20. Juni 2024
Der Klimawandel, aber vor allem der Neoliberalismus, bedrohen die traditionelle Viehwirtschaft in der Mongolei.
Ein Toyota Land Cruiser steckt im Dsud-Schnee fest.
Die Mongolei hat einen weiteren katastrophalen Winter hinter sich. Bis Ende April waren bis zu 7,1 Millionen Tiere gestorben – mehr als ein Zehntel des gesamten Viehbestandes. Die Zahl drohte sogar noch höher auszufallen, denn in einem sogenannten »Dsud«-Jahr mit extremer Kälte und starkem Schneefall entstehen die meisten Schäden im Frühjahr, wenn die Kombination aus Erschöpfung und Unterernährung für die Tiere besonders kritisch wird.
Das ökologische Phänomen Dsud tritt in der Mongolei seit Jahrhunderten hin und wieder auf. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist es aufgrund des Klimawandels und anderer Faktoren aber zu einem immer häufiger wiederkehrenden Problem geworden. In vielerlei Hinsicht ist der Dsud ein anhaltendes Phänomen – und nicht einfach nur ein kalter Winter mit übermäßigen Schneefällen.
Beim Dsud folgt auf einen niederschlagsarmen Sommer oft ein schneereicher Winter. So war es auch in diesem Jahr: Viele Tiere konnten im Sommer keine ausreichenden Fettreserven anlegen und mussten dann einen Winter überstehen, in dem starker Schneefall das Weiden unmöglich machte. Darüber hinaus ist es für die Hirtinnen und Hirten in der Mongolei, die traditionell eher auf Mobilität der Herden als auf ausreichendes Futter an einem Ort bauen, schwierig, sich angemessen auf eine drohende Katastrophe vorzubereiten.
In diesem Winter war das Problem absehbar. Forscherinnen, Regierungsbeamte und NGOs hatten bereits im vorherigen Sommer mit den Hirtinnen und Hirten kommuniziert. Der diesjährige Dsud war dennoch der tödlichste seit 2009/10, als rund zehn Millionen Tiere (23 Prozent der damaligen Bestände) starben.
In vielen Medienberichten wurde der diesjährige Dsud aufgegriffen und zu Recht als Klimakatastrophe bezeichnet. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Mongolei sind unbestreitbar und real, doch es gibt noch eine andere, sogar wichtigere Seite der Geschichte: Die Einführung von Marktmechanismen, als die Mongolei in den 1990er Jahren vom Staatssozialismus zum Kapitalismus überging.
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Manlai Nyamdorj ist Sozialwissenschaftler und Doktorand an der Uni Trier.