24. Oktober 2024
Klaus-Michael Kühne ist der reichste Mann Deutschlands und Erbe des Logistikimperiums Kühne + Nagel. Wie sehr sein Konzern, der einst als »nationalsozialistischer Musterbetrieb« ausgezeichnet wurde, vom NS profitiert hat, vertuscht er bis heute.
Logistik-Tycoon Klaus-Michael Kühne in Hamburg.
An einem Donnerstagnachmittag Mitte November 2023 spaziert ein älterer Herr über den Ohlsdorfer Zentralfriedhof in Hamburg, dem viertgrößten Friedhof der Welt. Er will die letzte Ruhestätte seines Lieblingsfußballspielers besuchen. Doch dann bemerkt er etwas Ungewöhnliches: Jemand hat »Nazi Kapital« auf das Familiengrab der Kühnes gesprüht; hinzu kommt der kryptische Tag »M-Aktion« auf Alfred Kühnes Grabstein.
Es handelt sich hier nicht um irgendeine Familiengruft. Die Kühnes sind Teil der absoluten Geld-Elite Deutschlands. Klaus-Michael Kühne, das einzige Kind von Alfred und Mercedes Kühne, ist laut dem Milliardärsindex von Bloomberg mit einem geschätzten Vermögen von 44 Milliarden Dollar der reichste Mensch des Landes. Der 87-jährige Milliardär verdankt sein Vermögen der Firma Kühne + Nagel, dem größten Speditionsunternehmen der Welt. Gegründet wurde es 1890 von Kühnes Großvater und Friedrich Nagel. Enkel Kühne hat das Unternehmensvermögen genutzt, um ein globales Transportimperium aufzubauen. Nebenbei ist er auch Großaktionär bei der Lufthansa, beim Schiffsbauer Hapag-Lloyd, beim Chemiekonzern Brenntag, beim HSV sowie bei dem Konzern, dem die Greyhound-Buslinien in Nordamerika gehören. Allein im Jahr 2023 konnte Kühne laut Bloomberg 4,5 Milliarden Dollar an Dividenden einstreichen.
In Deutschlands diskreter aber gut vernetzter Reichenszene, wo sich Adels- und Industriellenerben auf Jagdpartys treffen oder in den Alpen gemeinsam Ski fahren, gilt Kühne eher als Einzelgänger. Trotz seiner Milliarden bewegt er sich meist außerhalb der Machtzirkel und wird nur gelegentlich in exklusiven Finanz- und Handelsetablissements wie dem Hamburger Übersee-Club gesichtet (einem rund hundert Jahre alten, von der Warburg-Bankendynastie gegründeten Treff für Privatmitglieder). Kühne, der sich selbst einmal als »anstrengend, ungeduldig und unbequem« in der Zusammenarbeit bezeichnet hat, zieht die Abgeschiedenheit vor, sei es auf seinem Anwesen und Büro in der Nähe des Zürichsees, in seinem Chalet in den Schweizer Alpen, auf seiner Yacht oder in seiner Villa auf Mallorca. Obwohl er seit fast fünfzig Jahren in der Schweiz gemeldet ist, betont Kühne gerne seine Wurzeln und sein Aufwachsen in Hamburg.
Kühne ist der Hansestadt so verbunden, dass er in den vergangenen Jahren zu ihrem größten privaten Investor und Philanthropen geworden ist. Er hat mehr als 100 Millionen Euro in den HSV investiert und weitere 100 Millionen in die Entwicklung des Luxushotels Fontenay (ihm gehört darüber hinaus das Fünf-Sterne-Hotel Castell Son Claret auf Mallorca.) Ebenso spendete er mehr als 70 Millionen Euro für die Kühne Logistics University, eine private Wirtschaftshochschule in der Hafencity, und unterstützte den Bau der Elbphilharmonie. Kühne verhandelt aktuell mit dem Hamburger Senat über die Finanzierung eines neuen Opernhauses und erklärte gegenüber der größten Zeitung der Stadt, seine gemeinnützige Stiftung sei bereit, bis zu 300 Millionen Euro für den Bau bereitzustellen.
Kühnes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit ist über die Jahre hinweg nahezu unverändert geblieben. Er erscheint als massige Gestalt im Anzug, mit eisgrauem Haar, das aussieht, als sei es mit einem Lineal gescheitelt worden; seine Augen blicken starr geradeaus; seine Gesichtszüge sind kantig, einschließlich seines ausgeprägten Überbisses. Seine Frau Christine lernte er erst spät kennen, bei einem Urlaub in den Schweizer Bergen. Sie heirateten im Dezember 1989, als er 52 und sie 51 Jahre alt waren. Kühne schreibt ihr handschriftliche Gedichte zum Hochzeitstag und zu ihrem Geburtstag, erzählte er der Zeit. Manchmal gebe sie ihm spontan ein Ständchen mit Arien von Puccini. Keiner von beiden mag Männer mit Bärten, weiß die Bild zu berichten. Deshalb habe sich der Kapitän ihrer Riesenjacht Chrimi III (für Christine und Michael) rasieren müssen, bevor er angeheuert wurde.
Die einzige Person, die Klaus-Michael Kühne mehr verehrt als seine Frau, ist sein verstorbener Vater Alfred, dem er mit 29 Jahren als Geschäftsführer von Kühne + Nagel folgte. 1975 hatten Klaus-Michael und sein Vater den Firmensitz von Kühne + Nagel aus steuerlichen Gründen von Deutschland nach Schindellegi, einem Schweizer Bergdorf bei Zürich, verlegt. Die einzige Dekoration an der Wand des Board Rooms bei Kühne + Nagel ist ein Porträt von Alfred. Über seinen Vater sagte Klaus-Michael Kühne einst: »Am meisten habe ich von ihm gelernt. Unternehmen müssen individuell geführt werden – wie ein Familienbetrieb.«
Ein Problem gibt es mit Alfred allerdings: Das Unternehmen profitierte unter seiner Führung von der Verfolgung der europäischen Jüdinnen und Juden unter den Nazis. Sehr bald nach Hitlers Machtübernahme drängten Alfred und sein Bruder Werner (Klaus-Michaels Onkel) ihren jüdischen Teilhaber bei Kühne + Nagel aus dem Betrieb. Während des Zweiten Weltkriegs transportierte das Unternehmen im Rahmen der sogenannten M-Aktion (einer Abkürzung für »Möbelaktion«) geraubtes jüdisches Eigentum, vor allem Einrichtungsgegenstände, Bücher und Kunst, aus besetzten westeuropäischen Ländern nach Nazi-Deutschland. Zwischen 1942 und 1944 wurden innerhalb von zwei Jahren fast 70.000 Wohnungen von Jüdinnen und Juden in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Luxemburg systematisch geplündert, nachdem ihre früheren Bewohnerinnen und Bewohner per Zug in Ghettos und Vernichtungslager deportiert worden waren. Das zuständige deutsche Einsatzkommando gehörte zur nach dem einflussreichen NSDAP-Ideologen Alfred Rosenberg benannten NS-Organisation, die sich während des Krieges mit der Aneignung von Eigentum befasste. Nach Kriegsende entgingen die Kühne-Brüder möglicherweise aufgrund ihrer Verbindungen zu amerikanischen, britischen und deutschen Geheimdiensten einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung.
»Kühne + Nagel gehört damit in eine Kategorie wie die Firmen, die Zyklon B für den Einsatz in den Gaskammern verkauft oder die Krematorien in den Vernichtungslagern gebaut haben.«
Kühne + Nagel hatte ein Quasi-Monopol im Rahmen der M-Aktion, erklärt Frank Bajohr, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien in München. »Selbst an den entlegensten Orten war die Firma, die die Möbeltransporte durchführte, immer Kühne + Nagel«, so Bajohr. »Kühne + Nagel gehört damit in eine Kategorie wie die Firmen, die Zyklon B für den Einsatz in den Gaskammern verkauft oder die Krematorien in den Vernichtungslagern gebaut haben«. Er fügt hinzu: »Der Transport gestohlener Güter von Menschen nach deren Deportation ist ein besonders schmutziges Geschäft, das ich nicht nachvollziehen kann«. Gerade außerhalb Deutschlands ist die Rolle des Konzerns und der Familie Kühne im Dritten Reich heute kaum bekannt.
Deutsche Großunternehmen wie die Deutsche Bank, Volkswagen und Bertelsmann haben vor Jahren ihre Archive geöffnet, um Historikerinnen und Historikern die Möglichkeit zu geben, die lukrativen Kollaborationen mit den Nazis zu erforschen und zu dokumentieren. Die in Auftrag gegebenen Studien förderten beispielsweise zutage, dass die Deutsche Bank die Enteignung Hunderter jüdischer Unternehmen unterstützte und den Bau von Auschwitz mitfinanzierte; dass Zehntausende Männer und Frauen als Zwangs- und Sklavenarbeiter für die Massenproduktion von Waffen in Werken von Volkswagen eingesetzt wurden; und dass Bertelsmann antisemitische Literatur veröffentlichte und jüdische Zwangsarbeiterinnen ausbeutete. Im Jahr 2000 erklärten sich die drei Firmen zusammen mit mehr als 6.500 deutschen Unternehmen – darunter auch Kühne + Nagel – bereit, rund 2,5 Milliarden Dollar in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen, mit dem überlebende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter finanziell entschädigt werden sollten. Die Archive von Kühne + Nagel bleiben indes weiterhin verschlossen.
Im Jahr 2022 erklärte Kühne gegenüber der Schweizer Sonntagszeitung, Firmenunterlagen aus der NS-Zeit seien nicht mehr vorhanden, da die Firmenarchive in Hamburg und Bremen durch alliierte Bombenangriffe im Krieg zerstört wurden. Ein Verzeichnis deutscher Firmenarchive aus den 1990er Jahren zeigt, dass mindestens zehn Aktenmeter mit Archivordnern über Kühne + Nagel vorhanden sein müssten. Dies würde höchstwahrscheinlich einiges an Material aus der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs beinhalten, da die Sammlung laut der Indexseite für Kühne + Nagel bereits im Jahr 1902 beginnt. Das gegebenenfalls noch verbleibende Material sei aber »nur mit Genehmigung der Geschäftsleitung« einsehbar, heißt es.
Im Gespräch mit der Sonntagszeitung verglich Kühne das Anheuern externer, unabhängiger Historikerinnen und Historiker mit Erpressung: »Uns sprachen einige an, die das gerne gemacht hätten und dafür einige Hunderttausend Euro verlangten. Die sagten, wir wären dazu verpflichtet. Das fand ich fast ein bisschen erpresserisch«, so Kühne gegenüber der Zeitung. »Da habe ich gesagt: Das machen wir nicht. Wir haben nichts zu verbergen, wir bekennen uns zu unserer Schuld«. Kühne erklärt allerdings nicht, warum er eine Studie, die er selbst in Auftrag gegeben haben soll, nicht veröffentlichen will.
Zum Hintergrund: Anfang 2014 soll Kühne anlässlich des 125-jährigen Jubiläums von Kühne + Nagel im Juli 2015 das Handelsblatt Research Institute, die unabhängige Forschungseinrichtung des Handelsblatts, mit einer Studie über die gesamte Geschichte seines Familienunternehmens beauftragt haben. Man habe den Forschenden auch Zugang zum Firmenarchiv in Hamburg gewährt und ihnen wissenschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit garantiert, bestätigen mit der Angelegenheit vertraute Personen. Als das Endergebnis Anfang 2015 an Kühne geschickt wurde, einschließlich eines Kapitels über die Aktivitäten seines Vaters, seines Onkels und der Firma insgesamt während des Dritten Reiches, habe er die Veröffentlichung der Studie jedoch abgelehnt. Kühne wies die Ergebnisse demnach in einem Telefongespräch mit den Worten zurück: »Mein Vater war kein Nazi«.
Als die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich weigerten, das betreffende Kapitel zu ändern, erklärte Kühne den Quellen zufolge, dass die Studie nicht veröffentlicht werden würde, und beendete das Gespräch. Das 180 Seiten lange Dokument, das vertraglich gesichert im Besitz von Kühne + Nagel ist, bleibt daher bis heute unveröffentlicht und unzugänglich. Jan Kleibrink, der Geschäftsführer des Handelsblatt Research Institute, wollte weder bestätigen noch dementieren, dass Kühne eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben hat und/oder dass er die Ergebnisse unter Verschluss hält.
Kühne selbst wollte sich gegenüber Vanity Fair nicht äußern. Dominique Nadelhofer, die Sprecherin des Milliardärs, seiner Stiftung und von Kühne + Nagel, lehnte es ebenfalls ab, detaillierte Fragen zu beantworten. Sie betonte lediglich per E-Mail, Kühne sei bei Ende des Zweiten Weltkriegs sieben Jahre alt gewesen und habe somit nichts mit dem Krieg zu tun gehabt.
In den vergangenen Jahrzehnten war es unter deutschen Politikerinnen und Politikern Konsens, moralische Verantwortung für die deutschen Verbrechen vor und während des Zweiten Weltkriegs zu übernehmen. Die »Erinnerungskultur« galt als vorbildlich und als zentrales Element in der deutschen Gesellschaft. Doch dies ist nicht in Stein gemeißelt und scheint sich zu ändern: Während die letzten Zeitzeugen der NS-Zeit sterben und die kulturelle Erinnerung an das Dritte Reich verblasst, attackiert der erstarkende rechte Flügel progressive(re) Ideale. Das zeigt sich unter anderem im Aufstieg der AfD, die bei den EU-Parlamentswahlen sowie in mehreren Landtagswahlen bekanntlich Rekordergebnisse erzielen konnte.
»Dass Kühne sich weigert, die Nazi-Vergangenheit seiner Familie und seines Unternehmens öffentlich zu thematisieren, spielt revisionistischen Bewegungen in die Hände.«
»Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte«, meinte der damalige AfD-Parteichef Alexander Gauland schon 2018. Der extremistische Flügel der AfD steht für diverse antisemitische, islamophobe und geschichtsrevisionistische Ausfälle, inklusive der Verharmlosung von Naziverbrechen bis hin zur Leugnung des Holocaust. Im Mai und Juli 2024 wurde beispielsweise Björn Höcke zweimal zu Geldstrafen verurteilt, weil er in seinen Wahlkampfreden die verbotene Nazi-Parole »Alles für Deutschland« verwendete. Höcke kritisiert unter anderem das Holocaustmahnmal in Berlin; die Deutschen seien »das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat«. Es brauche »nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad«.
Klaus-Michael Kühnes politische Haltung könnte derweil mit »marktliberal-konservativ« umrissen werden. Im Gespräch mit der Welt sagte er 2017: »Ich glaube, dass der Zuspruch für die AfD wieder abschmelzen wird. Rechte Bewegungen haben in Deutschland keinen Halt«. Seit 2021 hat er rund 200.000 Euro an die CDU gespendet. Einmal erklärte er, er könne sich auch vorstellen, für die Grünen zu stimmen.
Dennoch: Dass Kühne sich weigert, die Nazi-Vergangenheit seiner Familie und seines Unternehmens öffentlich zu thematisieren, spielt revisionistischen Tendenzen und Bewegungen in die Hände, warnt Henning Bleyl, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Bremen. Auch er beschäftigt sich seit 2015 mit den Aktivitäten von Kühne + Nagel während des Krieges. »Schon in den vergangenen Jahrzehnten war es inakzeptabel, dass sich Kühne einem ehrlichem Umgang mit dem Agieren seiner Familien in der NS-Zeit verweigert hat«, sagt Bleyl. »Nun aber wird es erst recht zu einem Politikum, weil, wie ich es sehe, sich Kühne mit dieser Haltung bei denen einreiht, die deutsche Geschichte von ihrer NS-Vergangenheit entlasten wollen.«
Interviews sowie von Vanity Fair neu gesichtetes Material aus Amsterdam, Bremen, Hamburg, München, Montreal und Washington zeigen, in welchem Ausmaß die Gebrüder Kühne und ihre Firma über Nazi-Verbindungen Geld machen konnten. Demnach begannen Alfred und Werner Kühne viel früher als bisher bekannt, von der Judenverfolgung zu profitieren – bereits Jahre vor Beginn des Weltkriegs und nur wenige Monate nach Hitlers Machtübernahme im Januar 1933.
Denn schon Ende April 1933 drängten die Brüder Kühne ihren jüdischen Partner und Firmen-Teilinhaber Adolf Maass (der mehr als dreißig Jahre bei Kühne + Nagel gearbeitet hatte) aus dem Unternehmen. Dem damals 57-jährigen Maass gehörten 45 Prozent der Hamburger Niederlassung von Kühne + Nagel, die er 1902 gegründet hatte und die der größte und profitabelste Teil des Unternehmens war. Als Friedrich Nagel 1907 ohne Erben starb, fielen seine weiteren Anteile dem Firmen-Mitbegründer August Kühne zu, dem Vater von Alfred und Werner. August starb 1932.
Laut einem datierten und unterzeichneten Vertrag im Familienarchiv der Maass’ im Holocaust-Museum von Montreal überschrieb Adolf Maass am 22. April 1933 seine Anteile und Ansprüche an der Firma ohne Gegenleistung an die Brüder Kühne. Der Grund: Angeblich war Maass nicht in der Lage, die »übernommenen Kapitalverpflichtungen« gegenüber den Kühnes und dem Unternehmen zu erfüllen. Solche Begründungen wurden in Nazi-Deutschland zu einer gängigen Methode, um jüdische Aktionäre zu enteignen und teils aus ihren eigenen Firmen zu verdrängen.
»Ein weiterer Wachstumsmotor für Kühne + Nagel war aber offenbar eine Vereinbarung mit den nationalsozialistischen Behörden, geplündertes Eigentum von Jüdinnen und Juden aus Westeuropa nach Deutschland zu transportieren.«
»Dies war kein freiwillig eingegangener und ordentlicher Geschäftsvertrag«, meint Frank Bajohr mit Blick auf die damaligen Vorgänge bei Kühne + Nagel. »Die Kühnes haben die politische Situation zu ihrem Vorteil genutzt. Es ist ja kein Zufall, dass dieser Vertrag direkt im Frühjahr 1933 formuliert wurde. Maass hätte einen solchen Vertrag in den Jahren vor Hitlers Machtübernahme nicht unterzeichnet. Hier handelt es sich um eine sogenannte Arisierung«. Weiter erklärt er: »Die Grundidee eines Arisierungsvertrags bestand darin, jüdisches Eigentum vollständig zu beseitigen und das Unternehmen in seiner Gesamtheit an nichtjüdische Eigentümer zu übergeben, in diesem Fall die Kühnes.«
Neun Tage nach dem Rausschmiss von Maass wurden die beiden Kühne-Brüder NSDAP-Mitglieder, wie ihre Entnazifizierungsakten im Bremer Staatsarchiv zeigen. In den folgenden Jahren entwickelten sie ihr Unternehmen zu einem »nationalsozialistischen Musterbetrieb«. Diesen Ehrentitel gab das Nazi-Regime Kühne + Nagel im Jahr 1937 (in dem auch Klaus-Michael geboren wurde). In ihren Entnazifizierungsverfahren würden die Kühne-Brüder später erklären, dass sich aus Maass’ jüdischer Abstammung schon bald nach der Machtübernahme durch die NSDAP »ernste Schwierigkeiten« für die Firma und sie persönlich ergaben. Dennoch sei Maass freiwillig aus dem Unternehmen ausgeschieden. »Irgendeinen persönlichen wirtschaftlichen Vorteil« hätten die Kühnes aus dem »Auseinandersetzungsabkommen mit ihm nicht gehabt«.
1938 erwarb Kühne + Nagel dann die Hamburger Niederlassung des tschechischen Transportunternehmens Alfred Deutsch. Deren Eigentümer war der jüdische Unternehmer Leo Lewitus, der von den Nazi-Behörden gezwungen wurde, seinen Betrieb zu verkaufen. In einem 180 Seiten langen Schriftwechsel, den Vanity Fair im Hamburger Staatsarchiv einsehen konnte, hielten Vertreter der damaligen Führungsriege von Kühne + Nagel nüchtern fest, bei der Übernahme des Unternehmens Alfred Deutsch habe es sich um eine Arisierung gehandelt.
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs bot den Brüdern Kühne dann erste Gelegenheiten zur Expansion ins Ausland. Im Zuge der militärischen Erfolge der Wehrmacht wuchs auch Kühne + Nagel rasch: Das Transportunternehmen verfügte Anfang 1939 über sieben Niederlassungen in Deutschland; Ende 1944 waren es mindestens 26 im gesamten von den Nazis besetzten Europa, wie ein Abgleich der Briefköpfe des Unternehmens aus den Jahren vor und während des Krieges zeigt. Das Unternehmen gibt an, die deutsche Armee mit Nachschub versorgt zu haben. Ein weiterer Wachstumsmotor für Kühne + Nagel war aber offenbar eine Vereinbarung mit den nationalsozialistischen Behörden, geplündertes Eigentum von Jüdinnen und Juden aus Westeuropa nach Deutschland zu transportieren. Dies geschah im Rahmen der M-Aktion vom Frühjahr 1942 bis Juli 1944.
Als durch alliierte Bombenangriffe immer mehr Häuser und Büros in Deutschland zerstört wurden, stieg die Nachfrage nach Haushaltsgegenständen und Möbeln sprunghaft an. Im Januar 1942 beschloss Hitler, sämtliches bewegliches Eigentum von Jüdinnen und Juden, die in Westeuropa zur Deportation vorgesehen waren, nach Deutschland zu bringen und dort verteilen zu lassen. Ein von Vanity Fair im Archiv des Niederländischen Instituts für Kriegs-, Holocaust- und Genozidstudien in Amsterdam entdecktes Logbuch eines Rotterdamer Frachters gibt einen Einblick in den enormen Umfang dieser Aktionen: In den Aufzeichnungen werden 360 Schiffe gelistet, die zwischen Juni 1942 und August 1943 im Auftrag der NS-Behörden vom Amsterdamer Büro von Kühne + Nagel gechartert wurden und laut einer handschriftlichen Notiz, die dem Logbuch beiliegt, von Jüdinnen und Juden konfiszierte Möbel transportierten. Der Frachtbrief eines einzigen Schiffes verzeichnet beispielsweise 307 Kisten mit Besteck und Porzellan, 105 Betten, 93 Bettgestelle, 91 Öfen, 62 Nachttische, 32 Uhren, 17 Bügelbretter, 11 Schirmständer, 10 Liegestühle und 2 Kinderwagen, die im Dezember 1942 von Amsterdam nach Bremen verschifft wurden.
»Die Geschäftsführung von Kühne & Nagel war über die laufende Enteignung der Jüdinnen und Juden gut informiert. Es ist möglich, dass die Führungskräfte nicht wussten, dass die Eigentümer der von ihnen transportierten Güter ermordet werden sollten. Dennoch trugen sie auf ihre Weise zur ökonomischen Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden bei«, schreibt der Historiker Johannes Beermann-Schön von der Goethe-Universität Frankfurt.
»Obwohl die Kühne-Brüder von amerikanischen Ermittlern als ›hochrangige Nazi-Industrielle‹ bezeichnet wurden, folgte in den Entnazifizierungsverfahren 1948 lediglich eine Einstufung als ›Mitläufer‹. Somit gab es keine weiteren rechtlichen Konsequenzen.«
Doch es blieb nicht »nur« bei enteigneten Möbeln: Kühne + Nagel transportierte auch geraubte Kunstgegenstände. Diese erreichten offenbar nicht immer ihr Ziel. Das US-amerikanische Office of Strategic Services, ein Vorgänger der CIA, fand Monate nach Kriegsende heraus, dass Kühne + Nagel beispielsweise 1944 eine Lieferung von 14 Gemälden auf dem Weg von Paris nach Deutschland verloren hatte. Gustav Rochlitz, ein deutscher Kunsthändler in Paris, der während des Krieges Raubkunst erworben hatte, hatte die Gemälde im Rahmen der Möbelaktion aufgekauft. Die verschwundene Lieferung enthielt laut einem OSS-Dokument vom August 1945 (das von Vanity Fair in den National Archives in Washington gefunden wurde) unter anderem sieben Gemälde von Matisse und jeweils eines von Picasso, Modigliani, Gauguin, Cézanne, Manet und Pissarro. Auktionsaufzeichnungen deuten darauf hin, dass diese Werke – sofern es sich bei ihnen tatsächlich um Originale handelte – auf dem heutigen Kunstmarkt einen Wert von mehreren zehn, wenn nicht gar hundert Millionen Dollar hätten.
Das Dritte Reich und der Transport von Raubgut während des Zweiten Weltkriegs machten auch die Brüder Kühne sehr reich: Nachdem Maass im Frühjahr 1933 ausgebootet war, verdienten Alfred und Werner laut ihren Entnazifizierungsakten durchschnittlich etwa 175.000 Reichsmark pro Jahr – das würde heute in etwa 3,1 Millionen Euro Jahresgehalt entsprechen. Höhepunkt war 1942, als die M-Aktion Fahrt aufnahm: In diesem Jahr verdienten die Kühnes umgerechnet etwa 4,2 Millionen Euro pro Kopf.
Obwohl die Brüder von den amerikanischen Ermittlern als »hochrangige Nazi-Industrielle« und von den britischen Behörden nach dem Krieg als »wichtige Nazis« bezeichnet wurden, folgte in den Entnazifizierungsverfahren 1948 lediglich eine Einstufung als »Mitläufer«. Somit gab es keine weiteren rechtlichen Konsequenzen. In ihren Entnazifizierungsakten im Staatsarchiv Bremen wird die Möbelaktion nicht erwähnt.
Nach dem Krieg wurde Kühne + Nagel unter anderem wichtig für einen von der CIA unterstützten Vorläufer des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes, wie die Welt 2015 berichtete. Der deutsche Geheimdienst nutzte einige Büros des Transportunternehmens als Basis für seine Agenten. In der Entnazifizierungsakte von Alfred Kühne befindet sich ein als »Top Secret« eingestufter Brief des britischen Geheimdienstes vom 17. Februar 1948 an das amerikanische Entnazifizierungskomitee in Bremen. Ein Vertreter des britischen Geheimdienstes, der in dem Brief zwar seinen Dienstgrad »Generalmajor« angibt, nicht aber seinen Namen, schreibt darin: »Es wird als entscheidend für bereits laufende Operationen angesehen, dass Herr Alfred Kühne in eine solche Kategorie entnazifiziert wird, dass er sein Unternehmen behalten kann [...] Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns in dieser Angelegenheit unterstützen könnten, da es um die Sicherheit in den britischen und amerikanischen Besatzungszonen geht.« Kurz nach dem Versand des Briefes wurden die Vermögenswerte der Kühnes, die im Rahmen ihres Entnazifizierungsverfahrens eingefroren worden waren, an sie zurückgegeben und die beiden wieder in ihre alten Führungspositionen bei Kühne + Nagel eingesetzt.
1952 wurde Alfred zum alleinigen Hauptaktionär des Unternehmens, nachdem Werner nach Südafrika ausgewandert war, wo er Mitte der 1950er Jahre kinderlos starb. Klaus-Michael, Alfreds einziges Kind und damit designierter Nachfolger, begann 1958 im Alter von 21 Jahren in der Firma zu arbeiten und übernahm acht Jahre später die Leitung.
In den folgenden sechs Jahrzehnten hat Klaus-Michael Kühne das Unternehmen Kühne + Nagel zu einem globalen Logistikriesen ausgebaut. Er verlegte den Firmensitz in die Schweiz, verkaufte Anteile, um Liquidität zu sichern, und kaufte diese später zurück, um die Kontrolle über das Unternehmen wieder zu übernehmen.
Im Jahr 2023 erwirtschaftete Kühne + Nagel einen Umsatz von etwa 30 Milliarden US-Dollar, beschäftigte mehr als 80.000 Angestellte und unterhielt 1.300 Niederlassungen in rund 100 Ländern. »Ich habe viel zu viel gearbeitet in meinem Leben«, sagte der Milliardär dem schweizerischen Magazin Bilanz mit Blick darauf. Darunter habe auch das Privatleben gelitten: dass er mit Christine keine Kinder hat, sei »natürlich traurig«, so Kühne in der Sonntagszeitung. »Die dritte Generation ist die letzte in der Familie. Als Familienunternehmer finde ich es schade, dass ich das Unternehmen persönlich nicht vererben kann.« Möglicherweise ist der 78-Jährige auch deshalb sehr darauf bedacht, sein Vermächtnis zu sichern und zu kontrollieren – insbesondere mit Blick auf die Frage, wie man sich in seiner Herzensstadt Hamburg an ihn erinnern wird.
Bis 2023 war Kühne Hauptsponsor des Harbour Front Literaturfestivals. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis für Literatur trug sogar seinen Namen. Das galt bis 2022, als zwei Nominierte betonten, sie würden den Preis nicht annehmen, da Kühne sich weiterhin weigere, sich mit der Nazi-Vergangenheit seiner Firma und seiner Familie auseinanderzusetzen. Der Preis wurde später umbenannt. Gegenüber der taz erklärte die Kühne-Stiftung, man fühle sich »im höchsten Grade ungerecht behandelt«. Bald darauf stellte sie das Sponsoring des Festivals ein. 2024 fand es nicht statt, weil kein Hauptsponsor gefunden wurde, der die Kühne-Stiftung ersetzen konnte.
Der Autor Sven Pfizenmaier war der erste der zwei Nominierten, der ankündigte, den Kühne-Preis gegebenenfalls nicht anzunehmen. »Ich bin kein Fan von Milliardären im Allgemeinen. Milliardäre, die vom Nationalsozialismus profitiert haben, dies leugnen und sich durch die Finanzierung von Kunst reinwaschen wollen, sind meiner Ansicht nach besonders schlimm. Deshalb habe ich es getan«, erklärt Pfizenmaier am Telefon.
Indes heißt es im ersten Satz der »Investor Relations« auf der Website von Kühne + Nagel: »Wir glauben, dass Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz in all unserem Handeln das Vertrauen unserer Stakeholder stärken.« Wenn es an die dunkle Geschichte des Unternehmens geht, ist Kühne jedoch alles andere als offen und transparent. Im April 2015 plante ein regionaler Fernsehsender in Deutschland eine kurze Dokumentation über die Rolle von Kühne + Nagel bei den M-Aktionen im Zweiten Weltkrieg. Kurz vor der Ausstrahlung des Films schrieb Kühne an den Sender und bat diesen, das Senden der 22-minütigen Doku noch einmal zu überdenken, da dadurch »alte Wunden wieder aufgerissen« würden.
Kühnes dreiste Bitte (die vom Sender zurückgewiesen wurde) formulierte er nur wenige Monate, nachdem er die bereits angesprochene Studie des Handelsblatt Research Institute, die er laut Quellenangaben zum 125-jährigen Jubiläum von Kühne + Nagel in Auftrag gegeben hatte, stillschweigend in den Schubladen hatte verschwinden lassen.
»Hoch über dem Ufer, mit Blick auf das Arisierungsmahnmal, thront die Zentrale von Kühne + Nagel.«
Im Vorfeld der Ausstrahlung der TV-Doku veröffentlichte das Transportunternehmen eine defensive Erklärung auf seiner Website. Darin heißt es: »Wie andere Unternehmen, die bereits vor 1945 bestanden, war Kühne + Nagel in die Kriegswirtschaft eingebunden und musste in dunklen und schwierigen Zeiten seine Existenz behaupten [...] Kühne + Nagel ist sich der schändlichen Vorkommnisse während der Zeit des Dritten Reiches bewusst und bedauert sehr, dass es seine Tätigkeit zum Teil im Auftrag des Nazi-Regimes ausgeübt hat. Zu berücksichtigen sind die seinerzeitigen Verhältnisse in der Diktatur sowie die Tatsache, dass Kühne + Nagel die Kriegswirren unter Aufbietung aller seiner Kräfte überstanden und die Existenz des Unternehmens gesichert hat.« Es ist bis dato die einzige offizielle Stellungnahme des Unternehmens zu seinen Aktivitäten während der NS-Zeit. Abgesehen von dieser Erklärung herrscht auf der Website von Kühne + Nagel Schweigen über die Vergangenheit; einen Bereich über die Unternehmensgeschichte gibt es nicht.
Während das Unternehmen also seit 2015 schweigt, hat Kühne persönlich auf die Kritik reagiert, er und sein Unternehmen hätten sich nicht ausreichend mit der Beteiligung der Firma an NS-Verbrechen auseinandergesetzt. »Ich hätte Verständnis gehabt, wenn man zehn, zwanzig Jahre nach dem Krieg diese Dinge infrage gestellt hätte. Da war alles noch in frischer Erinnerung. Da lebten ja auch noch diejenigen, die damals verantwortlich waren. Aber man ist siebzig Jahre später darauf zurückgekommen. Das halte ich für merkwürdig«, so Kühne im Interview mit der Sonntagszeitung von Januar 2022. »Irgendwann muss mal Gras über die Dinge wachsen. Das ist meine grundsätzliche Einstellung. Wichtig ist, Lehren aus den damaligen Vorkommnissen zu ziehen.«
An einem schwülen Sonntagmorgen Anfang September 2023 versammelten sich etwa 300 Menschen am Weserufer in der Bremer Innenstadt. Sie waren vor Ort, um der Einweihung eines Denkmals beizuwohnen, das an die systematische Ausplünderung der europäischen Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland in Form von Arisierungen erinnert. Der gewählte Standort ist kein Zufall: Hoch über dem Ufer, mit Blick auf das Arisierungsmahnmal, thront die Zentrale von Kühne + Nagel.
»Wenn Kühne stirbt, wird er sein 44-Milliarden-Dollar-Vermögen seiner Familienstiftung hinterlassen. Die Kühne-Stiftung wird gemessen an der Höhe des Stiftungsvermögens dann zu einer der größten privaten Wohltätigkeitsorganisationen der Welt werden.«
Unten am Ufer saß Barbara Maass damals in der ersten Reihe. Die Enkelin von Adolf und Käthe Maass war zur Einweihung des Denkmals aus Montreal angereist. Nachdem Adolf Maass 1933 bei Kühne + Nagel ausgebootet worden war, schickte das Ehepaar seine drei Kinder umgehend ins Ausland: den ältesten Sohn nach England, die Tochter in die USA und Barbaras Vater nach Kanada. Adolf und Käthe konnten Nazi-Deutschland nicht mehr rechtzeitig verlassen. Sie wurden im Mai 1944 in Auschwitz ermordet. Leo Lewitus, der 1938 seine Firma Alfred Deutsch an die Brüder Kühne verlor, überlebte den Holocaust und wanderte nach Israel aus.
Barbara Maass ist nicht Klaus-Michael Kühnes Auffassung, dass »Gras über die Dinge« wachsen sollte. »Ich glaube – vielleicht naiverweise – dass wir aus der Vergangenheit lernen können, aber dazu muss man eben wissen, was in der Vergangenheit tatsächlich passiert ist«, sagte Maass in einem Interview in ihrer Heimat Montreal. »Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind immer relevant. Heute müssen ebenso moralische Entscheidungen getroffen werden, so wie es sie auch in der Vergangenheit gab. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Wahrheit gesagt werden muss.«
Henning Bleyl von der Böll-Stiftung hatte acht Jahre lang versucht, die Stadt Bremen vom Bau des Arisierungsmahnmal zu überzeugen. Es sei wichtig, dass Kühne sich vor seinem Tod mit der Nazi-Vergangenheit seines Unternehmens und seiner Familie auseinandersetzt, so Bleyl: »Gerade in dieser angespannten Zeit in Deutschland würde Kühne als reichster Mann des Landes ein starkes Zeichen setzen, indem er mit Blick auf die Vergangenheit reinen Tisch macht.« Mit seiner Stiftung habe er sich eine wichtige Position in der deutschen Öffentlichkeit aufgebaut: »Er könnte diese zum Guten nutzen und seinen inneren Frieden finden, wenn er sich nur von diesem Pflichtgefühl gegenüber der Firma und seiner Familie befreit.«
Thomas Sorg arbeitete 45 Jahre lang bei Kühne + Nagel Deutschland und lieferte sich als Betriebsratsvorsitzender einige Kämpfe mit dem Firmeninhaber. Er glaubt nicht, dass Kühne die Nazi-Vergangenheit des Unternehmens vor seinem Tod aufarbeiten lassen wird. »Wenn Klaus-Michael Kühne etwas nicht will, dann will er es nicht. Punkt.«, betonte Sorg bei einem Empfang in Bremen nach der Einweihung des Mahnmals. Kühne werde alles tun, »um das Andenken seines Vaters«, den er über allen Maßen verehrt habe, zu schützen.
Wenn Kühne stirbt, wird er sein 44-Milliarden-Dollar-Vermögen – einschließlich der Mehrheit der Kühne + Nagel-Aktien – seiner Familienstiftung hinterlassen. Die Kühne-Stiftung wird gemessen an der Höhe des Stiftungsvermögens dann zu einer der größten privaten Wohltätigkeitsorganisationen der Welt werden. Sie konzentriert sich auf die Bereiche Logistik, Medizin, Klima und Kultur. Klaus-Michael Kühne persönlich weiß bereits, was nach seinem Tod geschehen soll: Ein Platz auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, direkt neben seinem Vater, ist für ihn reserviert.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der »Vanity Fair« erschienen und wurde von »JACOBIN« ins Deutsche übersetzt. Die Übersetzung erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors.
David de Jong ist Journalist und Autor von »Braunes Erbe«.