02. August 2024
Olaf Scholz hat vollmundig versprochen, mehr als 20 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Was gut klingt, ist Augenwischerei.
Olaf Scholz' Versprechen für den sozialen Wohnungsbau sind vor allem Flunkerei.
Man sollte sich vom Bundeskanzler nicht aufs Glatteis führen lassen, wenn er Milliardenbeträge über lange Zeiträume verspricht. Erst recht nicht, wenn es um ein existenzielles Anliegen von Millionen von Familien geht: bezahlbarer Wohnraum. Im Zuge des neuen Bundeshaushalts 2025 hat Olaf Scholz großspurig angekündigt, dass jetzt mehr als 20 Milliarden für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Überhaupt gibt er und die ganze SPD sich immer so, als sei sozialer Wohnungsbau ein Riesenthema für sie. Schön wärs! Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
»Viele bestehende Sozialwohnungen sind aus der Mietpreisbindung gefallen, wodurch der Bestand an Sozialwohnungen sogar geschrumpft ist.«
100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr haben Olaf Scholz und die SPD versprochen, damit auf Plakaten Wahlkampf gemacht und dafür sogar ein eigenes Ministerium gegründet: das Bauministerium. Den Ministerposten hat gar eine Scholz-Vertraute bekommen, Klara Geywitz, aus Brandenburg, wo Scholz mittlerweile auch wohnt, und mit der er 2019 für den SPD-Vorsitz kandidierte – erfolglos wohlgemerkt.
Gebaut wurden 2022 leider nur rund 23.000 Sozialwohnungen, und im Jahr 2023 nur rund 27.000. Das ergibt eine Zielverfehlung von mehr als 70 Prozent. Wenn man seine Klassenarbeiten in der Schule so geschrieben hätte, wäre man nicht weit gekommen. Was das Versagen beim Neubau noch verschlimmert: Zeitgleich sind so viele bestehende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung gefallen (und werden jetzt teurer vermietet), dass der Bestand an Sozialwohnungen sogar geschrumpft ist. Ende 2023 gab es bundesweit nur noch 1,072 Millionen Sozialwohnungen, das sind rund 15.300 weniger als im Jahr 2022. Und schon im Jahr 2022 war die Zahl um 14.000 Sozialwohnungen zurückgegangen. Zoomt man raus, zeigt sich ein noch drastischeres Bild. Anfang der 1990er Jahre gab es rund 3 Millionen Sozialwohnung in Deutschland, davon ist nur noch ein Drittel übrig. Ein Skandal.
»Für den Zeitraum von 2024 bis 2027 waren längst 18,15 Milliarden vorgesehen und im Finanzplan festgeschrieben.«
Und nun? Nun sitzt Olaf Scholz nach ewig dauernden Haushaltsverhandlungen in der Bundespressekonferenz und verkündet, dass die Ampel »über 20 Milliarden bis 2028« für den sozialen Wohnungsbau beschlossen hat. 20 Milliarden – das klingt nach einer beachtlichen Summe. Und das trotz Sparhaushalt? Das muss dem Kanzler ja wirklich ein Anliegen gewesen sein, könnte man denken, oder nicht?
Nein, eben nicht. Schaut man genauer hin, merkt man: das ist eine Nebelkerze. Scholz führt die Öffentlichkeit aufs Glatteis. Denn für den Zeitraum von 2024 bis 2027 waren längst 18,15 Milliarden vorgesehen und im Finanzplan festgeschrieben. Das ist ein bisschen mehr als 4,5 Milliarden pro Jahr. Wenn Olaf Scholz jetzt sagt, dass bis 2028 »mehr als 20 Milliarden ausgegeben« werden, ist daran wenig neu. Die einzige Info: Auch 2028 werden dafür Mittel bereitgestellt. Allerdings ging erstens niemand davon aus, dass die Mittel 2028 auf Null fallen. Und zweitens, sind es sogar weniger Mittel pro Jahr als bisher. Mit »über 20 Milliarden« meint Scholz nämlich genau 21,5 Milliarden Euro. So steht es in den Beschlusspapieren der Ampel. 21,5 Milliarden sind aber nur 3,35 Milliarden pro Jahr – und nicht 4,5 Milliarden pro Jahr wie bis 2027.
Was Scholz als Aufstockung verkauft ist in Wahrheit eine Kürzung. Um das zu vertuschen, spricht er auf der Pressekonferenz nur von »über 20 Milliarden« und nennt den genauen Betrag nicht. Als wäre es nicht schon dreist genug, Kürzungen als Aufstockung zu verkaufen, prahlt er mit Mitteln, die für eine Zeit angesetzt sind, in der er wahrscheinlich gar nicht mehr Bundeskanzler sein wird. Zumindest geben das die Umfragen derzeit nicht her. Die Öffentlichkeit derart plump aufs Glatteis zu schicken, zumal bei dem eigens festgelegten Kernthema, ist eines SPD-Kanzlers unwürdig.
Maurice Höfgen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag und Autor des Buches »Mythos Geldknappheit«. Zudem betreibt er den YouTube-Kanal »Geld für die Welt«.