17. Juni 2021
Seit mehr als hundert Tagen streiken die Arbeitenden gegen die Militärjunta. Die finanziellen Mittel werden knapper, das Militär geht gewaltsamer gegen den Protest vor. Im Gespräch mit JACOBIN erklären drei Mitglieder der Opposition, warum sie weiterkämpfen.
Pflegekräfte in Mandalay beim Protest gegen die Putschregierung, 9. Mai 2021.
Während Myanmar aus den internationalen Schlagzeilen verschwunden ist, haben sich die Verhältnisse vor Ort verschärft und die Forderungen der Anti-Putsch-Koalition radikalisiert. Die Nationale Einheitsregierung (National Unity Government, NUG), die in Opposition zur Putschregierung entstanden ist, fordert die Abschaffung der Verfassung von 2008, die dem Militär weitreichende Macht über die wichtigsten Ministerien einräumt, und die Aufhebung des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 1982, welches für die Verfolgung und die politische Diskriminierung der Rohingya entscheidend ist.
In der NUG haben sich prominente Aktivistinnen, Führungsfiguren verschiedener ethnischer Gruppen und demokratisch gewählte Minister zusammengeschlossen, die in den ersten Tagen des Putsches im Februar der Verhaftung entgehen konnten. Damit ist die NUG das Gremium, dass die verschiedenen ethnischen Gruppen Myanmars am ehesten zu repräsentieren vermag. Sie ist die einzige politisch tragfähige Alternative zur Militärjunta, die weiterhin die Bevölkerung terrorisiert.
Die NUG hat Staaten auf der ganzen Welt aufgefordert, sie als die legitime Regierung Myanmars anzuerkennen. Dadurch könnte die NUG legislative und administrative Aufgaben einer Regierung übernehmen und etwa eine neue Verfassung entwerfen, Pässe ausstellen und die Volksverteidigungskräfte finanzieren. Letztere wurden von der NUG gegründet, um die Zivilbevölkerung vor dem Militär zu schützen. Ein internationaler Konsens zur Anerkennung der NUG würde ihr außerdem Zugang zu Myanmars Währungsreserven eröffnen, die von den USA nach dem Putsch bis auf weiteres eingefroren wurden.
Viele Staaten haben, wie die USA, eine abwartende Haltung eingenommen. Die NUG bringt das in eine schwierige Lage. Denn ohne die finanziellen Mittel und die legislativen Befugnisse, die sie durch die Anerkennung erhalten würde, fehlen ihr die Möglichkeiten, den von der internationalen Gemeinschaft gestellten Bedingungen zu nachzukommen und ihre Versprechen an die Bevölkerung von Myanmar einzuhalten.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter in Myanmar haben ihre landesweiten Streiks fortgesetzt, die unter dem Banner des Civil Disobedience Movement (CDM) organisiert werden. Die bemerkenswert hohe Beteiligung der Streiks hat sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor die Wirtschaft des Landes lahmgelegt und die Militärjunta weiter delegitimiert.
Infolgedessen haben jedoch viele Arbeiterinnen und Arbeiter damit zu kämpfen, ihre elementarsten Bedürfnisse zu decken. Mit der Weigerung, für die Putschregierung zu arbeiten, stehen viele nun ohne Einkommen da. Einige, etwa die Eisenbahnangestellten, wurden aus ihren Häusern vertrieben. Derweil steigen die Preise für Verbrauchsgüter und die Drohungen des Militärs sind allgegenwärtig.
Zur gleichen Zeit sind die Kämpfe zwischen den Milizen und dem Militär von Myanmar eskaliert – eine wachsende Zahl von Überfällen auf Militärbasen und entsprechende Gegenangriffe haben zu hohen Verlusten geführt.
Um ein Gefühl für die Lage vor Ort zu bekommen, hat JACOBIN Dr Sasa, den Minister für internationale Zusammenarbeit der NUG, und U Aung und Ma Thuzar, beide streikende Eisenbahnangestellte, interviewt. Die drei sprachen über ihr Leben unter der Militärdiktatur und den Widerstand dagegen sowie über die vielleicht wichtigste taktische Frage, vor der die NUG jetzt steht – nämlich wie sie die Streikenden und ihre Familien am besten unterstützen kann.
Aus welchen Teilen von Myanmar kommt Ihr? Wie seid Ihr aufgewachsen?
Dr Sasa: Ich wurde in einem der abgelegensten Dörfer in Chin State [im Nordwesten Myanmars] geboren. Dort gab es weder Straßen noch Strom oder fließend Wasser. Ich erlebte, wie die besten Freundinnen meiner Mutter an Komplikationen bei der Geburt starben. Und viele meiner Kindheitsfreunde erlagen vermeidbaren und heilbaren Krankheiten wie Diarrhoe und Malaria. Mir war immer bewusst, dass ich das nächste Opfer sein könnte. Es ist unmöglich, diesen Schmerz und das Leid, das ich in jungem Alter miterlebte, in Worte zu fassen.
1988 fand die große Studierendenrevolte statt, die von den Streitkräften niedergeschlagen wurde. Viele Studierende der Chin-Universität schlossen sich den bewaffneten revolutionären Kräften an, um gegen die Militärjunta zu kämpfen.
Das war das Jahr, in dem das Militär auch in mein Dorf kam. Ich war acht oder neun Jahre alt. Sie schafften Dorfbewohner aus den umliegenden Regionen herbei. Diese mussten Zwangsarbeit verrichten, wurden gefoltert und vergewaltigt. Wir bauten ihre Kasernen mit bloßen Händen. Und wir schleppten die Bomben und die militärische Ausrüstung auf unseren Rücken. Es war einfach schrecklich.
In meinem Dorf gab es keine weiterführende Schule, also musste ich nach Yangon gehen, um meinen Bildungsweg fortzusetzen. In Yangon angekommen war ich völlig verloren. Ich lebte auf einer Farm und wurde sexuell missbraucht, körperlich misshandelt. In der Oberschule wurde ich gemobbt, weil ich ein Dorfjunge war.
Ich machte meinen Schulabschluss 1997, als es eine weitere Welle von Studierendenprotesten gab, die ebenfalls einen üblen Ausgang nahmen. Um die Bewegung zur Strecke zu bringen, schloss das Militär die Universitäten. Da ich meine Ausbildung in Yangon nicht fortsetzen konnte, beschloss ich, nach Indien zu gehen. Die Anreise dorthin finanzierte ich mir durch den Handel mit Hühnern, Ziegen und Schweinen.
Nachdem ich in Indien das College abgeschlossen hatte, wollte ich in den USA Medizin studieren, aber das war sehr teuer. Eines Tages bekam ich einen Flyer über das Medizinstudium in Armenien in die Hände, was für mich erschwinglicher war. 2002 ging ich nach Armenien. Vom ersten Tag an hatte ich finanzielle Schwierigkeiten. Schließlich bekam ich nach ein paar Jahren ein britisches Stipendium – das war wie ein Wunder.
»Es spielt keine Rolle, welchem Stamm, welcher Ethnie oder Kultur und welchem Geschlecht man angehört oder welche Hautfarbe man hat – wir alle brauchen Freiheit, Wohlstand und Frieden.«
Nach dem Medizinstudium beschloss ich, in mein Land und zu meinen Leuten zurückzukehren. Ich war ihr einziger Arzt. Jeden Tag sah ich 400 bis 500 Patientinnen und Patienten. Die Arbeitsbelastung war untragbar. Also begann ich, die Leute in medizinischer und sanitärer Grundversorgung zu schulen. Wir brachten ihnen auch bei, wie man Babys sicher entbindet, denn es gab kein zertifiziertes medizinisches Fachpersonal. Unsere Arbeit rettete Menschen das Leben, und das hat mich sehr glücklich gemacht. Es war, als würden alle meine Träume in Erfüllung gehen.
Im Jahr 2012 trat die Führung der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) an mich heran. Ich sollte Teil der politischen Bewegung werden. Aber ich wollte bei meinen Leuten sein und meine Arbeit vor Ort fortsetzen. Vor den Wahlen von 2020 wurde ich erneut von der NLD angesprochen und sie sagten: »Bitte, wir brauchen Sie dringend.«
Ich startete meine Kampagne der Einheit: Es spielt keine Rolle, welchem Stamm, welcher Ethnie oder Kultur und welchem Geschlecht man angehört oder welche Hautfarbe man hat – wir alle brauchen Freiheit, Wohlstand und Frieden. Wir alle brauchen Essen auf dem Tisch für unsere Kinder. Das sind für mich politische Forderungen. Und meine Kampagne hatte großen Erfolg.
Als wir dann am Morgen des 1. Februar erwachten, erfuhren wir vom Militärputsch. Ich sah, wie unsere gewählte Regierung gestürzt und inhaftiert wurde. Ich wusste, dass ich fliehen musste, um der Verhaftung zu entgehen. Also verkleidete ich mich als Taxifahrer und floh zur Grenze, um mich von dort aus in Sicherheit zu bringen.
Jetzt bin ich Teil der NUG. Ich habe mich für meine Rohingya-Brüder und -Schwestern eingesetzt. Denn ihre Not ist eines der größten Probleme in Myanmar. Noch vor wenigen Monaten galt es als Tabu und Verbrechen, das Wort »Rohingya« auf der Straße auszusprechen. Jetzt, mit der Bildung der NUG, haben wir zum ersten Mal in der Geschichte Myanmars ein repräsentatives Gremium gewählter Vertreterinnen und Vertreter.
U Aung: Ich bin im Thaketa Township [im Osten Yangons] geboren und aufgewachsen. Ich schloss die Oberschule in Yangon ab und ging dann zur Eisenbahn. Dort habe ich mein halbes Leben lang gearbeitet. Ich arbeitete als Ingenieur und beaufsichtigte 315 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meiner Abteilung.
Ich habe die längste Zeit unter der Militärdiktatur gelebt. Ich war ein Teenager, als es 1988 zum Aufstand kam. Das Leben war voller Entbehrungen und Ungerechtigkeiten. Unter der zivilen Regierung von Aung San Suu Kyi wurden die Dinge besser. Wir bekamen unsere Rechte und Freiheiten zurück. Es spielte keine Rolle, welchen gesellschaftlichen Status man hatte – wenn man etwas Unrechtmäßiges tat, konnte man dafür im Gefängnis landen, selbst wenn man ein Minister war.
Bei der Arbeit fühlten wir uns dazu ermächtigt, uns gegen unsere Vorgesetzten auszusprechen, wenn wir Ungerechtigkeiten sahen. Sie konnten uns nicht zwingen, Dinge zu tun, die nicht in unserem Arbeitsvertrag standen. Wir konnten darauf bestehen, dass eine Aufgabe nicht Teil unserer Stellenbeschreibung war und wir sie deshalb nicht erledigen würden.
Als der Putsch am 1. Februar geschah, beschloss ich, mich dem Civil Disobedience Movement anzuschließen – denn ich wusste noch, wie es ist, unter der Fuchtel des Militärs zu leben.
Ma Thuzar: Ich bin auch Eisenbahnerin und arbeite seit zehn Jahren für die Eisenbahn. Ich komme ursprünglich aus Bago [eine Stunde von Yangon entfernt].
Am 4. Februar beschloss ich, mich meinen Kollegen anzuschließen und am Streik teilzunehmen. Warum? Weil es das Richtige ist – und es ist das Mindeste, was wir als Zivilisten tun können. Ärztinnen, Lehrer und Studierende riskieren jeden Tag ihr Leben, wenn sie auf den Straßen protestieren. Dieser Streik ist unser Beitrag zum Kampf gegen die Ungerechtigkeit und gegen das Militär. Das Civil Disobedience Movement lehnt die Militärherrschaft ab. Deswegen sind wir Teil dieser Bewegung.
Der Streik dauert schon mehr als hundert Tage an. Welche Bedeutung hat das Mittel des Streiks in Eurem Kampf und wie haltet ihr die Bewegung am Leben?
DS: Die Militärgeneräle fürchten die Streikbewegung, weil sie sich weigert, für die Militärjunta zu arbeiten. Auch der bewaffnete Kampf gegen die Militärdiktatur ist auf dem Vormarsch, aber der Streik ist eines der stärksten Druckmittel gegen ihre Herrschaft. Er ist sehr, sehr wichtig.
Sobald die NUG das Land zurückerobert hat und an die Macht zurückkehrt, werden die Streikenden für alles entschädigt werden, was sie verloren haben – die NUG wird ihnen unter anderem die Gehälter auszahlen, die in dieser Zeit ausgeblieben sind. Diesen Menschen gebührt nicht nur ein Friedensnobelpreis, sie haben es auch verdient, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um sie zu unterstützen. Die ganze Welt wird Zeugin der Tapferkeit der Bevölkerung von Myanmar.
UA: Allein aus meiner Abteilung haben 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mich eingeschlossen, das Büro geräumt, um am 4. Februar am Streik teilzunehmen. Wir haben vielen Herausforderungen widerstanden, ganz zu schweigen von den Drohungen und Nötigungen des Militärs, das uns dazu zwingen will, die Arbeit wieder aufzunehmen. Sie wollen den Anschein erwecken, alles sei business as usual – aber unser Streik stört dieses Bild. Ich habe erst vor ein paar Tagen einen Brief erhalten, in dem ich von meiner Arbeit suspendiert wurde, weil ich mich weiterhin für die Bewegung engagiere. Nach 25 Dienstjahren hat man mich einfach so suspendiert.
»Seitdem wir unsere Arbeitsplätze geräumt haben, mussten viele von uns untertauchen. Ich bin bereits zweimal mit meiner Familie umgezogen – weil es für uns nicht sicher ist, lange an einem Ort zu bleiben.«
Als meine Kollegen und ich anfingen, uns am zivilen Ungehorsam zu beteiligen, haben uns unsere Vorgesetzten davon abgeraten. Sie haben uns sogar einen Brief geschrieben, in dem sie uns davor warnten, uns in die Politik einzumischen – wir sollten die Konsequenzen bedenken. Aber wir sagten ihnen, dass uns niemand anderes helfen könnte, und dass wir unsere Geschichte selbst schreiben müssten. Also wurden wir Teil des Civil Disobedience Movement.
Wir sind entschlossen, dem Putsch Widerstand zu leisten, aber uns stehen auch Herausforderungen entgegen. Seitdem wir unsere Arbeitsplätze geräumt haben, mussten viele von uns untertauchen. Das Militär nutzt jeden Vorwand, um uns wegen unseres CDM-Engagements zu verhaften. Ich bin bereits zweimal mit meiner Familie umgezogen – weil es für uns nicht sicher ist, lange an einem Ort zu bleiben, und auch aufgrund unserer sich verschlechternden finanziellen Situation.
Seit Februar haben wir die monatlichen Gehaltszahlungen, die vom Militär ausgestellt würden, abgelehnt. Jetzt haben wir nicht nur kein Einkommen, wir haben es auch schwer, neue Arbeit zu finden. Denn viele Arbeitgeber wollen Leute wie mich, die Teil der Bewegung sind, nicht einstellen, weil dann Probleme mit dem Militär drohen.
Wir erhalten von Zeit zu Zeit kleine Spenden von Freundinnen und Bekannten, aber das reicht kaum, um uns über Wasser zu halten. Wir sind immer weiter vom Stadtzentrum weggezogen, um Miete zu sparen. Jetzt haben wir vorübergehend eine Wohnung am Stadtrand von Yangon gemietet. Das macht es für mich noch schwieriger, Arbeit zu finden.
MT: Wie U Aung habe auch ich seit drei Monaten kein Gehalt mehr bekommen. Ich lebe jetzt bei meiner alten und gebrechlichen Mutter.
Schon vor dem Putsch und bevor ich mich der Bewegung anschloß, war unsere finanzielle Lage nicht gut. Wir hatten eine Menge Schulden. Wir hatten medizinische Ausgaben, für die wir Geld benötigten. Jetzt, da mein Einkommen komplett weggefallen ist, sind unsere Schulden exponentiell gestiegen, weil wir uns immer wieder Geld von Freunden und Bekannten leihen müssen, um Lebensmittel zu kaufen und die Miete zu bezahlen.
Im März wurden wir aufgrund unserer Teilnahme am zivilen Ungehorsam aus unserem staatlichen Wohnkomplex, der Bahnangstellten und ihren Familien zur Verfügung stand, vertrieben. Seitdem habe ich Schwierigkeiten, für mich und meine Mutter eine Bleibe zu finden.
Was kann die NUG tun, um den Streikenden zu helfen?
UA: Was wir brauchen, ist eine monatliche finanzielle Unterstützung von der NUG. Ich bete in diesen Tagen, dass niemand in meiner Familie krank wird, denn ich könnte es mir nicht leisten, für die medizinischen Kosten aufzukommen. Ich habe kaum genug Geld, um eine Packung Antibiotika für meine Familie zu bezahlen, geschweige denn eine medizinische Behandlung. Uns geht das Geld aus, uns gehen die Lebensmittel und Medikamente aus, und uns gehen die Möglichkeiten für eine Unterkunft aus.
»Wir werden bis zuletzt kämpfen, aber wir brauchen die Hilfe der NUG, um finanziell überleben zu können.«
MT: Es wäre sehr hilfreich, wenn die NUG den Streikenden monatliche Gehälter zahlen würde, um sie in dieser Zeit in ihrer Lebenshaltung zu unterstützen. Das Militär weiß, wer an der Bewegung teilnimmt und wer nicht, denn es sieht, wer noch zur Arbeit erscheint. Sie haben eine Liste, auf der unsere Namen stehen – und die unserer Familienmitglieder. Wir alle könnten jederzeit verhaftet werden.
Für mich als Frau ist die Gefahr, im Falle einer Verhaftung körperlich verletzt zu werden, besonders hoch. Es gibt Berichte, wonach weibliche Gefangene in Verhörzentren vom Militär misshandelt und sexuell missbraucht werden.
Wir werden bis zuletzt kämpfen, aber wir brauchen die Hilfe der NUG, um finanziell überleben zu können.
DS: Die NUG ist keine Regierung wie in normalen Zeiten, sondern eine Revolutionsregierung. Wir stehen vor ganz anderen Problemen – zum Beispiel haben wir damit zu kämpfen, überhaupt ein Bankkonto in den USA zu eröffnen. Deshalb bitten wir die US-Regierung, uns als rechtmäßig anzuerkennen. Es gibt vieles, das wir für die Menschen in Myanmar tun könnten. Aber dazu muss uns die internationale Gemeinschaft erst ermächtigen.
Sobald wir durch die internationale Gemeinschaft anerkannt sind, werden wir in der Lage sein, als die Regierung von Myanmar zu fungieren. Wir werden Zugang zu den internationalen Märkten haben und in der Lage sein, uns bei internationalen Währungsinstitutionen Geld zu leihen.
Myanmar ist ein reiches Land. Allein durch Gas und Öl nimmt das Militär jeden Monat über 100 Millionen Dollar ein. Min Aung Hlaing und seine Kumpanen stecken sich diesen Reichtum, der der Bevölkerung zusteht, in die eigene Tasche. Und mit diesem Geld kaufen sie in China und Russland Waffen, um hier auf Menschen zu schießen. So einfach ist das.
Eine Menge Menschen arbeiten sehr hart hinter den Kulissen. Ich stehe regelmäßig in Kontakt mit Leuten in Dänemark, Schweden und Norwegen, die die Bewegung unterstützen. Wir haben ein paar Millionen Dollar an Spenden aus den USA erhalten, aber bei der Überweisung nach Myanmar treten immer wieder logistische und sicherheitstechnische Schwierigkeiten auf. Das Bankensystem ist zusammengebrochen, auch weil dessen Angestellte streiken. Das hat den Geldfluss innerhalb des Landes zum Stocken gebracht.
Unsere Ministerinnen von der NUG treffen sich täglich mit Vertretern der Bewegung. Wir haben Koordinationskomitees gebildet, damit uns die Streikenden vor Ort mitteilen können, ob unsere Hilfe Wirkung zeigt. Wir können vielleicht nicht allen Hunderttausenden von ihnen helfen. Aber diese Koordinationskomitees sind von der Dorfebene bis zur Township-Ebene eingerichtet, und sie decken alle 333 Townships im ganzen Land ab.
Aber wir müssen noch mehr tun. Zum Beispiel hat die NUG in den letzten Monaten etwa 70.000 Dollar an Spenden nach Chin State geleitet – tatsächlich brauchen wir aber etwa 1 Million Dollar monatlich für jeden Bundesstaat, und in den ärmeren, wie etwa in Chin State, vielleicht sogar mehr. Es gibt zwar Währungsreserven im Ausland, aber wir können sie nicht anzapfen, weil wir noch nicht als Regierung anerkannt sind. Das ist derzeit unser Hauptproblem.
Kürzlich habe ich mit unseren Verbündeten in der EU gesprochen und dabei auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Fabrikarbeitern im privaten Sektor zu helfen. Mit der Schließung der Fabriken aufgrund von Covid-19 und dem Putsch sind viele arbeitslos geworden. Sie haben immer noch Familien zu ernähren und Rechnungen zu bezahlen. Was macht man da?
Deshalb fordern wir die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Hilfen für Myanmar zu erhöhen – aber durch zivilgesellschaftliche Organisationen, UN-Einrichtungen oder gemeindebasierte Organisationen, nicht über das Militär.
Unser Kampf ist ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Demokratie und Diktatur. Das muss unsere letzte Revolution sein – unsere Generation muss dieser Schreckensherrschaft ein Ende setzen, damit die Kinder unserer Kinder nicht das gleiche Schicksal ereilt. Wir werden nicht aufgeben.