06. Januar 2023
Die Rede von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei seiner Amtseinführung.
Luiz Inácio Lula da Silva bei seiner Amtseinführung am 1. Januar 2023.
IMAGO / XinhuaIch möchte mit einem besonderen Gruß an jeden einzelnen und jede einzelne hier beginnen, um mich dadurch an die Zuneigung und die Kraft zu erinnern, die ich jeden Tag vom brasilianischen Volk, vertreten durch die Mahnwache »Lula Livre«, in einem der schwierigsten Momente meines Lebens erhalten habe. Dafür möchte ich mich bedanken.
Heute, an einem der glücklichsten Tage meines Lebens, könnte der Gruß, den ich an euch richte, kein anderer sein, so einfach und gleichzeitig so bedeutungsvoll: Guten Tag, brasilianisches Volk!
Mein Dank gilt euch; ihr wart vor, während und nach dem Wahlkampf politischer Gewalt ausgesetzt, habt die sozialen Netzwerke besetzt und seid bei Sonne und Regen auf die Straße gegangen, selbst wenn es nur darum ging, eine einzige wertvolle Stimme zu gewinnen. Ihr hattet den Mut, unser Hemd zu tragen und gleichzeitig die brasilianische Flagge zu schwenken, während eine gewalttätige und antidemokratische Minderheit versuchte, unsere Farben zu zensieren und sich das Grün und Gelb anzueignen, das dem gesamten brasilianischen Volk gehört.
Ich möchte mich bei euch bedanken, die ihr aus allen Teilen des Landes, von nah und fern, mit dem Flugzeug, mit dem Bus, mit dem Auto oder auf dem Rücksitz eines Lastwagens, mit dem Motorrad, mit dem Fahrrad und sogar zu Fuß in einer echten Karawane der Hoffnung zu dieser Feier der Demokratie gekommen sind.
Aber ich möchte mich auch an diejenigen wenden, die sich für andere Kandidaten entschieden haben. Ich werde für 215 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer regieren und nicht nur für diejenigen, die mich gewählt haben. Ich werde für alle regieren, mit Blick auf unsere strahlende gemeinsame Zukunft und nicht durch den Rückspiegel einer Vergangenheit der Spaltung und Intoleranz. Niemand ist an einem Land interessiert, in dem ständig Krieg herrscht, oder an einer Familie, die in Zwietracht lebt. Es ist an der Zeit, die durch Hassreden und die Verbreitung so vieler Lügen zerrissenen Bande mit Freunden und Familie wieder zu knüpfen. Genug von Hass, Fake News, Waffen und Bomben. Unser Volk will Frieden, um zu arbeiten, zu studieren, sich um ihre Familien zu kümmern und glücklich zu sein. Der Wahlkampf ist vorbei.
Ich wiederhole, was ich in meiner Rede nach dem Wahlsieg am 30. Oktober gesagt habe, nämlich dass das Land geeint werden muss. Es gibt nicht zwei Brasiliens. Wir sind ein einziges Land, ein einziges Volk, eine große Nation. Wir sind alle Brasilianer und wir zeigen alle die gleiche Tugend. Wir geben niemals auf. Selbst wenn sie alle unsere Blumen abpflücken, eine nach der anderen, Blütenblatt für Blütenblatt, wissen wir, dass es immer Zeit ist, neu zu pflanzen, und dass der Frühling kommen wird – und der Frühling ist schon hier. Heute ergreift die Freude Brasilien, zusammen mit der Hoffnung.
Meine lieben Freunde, ich habe vor kurzem die Rede zu meinem ersten Amtsantritt als Präsident im Jahr 2003 gelesen und was ich las, machte mir noch deutlicher, wie weit sich Brasilien zurückentwickelt hat. An jenem ersten Januar 2003 haben mein lieber Vizepräsident José Alencar und ich uns hier an diesem Ort dazu verpflichtet, die Würde und das Selbstwertgefühl des brasilianischen Volkes wiederherzustellen. Und genau das haben wir getan. In die Verbesserung der Lebensbedingungen derjenigen zu investieren, die es am nötigsten haben, das haben wir getan. Sich um Gesundheit und Bildung kümmern, das haben wir getan. Aber die wichtigste Verpflichtung, die wir 2003 eingegangen sind, bestand darin, Ungleichheit und extreme Armut zu bekämpfen und jedem Menschen in diesem Land das Recht zu garantieren, jeden Tag ein Frühstück, ein Mittagessen und ein Abendessen zu bekommen. Und wir haben diese Verpflichtung erfüllt, wir haben dem Hunger und dem Elend ein Ende gesetzt und die Ungleichheit stark verringert.
Leider kehren wir heute, 20 Jahre später, zu einer Vergangenheit zurück, die wir für überwunden hielten. Vieles von dem, was wir getan haben, wurde auf unverantwortliche und kriminelle Weise rückgängig gemacht. Ungleichheit und extreme Armut sind wieder auf dem Vormarsch. Der Hunger ist wieder da und zwar nicht durch die Macht des Schicksals, es ist nicht das Werk der Natur und auch nicht göttlicher Willen, der Hunger. Die Rückkehr des Hungers ist ein Verbrechen, das schwerste aller Verbrechen, die am brasilianischen Volk begangen werden. Der Hunger ist die Tochter der Ungleichheit, die Mutter der großen Übel, welche die Entwicklung Brasiliens aufhalten. Die Ungleichheit erniedrigt unser Land, das so groß ist wie ganze Kontinente, indem sie es in nicht wiederzuerkennende Teile spaltet. Auf der einen Seite ein kleiner Teil der Bevölkerung, der alles hat, auf der anderen Seite eine Vielzahl, der es an allem mangelt, und eine Mittelschicht, die durch die Ungerechtigkeiten der Regierung von Jahr zu Jahr ärmer wird. Gemeinsam sind wir stark, aber geteilt werden wir immer das Land der Zukunft sein, das nie ankommt und das in ständiger Verschuldung mit seiner Bevölkerung lebt. Wenn wir heute unsere Zukunft aufbauen wollen, wenn wir in einem voll entwickelten Land für alle leben wollen, kann es keinen Platz für so viel Ungleichheit geben. Brasilien ist groß, aber die wahre Größe eines Landes liegt im Glück seiner Menschen – und niemand ist wirklich glücklich inmitten von so viel Ungleichheit.
Meine Freunde, wenn ich von Regieren spreche, meine ich, dass ich mich kümmern werde. Ich werde nicht nur regieren, sondern mich mit großer Zuneigung um dieses Land und das brasilianische Volk kümmern. In den letzten Jahren hat sich Brasilien wieder zu einem der ungleichsten Länder der Welt entwickelt. Es ist lange her, dass wir eine solche Verlassenheit und Entmutigung auf den Straßen gesehen haben. Mütter, die auf der Suche nach Nahrung für ihre Kinder im Müll wühlen. Ganze Familien, die im Freien schlafen und der Kälte, dem Regen und der Angst trotzen. Kinder, die Süßigkeiten verkaufen oder betteln, obwohl sie in der Schule sein sollten, um die Kindheit zu genießen, auf die sie ein Recht haben. Arbeitslose Arbeiter und Arbeiterinnen, die an den Ampeln Pappschilder mit dem uns allen peinlichen Satz »Bitte helfen Sie mir« aufstellen. Schlangen vor den Türen von Metzgereien auf der Suche nach Knochen, um den Hunger zu stillen; und gleichzeitig Warteschlangen, um importierte Autos und Privatjets zu kaufen. Ein solcher sozialer Abgrund ist ein Hindernis für den Aufbau einer wirklich gerechten und demokratischen Gesellschaft und einer modernen und blühenden Wirtschaft.
Aus diesem Grund verpflichten sich mein Vizepräsident Geraldo Alckmin und ich heute vor euch und dem gesamten brasilianischen Volk dazu, Tag und Nacht gegen alle Formen der Ungleichheit in unserem Land zu kämpfen. Einkommensungleichheit, Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und Minderheiten, Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, in der politischen Repräsentation, in den staatlichen Karrieren, Ungleichheit beim Zugang zu Gesundheit, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen. Ungleichheit zwischen dem Kind, das auf die beste Privatschule geht, und dem Kind, das an der Bushaltestelle Schuhe putzt und keine Schule und keine Zukunft hat, zwischen dem Kind, das sich über das Spielzeug freut, das es gerade geschenkt bekommen hat, und dem Kind, das am Weihnachtsabend vor Hunger weint. Ungleichheit zwischen denen, die Lebensmittel wegwerfen, und denen, die nur Reste essen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die reichsten 5 Prozent der Menschen in diesem Land den gleichen Anteil am Einkommen haben wie die anderen 95 Prozent. Dass sechs brasilianische Milliardäre über ein Vermögen verfügen, das dem der 100 Millionen ärmsten Menschen im Lande entspricht. Dass ein Arbeiter, der einen monatlichen Mindestlohn verdient, 19 Jahre braucht, um den Gegenwert dessen zu erhalten, was ein Superreicher in einem einzigen Monat erhält. Und es macht keinen Sinn, die Fenster eines Luxuswagens hochzukurbeln, um unsere Brüder und Schwestern nicht zu sehen, die unter den Viadukten zusammengepfercht sind und denen es an allem fehlt. Die Realität ist an jeder Ecke zu sehen.
Meine Freunde, es ist nicht hinnehmbar, dass wir weiterhin mit Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus leben. Wir sind ein vielfarbiges Volk und wir alle müssen die gleichen Rechte und Chancen haben. Niemand wird eine Bürgerin zweiter Klasse sein, niemand wird mehr oder weniger Unterstützung vom Staat erhalten, niemand wird gezwungen sein, mehr oder weniger Hindernisse zu überwinden, nur weil sie eine andere Hautfarbe hat. Deshalb schaffen wir das Ministerium zur Gleichberechtigung von Minderheiten neu, um das tragische Erbe unserer sklavenhalterischen Vergangenheit zu begraben. Das Land indigener Völker muss abgegrenzt und von Bedrohungen durch illegale und räuberische Wirtschaftsaktivitäten befreit werden, ihre Kultur muss bewahrt, ihre Würde respektiert und Nachhaltigkeit garantiert werden. Sie sind keine Hindernisse für die Entwicklung. Sie sind die Hüter unserer Flüsse und Wälder und ein fundamentaler Baustein unserer Größe als Nation. Aus diesem Grund schaffen wir das Ministerium für indigene Völker, um 500 Jahre Ungleichheit zu bekämpfen. Wir können nicht weiter mit der hasserfüllten Unterdrückung von Frauen leben, die täglich auf der Straße und in ihren eigenen Häusern Gewalt ausgesetzt sind. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie weiterhin ein geringeres Gehalt als Männer erhalten, während sie in Ausübung derselben Funktion immer mehr Raum in den abschreckenden Instanzen dieses Landes, in der Politik, in der Wirtschaft, in allen strategischen Bereichen erobern müssen. Frauen müssen sein, was sie sein wollen, sie müssen sein, wo sie sein wollen. Deshalb bringen wir das Frauenministerium zurück. Um die Ungleichheit und ihre Folgen zu bekämpfen, haben wir die Wahl gewonnen. Und das wird das große Kennzeichen unserer Regierung sein, aus diesem grundlegenden Kampf wird ein verändertes Land hervorgehen, ein großes und wohlhabendes Land, stark und gerecht, ein Land von allen für alle, ein großzügiges und solidarisches Land, das niemanden zurücklässt.
Meine lieben Genossinnen und Genossen, ich verpflichte mich erneut, mich um alle Brasilianerinnen und Brasilianer zu kümmern, vor allem um die, die es am meisten brauchen, um den Hunger in diesem Land wieder zu beenden, um die Armen aus der Knochenlage herauszuholen und sie wieder in den Haushalt des Landes aufzunehmen. Wir haben ein immenses Erbe, das in der Erinnerung jeder einzelnen Brasilianerin noch lebendig ist, ob sie nun von der öffentlichen Politik profitiert hat oder nicht, die in diesem Land eine Revolution ausgelöst hat. Aber wir haben kein Interesse daran, in der Vergangenheit zu leben. Deshalb wird unser Erbe, weit entfernt von jeglicher Nostalgie, immer der Spiegel der Zukunft sein, die wir für dieses Land aufbauen werden. Unter unseren Regierungen hat Brasilien ein rekordverdächtiges Wirtschaftswachstum mit der größten sozialen Inklusion in der Geschichte in Einklang gebracht und ist zur sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen, während gleichzeitig 36 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer aus der extremen Armut befreit wurden und wir mehr als 20 Millionen Arbeitsplätze mit unterschriebenen Arbeitskarten und allen garantierten Rechten geschaffen haben. Wir haben den Mindestlohn stets über der Inflation angepasst. Wir haben Rekorde bei den Investitionen in die Bildung gebrochen, vom Kindergarten bis zur Universität, um Brasilien auch zu einem Exporteur von Intelligenz und Wissen zu machen, und nicht nur zu einem Exporteur von Waren und Rohstoffen. Wir haben die Zahl der Studierenden an den Hochschulen mehr als verdoppelt und der armen Jugend des Landes die Tür zu den Universitäten geöffnet. Junge Weiße, Schwarze und Indigene, für die ein Universitätsabschluss ein unerreichbarer Traum war, wurden Ärzte. Wir bekämpften einen der großen Brennpunkte der Ungleichheit, den Zugang zur Gesundheit, denn das Recht auf Leben kann nicht von der Höhe des Geldes auf der Bank abhängig gemacht werden. Wir gründeten die Farmácia Popular (Volksapotheke), die Medikamente für diejenigen bereitstellte, die sie am dringendsten benötigten, und die darüber hinaus rund 60 Millionen Brasilianer in den Randgebieten der großen Städte und in den entlegensten Gegenden Brasiliens versorgte. Wir haben Brasil Sorridente ins Leben gerufen, um für die orale Gesundheit aller Brasilianer zu sorgen. Wir haben unser einheitliches Gesundheitssystem gestärkt. Und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um den Fachleuten des SUS für ihre großartige Arbeit während der Pandemie zu danken, als sie sich tapfer einem Virus, einem tödlichen Virus, und einer unverantwortlichen und unmenschlichen Regierung stellten.
Wir haben mit unseren Regierungen in die Familienlandwirtschaft und in kleine und mittlere Landwirte investiert, die für 70 Prozent der Lebensmittel verantwortlich sind, die auf unseren Tischen landen, ohne die Agrarindustrie zu vernachlässigen, die Jahr für Jahr Investitionen in Rekordernten erhielt. Wir haben konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergriffen und die Abholzung des Amazonasgebiets um mehr als 80 Prozent reduziert. Brasilien hat sich als weltweite Referenz im Kampf gegen Ungleichheit und Hunger konsolidiert und ist für seine aktive und mutige Außenpolitik international respektiert worden. All dies konnten wir erreichen, während wir gleichzeitig verantwortungsvoll mit den Finanzen des Landes umgingen; wir waren nie unverantwortlich im Umgang mit öffentlichen Geldern. Wir haben jedes Jahr Haushaltsüberschüsse erzielt, die Auslandsverschuldung abgebaut, Reserven in Höhe von 370 Milliarden Dollar angehäuft und die Auslandsverschuldung auf fast die Hälfte dessen reduziert, was sie bei unserem Amtsantritt war. In unseren Regierungen hat es nie unnötige Ausgaben gegeben und wird es nie welche geben. Wir haben immer in unser wertvollstes Gut, das brasilianische Volk, investiert und werden dies auch in Zukunft tun.
Leider wurde vieles von dem, was wir in 13 Jahren aufgebaut haben, in weniger als der Hälfte dieser Zeit zerstört. Zunächst durch den Putsch gegen Präsidentin Dilma im Jahr 2016 und dann durch die vier Jahre einer Regierung der nationalen Zerstörung, deren Vermächtnis unverzeihlich ist: 700.000 Brasilianerinnen und Brasilianer, die durch Covid-19 getötet wurden, 125 Millionen, die unter einer mittelschweren bis schweren Ernährungsunsicherheit leiden, und 33 Millionen, die hungern. Dies sind nur einige wenige Zahlen, bei denen es sich nicht nur um Zahlen, Statistiken und Indikatoren handelt. Es sind Menschen, Männer, Frauen und Kinder, die Opfer einer verfehlten Regierungspolitik sind, die am historischen 30. Oktober 2022 endgültig vom Volk besiegt wurde. Die technischen Gruppen des Übergangskabinetts unter der Leitung meines Vizepräsidenten Alckmin, die zwei Monate lang die Eingeweide der Vorgängerregierung durchforstet haben, haben die wahre Dimension der Tragödie ans Licht gebracht.
Was das brasilianische Volk in den letzten Jahren erlitten hat, war der langsame und schrittweise Aufbau eines wahren Völkermords. Ich möchte als Beispiel einen kleinen Auszug aus dem hundert Seiten starken Bericht des Übergangskabinetts über dieses Chaos zitieren. In dem Bericht heißt es: Brasilien hat einen neuen Rekord bei den Femiziden aufgestellt. Die Politik der Gleichstellung von Minderheiten hat schwere Rückschläge erlitten. Die Jugendpolitik wurde demontiert und die Rechte der indigenen Bevölkerung wurden in der jüngeren Geschichte des Landes noch nie so sehr verletzt. Die Schulbücher, die ab dem Schuljahr 2023 verwendet werden sollen, sind noch nicht veröffentlicht worden. In der Volksapotheke fehlt es an Medikamenten und an Impfstoffen gegen die neue Variante von Covid-19. Es mangelt an Mitteln für den Kauf von Schulmahlzeiten. An den Universitäten besteht die Gefahr, dass das Schuljahr nicht beendet wird. Es gibt keine Mittel für den Zivilschutz und die Verhütung von Unfällen und Katastrophen. Und die Rechnung für diesen Totalausfall bezahlt, wieder einmal, das brasilianische Volk.
Meine Freunde, in den letzten Jahren haben wir zweifellos eine der schlimmsten Perioden unserer Geschichte erlebt, eine Ära der Schatten, der Ungewissheit und des großen Leids. Aber dieser Alptraum hat mit dem souveränen Votum in der wichtigsten Wahl seit der Wiederherstellung der Demokratie im Land ein Ende gefunden. Eine Wahl, die das Engagement des brasilianischen Volkes für die Demokratie und ihre Institutionen unter Beweis stellte. Dieser außergewöhnliche Sieg der Demokratie zwingt uns, nach vorne zu blicken und unsere Unterschiede zu vergessen, die viel kleiner sind als das, was uns für immer vereint: die Liebe zu Brasilien und der unerschütterliche Glaube an unser Volk.
Jetzt ist es an der Zeit, die Flamme der Hoffnung, der Solidarität und der Nächstenliebe neu zu entfachen. Jetzt ist es an der Zeit, sich wieder um Brasilien und das brasilianische Volk zu kümmern, Arbeitsplätze zu schaffen, den Mindestlohn über die Inflation hinaus anzupassen, die Lebensmittelpreise zu senken, noch mehr freie Stellen an den Universitäten zu schaffen, massiv in Gesundheit, Bildung, Wissenschaft und Kultur zu investieren. Wir nehmen die Infrastrukturarbeiten von Minha Casa, Minha Vida wieder auf, die durch die Vernachlässigung der Vorgängerregierung aufgegeben wurden. Es ist an der Zeit, Investitionen zu tätigen und Brasilien zu reindustrialisieren, den Klimawandel wieder zu bekämpfen und der Zerstörung unserer Biome, insbesondere unseres geliebten Amazonas, ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Wir müssen aus der internationalen Isolation ausbrechen und die Beziehungen zu allen Ländern der Welt wieder aufnehmen. Dies ist nicht die Zeit für sterile Ressentiments. Jetzt ist es an der Zeit, dass Brasilien nach vorne blickt und wieder lächelt. Lasst uns diese Seite umblättern und gemeinsam ein neues und entscheidendes Kapitel in unserer Geschichte schreiben.
Unsere gemeinsame Herausforderung besteht darin, ein gerechtes, integratives, nachhaltiges und kreatives, demokratisches und souveränes Land für alle Brasilianerinnen zu schaffen. Ich habe während des gesamten Wahlkampfs immer wieder betont: Brasilien ist widerstandsfähig. Und ich sage es noch einmal mit aller Überzeugung, selbst angesichts des Bildes der Zerstörung, das das Übergangskabinett offenbart: Brasilien ist widerstandsfähig. Es hängt von uns ab, von uns allen. Und wir werden dieses Land wiederaufbauen.
In den vier Jahren meiner Amtszeit werden wir jeden Tag daran arbeiten, dass Brasilien die Rückständigkeit von mehr als 350 Jahren Sklaverei überwindet, dass es die Zeit und die Möglichkeiten zurückgewinnt, die es in den letzten Jahren verloren hat, dass es seinen prominenten Platz in der Welt zurückgewinnt und dass jeder einzelne Brasilianer das Recht hat, wieder zu träumen, und dass er die Möglichkeit hat, seine Träume zu verwirklichen. Wir brauchen alle zusammen, um unser geliebtes Land wieder aufzubauen und zu verändern. Aber wir werden dieses Land nur dann wirklich wieder aufbauen und umgestalten können, wenn wir mit aller Kraft gegen alles kämpfen, was es so ungleich macht. Es ist dringend notwendig, eine breite Front gegen die Ungleichheit zu bilden, die die gesamte Gesellschaft einbezieht, die Arbeiter, die Unternehmer, die Künstler, die Intellektuellen, die Gouverneure, die Bürgermeister, die Abgeordneten, die Senatoren, die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen, die Klassenverbände, die öffentlichen Bediensteten, die Freiberufler, die religiösen Oberhäupte, die einfachen Bürger. Schließlich ist es an der Zeit, sich zu vereinen und unser Land wieder aufzubauen. Deshalb richte ich diesen Aufruf an alle Brasilianer, die ein gerechteres, solidarischeres und demokratischeres Brasilien wollen. Schließt euch uns in einer großen gemeinsamen Anstrengung gegen die Ungleichheit an. Abschließend möchte ich jeden Einzelnen von euch bitten, dass die Freude von heute der Rohstoff für den Kampf von morgen und allen kommenden Tagen ist, dass die Hoffnung von heute das Brot gärt, das wir mit allen teilen müssen, und dass wir immer bereit sind, in Frieden und Ordnung auf alle Angriffe von Extremisten zu reagieren, die unsere Demokratie sabotieren und zerstören wollen. Im Kampf für das Wohl Brasiliens werden wir die Waffen einsetzen, die unsere Gegner am meisten fürchten: die Wahrheit, die die Lüge überwunden hat, die Hoffnung, die die Angst überwunden hat, und die Liebe, die den Hass besiegt hat. Es lebe Brasilien und es lebe das brasilianische Volk!
Dieser Beitrag erschien zuerst bei der Progressiven Internationale.