02. Oktober 2024
Über Jahrzehnte hat Österreich gezeigt, wie man Rechtsextreme nicht kleinkriegt. Davon unbeeindruckt macht Deutschland alles nach.
»Heute, unter Herbert Kickl, ist die FPÖ vielleicht so radikal wie noch nie.«
Österreich hat Deutschland einiges voraus – ein funktionierendes Bahnnetz, Handyempfang außerhalb der Ballungsräume und auch beim politischen Rechtsdrift liegt es klar vorn. Während die Möglichkeit von Regierungsbeteiligungen der AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg noch die Gemüter erregt, ist die FPÖ derzeit in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg in Landesregierungen vertreten. Sogar die Vorstellung von einem möglichen FPÖ-Kanzler Herbert Kickl ist nicht mehr abwegig. In Deutschland ist es noch nicht so weit, womöglich aber bald.
Zugegeben, die FPÖ hatte einen unfairen Vorsprung gegenüber der AfD. Gegründet 1955 als eine Partei von Alt-Nazis für Alt-Nazis, ist sie ein fester Teil der österreichischen Nachkriegsordnung. Nirgendwo sonst in Europa, schreibt der Politikwissenschaftler Anton Pelinka, gibt es eine so direkte Verbindung »zwischen einer Partei, die eine barbarische Diktatur verkörperte, und einer in einem postfaschistischen (oder postnazistischen) liberal-demokratischen System als ›Normalpartei‹ agierenden Parlamentspartei«.
Bis Mitte der 1980er Jahre erreichte die FPÖ meist nur um die 5 Prozent bei Nationalratswahlen. Das änderte sich 1986, als Jörg Haider Vorsitzender wurde. Unter seiner Führung wuchs die Partei stark an und erreichte 1999 mit knapp unter 27 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis. Zwei Regierungsbeteiligungen im Bund, diverse Korruptionsfälle und eine Spaltung später musste die Partei sich in den 2000er Jahren neu aufstellen. Das gelang ihr mit Obmann Heinz-Christian Strache, der die FPÖ bis 2017 wieder fast so erfolgreich machte wie unter Haider 1999 – ein Erfolg, der wiederum in einer Regierungsbeteiligung, dem Ibiza-Skandal und einem herben Stimmenverlust endete. Im Zuge der Corona-Proteste stabilisierte sich die Partei dann wieder und erreichte mit Herbert Kickl ihre heutige Stärke.
Im Laufe dieses Aufstiegs fanden in Österreich viele Debatten statt, die es mit dreißig Jahren Verzögerung auch nach Deutschland geschafft haben: Ist es möglich, die AfD wegzuprotestieren? Kann man rechtsextreme Parteien in der Regierung »entzaubern«? In Österreich hat die Praxis diese Fragen bereits beantwortet. Doch ungeachtet dessen scheint die deutsche »Gegen-Rechts«-Strategie dem österreichischen Beispiel zu folgen – auf dem Weg des Scheiterns.
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Magdalena Berger ist Assistant Editor bei JACOBIN.