21.06.2022
Machiavelli gilt vielen als zynischer Machttheoretiker. In Wirklichkeit wollte er die Souveränität des Volkes stärken und die Macht von Oligarchen beschränken.
Machiavelli wird oftmals als Vordenker skrupelloser Machtpolitik rezipiert – ein Missverständnis, wie der Politologe John P. McCormick erklärt.
Bild: Gemeinfrei.
Interview mit John P. McCormick geführt von Gabriele Pedullà
Übersetzung von Thomas Zimmermann
Fast fünf Jahrhunderte nach seinem Tod ist der italienische Philosoph Niccolò Machiavelli noch immer einer der einflussreichsten Denker der politischen Ideengeschichte. Doch der Autor von Der Fürst wäre wahrscheinlich erstaunt darüber, dass er heute in Ratgeberliteratur über Führungskompetenzen zitiert wird oder von Paulie Walnuts in Die Sopranos als »Fürst Matchabelli« betitelt wurde. Der Irrglaube, Machiavelli sei der Begründer des politischen Zynismus – wenn nicht gar des politisch Bösen – ist fast so alt wie er selbst. Der Politologe John P. McCormick argumentiert in seinem Buch Machiavellian Democracy hingegen, dass der florentinische Denker eher als Vorreiter des heutigen Linkspopulismus zu verstehen ist. Machiavellis Argumente sind alles andere als veraltet – einige von ihnen sind selbst noch unserer Zeit voraus. Ein wirklich »machiavellistischer« Zugang zu Politik könnte Volkssouveränität und Demokratie stärken.
Machiavellis Werk – oder zumindest der Fürst – ist an wohl jeder US-amerikanischen Universität Teil des Lehrplans. Du hast Dich jedoch außergewöhnlich intensiv mit ihm beschäftigt. Du hast bereits zwei Bücher über Machiavelli veröffentlicht, und soweit ich weiß, ist ein drittes in Arbeit. Warum Machiavelli? Wie hast Du ihn für Dich entdeckt?
Der Fürst war mir natürlich schon im College begegnet. Im Jahr 1992, während meines Studiums an der University of Chicago hatte ich aber das Glück, zwei Seminare zu belegen, die sich ausschließlich mit Machiavellis Discorsi befassten. Diese Kurse haben meine lebenslange Faszination für Machiavelli geweckt. Ich habe dann zwar zu Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule gearbeitet, jedoch kehrte ich in den 2000er Jahren wieder zu Machiavelli zurück.
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