30. September 2025
Als Nepal 2008 eine Republik wurde, weckte dies Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel. Die Unfähigkeit der linken Parteien, diese zu erfüllen, ist die Wurzel der Gen-Z-Revolte der letzten Wochen.
Protest auf den Straßen von Kathmandu, Aufnahme vom 9. September 2025.
Im vergangenen Monat hat es in Nepal die heftigsten Proteste seit fast zwei Jahrzehnten gegeben. Unmittelbarer Auslöser war ein Social-Media-Verbot seitens der Regierung, doch der Protest weitete sich rasch zu einer landesweiten Revolte gegen tieferliegende sozioökonomische Probleme wie Korruption, Arbeitslosigkeit und die allgemeine autoritäre Entwicklung des Landes aus.
Zehntausende junge Menschen strömten auf die Straßen von Kathmandu, Pokhara und Biratnagar. Sie rissen Absperrungen nieder, lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei und verschafften ihrem Unmut Gehör, insbesondere in der Hauptstadt.
Die Reaktion des Staates kam umgehend und brutal in Form von Gummigeschossen, Wasserwerfern, Tränengas und sogar scharfer Munition. Stand Mitte September waren mindestens 72 Menschen ums Leben gekommen und weit über 2.000 verletzt worden.
Die sogenannte Gen-Z-Bewegung in Nepal ist Teil einer breiteren Protestwelle in der Region. Von Colombo 2022, wo die sri-lankische Bevölkerung ihren Präsidenten in die Flucht schlug, bis hin zu den großen Protesten in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka 2024/25, die zum Sturz der Regierung von Sheikh Hasina führten: In den vergangenen Jahren und Monaten erhoben sich die Menschen in Südasien immer wieder gegen Eliten, die es nicht schaffen, die grundlegendsten Lebensbedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen.
Nepal ist in diesem anhaltenden Protestzyklus in der Region ein besonderer Fall. Im Land war erst vor siebzehn Jahren die Monarchie abgeschafft und eine föderale demokratische Republik eingeführt worden. Deren Bilanz ist niederschmetternd – und gerade die Generation, die um 2008 geboren wurde und unter dem Banner der Republik aufgewachsen ist, führt nun einen Aufstand gegen genau diese Republik und ihre Korruption, Armut und Verrat.
Um zu verstehen, warum, müssen wir auf die Revolution von 2008 zurückblicken, die fast ebenso schnell wieder beendet war, wie sie begonnen hatte. Jahrhundertelang war Nepal von Monarchen regiert worden, die eine streng hierarchische und ungleiche Gesellschaft sicherstellten. Diese Ordnung begann im Juni 2001 zu bröckeln, als König Birendra und ein Großteil der königlichen Familie bei einem Massaker im Palast getötet und sein Bruder Gyanendra auf den Thron gesetzt wurde.
»Die radikale Energie, mit der die Monarchie gestürzt worden war, versandete in den staatlichen Institutionen.«
Der neue König zeigte bald autoritäre Neigungen: Im Jahr 2005 löste er das Parlament auf, verhängte den Ausnahmezustand und zensierte die Presse. Die folgende Gegenreaktion 2006 wurde im Land als »Jan Andolan II« (Volksbewegung II) bekannt. Millionen Menschen strömten auf die Straßen, trotzten Ausgangssperren und gewaltsamer Repression. Arbeiter-, Bauern-, Studierendenschaft und Frauen marschierten gemeinsam und zwangen den König, das Parlament wieder einzusetzen. Zwei Jahre später, im Mai 2008, wurde die Monarchie offiziell abgeschafft und Nepal zur »föderalen demokratischen Republik« erklärt.
In einer Zeit, in der die globale Linke mit den Auswirkungen des neoliberalen Triumphs zu kämpfen hatte, bewiesen die nepalesischen Kommunisten eine seltene politische Widerstandsfähigkeit. Die Maoisten des Landes wurden – auch dank ihres bereits jahrzehntelang praktizierten Widerstands – zur größten Fraktion im neuen Parlament. Für viele Menschen auf der ganzen Welt bot Nepal Anlass zu Optimismus: Das kleine Land im Himalaya wirkte wie ein Beweis dafür, dass revolutionäre Kämpfe die Massen immer noch zum Sieg führen können.
Die ersten Jahre der Republik waren von hohen Erwartungen geprägt. Die Maoisten versprachen eine Landreform, Gleichberechtigung für die »unberührbaren« Dalits und Frauen sowie die Anerkennung vormals unterdrückter Nationalitäten. Die neue Republik sollte auf den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Teilhabe aufgebaut werden. Man wollte die Grundlage für eine egalitäre Gesellschaft schaffen.
Doch die Revolution kam fast umgehend zum Stillstand. Nachdem sie bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung 2008 fast zwei Fünftel der Sitze gewonnen hatten, gaben die Maoisten die Massenmobilisierung zugunsten parlamentarischer Manöver auf. Dieses Feld war für sie vermint: Schließlich zeigte sich das Parlament als ein Bereich, in dem die innenpolitischen Gegner die Unterstützung der indischen Führung genossen, die darauf bedacht war, zu verhindern, dass das kleine Nachbarland zu weit nach links rückte.
Die Kommunistische Partei Nepals – Vereinigte Marxisten-Leninisten (CPN-UML) war ihrerseits sowohl politischer Rivale als auch zeitweise Verbündeter der Maoisten. Die CPN-UML ist dabei eine weit weniger radikale Kraft, als ihr Name vermuten lässt: Sie war seit Anfang der 1990er Jahre ein etablierter Akteur mit zeitweiliger Regierungsbeteiligung und ausgeprägter Klientelpolitik.
Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung zog sich über Jahre hin; die Parteiführer tauschten Ministerposten und Abkommen hin und her. Die radikale Energie, mit der die Monarchie gestürzt worden war, versandete in den staatlichen Institutionen. Nachdem es ihnen nicht gelungen war, die vorgeschlagene neue Verfassung zu verabschieden, verloren die Maoisten bei den folgenden Wahlen zur zweiten verfassungsgebenden Versammlung 2013 einen Großteil ihrer Unterstützung und landeten hinter der CPN-UML und der Nepalesischen Kongresspartei.
»Dieselben Parteien, die einst Befreiung versprochen hatten, waren zu reinen Verwaltern neoliberaler Reformen geworden.«
2018 schlossen sich die Maoisten und die CPN-UML zur geeinten Kommunistischen Partei Nepals zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Maoisten 53 Sitze im Parlament, ihre Kooperationspartner 121. Mit dieser deutlichen parlamentarischen Mehrheit verfügte die neue Partei über mehr Macht als jede andere linke Kraft in der Geschichte Nepals.
Doch statt zur Transformation kam es erneut zur Lähmung. Premierminister K. P. Sharma Oli löste 2020 das Parlament auf – im offensichtlichen Bestreben, die eigene Macht zu festigen. Dieser Schritt wurde später vom Obersten Gerichtshof rückgängig gemacht. Die gerade erst geeinte Partei spaltete sich bald wieder in ihre beiden Bestandteile. Das Ergebnis: Die Linke war zersplittert und diskreditiert.
Eine Koalition unter dem maoistischen Parteichef Prachanda als Premierminister war zwischen 2022 und 2024 erneut im Amt, bevor sie einer weiteren von Oli geführten Regierung Platz machte, die die Maoisten ausschloss. Diese letzte Regierung unter Oli führte dann das Social-Media-Verbot ein, das die jüngsten Unruhen auslöste.
Die kommunistischen Parteien Nepals hatten eine bedeutende Rolle bei der Mobilisierung von Millionen von Menschen gespielt, aber ihre begrenzten Programme ermöglichten und erleichterten eine nahtlose Integration in genau das kapitalistische System, das sie einst zu stürzen geschworen hatten. Schon zu einem früheren Zeitpunkt hatten sich Teile der parlamentarischen Linken, insbesondere die CPN-UML, bereit gezeigt, sich mit einer konstitutionellen Monarchie zufriedenzugeben. Erst der Druck der Massen im Jahr 2006 brachte das Thema Republik auf die Tagesordnung.
Die Maoisten hatten ihrerseits einen jahrzehntelangen »Volkskampf« geführt und verfügten daher über große Rückendeckung in den ländlichen Gebieten, wo extrem ungleiche Landbesitzverhältnisse für eine Situation gesorgt hatten, in der die Bauern in einer Art Leibeigenschaft lebten. Doch bei aller Militanz war der Aufstand auf dem Land nie in einer revolutionären Strategie verankert, die darauf abzielte, den Kapitalismus an sich zu beseitigen. Antifeudale Kämpfe, so populär sie auch sein mögen, führen nicht automatisch zu einer sozialistischen Programmatik.
Die von einer stalinistisch-maoistischen Orthodoxie geprägte Weltanschauung der Partei räumte dem bewaffneten Kampf in ländlichen Gebieten Vorrang ein, bot jedoch keine Vision für die Machtausübung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Städten oder den Aufbau sozialistischer Institutionen über den direkten Kampf hinaus. Als die Monarchie fiel, führte dieses Vakuum dazu, dass die Maoisten rasch vor einer parlamentarischen Politik und vor allem neoliberalen Entwicklungsmodellen kapitulierten.
Der rasche Übergang von einer antifeudalen Revolte zur neoliberal geprägten Regierungsführung war somit weniger Zufall als vielmehr die logische Konsequenz der ideologischen Beschränktheit der Bewegung.
Die Folgen dieser gescheiterten Revolution zeigen sich nun auf den Straßen Nepals. Indem sie einen Massenaufstand in reines parlamentarisches Taktieren umwandelte, schuf die kommunistische Führung eine klaffende Lücke zwischen den Wünschen des Volkes und dem tatsächlichen Agieren der staatlichen Institutionen. Für die arbeitende Bevölkerung veränderten sich die Lebensbedingungen nicht, die Bäuerinnen und Bauern erhielten weiterhin keine nennenswerten Zugewinne, und junge Menschen sahen für sich keine Zukunft über die Optionen Auswandern oder Arbeitslosigkeit hinaus.
»Eine ganze Generation, die mit dem republikanischen Versprechen von Wohlstand aufgewachsen war, erlebte stagnierende Löhne, explodierende Preise und den immer größeren Druck, ins Ausland abzuwandern.«
Dieselben Parteien, die einst Befreiung versprochen hatten, waren zu reinen Verwaltern neoliberaler Reformen geworden. Für die nach 2008 geborene Generation ist die Republik daher kein Symbol der Emanzipation, sondern steht für eine Reihe gebrochener Versprechen. Die Gen-Z-Bewegung ist in diesem Sinne die verspätete Abrechnung mit den faulen Kompromissen der Maoisten und der CPN-UML – eine Revolte nicht nur gegen die Korruption der heutigen Machthaber, sondern auch gegen die abgewürgte Revolution, die zwar eine Republik, aber keine echte Transformation hervorgebracht hat. Aufständische, die einst Millionen mobilisiert hatten, wurden zu Bürokraten, die Privilegien verteidigen. Die Monarchie war gestürzt worden, aber die revolutionäre Tür, die sie geöffnet hatte, wurde schnell von innen wieder zugeschlagen.
Ideologisch wurde diese Entwicklung durch die »Doktrin einer zweistufigen Revolution« untermauert: Nach Ansicht der Maoisten, der CPN-UML und anderer linker Parteien bestand die erste historische Aufgabe Nepals darin, eine bürgerlich-demokratische Transformation zu vollenden, indem feudale Strukturen ab- und die Republik aufgebaut würden. Erst nach dieser Phase – zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft – würde dann der Übergang zum Sozialismus möglich werden.
In der Praxis lieferte diese Theorie sowohl eine politische als auch eine moralische Rechtfertigung für die Eingliederung in das parlamentarische System. Nach dem Sturz der Monarchie konnten die linksgerichteten Parteiführungen ihr Eintreten für Konstitutionalismus, eine neoliberale Entwicklungspolitik und Kompromisse mit den Eliten als Teil einer »notwendigen Phase« statt als offenen Verrat darstellen. Indem sie die Einführung des Sozialismus auf eine nicht näher definierte Zukunft verschoben, legitimierten sie ihre eigene Kooptierung – und schwächten damit die Kräfte, die die Revolution erst ermöglicht hatten.
In der Theorie bietet die aktuelle Verfassung Nepals von 2015 einen beeindruckenden Katalog an Rechten: Gleichheit, Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum, Ernährungssouveränität, demokratische Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger und vieles mehr.
In der Praxis zeigt sich aber, dass diese Zusicherungen weitgehend leere Versprechen waren: Öffentliche Versorgungsleistungen sind unterfinanziert und von Korruption geplagt. Die Coronavirus-Pandemie hat die Schwächen des Systems offenbart; es kam zum regelrechten Kollaps: Krankenhäuser ging der Sauerstoff aus, Familien trugen ihre Toten durch die Straßen zu Krematorien, nachdem sie in den Notaufnahmen abgewiesen worden waren. Die Wirtschaft rutschte kontinuierlich ab, die Inflation stieg 2022/23 auf über 7 Prozent und die Preise für Lebensmittel und Treibstoff schnellten in die Höhe. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg auf 20 Prozent. Eine ganze Generation, die mit dem republikanischen Versprechen von Wohlstand aufgewachsen war, erlebte stagnierende Löhne, explodierende Preise und den immer größeren Druck, ins Ausland abzuwandern.
Die wirtschaftliche Basis der Republik veränderte sich nach 2008 dramatisch. Der Beitrag der Landwirtschaft, einst das ökonomische Rückgrat Nepals, ging stark zurück. Die wirtschaftliche Notlage veranlasste Millionen von Menschen auszuwandern.
»Zu Hause bleiben den Nepalesen kaum Alternativen zur Auswanderung – und im Ausland werden sie als Wegwerfarbeitskräfte behandelt.«
Heute machen Überweisungen von nepalesischen Arbeitern im Ausland fast ein Viertel des BIP aus – einer der höchsten Werte weltweit. Gerade junge Männer verlassen die Dörfer scharenweise; Familien leben teils ausschließlich von Überweisungen aus den Golfstaaten, Malaysia und Indien. Gleichzeitig kommen immer wieder Särge am Flughafen von Kathmandu an. Zu Hause bleiben den Nepalesen kaum Alternativen zur Auswanderung – und im Ausland werden sie als Wegwerfarbeitskräfte behandelt. Die Krise ist überall greifbar: Eine Republik, die einst Würde und Chancengleichheit versprach, hat stattdessen das reine Überleben auf Auswanderer und deren Rücküberweisungen outgesourct.
Zwar hat diese Überweisungswirtschaft tatsächlich dafür gesorgt, dass die absolute Armut verringert wurde. Ebenso hat sie aber Abhängigkeit und Ungleichheit verfestigt sowie die Klassenzusammensetzung Nepals verändert. Heute wird das Land von einer prekär und informell beschäftigten urbanen Arbeiterschaft sowie einer riesigen Diaspora ökonomisch am Leben erhalten. Der Staat erweist sich als unfähig, im eigenen Land anständige Arbeitsplätze zu schaffen.
Und noch weitere Versprechen der Maoisten wurden nicht erfüllt: Diskriminierung aufgrund von Kastenzugehörigkeit besteht fort, Frauen sind weiterhin systemisch benachteiligt, indigene Gruppen werden nach wie vor ausgegrenzt. Was einst als Republik für die Marginalisierten angedacht war, ist ein Staat geworden, der von neuen, alten, recycelten Eliten dominiert wird.
Während konkrete Verbesserungen ausblieben, wurde mit zunehmender Härte gegen Dissidenten vorgegangen. Dies umfasste die Verfolgung von Journalisten, die Überwachung von Aktivistinnen und die Unterdrückung von Protesten. Die demokratischen Freiräume, die 2006 geschaffen worden waren, sind nach und nach wieder geschrumpft.
Die Eliten wandten sich nationalistischen Ablenkungsmanövern zu, konzentrierten sich abwechselnd auf Indien und China und schoben Unzufriedenheit und Unruhen auf »versteckt agierende imperialistische Kräfte«. Sowohl die Linke als auch die Rechte beschuldigten vor allem die USA, die aktuellen Proteste zu orchestrieren. Zwar ist es richtig, dass imperialistische Mächte versuchen, Einfluss in Nepal auszuüben, doch ist diese Darstellung zu einer bequemen Ausrede geworden, um sich der Verantwortung für Hunger, Arbeitslosigkeit und Desillusionierung zu entziehen, die die Unruhen tatsächlich schüren.
»Da es an einem ideologischen Ventil mangelt, gewinnt royalistische Symbolik angesichts der Enttäuschung über korrupte Eliten an Sichtbarkeit.«
Die aktuelle Gen-Z-Bewegung steht für ein Wiederaufflammen von Widerstand. Sie ist eine Reaktion auf den jahrelang praktizierten politischen Status quo, in dem Eliten begünstigt und Millionen Menschen in Armut gehalten wurden. Menschen, die nach 2008 geboren wurden, stehen an der Spitze der heutigen Bewegung. Sie lehnen die etablierten Praktiken dieser Republik ab, die sie einmal erben sollen. Ihre Forderungen gehen über Meinungsfreiheit und formale bürgerliche und politische Rechte hinaus: Sie kritisieren offen die vorherrschende Korruption, Ungleichheit und den Verrat an den einstigen revolutionären Versprechen.
Der Aufstand hat die politische Landschaft Nepals bereits erschüttert (auch wenn er sie bisher nicht vollständig verändert hat): Premierminister Oli ist zurückgetreten und eine Übergangsregierung wurde gebildet. Ob diese Energie in einen dauerhaften Transformationsprozess umgewandelt werden kann, bleibt jedoch eine offene Frage.
Durch die Unruhen und die politische Instabilität scheinen sich neue Möglichkeiten für die nepalesische Rechte zu eröffnen, die bislang in der Gesellschaft eine Randerscheinung war. Monarchistische Kräfte, die königliche Flaggen schwenken und Stabilität durch eine Rückkehr zum alten Regime versprechen, haben durchaus an Bedeutung gewonnen. Angesichts der weit verbreiteten Enttäuschung über die Republik gewinnt ihre Botschaft an Attraktivität, auch wenn ihr politisches Programm für einen autoritären Rückschritt steht.
Dennoch ist schwer vorstellbar, dass eine Rückkehr zur monarchistischen Herrschaft gelingen könnte: Das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, das den Sturz der Monarchie erst ermöglicht hat, hat sich nicht grundlegend verändert. Die aktuelle republikanische Ordnung, so krisengeschüttelt sie auch sein mag, stützt sich auf ein solides Bündnis aus urbaner Mittelschicht, organisierten Jugendbewegungen und historisch marginalisierten Gruppen, die die nepalesische Monarchie nach wie vor als Synonym für Ausgrenzung und Autoritarismus verstehen. Diese Wählergruppen mögen zwar zersplittert sein, aber ihre kollektive Erinnerung an den Massenkampf und die Bilder des Jan Andolan II wirken nach wie vor als effektive Bremse für eine Rückkehr zur Monarchie.
Institutionell wurde der Staat nach 2008 neugestaltet. Die Legitimität der Republik wurde durch die Verkündung einer neuen Verfassung, die Umstrukturierung der repräsentativen Organe und die Eingliederung in global geltende demokratische Normen gefestigt. Auf internationaler Ebene haben darüber hinaus die Großmächte kaum Interesse daran, eine Rückkehr zur nepalesischen Monarchie zu unterstützen, denn die Republik sichert ihre eigenen Wünsche in Bezug auf Stabilität, Entwicklungszusammenarbeit und Marktzugang.
»Um das Vertrauen wiederherzustellen, muss die Linke interne Demokratie demonstrieren.«
Da es an einem ideologischen Ventil mangelt, mag royalistische Symbolik angesichts der Enttäuschung über korrupte Eliten an Sichtbarkeit gewinnen. Sie fungiert jedoch eher als Ausdruck von Protest denn als kohärentes politisches Projekt. Ohne eine grundlegende Änderung sowohl innerhalb der nepalesischen Klassendynamik als auch bei der Haltung der globalen Akteure bleibt eine Wiederbelebung der Monarchie eher ein Schreckgespenst als eine realistische Alternative.
Der Ball liegt somit im Feld der Linken. Nepal ist eines der wenigen Länder, in denen bekennende Kommunisten die Mehrheit im Parlament stellen. Doch sie haben die Chance vertan, indem sie die Mobilisierung der Massen zugunsten bürokratischer Hinterzimmerdeals aufgaben. Jetzt gilt es, wieder an die Wut auf den Straßen anzuknüpfen. Gewerkschaften, Bauernorganisationen und Studentenbewegungen müssen wiederbelebt werden.
Experimente wie die erfolgreiche Bürgermeisterkandidatur des parteilosen Balen Shah in Kathmandu zeigen, dass der Hunger nach Alternativen groß ist. Die Linke kann entweder mit einem Programm der radikalen Demokratie und sozialen Transformation auf diesen Hunger reagieren – oder sie muss zusehen, wie autoritäre und reaktionäre Kräfte das bestehende Vakuum füllen.
Die Linke in Nepal verfügt über eine starke organisatorische Basis sowie tiefe Wurzeln in der Gesellschaft und hatte einen zentralen Platz bei der Transformation hin zur Republik inne. Allerdings hat sie einen Großteil des Vertrauens verloren, das sie einst in der Bevölkerung genoss; jahrzehntelange Fraktionskämpfe und Opportunismus haben ihre Glaubwürdigkeit geschwächt. Um wieder an Bedeutung zu gewinnen, muss die Linke nicht nur die Beziehungen zwischen Partei(en) und Bevölkerung verbessern, sondern sich auch von der stalinistisch-maoistischen Orthodoxie befreien, die jegliche politische Vorstellungskraft erstickt hat.
Ein zentrales Hindernis ist das Fortbestehen der bereits erwähnten Zwei-Stufen-Theorie. Linke Führungszirkel haben diese konsequent genutzt, um Bündnisse mit reaktionären Kräften zu rechtfertigen sowie radikale Forderungen aufzuschieben, da dies taktisch notwendig oder schlichtweg pragmatisch und angemessen sei. Dieser Ansatz hat jedes Potenzial für eine Vertiefung der Demokratie oder ein Vorankommen in Richtung Sozialismus zunichtegemacht. Ein Loslösen von dieser Theorie ist unerlässlich, wenn Nepals Linke ein Programm präsentieren möchte, das den Erfahrungen und Kämpfen der Arbeiterschaft, der Bäuerinnen und Bauern sowie der Jugend Rechnung trägt.
Bürokratische und monolithische Organisationsmethoden aus der Sowjetunion und dem China des 20. Jahrhunderts entstellen das Konzept eines demokratischen Zentralismus. Tatsächlich wird demokratischer Zentralismus in einen bürokratischen Zentralismus verwandelt: Abweichende Meinungen werden unterdrückt, die Führung ist nicht rechenschaftspflichtig und es entwickeln sich politische Parteien, die eher als klientelistische Apparate denn als emanzipatorische Vehikel fungieren.
Um das Vertrauen wiederherzustellen, muss die Linke interne Demokratie demonstrieren – im Sinne von offener Debatte, Rotation in der Führung und transparenter Entscheidungsfindung. Darüber hinaus sollte sie Mechanismen schaffen, die eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Basis und nicht nur gegenüber anderen Berufspolitikern gewährleisten.
»Die jüngste Revolte beweist, dass die Menschen weder die Straßen noch ihre Macht und Möglichkeit, Geschichte zu schreiben, aufgegeben haben.«
Die wirtschaftlich-materiellen Krisen unterstreichen, wie dringend eine solche Transformation ist: Inflation, Massenmigration, Jugendarbeitslosigkeit und der Zusammenbruch der nepalesischen Landwirtschaft haben dafür gesorgt, dass Slogans wie »Volkskampf« oder »Neue Demokratie« leer und bedeutungslos geworden sind. Wenn die Linke ihre Politik nicht auf konkrete Programme aufbaut – Pläne für Beschäftigung in ländlichen wie urbanen Gebieten, Investitionen in das Gesundheitswesen, in Bildung und in Klimaschutz –, wird sie weiterhin Boden an royalistische Verklärer und rechte Populisten verlieren.
Auf dem Spiel steht nicht nur die Zukunft des republikanischen Experiments Nepals, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Linken an sich. Die Alternative zu einer Erneuerung sind Marginalisierung und eine Politik, die zwischen inhaltsleerer revolutionärer Rhetorik und zynischen politischen Manövern gefangen bleibt. Die Aufgabe besteht darin, den Sozialismus als lebendiges, demokratisches Projekt neu zu konzipieren – ein Projekt, das verwurzelt ist in den Wünschen und Stimmen der Menschen, in rechenschaftspflichtigen Institutionen und in der Bereitschaft, sich dem Kapital in all seinen nationalen und globalen Formen entgegenzustellen.
Siebzehn Jahre nach dem Sturz der Monarchie ist die Revolution in Nepal unvollendet. Die Republik versprach Gleichheit und Gerechtigkeit, brachte jedoch Instabilität und Verrat. Doch die jüngste Revolte beweist, dass die Menschen weder die Straßen noch ihre Macht und Möglichkeit, Geschichte zu schreiben, aufgegeben haben. Die Krisen Nepals sind nicht nur auf einzelne Führungspersönlichkeiten und ihr Versagen zurückzuführen, sondern auf einen revolutionären Prozess, der in seinen Anfängen abgebrochen wurde. Die Frage ist nun, ob die Linke die siebzehn Jahre alten radikalen Versprechen wieder aufgreifen kann – oder ob Nepals Zukunft von der von Monarchisten, Nationalisten und imperialen Mächten propagierten Scheinstabilität bestimmt wird.
Die Menschenmassen, die kürzlich die Plätze Kathmandus füllten, erinnern daran, dass der 2006 begonnene Kampf noch nicht vorbei ist. Die Gründung der nepalesischen Republik war nie das Ende, sondern nur der Anfang.
Sushovan Dhar ist Aktivist und Gewerkschafter.