16. Februar 2022
Die Sparmaßnahmen der Eurokrise haben Portugals Wirtschaft von Niedriglohnsektoren wie dem Gastgewerbe abhängig gemacht. Während der Pandemie hat sich das bitter gerächt. Doch die Regierung hat ihre Lektion nicht gelernt.
EU-Präsidentin von der Leyen und Premierminister Costa bei einer Pressekonferenz zum Wiederaufbaufonds "Next Generation EU", 21. Juni 2021.
Die vorgezogenen Neuwahlen in Portugal am 30. Januar brachten einen historischen Sieg für die Sozialistische Partei von António Costa, die zum ersten Mal seit 2005 die Mehrheit errang. Costas Regierungen waren in den letzten sechs Jahren auf die Unterstützung der kleineren Kommunistischen Partei (PCP) und des Linksblocks (Bloco de Esquerda, BE) angewiesen – eine schwerfällige Vereinbarung, die im Volksmund als »Geringonça« oder »schräges Konstrukt« geläufig ist. Damit ist jetzt Schluss, denn mit Costas Erfolg konnte sich seine Partei von diesem Arrangement befreien.
Die Differenzen zwischen diesen Parteien spiegeln auch einen grundlegenden Konflikt darüber wider, was die Linke in der Regierung tun kann. Nach der Staatsschuldenkrise Mitte der 2010er Jahre wurde Costas Regierung weithin als »Musterschüler« der Europäischen Union gefeiert, da sie eine progressive Politik innerhalb der engen Ausgabengrenzen der Eurozone umsetzte. Bei näherer Betrachtung war dieser Aufschwung jedoch auch auf die Fortführung der Sparmaßnahmen zurückzuführen, die die Infrastruktur stagnieren ließen und die Abhängigkeit Portugals von Niedriglohnsektoren wie dem Tourismus erhöhten.
Diese Problematik wurde durch die Pläne zur Bewältigung der Pandemie erneut in den Mittelpunkt gerückt, für die Portugal wie andere europäische Länder die Mittel des EU-Wiederaufbaufonds »Next Generation EU« in Anspruch nimmt. Die Europäische Union hat zwar eine »europäische Bazooka« von Ausgaben angekündigt, die darauf abzielen, beim Wiederaufbau gleich Verbesserungen vorzunehmen (»build back better«), doch die von der portugiesischen Regierung angekündigten Maßnahmen zeigen ein weit weniger vielversprechendes Bild.
Die COVID-19-Pandemie hat der Weltwirtschaft großen Schaden zugefügt und keinen Teil der Welt unberührt gelassen. Während man zunächst davon ausging, dass der Virusschock symmetrisch ist, also alle Länder und Bürger zur gleichen Zeit trifft, zeigte sich jedoch bald, dass er bereits bestehende Ungleichheiten verschärft hat. In der Europäischen Union hatten es die südlichen Länder, darunter Portugal, besonders schwer, da sie von den Wirtschaftszweigen abhängig sind, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind, nämlich dem Tourismus und dem Gastgewerbe. Gleichzeitig war der Einkommensrückgang bei prekär Beschäftigten oder Selbstständigen besonders stark, was bedeutet, dass die Auswirkungen der Krise in den verschiedenen sozialen Schichten unterschiedlich zu spüren waren (die unteren Schichten waren am stärksten von diesem Schock der Pandemie betroffen).
Angesichts der Verschärfung der Krise war die Europäische Union eine mögliche Quelle der Unterstützung. Es wurden Rufe laut, eine Einigung darüber zu erzielen, wie eine gemeinsame, europäische Antwort auf die durch die Pandemie verursachte wirtschaftliche Notlage gefunden werden kann.
Nach langen Verhandlungen wurde die Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, kurz RRF) von der Europäischen Kommission als Lösung präsentiert. Die wichtigsten Zahlen sind inzwischen weithin bekannt: Die RRF beläuft sich auf 723,8 Milliarden Euro (in Preisen von 2020), wovon 338 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und der Rest in Form von Darlehen gewährt werden. Obwohl dieser Fonds von den Staats- und Regierungschefs der EU gelobt und als »europäische Bazooka« bezeichnet wurde, beträgt sein tatsächlicher makroökonomischer Umfang weniger als die Hälfte des propagierten Betrages, da die meisten EU-Mitgliedstaaten aufgrund ihrer bereits beträchtlichen öffentlichen Verschuldung die Darlehen nicht beantragen. Dazu gehören Länder wie Portugal, das Anfang der 2010er Jahre von der Staatsschuldenkrise schwer getroffen wurde, wenngleich es unter der sozialistisch geführten Regierung von António Costa einige Fortschritte gab.
Um die Mittel zu erhalten, muss Portugal wie andere Staaten auch der Kommission einen nationalen Wiederaufbau- und Resilienzplan (National Recovery and Resilience Plan, NRRP) vorlegen. Die RRF ist an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, insbesondere an den Mindestanteil der Investitions- und Reformausgaben, den jedes Land zur Erreichung der EU-Klimaziele (37 Prozent) und zur Förderung des digitalen Wandels (20 Prozent) aufbringen muss.
Der Ansatz der Fazilität war von Anfang an klar definiert: ein »befristetes Instrument zur Konjunkturbelebung«, das »eng auf die Prioritäten der Kommission abgestimmt ist, um einen nachhaltigen und integrativen Aufschwung zu gewährleisten, der den grünen und digitalen Wandel fördert«. Doch trotz der deutlichen Worte sind wir noch weit davon entfernt, die tatsächlichen Auswirkungen der RFF auf die Industrielandschaft der EU und auf internationale Lieferketten zu ermitteln. In der Tat fehlt es in der EU selbst noch immer an einer umfassenden und kohärenten Industriestrategie mit klar definierten Zielen und einer Beschreibung der Wege dorthin. Der portugiesische NRRP ist ein gutes Beispiel dafür, warum eine solche Strategie so dringend benötigt wird.
Der portugiesische Aufbau- und Resilienzplan (PRRP) wurde in Anlehnung an die Ziele der EU entwickelt. In seiner Einleitung umreißt das Programm die längerfristigen sozialen und wirtschaftlichen Ziele der Regierung und erklärt, dass diese »mit den europäischen Prioritäten in Bezug auf das Klima und den digitalen Wandel übereinstimmen«. Die Regierung »bekräftigt außerdem ihr Engagement für eine nachhaltige Entwicklung, die auf einer Logik der wettbewerbsfähigen Nachhaltigkeit in Richtung wirtschaftlicher und sozialer Klimaneutralität bis 2050 beruht«, und versichert den Lesern, dass »alle Investitionen mit dem Grundsatz der Schadensbegrenzung (Do No Significant Harm) in Einklang stehen«, der in der RRF-Verordnung definiert ist, um klimaschädliche Aktivitäten von der öffentlichen Finanzierung auszuschließen.
Wenn wir uns jedoch die Investitionspläne im Detail ansehen, zeigen sich einige beunruhigende Aspekte. Einerseits ist der größte Teil der für Infrastrukturinvestitionen vorgesehenen Mittel (580 Millionen Euro von 690 Millionen) für den Ausbau des portugiesischen Straßennetzes bestimmt. Es mag überraschen, dass die Regierung diese Investitionen als Teil der »grünen« Komponente ihres PRRP eingestuft hat, und zwar mit der Begründung, dass sie mit Investitionen in die Nutzung von Elektrofahrzeugen und Solarzellen gekoppelt werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Ausbau des Straßennetzes alles andere als eine umweltfreundliche Maßnahme ist und kein adäquates Mittel zur Bewältigung der Klimakrise darstellt, vor allem, wenn man die Alternative des Schienenverkehrs in Betracht zieht.
Die etwas unklare Definition von Klimamaßnahmen birgt die Gefahr des Greenwashings einiger Investitionspläne. Doch die Wurzeln dieses Problems liegen tiefer, nämlich im Fehlen einer klaren Industriestrategie in Portugal und der EU. Obwohl die europäischen Staats- und Regierungschefs offenbar besorgt darüber sind, von anderen Industriemächten wie China überholt zu werden, ist der Block immer noch nicht in der Lage, einen Plan zur Steigerung seiner Produktionskapazitäten und deren Umlenkung auf kohlenstoffneutrale und wertschöpfungsintensive Tätigkeiten zu entwerfen. Wie ist ein solches Versagen zu erklären?
Es gibt zwei Regelwerke, die dazu beitragen, die Hindernisse für eine fortschrittliche Politik innerhalb der EU zu erklären: die Binnenmarktregeln und der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP).
Die Binnenmarktvorschriften zielen darauf ab, den freien Wettbewerb in den EU-Mitgliedstaaten zu gewährleisten, was dadurch erreicht wird, dass der Umfang, in dem die nationalen Regierungen bestimmte inländische Industrien fördern können, erheblich eingeschränkt wird. In den letzten Jahrzehnten hat der portugiesische Staat von starken Eingriffen in die Wirtschaft abgesehen und eine beträchtliche Anzahl strategischer Unternehmen privatisiert, die sich zuvor in staatlichem Besitz befanden (unter anderem auch im Energie- und Telekommunikationssektor). In diesem Zeitraum wurde ein großer Teil der Strukturinvestitionen im Land durch öffentlich-private Partnerschaften realisiert, bei denen der Staat die Risiken auf sich nimmt und gleichzeitig dem privaten Sektor wirtschaftliche Erträge sichert, der schließlich von den öffentlichen Investitionen profitiert.
Darüber hinaus haben die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten starren Grenzen für die Höhe der Staatsverschuldung (60 Prozent des BIP) und des jährlichen Haushaltsdefizits (3 Prozent) in den Ländern der Eurozone zu einer restriktiven makroökonomischen Politik geführt. Das Ergebnis war ein allgemeiner Rückgang der öffentlichen Investitionen in den Peripherieländern, dessen Folgen erst mittelfristig sichtbar werden. Der portugiesische Fall ist paradigmatisch: Seit der Wende zum 21. Jahrhundert sind die öffentlichen Investitionen im Verhältnis zum BIP fast ununterbrochen zurückgegangen. Die öffentlichen Nettoinvestitionen des Landes sind seit fast einem Jahrzehnt negativ. Dies bedeutet, dass der Bestand an öffentlichem Kapital geschrumpft ist, ein Trend, der sich in der Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen wie Krankenhäuser, Schulen und andere Infrastrukturen widerspiegelt, und das alles wegen der Haushaltsbeschränkung.
Der Ausbruch der Pandemie hat die Anfälligkeit der portugiesischen Wirtschaft deutlich gemacht. Einerseits zwangen die unterfinanzierten öffentlichen Dienste die Angehörigen der Gesundheitsberufe zu extremen Anstrengungen, um die Krise zu bewältigen. Andererseits war die Wirtschaft von dem Schock besonders betroffen, da sie von den am stärksten betroffenen Wirtschaftszweigen, nämlich dem Tourismus und dem Gaststättengewerbe, abhängig ist und auf dem portugiesischen Arbeitsmarkt prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorherrschen. Dies hat die Regierung dazu veranlasst, sich die Rhetorik der strukturellen Veränderungen zu eigen zu machen, um eine Rückkehr zu den Schwächen von vor der Pandemie zu vermeiden.
Die bisher ergriffenen Maßnahmen spiegeln dieses veränderte Narrativ jedoch nicht wider. Das portugiesische NRRP enthält keine klare Strategie zur Neuausrichtung der Produktionsstruktur des Landes und zum Aufbau einer nachhaltigeren Wirtschaft. Darüber hinaus scheint der finanzpolitische Ansatz der Regierung intakt zu sein, wie aus den makroökonomischen Projektionen im Stabilitätsprogramm 2025 hervorgeht, das der Europäischen Kommission kürzlich vorgelegt wurde. Während die Regierung erklärt, dass das Ziel des NRRP darin besteht, einen »starken wirtschaftlichen Aufschwung auf der Grundlage von öffentlichen Investitionen ... und anderen Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft zu fördern, um einen robusten Anfangsimpuls mit höheren und länger anhaltenden Multiplikatoreffekten zu ermöglichen«, sticht vor allem die Haushaltskonsolidierung hervor: Das Haushaltsdefizit soll von 5,7 Prozent im Jahr 2020 auf 1,1 Prozent im Jahr 2025 sinken. Vereinfacht gesagt, konzentriert sich die Regierung weniger auf die Förderung von Investitionen als vielmehr auf die Sanierung des Staatshaushalts, wie es vor der Pandemie der Fall war.
In der Regel führen die Befürworter dieser Strategie zwei Hauptargumente an: (1) die Notwendigkeit, die internationalen Investoren und Finanzmärkte zu beruhigen und so internationale Spekulationen und steigende Zinssätze zu vermeiden (die erhebliche Probleme für die Solvenz des Staates mit sich bringen könnten), und (2) die Notwendigkeit, die Staatsverschuldung einzudämmen. Unter den derzeitigen Bedingungen ist jedoch keines dieser Argumente stichhaltig. Die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts haben gezeigt, dass die finanziellen Bedingungen für die Aufnahme von Krediten für Investitionen günstig sind – das heißt die Zinsen bleiben niedrig –, solange die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Rolle mit einer akkommodierenden Geldpolitik spielt.
Auch wenn das Ziel, die Staatsverschuldung zu senken, sicherlich wichtig ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie eine Regierung versuchen könnte, dies zu erreichen, je nachdem, ob sie sich auf die Kürzung öffentlicher Dienstleistungen, Steuererhöhungen oder die Steigerung der Gesamteinnahmen durch Investitionen konzentriert. In dieser Hinsicht hat das letzte Jahrzehnt gezeigt, dass Ausgabenkürzungen sogar kontraproduktiv sein können, wenn es darum geht, die Schuldenquote zu senken, und zwar aus dem einfachen Grund, dass in einer Marktwirtschaft die Ausgaben des einen das Einkommen des anderen sind. Es gibt also Spielraum für die Finanzpolitik, um die Wirtschaft durch eine Erhöhung der Gesamtnachfrage zu stimulieren.
Die wirtschaftlichen Grundlagen eines solchen Ansatzes sind seit Jahrzehnten bekannt. In einem Land der Eurozone wie Portugal hängt die Durchführbarkeit eines expansiven finanzpolitischen Kurses jedoch weitgehend von den Entscheidungen der EZB ab. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann die portugiesische Regierung die öffentlichen Ausgaben erhöhen, ohne eine ablehnende Reaktion der Finanzmärkte zu befürchten; sollte die EZB jedoch ihre Geldpolitik ändern, werden die Aussichten sicherlich nicht mehr so günstig sein. Ein alternatives makroökonomisches Programm, das sich auf die Förderung öffentlicher Investitionen stützt, muss daher durch eine akkommodierende Geldpolitik ergänzt werden. Mit anderen Worten: Die Zentralbank darf ihre Politik nicht nur nach den Kriterien der Preisstabilität definieren, sondern muss auch andere kollektive Ziele wie den grünen Wandel und die Vollbeschäftigung berücksichtigen.
Nur wenn wir uns auf diese Prioritäten konzentrieren, kann der Aufschwung in Europa den Anforderungen der sozialen Gerechtigkeit und sogar der von der Kommission selbst propagierten ökologischen Nachhaltigkeit gerecht werden. Doch damit dies überhaupt möglich ist, müsste die EU ihre derzeitigen Regeln abschaffen und einen neuen makroökonomischen Rahmen festlegen, der es den Staaten ermöglicht, einen bedeutenden Einfluss auf die Wirtschaftstätigkeit auszuüben, und gleichzeitig die EZB selbst unter demokratische Kontrolle stellt. Dies ist jedoch angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse in der Union höchst unwahrscheinlich: Die Gewinner des wirtschaftlichen Integrationsprozesses scheinen nicht daran interessiert zu sein, dessen Eckpunkte zu ändern.
Wenn sich diese Situation nicht ändert, stehen die schwächsten Länder vor einer entscheidenden Entscheidung: Entweder sie bleiben in einem wirtschaftlich feindlichen Umfeld mit scheinbar unflexiblen Regeln oder sie brechen aus diesem Umfeld aus. Zwar lassen sich die kurzfristigen Auswirkungen der zweiten Option nur schwer abschätzen, doch der längerfristige Schaden der ersten Option ist eindeutig.
Wir veröffentlichen diesen Artikel in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brüssel.
Vicente Ferreira ist Wirtschaftsexperte und Berater der Linksfraktion im Europäischen Parlament.
Vicente Ferreira ist Wirtschaftsexperte und Berater der Linksfraktion im Europäischen Parlament.