01. Mai 2025
Clara Mattei, Expertin für die Geschichte von Austerität und Faschismus, spricht über Javier Mileis Kettensäge, Elon Musks ausgestreckten Arm, Aufrüstung an der Schuldenbremse vorbei und Alternativen zur Kürzungspolitik.
Clara Mattei macht Wirtschaftstheorie in einer Weise, »die mit diesem Top-Down-Ansatz bricht, bei dem sich ökonomische Fachleute um wirtschaftliche Fragen kümmern und der Rest der Menschen nur zusehen und alles hinnehmen soll«.
Die Ordnung des Kapitals ist ein Buch über die Geschichte der Austerität. Aber es bietet uns auch einen analytischen Rahmen. Und da es einen nicht enden wollenden Strom von Austeritätsnachrichten aus aller Welt gibt, dachte ich, wir könnten einige dieser aktuellen Entwicklungen beleuchten.
Ja, sehr gern.
Beginnen wir mit Argentinien. Javier Milei wird von seinen Anhängern als Pionier gefeiert – der erste anarcho-kapitalistische Präsident der Welt, der eine neue libertäre Ära einläutet. Ist daran wirklich etwas radikal Neues? Oder ist Mileis Kettensäge letztlich nur eine modernere Geddes-Axt – die symbolträchtige Kürzungsmaßnahme in Großbritannien aus dem Jahr 1921, über die Du in Deinem Buch schreibst?
Wenig daran ist wirklich neu. Die Streichung ganzer Ministerien ist in der Tat etwas, das wir schon von der Geddes-Axt kennen. Bei diesem Konzept von Effizienz und finanzieller Austerität ging es damals und geht es auch heute in Wirklichkeit um die gewaltsame Aneignung von Ressourcen der Arbeiterklasse. Und ich denke, die Kettensäge ist eine gute Metapher, weil sie ein sehr gefährliches Werkzeug ist, mit dem die Solidarität unter den Arbeiterinnen und Arbeitern zerstört wird.
Die Austerität ist allgegenwärtig. Sie ist keine Ausnahmeerscheinung, die auf die Bösartigkeit eines Javier Milei – oder wer auch immer an der Macht ist – zurückzuführen ist. Es handelt sich vielmehr um ein strukturelles Problem. Es geht darum, welche Art von Wirtschaftspolitik mit der kapitalistischen Wirtschaft vereinbar ist. Eine kapitalistische Wirtschaft braucht von Zeit zu Zeit eine harte Dosis Austerität, um richtig zu funktionieren.
»Beim Faschismus geht es vor allem darum, der organisierten Arbeiterschaft das Rückgrat zu brechen, indem man Gewerkschaften und Streiks unterdrückt, Löhne kürzt und so weiter.«
Trotzdem ist es durchaus interessant, sich zum Beispiel auf Milei oder Musk zu konzentrieren, weil bei ihnen die Aggressivität der Austerität sehr greifbar und viel weniger verschleiert ist, als wenn eine unabhängige Zentralbank einem sagt, dass man die Inflation auf eine bestimmte Art und Weise gemäß ihren Modellen steuern muss.
Es gibt bei der Austerität also verschiedene Grade von Gewalt. Aber letztlich ist das Ergebnis immer gewaltvoll, denn wenn man die Arbeitslosigkeit erhöht und den Menschen das Leben schwerer macht, um die Arbeitskosten zu senken und die Verhandlungsmacht der Arbeiterschaft zu beschneiden, dann ist das schon sehr gewalttätig.
In den USA wurde Elon Musk nach seinem »My-heart-goes-out-to-you«-Gruß gegen Faschismusvorwürfe verteidigt, mit dem Argument, er könne unmöglich ein Faschist sein, da er den Staat doch verkleinern wolle, während es dem Faschismus um einen »großen Staat« gegangen wäre. Was entgegnest Du darauf, im Lichte Deiner Recherchen über die Austerität im italienischen Faschismus?
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Clara Mattei ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften und Direktorin des Center for Heterodox Economics (CHE) an der University of Tulsa. Ihr Buch Die Ordnung des Kapitals: Wie Ökonomen die Austerität erfanden und dem Faschismus den Weg bereiteten ist 2025 im Brumaire Verlag erschienen.