22. März 2024
Gaza war nicht immer synonym mit Elend und Zerstörung. Palästinensische Geflüchtete erinnern sich an einen Ort des blühenden Lebens.
Ibrahim Hassan Mohammed Abu D’ema floh 1967 aus dem Gazastreifen.
Im Laufe seines Lebens hat sich Ibrahim Hassan Mohammed Abu D’ema des Öfteren dabei ertappt, wie er in Tagträumen an seine Kindheit im Gazastreifen zurückdachte – an die malerische Mittelmeerküste, das Rauschen der Wellen, die sonnengefluteten Straßen mit den bunt blühenden Blumen und den frischen Fisch aus dem Meer.
Diese Erinnerungen waren für den heute 72-Jährigen ein Trost, als er sich im Geflüchtetenlager Al-Wehdat in Jordaniens Hauptstadt Amman zurechtfinden musste. Er und seine Familie waren dorthin geflohen, nachdem Israel während des Dritten Arabisch-Israelischen Krieges 1967 die Kontrolle über den Gazastreifen und das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, übernommen hatte. Der damalige Sechstagekrieg war der Beginn der nach wie vor anhaltenden militärischen Besetzung der palästinensischen Gebiete durch Israel.
Abu D’emas Familie war zuvor schon einmal geflüchtet: Sie fand sich in Chan Yunis wieder, der zweitgrößten Stadt des Gazastreifens, nachdem zionistische Milizen sie während der Gründung des Staates Israel 1948 aus ihrem Haus in Yaffa (heute Teil der israelischen Großstadt Tel Aviv) vertrieben hatten. In dieser Zeit der »Nakba« – das heißt »Katastrophe« – wurden etwa 750.000 Menschen von ihrem Land verjagt, das nun zum israelischen Staatsgebiet wurde.
D’emas Familie verlor alles, konnte sich aber im Gazastreifen, der unter ägyptischer Kontrolle stand, für etwa zwei Jahrzehnte eine neue Heimat schaffen. Dann waren sie erneut gezwungen, zu fliehen. »Gaza war sehr schön«, erzählt D’ema. Er sitzt vor einem Laden in der Nähe seines Hauses in Amman, wo er auch heute noch lebt. Er war fünfzehn Jahre alt, als er aus der Küstenenklave floh. »Gaza war ein Stück vom Paradies. Das Leben war sehr erfüllt, und wir waren sehr zufrieden. Wir wären für immer dort geblieben, wenn wir gekonnt hätten.«
In den vergangenen Monaten musste Abu D’ema aber mit Entsetzen beobachten, wie diese Heimat seiner Kindheit in Schutt und Asche gelegt wird. Israels beispiellose Bombardierung und Bodeninvasion des Gazastreifens – eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt – hat bislang mehr als 29.000 palästinensische Leben gekostet. Die meisten Opfer sind Frauen und Kinder.
Israels Attacken erfolgen als Reaktion auf den Überfall am 7. Oktober unter Führung der Hamas, die im Gazastreifen die Macht innehat. Bei dem Angriff auf den Süden Israels wurden rund 1.100 Menschen getötet und mehr als 240 Israelis sowie einige ausländische Staatsangehörige als Geiseln genommen.
»Israel hat ein Bild des Gazastreifens als Ort der Armut und des Elends verbreitet – ein Ort, an dem niemand sein will und der von Menschen bewohnt wird, die niemand haben will.«
Seitdem ist der Norden des Gazastreifens in Grund und Boden bombardiert worden. Israel hat außerdem seine Operationen im Zentrum und im Süden des Gebiets intensiviert. »Was Israel dem Gazastreifen gerade antut, ist viel, viel schlimmer als alles, was wir bisher erlebt haben«, meint D’ema. Er habe seit dem 7. Oktober fünf seiner Cousins durch israelische Angriffe verloren. »Es fällt mir sogar schwer, meine Erfahrungen von 1967 mit dem zu vergleichen, was heute in Gaza passiert.«
Er sei sich aber sicher: »Egal was passiert, der palästinensische Widerstand wird niemals sterben und wir werden niemals aufhören, bis wir in unser Land zurückkehren. Solange noch ein einziger Palästinenser am Leben ist, werden wir weiterkämpfen.«
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Jaclynn Ashly ist freie Journalistin.