15. November 2021
Gustav Noske war ein kriegsbegeisterter Konterrevolutionär, der sich selbst stolz als »Bluthund« bezeichnete. Sein größter Fan? Robert Habeck.
Robert Habeck auf einer Bundespressekonferenz, 27. September 2021.
Gustav Noske ist kaum bekannt. Glaubt man Robert Habeck, dann war der Sozialdemokrat Noske 1919 »Innenminister«. Er sei eigentlich »für die Revolution« gewesen, sei im November 1918 »quasi unbeschrieben«, »ohne einen klaren Plan« nach Kiel zu den meuternden Matrosen gekommen und habe dort »Ordnung geschaffen«. »Jahre später« habe er den Spartakusaufstand niedergeschlagen, denn schließlich sei er ein Akteur gewesen, »der versucht, den ewigen Zustand der Revolte in etwas zu übersetzen, was gesellschaftlich funktioniert«.
Das alles gab Robert Habeck in Interviews von sich, zu Zeiten, als er noch unbekannter war als Noske heute. Leider stimmt fast nichts von Habecks Behauptungen, außer dass Noske Sozialdemokrat war.
Auf dieser »beachtlichen« Recherche basierend hat Habeck vor dreizehn Jahren zusammen mit seiner Frau ein Theaterstück geschrieben: 1918. Revolution in Kiel. Seine Lieblingsfigur darin ist Noske. Als ich mir vor etlichen Jahren das Buch kaufte, war mir Habeck gänzlich unbekannt. Ich las es und war von der Darstellung Noskes derart »erfreut«, dass ich das Buch gleich wieder verärgert bei einem Online-Händler vertickte.
»Hätte Habeck besser recherchiert, hätte er gewusst, dass Noske zwischen Schlacht und Schlächter pendelte – und sich am Ende für beides entschied.«
Habeck hat sich damals wie heute mit dieser Figur identifiziert, die angeblich mit der Revolution sympathisierte, aber dann in der Realpolitik in die Wahl zwischen »schlecht und schlechter« gedrängt wurde. Hätte Habeck besser recherchiert, hätte er gewusst, dass Noske zwischen Schlacht und Schlächter pendelte – und sich am Ende für beides entschied.
Noske war, obwohl nie Soldat, kriegsbegeistert als Berichterstatter in Uniform zu Beginn des Ersten Weltkriegs nach Belgien gefahren, hatte dort die Massaker des deutschen Militärs an der Zivilbevölkerung gerechtfertigt und verharmlost, sich dann für Annexionen – unter anderem Belgiens – begeistert, bis zur Niederlage für Kriegskredite gestimmt, Rosa Luxemburg antisemitisch beleidigt und im November 1918 in Kiel einen einzigen Plan gehabt: Die demokratische Revolution zu ersticken.
Tatsächlich war er Reichswehrminister, nicht Innenminister, und ließ als Oberbefehlshaber der Freikorps Tausende, meist Zivilisten und Arbeiter, innerhalb Deutschlands in Kooperation mit den alten militärischen Eliten und den jungen freiwilligen vernichtungskriegerischen Leutnants mittels eines profaschistischen Befehls zur Gefangenentötung umbringen. Gut 5.000 Tote gehen auf sein Konto.
»Habeck weiß gleichwohl, dass Noske sich als Bluthund bezeichnete.«
Hitler, als eben eingesetzter Reichskanzler, bezeichnete Noske 1933 in einer Rede im Berliner Sportpalast als »Eiche unter diesen sozialdemokratischen Pflanzen«. Und Noske selbst schrieb in seinen Memoiren, die er gern 1936 unter den Nazis veröffentlicht hätte, die aber erst kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen, er habe 1919 »ausgemistet und aufgeräumt, in dem Tempo, das damals möglich war«.
Mit dem identifiziert sich also Habeck. Nun, man könnte sagen, er war zu faul oder zu grün, um genauer zu recherchieren. Denn der Politikerstar dichtet Noske einen Zielkonflikt an (Revolution oder Ordnung), den er nie hatte. Noske war nie »ohne Plan« oder gar »revolutionär«, sondern immer konter- gewesen, er ließ auch nicht Jahre nach der Revolution, sondern schon nach wenigen Wochen Arbeiter massenhaft füsilieren.
Aber Habeck weiß gleichwohl, dass Noske sich als Bluthund bezeichnete und die Arbeiterbewegung »endgültig gespalten hat«. Das interessiert den Beinah-Kanzler aus Kiel aber gar nicht. Er sieht sich als Revolutionär (der er wie Noske wohl nie war), welcher jetzt Realpolitik machen, zwischen »schlecht und schlechter« wählen und »Verantwortung« übernehmen muss, wie einst der rechte Sozialdemokrat. Fragt sich, ob auch Habeck irgendwann zwischen Schlacht und Schlächter wählen will und dann für beides stimmt – etwa als Innen- oder Verteidigungsminister.
Nach der Jungfernrede Noskes im Reichstag 1907 wusste eine satirische Zeitschrift genau, was mit Noske passieren würde und widmete ihm mehrere Zeilen. Es sei erlaubt den Namen Noske darin zu ersetzen:
»Lasst’s euch nicht verdrießen
Denn wir wissen absolut:
Habeck, der wird schießen!«
Klaus Gietinger ist Filmemacher und Autor zahlreicher Bücher. Von ihm erschienen sind unter anderem »Kapp-Putsch: 1920 – Abwehrkämpfe – Rote-Ruhrarmee« (Schmetterling Verlag, 2020) und »Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung Rosa Luxemburgs« (Edition Nautilus 2009).
Klaus Gietinger ist Filmemacher und Autor zahlreicher Bücher. Von ihm erschienen sind unter anderem »Kapp-Putsch: 1920 – Abwehrkämpfe – Rote-Ruhrarmee« (Schmetterling Verlag, 2020) und »Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung Rosa Luxemburgs« (Edition Nautilus 2009).