zu teurer Wohnraum die größte finanzielle Sorge.
In der Bundespolitik spielt das Thema dennoch eine untergeordnete Rolle. Die Ampel-Parteien lassen das Feld im ewigen Dauerstreit einfach links liegen. Im Bundestagswahlkampf 2021 warben SPD und Grüne noch mit einem »Mietenstopp« und Olaf Scholz hatte sich auf Plakaten sogar schon zum »Mietenkanzler« auserkoren. Bereits im Koalitionsvertrag waren Mieten- und Wohnungspolitik nur noch ein randständiges Thema. Bis auf eine Ausweitung des Wohngeldes, eine maßvolle Anhebung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau und die Verlängerung der Mietpreisbremse hat die Bundesregierung keine Maßnahmen umgesetzt, um die Krise auf dem Wohnungsmarkt abzumildern. Eine wirksame Regulierung der Mieten liegt jedenfalls in weiter Ferne.
»Bundesweit befürwortet eine Mehrheit von 51 Prozent der Menschen deutlich stärkere staatliche Interventionen in den Wohnungsmarkt, etwa durch gesetzliche Mietenbegrenzungen.«
Eine direkte Folge der Wohnpolitik der Bundesregierung sind steigende Mieten in nahezu allen großen und mittelgroßen deutschen Städten. Selbst in ländlicheren Kommunen in der Nähe boomender Metropolen steigen die Mieten deutlich an. So wuchsen die Mieten in den Brandenburger Gemeinden Barnim und Teltow-Fläming, die beide an Berlin grenzen, laut einer aktuellen Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung in den vergangenen zehn Jahren um knapp 70 Prozent. Der bezahlbare Neubau fällt mitten in einer historischen Wohnungsnot und bei anhaltender Zuwanderung auf einen Niedrigstand, wodurch leistbarer Wohnraum in vielen Städten zu einer absoluten Mangelware geworden ist.
In den meisten Politikfeldern kommen radikale Forderungen vor allem beim eigenen Milieu gut an. Beim Thema Wohnen ist das anders: Linke Forderungen für Mietenbegrenzungen, die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen oder mehr kommunalen, bezahlbaren Neubau werden auch von Angehörigen nicht-linker Milieus unterstützt. Eine aktuelle repräsentative Forsa-Umfrage zeigt, dass bundesweit eine Mehrheit von 51 Prozent der Menschen deutlich stärkere staatliche Interventionen in den Wohnungsmarkt, etwa durch gesetzliche Mietenbegrenzungen, befürworten.
Angesichts des Versagens der Ampel in der Mietenpolitik findet diese Mehrheit bei SPD und Grünen keine politische Repräsentation mehr. Damit bietet sich der Linken die Chance, diese Lücke zu füllen, zumal eine Studie der Universität Hohenheim mit Forsa im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 der Partei die höchsten Kompetenzwerte beim Thema »Bezahlbarer Wohnraum« auswies, gefolgt von »Soziale Gerechtigkeit«.
Trotz der breit geteilten Sorge über die steigenden Mieten ist »Wohnen« aktuell nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich weitgehend demobilisiert. Dabei eignen sich die offensichtlichen, sozialen Ungleichheiten beim Wohnen als »Triggerpunkte« von Links. Die Wohnungsfrage ist entlang von Klassenlinien strukturiert. Jede Mieterin wird durch die monatliche Abbuchung des Mietzinses vom Konto und die regelmäßigen Mieterhöhungen an den Gegensatz von Besitzenden und Abhängigen erinnert. Diese Erfahrungen aufzugreifen und politisch mobilisierbar zu machen, sollte das Ziel linker Wohnungspolitik sein.
»Der Mietendeckel war der wirksamste Angriff auf die Übergewinne des Immobilienkapitals.«
Der Soziologe und Co-Autor des Buches Triggerpunkte, Linus Westheuser, sieht das am Beispiel der Mobilisierung für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin erfolgreich umgesetzt. Laut Westhäuser setzt die Kampagne an einem bereits vorhandenen Unrechtsbewusstsein an: »Irgendwelche gesichtslosen Konzerne machen Kasse, während ein Großteil der Bevölkerung immer mehr vom ohnehin knappen Gehalt abzwacken muss, um die Miete zu bezahlen«. Diese »zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit« vereinfache es, viele Menschen für eine radikale Forderung zu mobilisieren, »insbesondere, wenn sowieso schon die ganze Stadt über die explodierenden Mieten redet«.
Wohnungspolitik eignet sich nicht zuletzt in besonderer Weise dafür, das gemeinsame Interesse von Mietenden über unterschiedliche Milieus und Lebensbereiche hinweg zu betonen und in politischen Forderungen zu verbinden. Auch das hat die populäre Kampagne von Deutsche Wohnen & Co. enteignen oder die Unterstützung für den Berliner Mietendeckel eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Um die Mietenkrise zu stoppen, ist die naheliegendste linke Forderung eine Begrenzung des weiteren Anstiegs durch einen bundesweiten Mietendeckel. Der 2020 unter der Linken Wohnungssenatorin Katrin Lompscher in Berlin eingeführte und später vom Bundesverfassungsgericht aufgrund einer fehlenden Länderkompetenz aufgehobene Mietendeckel setzt dafür Maßstäbe: Mietenstopp, Mietobergrenzen und Mietabsenkungen – und damit eine spürbare Entlastung für die breite Mehrheit der Berliner Mietenden. Der Mietendeckel war der wirksamste Angriff auf die Übergewinne des Immobilienkapitals. Mit seiner Einführung konnte sich die Berliner Linkspartei nachhaltig hohe Kompetenzwerte im Politikfeld bezahlbares Wohnen organisieren.
Dass der Berliner Linkspartei heute zugetraut wird, für bezahlbare Mieten zu sorgen, ist keineswegs selbstverständlich. 2004 privatisierte der Berliner Senat unter Regierungsbeteiligung der PDS, eine der Quellparteien der Linken, das öffentliche Wohnungsunternehmen GSW mit 65.000 Wohnungen und flog nach einem Wahldebakel 2011 aus der Regierung. In der Opposition konnte die Linkspartei durch ein verlässliches und partnerschaftliches Agieren an der Seite der entstehenden Mietenbewegung langsam wieder Vertrauen aufbauen.
Dieser Prozess einer Katharsis ermöglichte es, 2016 mit der Losung »Euch gehört die Stadt« einen Wahlerfolg zu erzielen. Die Linke kehrte zurück in den Senat und übernahm erstmals die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Zwar verlief die linke Regierungszeit nicht konfliktfrei und die Partei wurde den hohen Ansprüchen des eigenen Wahlslogans sowie der erstarkten Mietenbewegung nicht immer gerecht. Mit der Rekommunalisierung von zehntausenden Wohnungen, der Verschärfung ordnungsrechtlicher Maßnahmen oder der Neuausrichtung der landeseigenen Wohnungsunternehmen konnte sie aber sichtbare Erfolge erzielen.
Spätestens mit Einführung des Mietendeckels und der konsequenten Unterstützung des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer, privater Immobilienunternehmen gewann die Partei das Vertrauen vieler Mietenden zurück. Dass Die Linke in der Regierungsbeteiligung ab 2021 den erfolgreichen Volksentscheid nicht umsetzen konnte, hat das Vertrauen wiederum beschädigt.
Um die Glaubwürdigkeit der Partei wieder zu steigern, bedarf es darüber hinaus neuer Politikansätze, durch die sich die Partei klar von ihren Mitbewerbern abhebt und einen alternativen Politikmodus verkörpert. Auch hier lohnt der Blick nach Österreich, wo die Mandatare der KPÖ zahlreiche Wohn- und Sozialsprechstunden anbieten und Menschen in Notlagen mit einem Sozialfonds direkt unterstützen. Die Mittel aus dem Fonds entstammen einer Gehaltsabgabe der Funktionäre der Partei in Parlamenten und Regierung. Allein im vergangenen Jahr verteilte die KPÖ in Graz 320.000 Euro ihrer Gehälter direkt um.
Diese beachtliche Summe würde aufgrund deutlich geringerer Diäten auf kommunaler Ebene in Deutschland wohl eher nicht zusammenkommen, doch auch in der Linken wird eine Debatte über eine Gehaltsabgabe breit diskutiert. In vielen Landes- und Kreisverbänden organisieren die Genossinnen und Genossen vor Ort Sozialsprechstunden und in den Berliner Bezirksverbänden Charlottenburg-Wilmersdorf und Neukölln finanzieren die dortigen Abgeordneten aus ihren Einkünften Modellprojekte für Sozialfonds nach Vorbild der KPÖ.
Ein weiteres Instrument, um konkrete Unterstützung zu leisten und alltägliche Probleme politisch aufzunehmen, sind gezielte Mieterversammlungen. In Berlin hat Die Linke seit Beginn des Jahres diverse Mieterversammlungen organisiert, um die horrenden Heizkosten-Nachzahlungen in Höhe von bis zu mehreren Tausend Euro pro Haushalt in vielen Beständen großer Wohnungskonzerne zu adressieren. Die einzelnen Versammlungen brachten bis zu 200 Mietende jenseits linker Wohlfühlkieze zusammen, etwa in Großwohnsiedlungen der kriselnden ADLER Group oder von Vonovia am Berliner Stadtrand.
»Will Die Linke wieder in die Erfolgsspur kommen, muss sie ihren Gebrauchswert unter Beweis stellen.«
In einigen Fällen konnte eine Korrektur falscher Abrechnungen und damit eine Reduktion der Nachzahlung erreicht werden. Neben der rechtlichen Beratung wurden die Versammlungen genutzt, um Erfahrungen über die Problemlagen zu sammeln und davon ausgehend ein politisches Programm zur Lösung der Probleme zu entwickeln. Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus brachte einen Heizkostenfonds ins Parlament, mit dem Haushalte eine finanzielle Unterstützung bei hohen Heizkosten erhalten sollten.
Von der schwarz-roten Landesregierung wurde der Vorschlag abgelehnt, ohne eigene Hilfsmaßnahmen zu starten. Das nimmt die Partei zum Ausgangspunkt, um auch im Herbst wieder Mieterversammlungen zu organisieren, mit den Betroffenen über die Politik des Senats im Interesse der Konzerne im Dialog zu bleiben und gemeinsamen Druck aufzubauen.
Die belgische Parti du Travail de Belgique (PTB) bezeichnet diesen Ansatz, also ausgehend von lokalen Auseinandersetzungen glaubwürdige Programme zu entwickeln und diese ins Parlament zu tragen, als »Straße-Parlament-Straße«. Der Ansatz der PTB bietet eine gute Richtschnur für eine politische Praxis, die nah an den Alltagssorgen der Mietenden ist: Rein in die lokalen Auseinandersetzungen, aus diesen heraus, linke Politik entwickeln, mit den Betroffenen im Dialog darüber bleiben, was mit den Konzepten im Parlament passiert und gemeinsam Konflikte führen.
Will Die Linke wieder in die Erfolgsspur kommen, muss sie ihren Gebrauchswert unter Beweis stellen: Als Partei für leistbares Wohnen, die radikale und realistische Konzepte ins Parlament und auf die Straße trägt und gleichzeitig direkte Hilfe und Unterstützung vor Ort organisiert. Mit einer stärker inhaltlichen Zuwendung auf Mieten- und Wohnungspolitik könnte Die Linke die alltäglichen Sorgen über die steigenden Mieten und Wohnungsnot auf das politische Tableau hieven und die bestehende Repräsentationslücke im Parteienspektrum füllen.
Eine spürbare Fokussierung auf leistbares Wohnen kann auch Ausdruck von Glaubwürdigkeit sein. Die Linke ist derzeit (fast überall) gemessen an Wahlumfragen eine kleine Partei. Das wissen auch potenzielle Wählende, die einer kleinen Partei nicht zutrauen, sich um alle Themen gleichermaßen kümmern zu können. Eine Partei, die die Botschaft setzt »wir kümmern uns um diese wenigen, aber dein Leben entscheidenden Themen« kann dafür neues politisches Vertrauen und an notwendigem Profil gewinnen.
Philipp Möller ist Redakteur des MieterEcho, der Zeitschrift der Berliner MieterGemeinschaft und Co-Host des Podcast »Schöner Wohnen«, der sich mit den Wohnungsfragen unserer Zeit beschäftigt.
Niklas Schenker sitzt seit 2021 für die LINKE im Abgeordnetenhaus in Berlin.