22. Juli 2021
Die jugoslawischen Partisanen waren eine der größten antifaschistischen Bewegungen Europas. Ihren Kampf hielten sie in atemberaubenden Bildern fest. Heute bieten sie uns einen Einblick in das Leben, die Kultur und den Alltag dieser bedeutenden Befreiungsbewegung.
Eine der seltenen Farbfotografien zeigt Mädchen aus Bukovica, Kroatien, im Jahr 1944. Sie bringen den Partisanen Kleidung und Lebensmittel.
Der von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens geführte Kampf der Partisanen wurde zwischen 1941 und 1945 zu Europas größtem Volksaufstand gegen den Faschismus. Diese Befreiungsbewegung kämpfte nicht nur gegen die deutsche und italienische Besatzung, sondern auch gegen die einheimischen Verräter und Kollaborateure der Ustascha und der Tschetniks. Es war zugleich ein Kampf für eine soziale Revolution, die Demokratisierung der Wirtschaft und die Emanzipation einer halbfeudalen und weitgehend analphabetischen Gesellschaft.
Trotz dieser Erfolge ist im ehemaligen Jugoslawien dieser Tage der Geschichtsrevisionismus auf dem Vormarsch. Am deutlichsten zeigt sich das in der Relativierung und Leugnung der Verbrechen faschistischer Bewegungen, die mit einer zunehmenden Feindseligkeit gegenüber nationalen Minderheiten und Migranten sowie einem stetigen Erstarken rechter Kräfte einhergeht. Diese revisionistische Wende begann zunächst mit der massenhaften Zerstörung antifaschistischer Denkmäler – allein in Kroatien wurden mehr als 3.000 von ihnen zerstört. Die Partisaninnen und Partisanen, die entscheidend zu der Befreiung Jugoslawiens vom Faschismus beitrugen, wurden kriminalisiert, die Zahl ihrer »Opfer« aufgebauscht und das sozialistische Jugoslawien mit faschistischen und nazistischen Regimen gleichgesetzt – schließlich seien sie letztlich alle blutige Totalitarismen gewesen. In jüngster Zeit ist der Gruß der Ustascha »Za dom spremni!« (»Für das Vaterland bereit!« – die kroatische Version des »Sieg Heil«) wieder legitim geworden: Er findet sich zum Beispiel im Liedtext des rechtsextremen Sängers Marko Perković Thompson, wurde aber auch von einigen Politikern und Kriegsveteranen verwendet.
Dieser sehr moderne Geschichtsrevisionismus ist einer der ausschlaggebenden Gründe, die mich dazu bewegten, das Buch Rotes Licht: Jugoslawische Partisanenfotografie. Bilder einer sozialen Bewegung, 1941–1945 zu veröffentlichen. Es bietet eine Pionierstudie der Partisanenfotografie im ehemaligen Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs und versucht gleichzeitig, den historischen Kontext und die Produktionsbedingungen abzubilden, in denen die Partisanenfotografie entstand. Die kulturelle Produktion der Partisanen stand im Zentrum der revolutionären und antifaschistischen Bestrebungen in Jugoslawien. Ihr Ziel war es, die Bevölkerung zu agitieren, die Alphabetisierung voranzutragen, den politischen Aktivismus zu fördern und die Emanzipation zu erreichen.
Zu den zentralen Akteuren der Partisanenkunst gehörten Kulturschaffende und Amateure, aber auch Personen, die über keine spezifischen beruflichen oder fachlichen Kenntnisse verfügten. Die Partisanenfotografie des Zweiten Weltkriegs strebte die Verbreitung der revolutionären Botschaft an – sie war aber auch ein Versuch, die Kultur selbst zu demokratisieren.
Die jugoslawischen Partisanen waren aber kaum die ersten Revolutionäre, die die Fotografie für ihre Zwecke nutzten. Rotes Licht beginnt mit einer Analyse der Rolle der Fotografie in der Pariser Kommune – der ersten fotografisch dokumentierten Revolution – und einem Überblick über die Fotografie zwischen den Weltkriegen. Mit der Partisanenfotografie wollte man neben dem bewaffneten Konflikt auch einen Kampf auf der Ebene der Repräsentation ausfechten. Die Partisanen rückten auch auf dieses Terrain vor, trotz ihrer begrenzten materiellen und technischen Mittel; mit der Propagandamaschine ihrer überlegenen einheimischen Gegner konnten sie nicht konkurrieren, und noch weniger mit den Nazis, denen die Fotografie buchstäblich als eine Waffe galt, die von der straff organisierten Propagandakompanie der Wehrmacht eingesetzt wurde.
Dennoch argumentiert Rotes Licht, man dürfe die Partisanenfotografie nicht ausschließlich durch das Prisma der Agitation und Propaganda betrachten und hinterfragt den politischen Stellenwert des Mediums der Fotografie. Es ist daher geboten, sich mit dem breiteren Verständnis von Medien und ihrem revolutionären Potenzial auseinanderzusetzen, so wie es Walter Benjamin in seinem bekannten Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« von 1935 getan hat. Laut Benjamin hat die Fotografie nicht nur den Effekt, dass sie die Aura eines Kunstwerks irreversibel zerstört. Er argumentiert, dass sie ebenso das Potenzial hat, »die Formulierung revolutionärer Forderungen in der Kunstpolitik« zu nähren.
Neben den ausgebildeten Fotografen, die Teil der Bewegung waren, wurden auch andere Partisaninnen und Partisanen im Umgang mit der Kamera geschult. Die Fotografien, die so entstanden, lieferten das Material für Anschlagtafeln, Zeitungen und Fotoalben. Die Fotografie wurde außerdem für die Fälschung von Dokumenten genutzt sowie für den Aufbau eines Partisanenarchivs und schließlich für Ausstellungen in den Städten und Wäldern befreiter Gebiete.
Die Partisanenfotografie operierte zunächst außerhalb jedes zentralisierten Propagandasystems. Die Fotografinnen und Fotografen waren sich selbst überlassen und ihre Arbeit wurde bis 1943 nicht beaufsichtigt. In eben diesem Jahr kapitulierte Italien und Großbritannien und die USA minderten ihre Unterstützung der kommunistisch geführten Partisanen in Jugoslawien, die allmählich zur einzigen von den Alliierten anerkannten antifaschistischen Bewegung des Landes wurden. Im Jahr 1944 vollzog sich eine Systematisierung der Fotoproduktion durch Fotodienste und Abteilungen der Agitprop, welche alle kulturellen Aktivitäten organisierten.
Das Buch erkennt zwar an, dass die Partisanenfotografie vor allem von ihrer sozialen und propagandistischen Funktion sowie ihren sehr schlechten Produktionsbedingungen gezeichnet war. Ebenso versucht es aber, die Partisanenfotografie auf einer gesamtheitlicheren Ebene zu erfassen, um ihren künstlerischen und dokumentarischen Wert zu begreifen. Im Sinne der Propaganda war die Fotografie in erster Linie ein semantischer Träger der Botschaft vom Aufbau einer neuen Welt – aber sie diente auch dazu, die breiten Massen zu agitieren, um sich dem Aufbau dieser Welt anzuschließen.
Von Anfang an lässt sich eine Balance beobachten zwischen dem Ansatz, die Partisanen als »freie Autoren« agieren zu lassen, und den späteren Versuchen, ein umfassendes System von Informationen und Propaganda zu entwerfen. Während des gesamten Zweiten Weltkriegs waren die Partisanenfotografen mit dem Risiko konfrontiert, dass ihre Negative zerstört werden könnten. Sie konnten daher kein Archiv anlegen – tatsächlich bestand sogar die Gefahr, dass der Fotograf selbst eliminiert werden würde. Das erklärt zum Teil auch die große Freiheit der Partisanenfotografie und die Pluralität der Meinungen, die in den erhaltenen Negativen sichtbar wird.
Die politische Bedeutung dieser fotografischen Anstrengungen offenbart unter anderem die Tatsache, dass die jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug bereits am 5. November 1943 gegründet wurde – vier Jahre vor der ersten internationalen Fotoagentur Magnum Photos. Viele Partisanenfotografen erlernten ihr Handwerk als Reportagefotografen während des Krieges. Gerade einmal vier Jahre früher wurde das Life Magazin gegründet, das für den Fotojournalismus, wie wir ihn heute kennen, den Grundstein legte. Viele der Fotografien in diesem Buch haben keine namentlich genannten Urheber – dies sollte man aber nicht als Makel auffassen. Denn im Kampf gegen den Faschismus folgten die meisten Fotografinnen und Fotografen einer gemeinsamen Vision und Motivation.
Die Suche nach dem Material für Rotes Licht fiel in eine Zeit, in der die Partisanenfotografie – und ebenso auch das partisanische und jugoslawische Erbe – in den Ländern, die aus den Ruinen des sozialistischen Jugoslawiens hervorgingen, unerwünscht geworden ist. Viele Archive sind für Forscherinnen und Forscher nicht zugänglich. Selbst die Veröffentlichung eines Buches wie diesem wird als Akt der Zivilcourage bejubelt. Ein großer Teil des Archivs, vor allem die Negative und Fotografien, wurde nicht adäquat erhalten und ist dem langsamen Verfall überlassen worden.
Die Aufbereitung dieser Fotografien stellt heute daher eine Konfrontation mit revisionistischen Narrativen dar – es ist ein Kampf um das Vermächtnis der Partisanen, die heute als Terroristen porträtiert werden. Sie stellt sich der Art von falschen Erzählungen entgegen, die von der im Jahr 2006 verabschiedeten Resolution 1481 des Europarates vorangetrieben werden. In ihrer pauschalen Verurteilung der »Verbrechen totalitärer kommunistischer Regime« hebt sie die Partisanenfotografinnen und Partisanenfotografen auf eine Stufe mit den Nazis, gegen die sie kämpften.
Rotes Licht erzählt die Geschichte einer Bewegung, der es gelungen ist, selbst unter scheinbar unmöglichen Bedingungen ein systematisches Mittel zu schaffen, um ihre eigenen Kämpfe – und ihre eigenen Widersprüche – zu porträtieren. In gewisser Weise widersetzen sich diese Bilder auch einer kolonisierenden Sichtweise auf den Balkan als Raum innerer Zerrissenheit und Intoleranz. Diese Fotografien schildern die Geschichte eines siegreichen Kampfes gegen einen weitaus stärkeren Feind – dieser Kampf verwirklichte die Ideale von Brüderlichkeit und Einheit und dauerhaftem Frieden.
Die zentrale Rolle der Fotografie in zeitgenössischen sozialen und politischen Konflikten lädt ein, die Frage nach ihrem Potenzial als Medium neu zu stellen, welches öffentliche Meinungen verändern, öffentliche Diskussionen anregen und Solidarität über nationale Grenzen hinweg fördern könnte. Es geht darum zu ergründen, wie der Kampf um Repräsentation gewonnen werden kann – ganz gleich, ob es sich dabei um den Befreiungskampf der Partisanen handelt oder um die Kämpfe gegenwärtiger sozialer und revolutionärer Bewegungen.
Das Buch »Rotes Licht: Jugoslawische Partisanenfotografie. Bilder einer sozialen Bewegung, 1941–1945« erschien am 02. August 2021 <i>in deutscher Übersetzung</i> und in Kollaboration mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung im Deutschen Kunstverlag.