20. Dezember 2021
Der Filmemacher Oliver Stone hat mit »JFK Revisited« eine neue Dokumentation vorgelegt. Im JACOBIN-Interview erzählt er, warum er überzeugt ist, dass der US-Sicherheitsapparat John F. Kennedy ermordet hat – und nicht ein Einzeltäter.
John F. Kennedy, und Jackie Kennedy bei ihrer Ankunft in Dallas, 22. November 1963.
Achtundfünfzig Jahre nach der Ermordung John F. Kennedys und dreißig Jahre nach dem Erscheinen seines wegweisenden Films JFK (dt. JFK – Tatort Dallas) kehrt der dreimalige Oscar-Gewinner Oliver Stone mit seiner neuesten Dokumentation JFK Revisited: Through the Looking Glass zu diesem Mordfall zurück.
Nach dem Oscar von 1978 für Midnight Express legte Stone 1991 mit JFK das Glanzstück seiner Karriere vor, welches für einen radikalen Filmemacher in Hollywood wohl unübertroffen ist. Stones Film Platoon von 1986, der den Krieg aus der Perspektive einfacher Soldaten erzählt, gewann vier Academy Awards. Stone war im selber Jahr sogar für einen weiteren Film in der Kategorie »Bestes Drehbuch« nominiert: Salvador, ein Werk, das Ronald Reagans Mittelamerikapolitik explizit kritisierte. Der Verteran des Vietnamkriegs gewann seinen zweiten Oskar als bester Regisseur 1989 ebenfalls für einen Antikriegsfilm, Born on the Fourth of July (dt. Geboren am 4. Juli), der ebenso als bester Film und für das beste Drehbuch nominiert wurde. Zwei Jahre später erschien inmitten von Kontroversen schließlich JFK, der sechs Oscar-Nominierungen erhielt, darunter »Bester Film«, »Beste Regie« und »Bestes Drehbuch«, und der die Kategorien »Bester Schnitt« und »Beste Kamera« gewann.
Weniger bekannt sind hingegen Stones jüngere Reportagen über Fidel Castro, Yasser Arafat, Hugo Chavez und seine 2012 für den US-amerikanischen Sender Showtime produzierte Dokumentationsreihe The Untold History of the United States (dt. Oliver Stone – die Geschichte Amerikas).
Nun ist der unbequeme Filmemacher zurück mit seiner fast zweistündigen Dokumentation JFK Revisited: Through the Looking Glass. Stone geht darin bei seinem Versuch, den Mord aufzuklären und seine Planer und Auftraggeber zu identifizieren, deutlich weiter als noch 1991. JACOBIN hat mit dem 75-jährige Filmemacher über sein Werk und seine jüngste Produktion gesprochen.
Ob Kunst die Welt verändern kann, ist eine uralte Frage. Dein Film JFK hat es mit Sicherheit getan, denn nachdem er 1991 erschienen ist, hat der Kongress ein Jahr später den President John F. Kennedy Assassination Records Collection Act (ARCA) [Gesetz zur Sammlung der Akten über den Mord an Präsident John F. Kennedy, Anm. d. Red.] beschlossen. Welchen Inhalt hatte dieses Gesetz eigentlich?
Das Gesetz schrieb vor, dass ein Bürgerkomitee die Akten zum Fall neu auswerten sollte – natürlich nicht alle, versteht sich. Es hätte Zugriff erhalten und dann entscheiden sollen, welche Akten von der Geheimhaltung befreit werden. Ich weiß allerdings nicht, welche Ausnahmen damals galten. Dieses Komitee, das sogenannte Assassination Records Review Board, hat bis 1998 gearbeitet, also vier Jahre lang. Danach war das Budget aufgebraucht. Wie John R. Tunheim, Bundesbezirksrichter und Vorsitzender des Komitees, im Film sagt, war die Arbeit jedoch keineswegs abgeschlossen, weil noch sehr viele weitere Informationen vorlagen.
Das Komitee hat getan, was es konnte, und es hat tatsächlich sehr gute Arbeit geleistet. Deswegen war es uns so wichtig, in unserem Film darauf aufmerksam zu machen. Es kommt ja eher selten vor, dass man sich bei der Recherche zu einem Film auf die Informationen von offiziellen Stellen verlassen kann.
Wir sollten uns aber hinsichtlich der Regierung keine Illusionen machen. Ihre Vertreterinnen und Vertreter – einschließlich Joe Biden, der damals für das Gesetz gestimmt hat, vor kurzem die Geheimhaltungsfrist für die Akten aber erneut verlängert hat – haben schlicht und einfach dem öffentlichen Druck nachgegeben. Damals haben sie eine Menge Post bekommen, viele Leute waren empört. Einer der Gründe dafür war, dass das die Akten des House Select Committee on Assassinations (HSCA) [Sonderausschuss des Repräsentantenhauses zu Mordfällen] bis 2039 unter Verschluss gehalten werden sollen. Die Akten wurden nie geöffnet, der Sonderausschuss hat sie für sich behalten.
Auch die Akten der CIA zum Fall bleiben weiterhin verschlossen, und ihnen kommt eine hohe Bedeutung zu. Vor allem geht es mir um die Agenten im Umfeld des Mordfalls, in der kubanischen Community. Leute wie George Joannides und David Atlee, aber auch Phillips. E. Howard Hunt – der auf dem Sterbebett eine Menge bemerkenswerter Dinge gebeichtet hat – wie auch William Harvey, ein sehr wichtiger Agent des Kuba-Büros in Miami, der am Rand dieses Mordfalls auftaucht und der ein echter Kennedy-Hasser war. Das sind wichtige Figuren. Noch wichtiger sind allerdings Allen Dulles and Richard Helms.
Welche neuen und wichtigen Informationen hast Du durch das ARCA und andere Quellen seit dem Erscheinen von JFK 1991 ans Licht bringen können?
Das ist natürlich eine große Frage. Eine Menge Akten wurden öffentlich gemacht. Einige davon beweisen eindeutig, dass Kennedy einen Rückzug aus Vietnam wollte. Das geht aus den Protokollen der Pacific SecDef Meetings Anfang Mai 1963 hervor.
Außerdem haben wir seither herausfinden könne, dass die Person Lee Harvey Oswald mit den Geheimdiensten in Verbindung stand. Die Post seiner Mutter wurde drei bis vier Jahre vor dem Mord regelmäßig geöffnet und überwacht. Er war ein Agent – oder zumindest gab es einen Kontakt zur CIA. Und er wurde beschützt. Da er aus der Sowjetunion zurückkam, hat niemand mit ihm gesprochen, niemand hat ihn vernommen. Aber er wurde auf verschiedene Missionen geschickt, in New Orleans, Fort Worth und Dallas, bis man ihn benutzt hat.
Dann gibt es all die Autopsiebefunde, die schon damals bekannt waren, aber über die wir uns jetzt noch sicherer sein können. Auf der rechten, hinteren Schädelseite hatte Kennedy eine große Austrittswunde, was darauf schließen lässt, dass er von vorne erschossen wurde. [Das Schulbuchlager des Bundesstaats Texas, von dem aus Oswald Kennedy erschossen haben soll, befand sich zum Tatzeitpunkt hinter der Limousine des Präsidenten].
Das Ganze ist wirklich eine Schande für die Warren-Kommission. Wir klären im Detail darüber auf, dass es in Wahrheit eher eine »Dulles-Kommission« war. Dulles hat viele der Abläufe kontrolliert und sichergestellt, dass die CIA keine Informationen freigab. Die Kommission wusste nicht einmal, dass es kubanische Anschlagspläne gab. Sie wussten nicht, dass die CIA in der Vergangenheit Morde begangen hatte. Man hat sie vollkommen im Dunkeln gelassen.
Auch mit den Pflegekräften und dem Personal am Parkland Hospital [wo Kennedy starb] wurde gesprochen. Wir haben uns zum Beispiel mit den FBI-Agenten James Sibert und Francis O’Neill unterhalten, die an der Autopsie von Kennedy in Bethesda teilgenommen haben. Sie haben alle bezeugt, die Wunde an Kennedys Hinterkopf mit eigenen Augen gesehen zu haben. Und als man den offiziellen Fotografen, John Stringer, nach der Autopsie gefragt hat und ob die Bilder davon echt seien, hat er geantwortet: »Mit Sicherheit nicht, das ist nicht mein Film«.
Auf Filmaufnahmen kann man Kennedys Schädel sehen. Stücke davon, das sogenannte Harper-Fragment, wurden am Tag danach auf der Straße gefunden [von William Harper auf der Dealey Plaza]. Als Beweisstück wurde es aber nicht anerkannt. [Verschwörungstheoretiker sehen im Harper-Fragment einen Beweis, dass Kennedy von vorne erschossen wurde].
Es gibt Aussagen von drei Zeuginnen [aus dem Schulbuchlager], drei Sekretärinnen, die sehr auf Details geachtet haben. Im Moment, als die Schüsse abgegeben wurden, waren sie im vierten Stock, zwei von ihnen rannten die Treppe hinunter, innerhalb der ersten Minute. Sie haben Oswald nie im Treppenhaus gesehen. Dorothy Garner, ihre Chefin, eine ältere, äußerst scharfsinnige Frau, schaute über das Treppengeländer, aber auch sie sah Oswald nicht. Wie soll es Oswald innerhalb einer Minute oder weniger vom sechsten Stock ins Erdgeschoss geschafft haben? In dieser Zeit kann man die Waffe nicht verstecken und all die Dinge tun, die er angeblich getan haben soll, bevor er den sechsten Stock verließ. Das haben bereits viele vor mir gesagt, und ich glaube ihnen.
Ganz sicher ist: Die Art und Weise, wie die Waffe und die Munition hinterlassen wurden, die Abwesenheit von Fingerabdrücken an der Waffe – das alles hätte vor Gericht nie im Leben Bestand gehabt. Es waren überhaupt keine Fingerabdrücke an der Waffe – das war nicht dieselbe Waffe! Es war auch nicht die gleiche Munition. Im Film gehen wir auf das alles ein. Alle ursprüngliche Beweisstücke waren vom ersten Tag an manipuliert.
Das bespricht Dein Film JFK Revisited: Through the Looking Glass ja ausführlich.
Wir haben eine Menge weiterer Details, wie etwa Oswalds Weg, den Personenschutz von Oswald, das »Flash Warning«, das über ihn ausgegeben wurde, nur um dann wieder zurückgenommen zu werden, damit er vor seinem Besuch in Dallas nicht aufgegriffen werden würde. Erst gibt das FBI ein »Flash Warning« heraus, und dann wird es wieder storniert, sodass der Secret Service [zu dessen Aufgaben der Personenschutz des US-Präsidenten gehört] nicht auf Oswald aufmerksam wird, was sonst sicher der Fall gewesen wäre.
Das erschreckendste Detail waren für mich die »zwei Oswalds«. Kannst Du uns etwas über diese Theorie sagen, und was Du von ihr hältst?
Das haben wir im Film von 1991 detailliert aufgegriffen. In dieser Version zeigen wir die beiden anderen versuchten Attentate auf Kennedy, in Tampa und Chicago. In beiden Fällen gibt es eine Oswald-Figur, die nicht notwendigerweise »Oswald« heißt. Wir haben zwei Männer gefunden, die exakt dem Profil von Oswald entsprechen – sie waren im Marine Corps, sind in die Sowjetunion gegangen, zurückgekommen, und waren anscheinend mit den Diensten [der CIA] verwickelt.
In beiden Fällen gab es ein hohes Gebäude, an dem die Fahrzeugkolonne des Präsidenten vorbeifahren sollte – hier hätte potenziell die Geschwindigkeit reduziert werden müssen und wäre das passiert, so wäre der Mord wohl so abgelaufen wie in Dallas. In Chicago hat nach einem Alarm der Secret Service interveniert und Kennedy hat die Reise abgesagt. Nach Tampa ist er dann gefahren, aber es ist nichts passiert. Es gab viele Gerüchte. Anders ausgedrückt: Es gab Zwillingstatorte, mit exakt genau dem gleichen Profil. Auch waren beide dieser anderen zwei Männer Mitglieder im Fair Play for Cuba Committee und haben sich an Pro-Castro-Aktionen beteiligt. Wem auch immer der Mord untergeschoben werden sollte, musste Verbindungen mit Castro haben. Das zeigt, dass sie wohl versucht haben, den Mord Kuba und der Sowjetunion in die Schuhe zu schieben.
Was wurde durch das ARCA oder andere Quellen noch nicht zugänglich?
Die Akten des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses, welche offengelegt wurden. Ursprünglich kamen sie dort zu dem Schluss, es habe eine Verschwörung gegen Kennedys Leben gegeben. Das wurde natürlich sofort der Geheimhaltung unterworfen. Wir wissen also nicht, wie und auf welcher Grundlage sie zu diesem Schluss gekommen sind. Das ist absolut bemerkenswert.
Und dann sind da natürlich noch die Akten der CIA. Der Secret Service hat seine Akten 1995 zerstört, weil es Untersuchungen zu den zwei Kennedy-Reisen nach Chicago und Tampa gab. Und natürlich gibt es da noch Abraham Bolden, der afroamerikanische Agent des Secret Service, den Kennedy angestellt hatte. Es war Kennedys Idee, für den Secret Service die Rassentrennung aufzuheben.
All diese Leute interessieren uns sehr, einige habe ich schon erwähnt, ich glaube, wenn wir sie besser kennenlernen würden, wäre das sehr wertvoll – doch wir wurden von Anfang abgeblockt. Zum Beispiel wurde der Leiter des CIA-Büros in Miami, George Joannides, eine sehr wichtige Figur in der kubanischen Community, 1975–76 beauftragt, mit dem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses zusammenzuarbeiten. Aber man hat dem Chefjuristen des Ausschusses, Robert Blakey, nie klar gemacht, das Joannides 1963 und 64 mit der kubanischen Community gearbeitet hatte. Das ist natürlich ein Skandal, Blakey war zutiefst schockiert. Er hat später gesagt: »Der CIA glaube ich kein Wort mehr. Sie haben behauptet, dass er in den Fall nicht involviert war. Ich wollte einen neutralen Beobachter.« Die CIA hat Blakey an der Nase herumgeführt.
Welche Rolle spielte Deiner Meinung nach der ehemaligen CIA-Direktors Allen Dulles in der Liquidierung Kennedys und ihrer Vertuschung?
Er wird eine zentrale Rolle gespielt haben, für die wir niemals klare Beweise finden werden. In diesem Fall kommt man um ihn gar nicht herum. Nachdem Kennedy ihn 1961 entlassen hatte, war er sehr verbittert. Er hat später mit dem Schriftsteller Willie Morris über Kennedy gesprochen, der sich, in seinen Worten, »für einen Gott hielt«. Er und zwei seiner Leute wurden gefeuert. Aber Kennedy hat in dem Laden nie wirklich aufgeräumt, ein großer Fehler. Er hätte alle rauswerfen sollen.
Denn Helms hat den Dienst dadurch quasi übernommen – er war der Assistent von John McCone. McCone kam von außen – de facto war Helms der Herr im Haus, und er weiß eine Menge. Wir sollten so viele Dokumente wie möglich zu Helms suchen. Er hat mit William Harvey zusammengearbeitet, hat Harvey wieder in die kubanische Community eingeschleust.
Und wir wissen jetzt auch, dass Lyndon Johnson gegen den Rückzug aus Vietnam war. Es gibt ein Telefongespräch zwischen ihm und [Verteidigungsminister] Robert McNamara, in dem er zu McNamara sagt: »Weißt Du, ich war gegen Dich und den Präsidenten« – er hat sich damals sehr viel rausgenommen, aber als Vizepräsident hat er sich zurückgehalten. Also, man weiß das Lyndon Johnson strikt gegen den Rückzug aus Vietnam war, den Kennedy ganz klar wollte. McNamara hat in seinem Buch unmissverständlich klar gemacht, dass Kennedy aus Vietnam raus wollte, ob als Sieger oder Verlierer. McGeorge Bundy hat dasselbe gesagt.
Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass man nicht wissen kann, was sonst passiert wäre. Aber Kennedy selbst war, wie wir versuchen darzulegen, ein Antikolonialist. Er war im Algerienkrieg und in Vietnam bereits 1954 involviert. Und er hat immer wieder betont, dass die Länder der Dritten Welt ihre Unabhängigkeit brauchen, und er war gegen das Konzept des Kalten Kriegs. Er wollte aufhören, den Kommunismus als Ausrede zu benutzen, um Ländern ihre Unabhängigkeit zu verwehren – wie im Kongo, in Vietnam, in Laos, in Algerien und auf der ganzen Welt. Lateinamerika lag ihm besonders am Herzen, hier hat er sich mit seiner Alliance for Progress stark engagiert.
Johnson hat das Rad nach Kennedys Tod unverzüglich zurückgedreht. Alles wurde zunichte gemacht. Eine ganze Ära von, wie man hoffen konnte, progressiver Politik war schlagartig zu Ende, und wir sind in der Außenpolitik zur alten, harten Gangart von Dwight Eisenhower und Allen Dulles zurückgekehrt.
Welche Rolle hat Oswald denn tatsächlich gespielt?
Darüber kann ich nur spekulieren, aber ich glaube ganz bestimmt, dass er nicht im sechsten Stock des Schulbuchlagers war. Ich glaube, dass er mit seinen Kontakten beim Dienst [der CIA] zusammengearbeitet hat. Er hatte Kontakte – auch für das FBI war er ein Informant. Er kannte Jack Ruby, der ihn erschossen hat.
Er wusste, das man ihm eine Falle gestellt hatte. Er wusste, dass er in Schwierigkeiten war. Der Mann, den man auf dem Korridor sieht, war ein Profi, der genau weiß, wie man sich in solchen Situation zu verhalten hat. Er war alles andere als dieser angeblich verrückte einsame Spinner, der »Ich hab ihn erwischt! Ich habe es für mein Land getan!« schreit, nachdem er den Schuss abgefeuert hat. Dieser ganze Mist stimmt einfach nicht. Stattdessen hat er gesagt: »Ich brauche einen Rechtsanwalt.« Er wollte einen Anwalt, und außerdem sagte er: »Ich weiß nichts über diese Sache«, was der Wahrheit entsprach. Er wusste nichts von dem eigentlichen Attentat auf Kennedy.
Ich glaube er war ein Mann, der unter Druck ruhig geblieben ist. Er hat am Freitag und Samstag mehrere Stunden mit der Polizei gesprochen, bevor sie ihn am Sonntag verlegt haben. Aber diese Gespräche wurden nie protokolliert.
Ist das nicht seltsam?
Ja, es ist alles sehr verstörend.
Was würdest Du jemandem erwidern, der den Mord an Kennedy als Schnee von gestern betrachtet?
Das ist Bullshit!
Welche Relevanz hat er denn heute noch? Warum ist es im Jahr 2021 noch wichtig, zu erfahren, wer Kennedy erschossen hat?
Weil im Jahr 1963 unsere sogenannte Demokratie vor die Hunde gegangen ist. Nachdem Kennedy ermordet wurde, gab es keinen US-Präsidenten – keine einzigen – mehr, der die Autorität der Geheimdienste und des Militärs hätte herausfordern können. Ihre Budgets wachsen immer weiter, und sie haben Carte blanche, können machen was sie wollen. Anders ausgedrückt: Niemand kann ihnen mehr dazwischenreden, und ihre Mission ist es, die nationale Sicherheit zu schützen – welche sie natürlich auf sehr unrealistische Weise definieren. Unter dieser Ägide kann man mehr oder weniger tun und lassen, was man will. Die nationale Sicherheit kannst Du als Präsident nicht anfassen – eine Stromschiene der Politik.
Ich glaube, die Medien sind nicht daran interessiert, dieses Thema wieder aufzugreifen. Man hat das alles verdrängt. Aber diese Sache ist wichtig, man muss sich nur einmal die US-amerikanische Außenpolitik ansehen. Wir führen endlose Kriege – wir hören niemals auf. Dagegen hat Kennedy sich gewehrt, er war ein Krieger für den Frieden. Und er hat das Problem an der Pax Americana erkannt. In seiner Rede an der American University hat er sich für eine Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion ausgesprochen, auch gegenüber Kuba. Er hat den Krieg selbst erlebt und den Generälen keinen Glauben mehr geschenkt. Er hielt sie für alte Männer, die den Bezug zur Realität verloren hatten.
Operation Northwoods, die ganzen verrückten Pläne, um einen Vorwand für eine Invasion Kubas zu schaffen, haben ihn schockiert. Er war entsetzt. Damit war er konfrontiert – eine kriegerische Mentalität im Staat, die er aus den 1950er Jahre geerbt hatte. Es ist tatsächlich wahr: Das Pentagon wollte damals Krieg mit der Sowjetunion. Sie wollten den Krieg sofort, da sie davon ausgingen, dass die Sowjetunion ihre Atomwaffen aufrüsten würde. Also wollten sie lieber gleich zuschlagen. So hat Curtis LeMay die Sache jedenfalls gesehen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung wurde der Film »JFK« als Dokumentation bezeichnet. Dies wurde am 21. Dezember korrigiert.