10. September 2022
Karl Marx wird immer wieder vorgeworfen, er habe ein europäisches Entwicklungsmodell auf den Globalen Süden projiziert. Wer genauer hinschaut, erkennt: Seine Sicht auf die Weltgeschichte war weitaus komplexer.
Karl Marx' Grab auf dem Highgate Cemetery in London.
IMAGO / imagebrokerDas Interesse an Karl Marx’ Kritik des Kapitalismus ist wiedererwacht und damit auch die Kritik an seinem Werk. Was alle dieser Kritiken gemein haben, ist die Behauptung, der Marxismus sei tot, nicht mehr zeitgemäß und längst von aktuelleren Theorien und Ereignissen überholt.
Doch wenn der Marxismus tot ist, warum fühlen sich seine Kritikerinnen und Kritiker dann weiter dazu genötigt, ihren Standpunkt immer und immer wieder zu betonen und zu »beweisen«?
Die Antwort liegt auf der Hand: Der Marxismus ist nie wirklich gestorben, auch wenn er in den letzten 150 Jahren mehrmals untergegangen, für tot erklärt und wiederbelebt wurde. Und so müssen die Kritikerinnen und Kritiker von Marx immer wieder von neuem versuchen, ihn zu begraben – bisher ohne Erfolg.
Der üblichen liberalen Auffassung zufolge führt der marxistische Sozialismus zum Totalitarismus und schließlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch. Kurz gesagt: Marxistische »Experimente« – siehe die Sowjetunion – sind gefährlich. Daher sollten wir uns an die praktikablere Alternative, den liberalen Kapitalismus, halten. Die Große Rezession und das Erstarken starker faschistischer Tendenzen in der Ära Donald Trumps haben jedoch wachsende Zweifel an der Zukunft des Kapitalismus und der liberalen Demokratie geweckt und so die Grundlage für derartige Argumente geschwächt.
Ein weit verbreiteter Vorwurf an Marx, vor allem unter progressiven Intellektuellen, lautet, Marx sei Eurozentrist gewesen. Er sei ein Denker des 19. Jahrhunderts, dessen Werk im Widerspruch zu den antirasstistischen und antikolonialen Vorstellungen des 21. Jahrhunderts steht. Diese Kritik zog insbesondere im Nachhall von Edward Saids Werk Orientalismus (1978) weite Kreise.
Said diagnostizierte Marx zwei große Defizite. Erstens habe er an einer allgemeinen Geschichtsdarstellung beziehungsweise einer einheitlichen stufenweisen Abfolge der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung festgehalten. Dieser Sichtweise zufolge verwendete Marx ein auf der westeuropäischen Geschichte basierendes unilineares Modell ohne wirkliche Rechtfertigung, um nicht-kapitalistische Gesellschaften außerhalb dieser Region zu analysieren und zu beurteilen. Zweitens beschreibt Said Marx’ Darstellungen nicht-westlicher Gesellschaften als ethnozentristisch und rassistisch.
Als Teil der ersten Kritik schreibt Said, für Marx sei der europäische Imperialismus Teil des Vormarsches der »historischen Notwendigkeit« gewesen, der zu einem Fortschritt für die gesamte Menschheit führen würde. Marx’ Schriften, stellt Said fest, zeigen ein überraschendes Maß an Unterstützung für den britischen Kolonialismus. Er bezieht sich dabei auf einen Text über Indien aus dem Jahr 1853 im New York Tribune.
Darin beschreibt Marx die Briten als »überlegen und daher für die indische Zivilisation unzugänglich«, wohingegen er Indien als eine statische Gesellschaft darstellt, die nicht einmal in der Lage sei, dem Imperialismus nennenswerten Widerstand zu leisten. Said charakterisiert Marx’ Position wie folgt: »Selbst bei der Zerstörung Asiens ermöglichte Großbritannien dort eine echte soziale Revolution.«
Das vielleicht eklatanteste Beispiel der Art von Äußerungen, auf die sich Said bezieht, findet sich jedoch nicht in den Schriften über Indien von 1853, sondern fünf Jahre früher, im Kommunistischen Manifest (1848). Hier scheinen Marx und Friedrich Engels das imperialistische Vordringen in China zu loben:
»Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, selbst die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigen Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich einzuführen, das heißt Bourgeois zu werden.«
An dieser Stelle im Manifest scheint Marx nicht nur den »Fortschritt« zu feiern, den der Kolonialismus mit sich brachte. Er bezeichnet die Chinesinnen und Chinesen auch noch abschätzig als »Barbaren«. An diese Ausdrucksweise knüpft Saids Kritik des Ethnozentrismus an.
Er ordnet Marx in die Reihe der westeuropäischen Denker »von [Ernest] Renan bis Marx« ein, die ein »System von Wahrheiten, Wahrheiten im Sinne Nietzsches« entwickelten: »Es ist daher richtig, dass jeder Europäer in dem, was er über den Orient sagen konnte, folglich ein Rassist, ein Imperialist und fast völlig ethnozentrisch war.«
Sind diese Argumente zutreffend? War Marx wirklich ein Eurozentrist im doppelten Sinne des Wortes: sowohl ein Theoretiker, der eine abstrakte Gesamterzählung konstruierte, die die Geschichte und Kultur der Welt unter die Westeuropas subsumierte, als auch ein Ethnozentrist mit einer mindestens herablassenden (wenn nicht noch schlimmeren) Einstellung gegenüber Gesellschaften außerhalb Westeuropas?
Die Beantwortung dieser Frage ist alles andere als einfach. Im Gegensatz zu einigen Marxistinnen und Marxisten bin ich der Meinung, dass diese Behauptungen zwar überzogen sind, wir ihre Gültigkeit aber teilweise anerkennen müssen, zumindest wenn es um Marx’ frühe Schriften über nicht-westliche Gesellschaften aus den Jahren 1848–1853 geht. Gleichzeitig lässt sich die Behauptung von Marx als Eurozentristen nicht halten, wenn man seine gesamten Schriften im Zeitraum von 1841–1883 untersucht. Denn er war ein Denker, der sein konzeptionelles Instrumentarium ständig überarbeitete und weiterentwickelte.
Zum einen sind jene Bemerkungen, die wir heute als euro- und ethnozentristisch werten, nicht die einzigen Äußerungen, die Marx selbst in seinen frühen Schriften über Indien und China trifft. So enthält seine problematische Schrift über Indien von 1853 auch Passagen wie diese:
»Die Inder werden die Früchte der neuen Gesellschaftselemente, die die britische Bourgeoisie in ihrem Lande ausgestreut, nicht eher ernten, bis in Großbritannien selbst die heute herrschenden Klassen durch das Industrieproletariat verdrängt oder die Inder selbst stark geworden sind, um das englische Joch ein für allemal abzuwerfen. Auf jeden Fall aber können wir mit aller Bestimmtheit erwarten, in mehr oder weniger naher Zukunft Zeugen einer Erneuerung dieses großen und interessanten Landes zu sein, dessen edler Menschenschlag …, dessen unerschrockener Mut … die britischen Offiziere in Erstaunen gesetzt hat, dessen Land die Wiege unserer Sprachen, unserer Religionen gewesen [ist].«
An dieser Stelle bringt Marx nicht nur seine große Wertschätzung für die indische Kultur und Zivilisation zum Ausdruck, sondern er tritt auch als einer der in dieser Zeit seltenen europäischen Verfechter der indischen Unabhängigkeit auf.
Zum anderen änderte sich Marx’ Sichtweise auf Indien und China in den Jahren 1856–58 erheblich, als Reaktion auf den massiven Widerstand, den diese Gesellschaften gegen den britischen Imperialismus leisteten. In Artikeln für die Tribune, die selten diskutiert werden, konzentriert sich Marx nicht auf ihre »Rückständigkeit«, sondern auf die koloniale Brutalität des Zweiten Opiumkriegs Großbritanniens gegen China – eine Ansicht, die beispielsweise in einem Artikel im Tribune von 1856 zum Ausdruck kommt:
»Die unbescholtenen Bürger und friedlichen Kaufleute von Kanton wurden abgeschlachtet, ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht und die Ansprüche der Menschlichkeit verletzt ... die Chinesen haben mindestens neunundneunzig Verletzungen zu beklagen, die Engländer nur eine.«
Auch als 1857 in Indien der Sepoy-Aufstand ausbrach, sprach sich Marx in der Tribune für die indischen Aufständischen und gegen die Briten aus. In einem Brief an Engels aus dem Jahr 1858 bezeichnete er sie außerdem als »unsere besten Verbündeten« in einer Zeit, in der die europäische arbeitende Klasse in eine Ruheperiode eingetreten war.
Hinzu kommt, dass Marx seine Vorstellung von den Stufen der historischen Entwicklung in den späten 1850er Jahren wesentlich überarbeitete. In der Deutschen Ideologie von 1846 entwerfen Marx und Engels eine Theorie sozioökonomischer Stufen, die sie später als Produktionsweisen bezeichnen: staatenlose Sippengesellschaften, die Sklavengesellschaften Griechenlands und Roms und der auf Leibeigene basierende Feudalismus des mittelalterlichen Westeuropas, gefolgt vom Kapitalismus mit seinem Regime formal freier Lohnarbeit und schließlich, in die Zukunft projiziert, einem modernen Kommunismus, der auf »freier und assoziierter Arbeit« basiert. Das sind, kurz gesagt, die »primitiven«, sklavischen, feudalen, bürgerlichen und sozialistischen Produktionsweisen.
In den Jahren 1857–58 erweiterte Marx diesen Rahmen jedoch in seinen Grundrissen. Neben den griechisch-römischen und feudalen Systemen Europas führt er eine asiatische Produktionsweise ein, die er insbesondere mit den vorkolonialen Agrarreichen in Indien, China und dem Nahen Osten in Verbindung bringt. Marx erwähnt diesen erweiterten Rahmen auch im Kapital, wo er von der »asiatischen, antiken, feudalen und modernen bürgerlichen Produktionsweise« schreibt.
Wir können diese sogenannte asiatische Produktionsweise als Gegenstück zu den griechisch-römischen und feudalen Gesellschaften begreifen. Das Konzept, das nie im Detail entwickelt wurde, ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass Marx nicht versucht hat, die gesamte Menschheitsgeschichte in das Schema Sklaverei-Feudalismus-Kapitalismus zu pressen. Leider bestand der größte Teil der marxschen Anhängerschaft – vor allem in der Sowjetunion – darauf, vorkapitalistische Klassengesellschaften außerhalb Westeuropas, einschließlich weitgehend zentralisierter Agrarreiche mit bedeutenden städtischen Zentren, in die Zwangsjacke des Feudalismus zu pressen.
Diese Fragen wurden zu einem zentralen Thema in Marx’ späten Schriften von 1877–82. Er studierte zu dieser Zeit anthropologische und sozialgeschichtliche Werke über eine Vielzahl von Agrar- und Hirtengesellschaften außerhalb Westeuropas, von Indien bis Lateinamerika und von Russland bis Nordafrika. Inzwischen hatte er Russisch gelernt, um die Sozialstruktur des Landes zu erforschen, in dem zu seiner großen Überraschung 1872 die erste vollständige Übersetzung von Das Kapital erschien.
Große Teile seiner Forschungsnotizen aus dieser Zeit, vor allem über Indien, sind publiziert worden, und die Veröffentlichung weiterer Texte ist geplant. Marx schrieb unter anderem zwei konzeptionell wichtige Briefe über eine dieser Agrargesellschaften, Russland.
Zu dieser Zeit war Russland noch von einer überwiegend agrarischen Sozialstruktur geprägt, die auf lokaler Ebene auf Dorfgemeinschaften basierte. Diese Gemeinden standen zwar unter der Kontrolle einer despotischen Monarchie, die in den landbesitzenden Klassen verwurzelt war, besaßen jedoch ein gewisses Maß an kollektivem Eigentum und Arbeitsregelungen, die mit den stärker individualisierten sozialen Strukturen des westeuropäischen Feudalismus nicht vereinbar waren.
Marx greift in diesen Briefen zwei wichtige Fragen auf. Erstens: Ist Russland dazu bestimmt, den Entwicklungsweg Westeuropas zu beschreiten? Zweitens: Haben die kommunalen Dörfer ein revolutionäres, antikapitalistisches Potenzial, oder müssen ihre Bewohner erst ihres Landes beraubt werden, um in einem Prozess, den Marx als »primitive Kapitalakkumulation« bezeichnet, ein aus Lohnarbeitern bestehendes Industrieproletariat zu bilden?
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass er diese Überlegungen über Russland in Verbindung mit anderen Agrargesellschaften im Globalen Süden anstellte, die er in seinen letzten Jahren untersuchte. In einem 1877 an russische radikale Intellektuelle gerichteten Brief bestreitet Marx vehement, dass er eine allgemeine, transhistorische Theorie der gesellschaftlichen Entwicklung aufgestellt habe:
»Ereignisse von einer schlagenden Analogie, die sich aber in einem unterschiedlichen historischen Milieu abspielten, führten also zu ganz verschiedenen Ergebnissen. Wenn man jede dieser Entwicklungen für sich studiert und dann miteinander vergleicht wird man leicht den Schlüssel zu dieser Erscheinung finden, aber man wird niemals dahin gelangen mit dem Universalschlüssel einer allgemeinen geschichtsphilosophischen Theorie, deren größter Vorzug darin besteht, übergeschichtlich zu sein.«
Marx scheint hier avant la lettre den Vorwurf zurückweisen zu wollen, er halte an einer eurozentrischen »großen Erzählung« fest.
Russische Intellektuelle fragten sich damals, ob die russische Gesellschaft, wenn sie sich weiterentwickeln wolle, »zwangsläufig« dazu bestimmt sei, dem westeuropäischen Weg zu folgen. Zu diesem Punkt schreibt Marx in einem Brief an die russische Revolutionärin Wera Sassulitsch im Jahr 1881:
»Bei der Analyse der Entstehung der kapitalistischen Produktion sage ich: ›Dem kapitalistischen System liegt also die radikale Trennung des Produzenten von den Produktionsmitteln zugrunde … Die Grundlage dieser ganzen Entwicklung ist die Expropriation des Ackerbauern. Sie ist auf radikale Weise erst in England durchgeführt … Aber alle anderen Länder Westeuropas durchlaufen die gleiche Bewegung.‹ Die ›historische Unvermeidlichkeit‹ dieser Bewegung ist also ausdrücklich auf die Länder Westeuropas beschränkt.«
Auch hier betont Marx, dass er kein unilineares Modell der gesellschaftlichen Entwicklung auf Grundlage des westeuropäischen Entwicklungspfades entworfen habe. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass er in seinen Forschungsaufzeichnungen über Indien aus dieser Zeit ausdrücklich die Annahme kritisierte, dass das vorkoloniale Indien eine Feudalgesellschaft war.
In dieser Zeit griff Marx auch die sozialen Widersprüche innerhalb der russischen Gesellschaft auf, in der sich inzwischen eine bedeutende revolutionäre Bewegung entwickelt hatte. Er bestritt gegenüber seinen russischen Gesprächspartnern nicht nur, dass seinen Theorien zufolge ihre kommunalen Dörfer »zwangsläufig« in einem westlich geprägten Prozess der primitiven Akkumulation zerstört werden müssten. Er sah diese Dörfer auch als soziale Basis für eine neue Art von revolutionärer Bewegung.
Diese Bewegung würde, so Marx, parallel zu der der europäischen Arbeiterklasse verlaufen, ihr aber nicht entsprechen. Das schreiben Marx und Engels im Vorwort zu einer russischen Ausgabe des Manifests von 1882:
»Wird die russische Revolution das Signal einer proletarischen Revolution im Westen, so dass beide einander ergänzen, so kann das jetzige russische Gemeineigentum am Boden zum Ausgangspunkt einer kommunistischen Entwicklung dienen.«
In diesem Zusammenhang legt Marx ein mehrstufiges Revolutionskonzept vor, in dem die russischen Bauernkommunen zu wichtigen Verbündeten der industriellen arbeitenden Klassen Westeuropas werden könnten. Er geht sogar noch weiter und argumentierte, dass ein solcher Bauernaufstand an der Peripherie des Kapitalismus der »Ausgangspunkt« einer europaweiten revolutionären Bewegung werden könnte.
Gleichzeitig war Marx nie ein Befürworter einer agrarsozialistischen Autarkie. Er war der Ansicht, dass eine bäuerliche Revolution in Russland ohne Verbindungen zu weiter entwickelten Ländern allein nicht zu einer lebensfähigen Form des modernen Kommunismus führen konnte. Stattdessen plädierte er für eine globale Revolution gegen ein globales System der Beherrschung und Ausbeutung, den Kapitalismus.
Der späte Marx entfernt sich also von jeder Art unilinearer Entwicklungstheorie, die auf Westeuropa zugeschnitten ist und in die der Rest der Welt konzeptionell eingezwängt werden muss. Seine späten Schriften zeugen nicht von einer herablassenden Haltung gegenüber den Gesellschaften an der Peripherie des Kapitalismus, sondern sie bringen genau das Gegenteil zum Ausdruck. Marx nimmt darin eine Theoretisierung ihres revolutionären Potenzials vor.
Ähnliche Argumentationen wie in diesem Essay wurden bereits in der Zeit vorgebracht, zu der Edward Saids Kritik an Marx zunehmend Anklang fand. In Raya Dunayevskayas Rosa Luxemburg, Women’s Liberation, and Marx’s Philosophy of Revolution (1981) und in Teodor Shanins Late Marx and the Russian Road (1983) trat die Vorstellung eines späten Marx in den Vordergrund, der eine multi-lineare, wahrhaft globale Perspektive auf Gesellschaft und Revolution, einschließlich der Geschlechterfrage entwickelte.
In der Ära des Neoliberalismus, des Poststrukturalismus, der Postmoderne und angesichts der ständigen Verkündung des »Aussterbens« des Marxismus fanden diese Interpretationen keine große Beachtung. Doch seither sind einige marxistische Antworten auf Edward Saids Argumentation in Orientalismus verfasst worden. Darunter hervorzuheben sind Aijaz Ahmads Werk In Theory von 1992 und Gilbert Achcars 2013 erschienenes Buch Marxism, Orientalism, Cosmopolitanism. Auch die Diskussionen über den späten Marx haben sich nach und nach entwickelt, etwa durch Autorinnen und Autoren wie Heather Brown, Marcello Musto und David Norman Smith sowie durch mein eigenes Buch, Marx at the Margins. Mit der Rückkehr zur marxschen Theorie in den letzten Jahren hoffe ich, dass auch solche Perspektiven ihren Moment gefunden haben.
Kevin B. Anderson ist Professor für Soziologie. Er lehrt an der University of California, Santa Barbara. Er ist Autor von Lenin, Hegel, and Western Marxism (1995) und Marx at the Margins (2010).