27. Februar 2024
Die Ampel will aufrüsten und die NATO-Quote erfüllen, bis zu 100 Milliarden sollen jedes Jahr ins Militär fließen. Die Schuldenbremse auszusetzen, kommt für sie aber nicht in Frage. Die logische Konsequenz: Mehr Geld für Kampfjets, weniger für Klima und Soziales.
Finanzminister Christian Lindner zu Gast bei der Bundeswehr in Bamako, Mali. Aufnahme vom 2. Februar 2023.
Muss Deutschland aufrüsten, um Putin abzuschrecken und sich von den USA unabhängig zu machen, deren nächster Präsident wieder Donald Trump heißen könnte? Die Ampelregierung meint, ja. Bundeskanzler Olaf Scholz hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz noch einmal bekräftigt, dass man das 2-Prozent-Ziel der NATO ab sofort jedes Jahr einhalten will – auch dann, wenn das Sondervermögen Bundeswehr verbraucht ist.
Man kann davon ausgehen, dass dieses Sondervermögen 2028 ausgeschöpft sein wird. Voraussichtlich wird die deutsche Wirtschaftsleistung dann irgendwo zwischen 4 und 5 Billionen Euro jährlich liegen. Um die 2 Prozent für Militärausgaben zu erreichen, müssten jährlich 80 bis 100 Milliarden Euro aus dem Haushalt locker gemacht werden – das sind 30 bis 50 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr.
Wenn man nun wie Scholz oder sein potenzieller Nachfolger Friedrich Merz nicht bereit ist, die Schuldenbremse abzuschaffen oder wenigstens zu lockern, dann heißt das im Klartext: mehr Geld für Kampfjets und Panzer, und deutlich weniger für Arbeitslose, für Kinder, für Schulen und Straßen sowie für Klimaschutz.
»Olaf Scholz zeigt sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz zuversichtlich, dass die Menschen schon Verständnis dafür haben werden, wenn dann eben an anderer Stelle das Geld fehlt.«
Es ist im Grunde ganz einfach: Die Schuldenbremse ist und bleibt eine dumme Idee. Sie verknappt das Geld im Haushalt künstlich, was auch zusätzliche Verteidigungsausgaben erschwert. Die Zeitenwende, die Olaf Scholz vor ziemlich genau zwei Jahren angekündigt hat, droht jetzt zu einem großen Kürzungshammer zu werden und die Verteilungskonflikte weiter dramatisch zu verschärfen – Verteilungskonflikte, wohlgemerkt, die nach vier Jahren konstanter Krisen schon längst am absoluten Anschlag sind.
Die Reallöhne sind seit 2019 um 6 Prozent gesunken, die Wirtschaft schrumpft und viele Menschen müssen schon längst verzichten. Dennoch zeigt sich Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz zuversichtlich, dass die Menschen schon Verständnis dafür haben werden, wenn dann eben an anderer Stelle das Geld fehlt. Die kürzlich entflammten Bauernproteste sprechen jedoch eine andere Sprache – und dabei ging es noch um Kürzungen von nicht einmal einer Milliarde. Selbst hier musste die Bundesregierung schon teilweise zurückrudern.
Verteidigungsminister Boris Pistorius scheint das alles verstanden zu haben, er zumindest steht Finanzminister Christian Lindner und seinen Plänen kritisch gegenüber. Lindner habe intern schon längst ein brutaleres Vorgehen bei den Sozialsystemen gefordert, so Pistorius im Spiegel. Für Pistorius selbst steht die Schuldenbremse den Ausgaben für die Verteidigung im Weg. Nicht nur das, sie habe außerdem insgesamt »eine fatale Wirkung in dieser Phase unserer Republik«, und Kürzungen im aktuellen Klima hätten das Potenzial, unsere Gesellschaft »auseinanderzujagen«. Sicher hat der Verteidigungsminister hier recht. Schön wäre es, wenn er dieses Wissen beizeiten mal an seinen Kanzler weitergeben würde.
Was in der Debatte gänzlich untergeht: Schon heute wird im deutschen Bundeshaushalt für den Ukrainekrieg gekürzt. Rund 20 Milliarden Euro gibt Deutschland für die Ukraine aus, für Militärhilfe, für Finanzhilfen und für die Aufnahme von ukrainischen Geflüchteten. Für die Ampel scheint der Krieg in der Ukraine nach zwei Jahren jedoch schon Normalität geworden zu sein, denn sie hat die Notlage für beendet erklärt. Daher greift die Notlagenklausel der Schuldenbremse nicht mehr und die 20 Milliarden müssen aus dem ohnehin schon begrenzten Haushalt finanziert werden.
Dabei wäre es kein Problem und absolut gerechtfertigt gewesen, auf der Basis einer Notlage die Schuldenbremse weiter auszusetzen. Weil aber sowohl Olaf Scholz als auch Christian Lindner dogmatisch an der Regel festhalten, fehlen die 20 Milliarden nun dort, wo sie gebraucht worden wären: Man hätte damit die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel komplett streichen können, man hätte die Mehrwertsteuer-Erhöhungen in der Gastro, bei Gas und bei der Fernwärme komplett sein lassen, und man hätte die Erhöhung der Netzentgelte abfedern können.
Damit wäre all das günstiger geworden, was die Menschen, deren Reallöhne geschrumpft sind, im Alltag brauchen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Das wäre sozialdemokratische Politik gewesen. Kürzen für Verteidigung, olivgrüne Austerität, ist das genau Gegenteil.
Maurice Höfgen ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Bundestag und Autor des Buches »Mythos Geldknappheit«. Zudem betreibt er den YouTube-Kanal »Geld für die Welt«.