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10. September 2025

Politik geht durch den Magen

Ein solidarisches Sozialleben an der Basis ist Voraussetzung für eine Linke, die über kurzfristige Hypes hinaus erfolgreich sein will.

»Ach, linke Zentren können offene Orte sein, an denen man Sandwiches isst und gemeinsam Musik hört?«

»Ach, linke Zentren können offene Orte sein, an denen man Sandwiches isst und gemeinsam Musik hört?«

Illustration: Marie Schwab

Wer kennt nicht das Gefühl – man sitzt bei Linken im Ausland oder einer migrantisch geprägten Organisation und beginnt sich zu wundern: Wieso ist man so freundlich zu mir? Warum fragt man, ob ich einen Tee oder Kaffee möchte? Weshalb sind Tische schön gedeckt? Ist das am Ende gar kein Parteilokal, sondern so etwas wie ein Restaurant? Während Parteibüros und linke Zentren in Deutschland von ungespültem Geschirr, verstaubten Plakaten, trockenen Sansevierien oder gar von Aktenwänden dominiert werden – also einem Ambiente, das zum Weggehen einlädt –, kann man sich das Politische anderswo offenbar auch sozialer vorstellen.

Besonders frappierend ist die Erfahrung für mich immer im Baskenland, wohin ich regelmäßig Bildungsreisen für Menschen aus Gewerkschaften oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiere. Schon der Umstand, dass die politische Linke dort in jeder Ortschaft ein soziales Zentrum mit Kneipenbetrieb unterhält, sorgt bei den Reisenden für großes Hallo. Ach, linke Zentren können offene Orte sein, an denen man Sandwiches isst und gemeinsam Musik hört?

Noch größer ist die Verwunderung, wenn erklärt wird, dass sich die sogenannten Herrikos (Volkshäuser – die der spanische Staat übrigens mithilfe von Anti-Terror-Gesetzen konfiszierte, aber trotzdem nicht aus der politischen Kultur zu entfernen vermochte) in Genossenschaftsbesitz befinden. Einige Dutzend politisch Aktive machen Einlagen, um ein Lokal anzumieten, und auch der Gastronomiebetrieb wird kooperativ, meist von Mitgliedern der Jugendorganisationen, getragen.

Das Erstaunen kulminiert, wenn die baskischen Gastgeberinnen und Gastgeber am Ende der Bildungswoche zum Abendessen einladen. Weil zwischen Pyrenäen und Atlantik zwar gern gemeinsam, aber eher ungern zu Hause gekocht wird, finden die Veranstaltungen in einer Txoko (»Ecke«) statt. Dabei handelt es sich um so etwas wie einen Gastronomieverein. Auch hier tun sich mehrere Dutzend Nachbarinnen und Nachbarn zusammen, um eine Großküche mit Versammlungsraum für etwa 100 Personen einzurichten. Auf diese Weise ist es möglich, sich in großer Runde zum Essen zu verabreden.

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