01. Mai 2025
Die Migrationspolitik bekämpft nicht Migration, sondern die Rechte migrierter Menschen – zur Freude des Kapitals, das mit prekärer Arbeitskraft versorgt wird. Dass vor allem diese Ausnutzung von Einwanderern verhindert werden muss, wusste schon der Sozialistenkongress von 1907.
»Die Aufgabe einer sozialistischen Linken wäre es, nicht nur am Asylrecht als Menschenrecht festzuhalten, sondern es als eine Frage der Klassensolidarität zu thematisieren.«
Migration ist das wichtigste Mobilisierungsthema des aktuellen Rechtsrucks. Nahezu alle im Bundestag vertretenen Parteien sprachen sich im vergangenen Wahlkampf auf die eine oder andere Weise dafür aus, die Migration zu begrenzen. Andererseits war die ganze Zeit von einem »Fachkräftemangel« die Rede, den nicht zuletzt die Migration zu beheben helfen soll.
Man könnte meinen, das sei widersprüchlich, doch ein Blick nach Großbritannien beweist das Gegenteil: Dort wurde der Brexit durchgedrückt, indem man Angst vor billigen Arbeitskräften aus dem EU-Mitgliedsland Polen schürte. Anschließend wurden die negativen Effekte des Brexits aber ironischerweise dadurch abgeschwächt, dass man Anwerbeabkommen mit Nicht-EU-Ländern abschloss. Man kann also auch rassistische Stimmung gegen Ausländer zur Mobilisierung nutzen, ohne auf die »positiven Wirtschaftseffekte« von Migration verzichten zu müssen.
Migration lässt sich nicht verhindern und das ist auch nicht im Interesse des deutschen Kapitals. Je prekärer die Arbeitskräfte sind, desto ausgelieferter sind sie. Das Kapital ist auf den flexiblen Zugriff auf Arbeitskräfte angewiesen, um profitabel produzieren zu können. Deshalb ist jede noch so rassistische Mobilisierung gegen Migrantinnen und Migranten kein Kampf gegen Migration an sich, sondern ein Angriff auf die Rechte dieser Menschen. Diese sind dem Kapital dann besonders ausgeliefert, denn es geht um Rechte, die Arbeiterinnen und Arbeiter in vergangenen Klassenkämpfen hart errungen haben. Es sind diese Rechte, die Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus häufig entsagt werden, ob es ein Mindestlohn, Arbeitszeitbegrenzung oder sichere Arbeitsbedingungen sind.
»Die liberale Argumentation, Deutschland brauche Migration, geht am eigentlichen Kern des Problems vorbei – auch weil es nicht besonders human ist, Migrantinnen und Migranten auf ihre Funktion als Humankapital zu reduzieren.«
Mittlerweile lässt sich von einer »Brandmauer« zwischen den Rechten und einer vermeintlichen Mitte in Fragen der Migration nicht mehr sprechen. Die Ampelregierung setzte bereits das um, was von der AfD erwartet oder von Friedrich Merz befürchtet wird. Allein im Jahr 2024 wurden 20.084 Menschen abgeschoben, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. 2.328 Geflüchtete sind im vergangenen Jahr an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer gestorben – nicht infolge einer drohenden rechtsradikalen Politik, sondern einer Politik der Mitte, die bereits Realität ist.
Die Forderung, insbesondere kriminelle Ausländer endlich konsequent abzuschieben, wird immer mehr rechtlich untermauert. Gesinnungsprüfungen, wie das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, während des Asyl- oder Einbürgerungsprozesses gehören mittlerweile zu selbstverständlichen Anforderungen der sogenannten wehrhaften Demokratie. Ende der 2000er war das NPD-Plakat mit der Aufschrift »Ist der Ali kriminell, in die Heimat, aber schnell« noch eine besondere Provokation, die sich nur Nazis trauen konnten. Jetzt ist es etwas, das so ähnlich auch die ehemals linken Mitte-Parteien SPD und Grüne von sich geben.
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Bafta Sarbo ist Sozialwissenschaftlerin und Verfasserin des Vorworts zur Neuausgabe von Walter Rodneys Wie Europa Afrika unterentwickelte (Manifest, 2023).