01. Mai 2025
Unbegrenzte Rüstungsausgaben leiten heute mehr Arbeitskraft in die Produktion von Waffen um. Doch es geht auch umgekehrt: Vor fünfzig Jahren legten britische Arbeiter einen Plan vor, den Rüstungskonzern Lucas Aerospace in ein sozial nützliches Unternehmen umzuwandeln.
Der Prototyp eines durch die Belegschaft von Lucas Aerospace entwickelten Schienen-Straßen-Omnibusses.
Im Januar 1976 verfassten die Beschäftigten der Lucas Aerospace Corporation eines der radikalsten Dokumente in der Wirtschaftsgeschichte Großbritanniens. Der »Alternative Plan for Lucas Aerospace« – bekannt als Lucas-Plan – war eine ambitionierte Strategie zur Neuausrichtung des Unternehmens. Es sollte weggehen von der Waffenproduktion und hin zur Herstellung gesellschaftlich nützlicher Güter.
Das Unternehmen war in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und hatte Probleme, mit den aufstrebenden Luft- und Raumfahrtkonzernen aus den USA, Japan und Kontinentaleuropa mitzuhalten. Das Management von Lucas hatte das vorangegangene Jahrzehnt damit verbracht, das Unternehmen zu »rationalisieren«, indem es diverse Umstrukturierungspläne einführte, die allesamt Massenentlassungen beinhalteten. Doch nichts davon zeigte die erwünschte Wirkung.
Einige im Betrieb hofften auf eine Verstaatlichung in letzter Minute. Doch der gesamten britischen Wirtschaft ging es nicht gerade blendend, und die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Lucas erkannten schnell, dass diese Option nicht wirklich auf dem Tisch war. Die Botschaft schien klar: Das Schicksal von Lucas Aerospace würde »der Markt« entscheiden. Gewerkschafter aus der Firma wandten sich an Tony Benn, einen der führenden demokratischen Sozialisten der britischen Linken, der damals Industrieminister der Labour-Regierung war. Benn bekräftigte, dass eine Verstaatlichung nicht infrage komme, machte den Beschäftigten aber einen anderen Vorschlag: Warum nicht einen eigenen Plan zur Rettung des Unternehmens vorlegen?
Zunächst baten die Gewerkschafter Akademiker, politische Entscheidungsträger und lokale Regierungsbeamte um Rat, aber nur drei machten sich überhaupt die Mühe, zu antworten. Also wandten sie sich stattdessen an die Belegschaft, um Ideen zu sammeln. Und die Resonanz war überwältigend.
Die Lucas-Beschäftigten brachten hunderte von Ideen ein, wie das Rüstungsunternehmen in eine lebensfähige und gesellschaftlich nützliche Firma umgewandelt werden könnte. Mehr als 150 Vorschläge für neue Produkte wurden in das Abschlussdokument aufgenommen, das auch detaillierte Informationen über die personellen und technischen Ressourcen, auf die das Unternehmen zurückgreifen konnte, eine Marktanalyse und einen detaillierten Schritt-für-Schritt-Plan für den Übergang zur neuen Arbeitsweise enthielt.
Die von den Arbeiterinnen und Arbeitern vorgeschlagenen Ideen wurden in fünf Kategorien eingeteilt: »Medizinische Geräte, Transportfahrzeuge, verbesserte Bremssysteme, Energieeinsparung, Seefahrt«. Beispielsweise wurden Pläne zur breitflächigen Produktion von Dialysegeräten, zum Bau von Windturbinen, zur weiteren Forschung an Solarzellentechnologie und zur Entwicklung eines Hybridantriebs für Autos vorgelegt.
»Die Beschäftigten hatten ein völlig neues Modell für ihr Unternehmen entwickelt: ein Modell, das auf der demokratischen Produktion gesellschaftlich sinnvoller Güter basiert.«
Dies waren außerordentlich radikale und weitsichtige Ideen zu einer Zeit, als der vom Menschen verursachte Klimawandel bestenfalls in sehr begrenzten Kreisen erstmalig diskutiert wurde. Auffallend ist, dass keine der Ideen Militärtechnologie vorsah, die bis dahin einen wesentlichen Teil des Geschäfts von Lucas Aerospace ausgemacht hatte. Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren offensichtlich nicht mehr gewillt, Tötungsmaterial zu produzieren.
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Grace Blakeley ist Redakteurin bei Tribune und Autorin mehrerer Bücher. Ihr Erstling Stolen ist 2021 in deutscher Übersetzung im Brumaire Verlag erschienen und ihr neuestes Buch Die Geburt der Freiheit aus dem Geist des Sozialismus 2025 im Tropen Verlag.