02. März 2023
Die öffentliche Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung muss verhindert werden. Doch ein entsprechendes Stiftungsgesetz darf sich nicht auch gegen die gesellschaftliche Linke wenden.
DES-Vorsitzende Erika Steinbach bei einer Veranstaltung der AfD anlässlich der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 15. Mai 2022.
IMAGO / Sven SimonDie Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), die seit 2018 von der AfD als parteinahe Stiftung anerkannt ist, versucht seitdem, analog zu den parteinahen Stiftungen anderer im Bundestag vertretener Parteien, an öffentliche Mittel für ihre Arbeit zu kommen. Bislang werden ihr diese Mittel von den anderen Fraktionen im Bundestag verweigert. Doch am 22. Februar 2023 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass dieses Vorgehen die politische Chancengleichheit verletze und die AfD benachteilige.
Was auf den ersten Blick wie ein voller Sieg der AfD und ihrer Stiftung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen nur als halber. Denn das Gericht hat nur über die Klage der AfD gegen den Finanzierungsausschluss der DES im Jahr 2019 entschieden. Für die Jahre 2020 und 2021 seien die Klagen nicht fristgerecht eingebracht worden. Die Klage zum Ausschluss der DES im aktuellen Bundeshaushalt wurde daher vom Verfahren abgetrennt. Hierzu will das Verfassungsgericht zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil fällen. In jedem Fall bedarf es einer klareren gesetzlichen Grundlage zur Finanzierung der Stiftungen, so das Gericht.
Insgesamt geht es um sehr viel Geld für die extreme Rechte in Deutschland, zu deren Kaderschmiede und zentralem Thinktank die DES gerne werden würde. Bis zu 70 Millionen Euro könnte die DES zukünftig jährlich für ihre Arbeit aus Steuermitteln erhalten. AfD und DES profitieren hier vom Parteienrecht, das den im Bundestag vertretenen Parteien die Finanzierung parteinaher Stiftungen ermöglicht und dafür im Haushalt aktuell mehr als 600 Millionen Euro bereitstellt. Mit der Ebert-, Adenauer-, Böll-, Naumann-, Seidel- und Luxemburg-Stiftung nutzen alle Bundestagsparteien diese Möglichkeit. Sie finanzieren auf diesem Weg politische Bildungsarbeit im Inland, die Vergabe von Studienstipendien und die Auslandsarbeit in zahlreichen Ländern. Es liegt auf der Hand, welche Resonanzraumerweiterung sich für die extreme Rechte ergeben würde, wenn auch die AfD diese Möglichkeiten nutzen könnte.
Bis heute führt die DES ein Schattendasein und ist in ihrer Ausstrahlung für die politische Rechte nicht mit Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik (IfS) zu vergleichen, das für die völkische Rechte in und außerhalb der AfD ein entscheidender Stichwortgeber ist. Angeführt von der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und langjährigen Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach war die DES seit Jahren Gegenstand innerparteilicher Auseinandersetzungen innerhalb AfD. Um überhaupt erst einmal die Anerkennung der Gesamtpartei als parteinahe Stiftung zu erlangen, hatte man sich zeitweilig mit der völkischen Rechten arrangiert und etwa den Geschäftsführer des IfS, Erik Lehnert, zum Vorstandsmitglied gemacht. Anschließend versuchten Steinbach und andere wieder mehr Distanz zur völkischen Rechten der Partei zu gewinnen, um die DES nicht gleich der Beobachtung durch den Verfassungsschutz auszusetzen.
Immer wieder hagelt es scharfe Kritik an der DES-Chefin von Seiten der Parteirechten, weil sich Steinbach von allzu offenen Verbindungen mancher Landesstiftungen zur völkischen Rechten auch öffentlich distanziert. Doch bislang steht die Parteiführung hinter Steinbach.
Für die politischen Möglichkeiten der AfD und ihres Umfeldes wäre die Finanzierung der DES ein Quantensprung, aus linker Sicht eine Katastrophe. Für 2022 hatte sie Mittel in Höhe von 7,8 Millionen Euro beantragt, mit denen sie unter anderem sechzig Stellen schaffen sowie etwa 800 Veranstaltungen und zwei Kongresse bundesweit durchführen wollte. Würde die DES Finanzierung aus Bundesmitteln erhalten, würden mehrere hundert Stellen entstehen, ein Studienwerk etabliert und der Aufbau von Auslandsbüros ermöglicht. Hinzu käme der Ausbau eines bundesweiten Stiftungsnetzwerkes in den Bundesländern, das es in Ansätzen schon heute gibt, das sich aber weiter professionalisieren dürfte. Über ein Studienwerk und die Vergaben von Stipendien könnte die DES gezielt rechten wissenschaftlichen Nachwuchs fördern, Forschungsthemen anregen und die gesellschaftspolitische Stimmungen nachhaltig beeinflussen. Schließlich böte eine voll finanzierte parteinahe Stiftung auch die Möglichkeit, die internationale Vernetzung der extremen Rechten zu stärken. Auslandsbüros würden zudem die Chance eröffnen, Positionen der AfD und ihres Umfeldes auch im Ausland zu repräsentieren und dadurch zu einer schlagkräftigen europäischen Rechten beizutragen.
Angesichts dieser Aussichten wird seit etwa einem Jahr verstärkt darüber debattiert, wie sich dies verhindern lassen könnte. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat selbst Möglichkeiten aufgezeigt, wie sich eine Ungleichbehandlung rechtfertigen ließe, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen. Doch ob es aus linker Sicht ratsam ist, diese Möglichkeiten zu nutzen, ist mindestens fraglich.
Manche Stimmen argumentieren etwa, dass die Demokratie nicht ihre eigenen Feinde fördern dürfe und man ein Stiftungsgesetz so formulieren müsse, dass die DES ausgeschlossen bleibt. So richtig diese Entgegnung vor dem Hintergrund des Faschismus in Deutschland ist, kann sie sich auch schnell gegen links wenden. Denn wer als »Feind der Demokratie« angesehen wird, bestimmt in der Regel der bürgerliche Mainstream im Verbund mit den Sicherheitsbehörden.
Historisch diente die »wehrhafte Demokratie« zumeist der Ausgrenzung einer oppositionellen Linken. Das ist aktuell anders, zumindest differenzierter, denn mit dem Aufstieg der AfD und einer Bewegungsrechten seit etwa 2015 wird die Gefahr von rechts auch in der bürgerlichen Mitte stärker in den Blick genommen. Dennoch sind alle Vorschläge, die den Ausschluss der DES von der Finanzierung mit Argumenten betreiben, die bis heute auch gegen links in Stellung gebracht werden, mit Skepsis zu betrachten.
Der frühere grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck fordert etwa in einem Vorschlag für ein Stiftungsgesetz den Verfassungsschutz auf, die Verpflichtung auf die »freiheitlich demokratische Grundordnung« zum Maßstab für den Anspruch auf Finanzmittel zu machen. Der Verfassungsschutz als auch die Auslegung der freiheitlich demokratischen Grundordnung waren in der Vergangenheit zentrale Mittel im Kampf gegen die politische Linke. Berufsverbote, Gesinnungsschnüffelei und Kriminalisierung von radikalen Linken waren Begleiterscheinungen und Zweck dieser Art der »wehrhaften Demokratie«. Zwar hat sich der Blick des Staates aktuell unverkennbar nach rechts erweitert, die genannten Instrumente verbleiben aber in der Logik des »Extremismus« – und die besagt, dass die extremen Ränder rechts und links die Demokratie gefährden. Mit der aktuellen Entwicklung der Rechten, die ihren Nährboden gerade in der Mitte der Gesellschaft findet, hat diese Auslegung wenig zu tun.
Ein alternativer Gesetzesvorschlag wurde von Campact eingebracht. Auch in diesem wird der Zweck der parteinahen Stiftungen an die aktive Unterstützung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gebunden, die jedoch eng an den Menschenwürdegrundsatz, die Gleichberechtigung und die allgemeine Erklärung der Menschenrechte gekoppelt wird. Damit soll die demokratische, menschenrechtliche und auf gleichberechtigte Teilhabe aller gerichtete Grundlage des Grundgesetzes und nicht die vermeintlich »extremistische« Abweichungen von einer nicht näher definierten freiheitlich demokratischen Grundordnung ins Zentrum gerückt werden.
Allerdings liegt die Ausgestaltung eines vom Verfassungsgericht verlangten Stiftungsgesetzen bei der Mehrheit im Bundestag – und die folgt nach wie vor der Logik des Extremismusansatzes. Sollte es also mehrheitlich den Willen im Bundestag geben, ein Stiftungsgesetz so zu formulieren, dass zumindest die Möglichkeit besteht, die DES von der Finanzierung auszuschließen, wird dieses Gesetz aller Wahrscheinlichkeit nach eben dieser Logik folgen.
Was folgt daraus für die politische Linke? Muss sie die Finanzierung einer extrem rechten parteipolitischen Stiftung akzeptieren, weil alle möglichen Gegenmaßnahmen auch gegen links ausschlagen können? Keineswegs, denn es ließe sich auch für ein Stiftungsgesetz streiten, das zentrale Inhalte der Verfassung zum Kriterium der Finanzierung macht und nicht eine vermeintliche extremistische Abweichung. Menschenwürde, Gleichheitsgrundsatz und Demokratieprinzip wären solche Kriterien, gegen die eine völkische Rechte systematisch verstößt, die aber zur DNA der Linken gehören. Doch ein Ausschluss von AfD und DES, der in der Logik des Extremismusansatzes verbleibt, kann für die Linke kein gangbarer Weg sein.
Gerd Wiegel ist Politikwissenschaftler und publiziert regelmäßig zur extremen Rechten in Deutschland und Europa