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12. November 2025

Unabhängige Zentralbanken sind nicht unsere Freunde

Donald Trumps Angriffe auf die Federal Reserve sind bedenklich. Doch die Linke sollte sich nicht schützend vor die Unabhängigkeit der Zentralbanken stellen. Denn diese war das Produkt einer Ära, in der die Arbeiterbewegung geschlagen am Boden lag.

Der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, auf einer Pressekonferenz in Washington, D.C., 7. Mai 2025.

Der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, auf einer Pressekonferenz in Washington, D.C., 7. Mai 2025.

IMAGO / VCG

Der Berufsalltag eines Zentralbankers war zwischen 1990 und 2008, als die Globalisierung ihren Höhepunkt erreichte, ziemlich angenehm. Mervyn King, ehemaliger Chef der Bank of England (der Britischen Zentralbank), fand dafür einen passenden Begriff: NICE, oder »Non-Inflationary Consistent Expansion« (in etwa: stetiges nichtinflationäres Wachstum). In dieser Zeit rückten die Zentralbanken nur selten ins politische Rampenlicht, und die Regierungen dachten nicht daran, die quasi gottgegebene Unabhängigkeit der Zentralbanker infrage zu stellen.

Die Gewerkschaften waren geschlagen und die Globalisierung sorgte dafür, dass Preise relativ stabil blieben oder auf breiter Front fielen. Das bedeutete unter anderem, dass die Bekämpfung der Inflation – das Hauptziel der Zentralbanken – nur geringen Aufwand erforderte. Seit der Finanzkrise jedoch hat sich das politische Klima völlig gewandelt.

Unmittelbar nach seinem Amtsantritt startete US-Präsident Donald Trump nun eine Reihe von Angriffen auf die Federal Reserve Bank (das US-amerikanische Pendent zur Bank of England) und forderte wiederholt die Entlassung ihres von ihm ernannten Vorsitzenden Jerome Powell. Diese Feindseligkeiten erreichten in den letzten Monaten einen neuen Höhepunkt, als Trump mehrmals die Entlassung von Lisa Cook, einer der Gouverneurinnen der Fed, forderte. Die Reaktion auf diese Nachricht war vorhersehbar. Die Financial Times und Bloomberg halten Mahnwachen bei Kerzenlicht für den Anleihenmarkt ab; die New York Times betrachtet diese Entwicklung als den jüngsten Angriff Trumps auf die Säulen der amerikanischen Demokratie.

Aber die Zentralbanken waren nicht immer unabhängig. Die meiste Zeit ihrer Geschichte haben sie ihre Maßnahmen mit der Regierung abgestimmt und die Zinssätze so festgelegt, dass sie am besten zu der Politik passten, die bestimmte Parteien im Sinn hatten. Diese Ära endete irgendwann in den 1970er Jahren. Nach und nach wurden die Zentralbanken nicht nur konservativer, sondern auch wesentlich mächtiger und autonomer. Viele wurden in den 1990er Jahren formell unabhängig. Aber selbst in den glücklichen Tagen des Zentralbankwesens beruhte die »Unabhängigkeit« immer auf der politischen Zusammenarbeit mit dem Staat und auf der Annahme, dass die Herren der Geldpolitik in Krisenzeiten, wenn es hart auf hart kommt, weitreichende Befugnisse übernehmen würden.

»Trumps Versuch, Lisa Cook zu feuern, stellt mit erneuter Dringlichkeit die Frage nach der Zentralbankunabhängigkeit und der sich entwickelnden Beziehung zwischen der Fed und der Exekutive.«

Der Umfang dieser Befugnisse explodierte nach den Reformen von 2008, als neoliberale Regierungen, die sich zu fiskalischen Sparmaßnahmen verpflichteten, die Zentralbanken als Hauptfeuerwehrmänner allein ließen. Dies machte sie letztendlich anfällig für politische Gegenreaktionen. Der aktuelle Streit zwischen Trump und Cook ist die jüngste Episode einer Krise, für die neoliberale Regierungen verantwortlich sind.

Der bequeme Mythos der Unabhängigkeit

Trumps Versuch, Lisa Cook zu feuern, stellt mit erneuter Dringlichkeit die Frage nach der Zentralbankunabhängigkeit und der sich entwickelnden Beziehung zwischen der Fed und der Exekutive. Der Ursprung der Unabhängigkeit der Zentralbank ist leicht nachzuvollziehen. Die Geschichte verläuft in etwa so: Während der keynesianischen Nachkriegszeit waren die Zentralbanken weitgehend den Forderungen ihrer nationalen Staatskassen unterworfen. Sie unterstützten den Verkauf von Staatsanleihen, stimmten sich mit den Regierungen bei der Festlegung der Zinssätze ab und fügten sich im Allgemeinen, wenn sie dazu gedrängt wurden, die relativen Wechselkurse zu ändern. Sogar die Federal Reserve, die 1951 ihre gesetzliche Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, unterstützte die Regierung im Rahmen ihrer sogenannten »Even-Keel«-Praxis.

Dieses System brach jedoch in den 1970er Jahren aufgrund steigender Inflation und Währungsinstabilitäten auseinander. Bald darauf wurde die organisierte Arbeiterschaft zerschlagen und das Finanzwesen entfesselt. Die Mobilität des globalen Kapitals hatte noch eine weitere Konsequenz: Nachdem die wichtigsten Währungen der Welt nicht mehr an den Dollar gekoppelt waren, konnten sich ihre relativen Werte unregelmäßig ändern. Wenn Anleger befürchteten, dass eine Regierung zu viel ausgibt und eine Inflation riskiert (und damit den realen Wert der Währung untergräbt), verkauften sie Bargeld oder Vermögenswerte in der Währung des jeweiligen Landes. Die Folge konnte ein gefährlicher Absturz der Währung und eine damit einhergehende Zahlungsbilanz- und Schuldenkrise sein.

Um solche Krisen zu verhindern, wurden die Zentralbanken allmählich konservativer und die Geldpolitik weniger entgegenkommend gegenüber den Prioritäten der Regierungen. Dies spiegelte die breitere ideologische Verschiebung hin zum Neoliberalismus wider, die sich in der gesamten fortgeschrittenen kapitalistischen Welt vollzog. Diese sah eine ganz andere Rolle für die Zentralbanken vor.

Zu dieser Zeit entstand auch der theoretische Rahmen für die Zentralbankunabhängigkeit. Die frühe Kritik des konservativen Ökonomen Milton Friedman an der keynesianischen Ära der diskretionären Wirtschaftspolitik legte den Grundstein für die Entwicklung formellerer Modelle der Unabhängigkeit. William Nordhaus beschrieb, wie Regierungen die Geldpolitik gezielt für Wahlgewinne manipulierten, und Finn Kydland und Edward Prescott formalisierten diese Bedenken in das sogenannte Zeitinkonsistenzproblem: Regierungen haben Anreize, eine niedrige Inflation zu versprechen, aber auch diese Versprechen für kurzfristige Beschäftigungszuwächse nicht einzuhalten.

»Nach der neuen Orthodoxie sollte die einzige diskretionäre Makropolitik darin bestehen, die Preisstabilität zu wahren, und diese Aufgabe sollte einer unabhängigen, konservativen Zentralbank übertragen werden.«

Das Ergebnis ist, dass Unternehmen und Verbraucher eine hohe Inflation erwarten und ihr Verhalten entsprechend anpassen, was zu schlechten wirtschaftlichen Ergebnissen führt. Die diskretionäre Wirtschaftspolitik enthält demnach eine »inflationäre Tendenz«. Das ist schlecht für Verbraucher und Haushalte, aber auch für die Profiteure vom Kapitalgewinn auf Wertanlagen. Nach der neuen Orthodoxie sollte die einzige diskretionäre Makropolitik darin bestehen, die Preisstabilität zu wahren (die Gesamtinflation niedrig zu halten), und diese Aufgabe sollte einer unabhängigen, konservativen Zentralbank übertragen werden.

Die Europäer gingen noch einen Schritt weiter und schufen eine neue Art von »externem Zwang«, indem sie ihre Wechselkurse (die früher als Anpassungsmechanismus dienten) unwiderruflich festlegten. Und das innerhalb einer Währungsunion, deren Währung von einer konservativen Zentralbank ausgegeben wird, die völlig außerhalb ihrer nationalen Zuständigkeitsbereiche liegt, und ohne, dass ein entsprechendes europäisches Finanzministerium an deren Stelle tritt.

Mervyn Kings NICE-Welt kenterte 2008 – und mit ihr der Mythos der unabhängigen Zentralbank. Die Finanzkrise erforderte von den Zentralbanken ein aktives Management, weil die Staaten entweder nicht willens oder nicht in der Lage waren, das makroökonomisch Notwendige zu tun. Aber seit der Großen Rezession werden die Zentralbanken von verschiedenen Varianten des Populismus belagert, während sie das Finanzsystem praktisch allein stützen, weil die Regierungen sich dogmatisch auf eine Austeritätspolitik festgelegt haben. Jetzt, da die Notwendigkeit, dieses System durch die Aufrechterhaltung einer niedrigen Inflation und den Schutz der Interessen der Inhaber von Staatsanleihen zu schützen, mit den Launen der Trump-Regierung kollidiert, droht dieses System zu zerfallen.

Zwar stimmt es, dass die Zentralbanken nach 2008 eine gesetzliche Unabhängigkeit genossen, aber in Wirklichkeit wurden sie immer durch drängende fiskalische und finanzmarktpolitische Realitäten zum Handeln gezwungen. Dies brachte sie in eine schwierige Lage. Da die Regierungen nicht in der Lage waren, Schuldenpolitik zu betreiben und öffentliche Investitionen zu tätigen, um aus der Krise herauszukommen, wurden die Zentralbanken zu dem, was man als »einsame Verwalter« der Weltwirtschaft bezeichnen könnte. Die Regierungen, die sich selbst die Hände gebunden hatten, machten die Zentralbanken unter Zwang zu fiskalischen Akteuren und zwangen sie, ihre Mandate politisch zu überschreiten, während sie immer noch auf die gelegentlichen Krämpfe des Finanzmarktes reagieren mussten. Diese Umstände haben zu der politischen Gegenreaktion geführt, die sich nun anscheinend beschleunigt.

Von der Kooperation zur einsamen Verwaltung

Um diese Abfolge von Ereignissen zu verstehen, muss man zunächst sowohl die Periode der fiktiven Unabhängigkeit als auch die Ära der Verwaltung nach 2008 verstehen, die beide von der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Politikern und Zentralbankern geprägt war. In dieser Situation verlangten die Politiker von der Zentralbank, dass sie die Preis- und Finanzstabilität sicherstellt und bei Bedarf in die Anleihemärkte eingreift, und die Zentralbanken benötigten die Zusammenarbeit ihrer jeweiligen politischen Behörden.

Die Krise von 2008 hat bewiesen, dass die Idee der unabhängigen Zentralbank zumindest teilweise ein Mythos ist. Wenn es hart auf hart kam, arbeiteten Staaten und Zentralbanken koordiniert zusammen, um die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Doch in Zeiten langwieriger Krisen – wie der Ära seit 2008 – verflüchtigt sich auch diese Zusammenarbeit. Die weitreichenden sozialen Krisen, die durch die Sparmaßnahmen der 2010er Jahre provoziert wurden, hatten klägliche politische Folgen. Wirtschaftskrisen verstärken die Machtunterschiede innerhalb von Gesellschaften und zwischen Staaten und untergraben damit genau jene politische Koordination, die zu ihrer Lösung erforderlich ist.

In den USA versuchte Präsident Barack Obama auf die Krise von 2008 zu reagieren, indem er ein angemessen umfangreiches Konjunkturpaket verabschiedete. Dieser Versuch wurde durch den Widerstand der Demokraten und Republikaner im Kongress vereitelt. In der Eurozone konnten sich die Mitgliedstaaten, die in Gläubiger- und Schuldnerländer gespalten waren, nicht auf eine dauerhafte Reform der Fiskalregeln der Union einigen, die eine Reihe von Beschränkungen für Staatsschulden und -ausgaben vorsehen.

»Die politischen und finanziellen Bedingungen, die den Zentralbanken mehr Autonomie von staatlicher Kontrolle verschafften, untergruben auch ihre Fähigkeit, die politische Zusammenarbeit mit den Staaten zu gewährleisten, worauf jedoch der Erhalt ihrer Macht beruhte.«

Dies trug zu den harten Sparprogrammen in ganz Europa bei und verhinderte die Einrichtung eines Stabilisierungsfonds für angeschlagene europäische Kreditgeber. In der Folge erlebte Griechenland, das größte Opfer der europäischen Misswirtschaft, einen Rückgang des Lebensstandards, der mit der Großen Depression in den 1930ern vergleichbar war. Auch im Vereinigten Königreich nahm die von der Konservativen Partei geführte Regierung von David Cameron eines der härtesten und langwierigsten Sparprogramme aller Zeiten in Angriff.

Während die Interdependenz also eine Tatsache blieb, isolierten sich die Zentralbanken, da die Regierung nicht entschlossen handelte, sowohl in Form einer aktiven antizyklischen Fiskalpolitik, um die Erholung von Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen, als auch durch die Schaffung von Letztsicherungen zur Stabilisierung des Bankensystems. Diese Position haben die Politökonominnen Waltraud Schelkle und Deborah Mabbett als die »Einsamkeit« der Zentralbanken bezeichnet und damit die Worte von Tommaso Padoa-Schioppa, dem Architekten der Europäischen Zentralbank (EZB), aufgegriffen, der schrieb, dass »nur oberflächliches Denken das Fehlen einer politischen Union als Stärkung der Zentralbank und als Freiheit bei der Erfüllung ihrer Aufgabe betrachten kann«.

Das Resultat war, dass die großen Zentralbanken der Welt (wie die Federal Reserve Bank, die Europäische Zentralbank und die Bank of England), die wider Willen zu Verwaltern eines Großteils der Weltwirtschaft geworden waren, Wege fanden, das System ohne fiskalstaatliche Hilfen zu stabilisieren. Sie taten dies, indem sie neue Methoden entwickelten, immer mehr Liquidität in das Finanzsystem einzuflößen, das heißt sicherzustellen, dass Banken und andere Finanzakteure Zugang zu kurz- und langfristigen Finanzierungen hatten und dass Kauf und Verkauf von Finanzanlagen relativ ungestört bleiben konnten, insbesondere auf dem Markt für Staatsanleihen. Das Hauptziel, wenn auch selten explizit, bestand darin, die Anleiherenditen (und damit die Kreditkosten der Staatsanleihen) niedrig zu halten und insbesondere in der Eurozone zu verhindern, dass sich die Spannen zwischen den Renditen der Anleihen verschiedener Länder ausweiteten.

Zu den Methoden gehörten eine ganze Reihe von Programmen zum Ankauf von Vermögenswerten (zusammenfassend als QE oder »quantitative easing« bezeichnet) und verschiedene andere Refinanzierungsgeschäfte. Während sich die genaue Ausgestaltung dieser Programme von Land zu Land unterschied, beinhalteten sie größtenteils entweder gezielte Kredite an Finanzinstitute oder eine Art »asset swap«, bei dem die Zentralbank Anleihen (oder andere ähnliche Vermögenswerte) von Banken im Gegenzug für Zentralbankreserven erhielt. Da die Kreditschöpfung (wenn auch nicht strikt) an die Menge der Reserven gekoppelt ist, war die Idee, dass die Banken in der Lage sein würden, mehr Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben, und dass die Preise anderer Vermögenswerte steigen würden, was dann wiederum anderen Akteuren ermöglichen würde, Kredite aufzunehmen und zu investieren. All diese verschiedenen »unkonventionellen Geldpolitiken« wurden vor dem Hintergrund historisch beispielloser Niedrigzinsen auf- und ausgebaut.

Diese Politik hielt zwar das Finanzsystem über Wasser, löste aber weder die zugrundeliegenden Probleme, noch kompensierte sie für den Mangel an angemessenen Staatsausgaben im Nordatlantikraum, da die Kanäle, über die sie sich auf die Realwirtschaft auswirken, umständlich und schwach sind. Das Ergebnis war ein anhaltender Rückgang der Gesamtnachfrage, ein schwaches Lohnwachstum im Vereinigten Königreich und in der EU, eine stagnierende Beschäftigung im Haupterwerbsalter in den Vereinigten Staaten und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit in Teilen der EU. Dies bereitete den perfekten Nährboden für linke und rechte Varianten des Populismus.

Die Folgen für die Zentralbanken waren paradox: Sie wurden zu erhabenen Technokraten; auf Pressekonferenzen behandelten die Journalisten jedes ihrer Worte als welthistorisch bedeutsam; und sie wurden für ihr entschlossenes Handeln gelobt, während sie zugleich heftig dafür kritisiert wurden, dass sie zu weit gingen und die Wirtschaft verzerrten. Mit anderen Worten, die politischen und finanziellen Bedingungen, die ihnen mehr Autonomie von staatlicher Kontrolle verschafften, untergruben auch ihre Fähigkeit, die politische Zusammenarbeit mit den Staaten zu gewährleisten, worauf jedoch der Erhalt ihrer Macht beruhte.

»Insbesondere in der Eurozone wurde die EZB mehrmals vom Bundesverfassungsgericht angefochten.«

Die Verteilungsfolgen der niedrigen Zinsen und der Anleihekaufprogramme, zu denen sich die Zentralbanken gezwungen sahen, waren ein wesentlicher Treiber dieser Dynamik. Denn obwohl diese Programme dafür sorgten, dass die Arbeitslosigkeit kontinuierlich sank, profitierten die Banken und die Besitzer von Finanzvermögen überproportional von niedrigen Zinsen, auf Kosten der Sparer und Rentner. Darüber hinaus wurden die Zentralbanken in der Eurozone aufgrund dieser Niedrigzinspolitik von Rechtspopulisten in reicheren Gläubigernationen wie Deutschland und den Niederlanden beschuldigt, angeblich verschwenderische Regierungen wie Griechenland, Spanien oder Italien »zu retten«. In Verbindung mit der vermeintlichen rechtlichen Überdehnung der Zentralbanker und der (falschen) Wahrnehmung, dass sie eine galoppierende Inflation riskierten, führten diese Verteilungsprobleme zu dauerhaften politischen Gegenreaktionen.

Insbesondere in der Eurozone wurde die EZB mehrmals vom Bundesverfassungsgericht angefochten. Das Gericht reagierte hier auf die Klagen rechtsgerichteter euroskeptischer politischer Gruppen. Ihre Situation war und ist besonders prekär, wenn man bedenkt, dass das Mandat der EZB ausschließlich auf Preisstabilität beschränkt ist, dass sie keinen entsprechenden europäischen Staat hat und dass ihre jüngsten Programme zum Ankauf von Vermögenswerten eine Form der Monetarisierung von Schulden darstellen, die prinzipielle durch die Europäischen Verträge verboten ist. Infolgedessen verwickelte die EZB, die es vermeiden wollte, ihr Mandat auf immer kreativere Weise überschreiten zu müssen, häufig nationale politische Entscheidungsträger in Feiglingsspiele und setzte ihre Anleihekaufprogramme aus oder drohte mit einer Aussetzung, wahrscheinlich in dem Versuch, die europäischen Staats- und Regierungschefs zu zwingen, sich auf die notwendige Reform der Währungsunion zu einigen.

Auch die Federal Reserve hütete sich vor dem Vorwurf, Politik zu machen. Ein starkes Beispiel für diese Zurückhaltung ist die Einrichtung der Municipal Liquidity Facility (MLF, oder Kommunale Liquiditätseinrichtung) im April 2020. Auf dem Höhepunkt der Pandemie hatte die Fed nach Möglichkeiten gesucht, angeschlagenen Kommunen (US-Bundesstaaten, Städten, Landkreisen, bestimmten Regierungsbehörden) eine Kreditsicherung zu bieten, indem sie sich verpflichtete, neu emittierte Kommunalanleihen zu kaufen.

Die Idee gewann weiter an Dynamik, um dringend benötigte grüne Kapitalinvestitionen zu finanzieren. Die Akzeptanz war jedoch gering. Nur die MTAs (die Nahverkehrsbehörden) in Illinois und New York City machten in begrenztem Umfang Gebrauch von der MLF. Powell und andere Fed-Beamte hatten betont, dass dies genauso beabsichtigt war und dass es sich ausschließlich um einen finanziellen Auffangmechanismus handle. Zugleich äußerten sie wiederholt Bedenken, schleichend die Funktionen des Parlamentes und der gewählten Amtsträger zu übernehmen.

Das Gespenst der finanziellen Dominanz

Was die Zentralbanken in diese seltsame Position der Verwalter wider Willen eines Systems brachte, das sie nicht vollständig beeinflussen konnten, war die Austerität und der lähmende Schaden, den sie den Staaten auf der ganzen Welt zufügte. In diesem Sinne ist fiskalische Dominanz – die Vorstellung, dass die Geldpolitik durch den fiskalischen Kurs der Regierung eingeschränkt wird – kein zeitgenössisches Gespenst, sondern eine Tatsache.

Hinzu kommt, dass fiskalische Dominanz von vornherein kein kohärentes Konzept ist. Zum einen geht sie von einer sauberen Trennung von fiskalischen und monetären Angelegenheiten aus, was nur dann zutrifft, wenn die Inflation, um es mit den Worten von Friedman zu sagen, »immer und überall ein monetäres Phänomen« ist – das heißt, das Ergebnis von einer zu hohen Geldmenge. Spätestens die pandemiebedingte Inflation, die das Ergebnis von Angebotsschocks war, hat diese Theorie begraben.

Es ist auch irreführend zu behaupten, dass die Fiskalpolitik das Einzige ist, was die Zentralbanken beeinflusst hat. Tatsächlich scheint es, als würden einige Regierungen ihre Finanzpolitik ihnen unterordnen. Wenn, was weitgehend der Fall ist, die Zentralbanken die Zinssätze festlegen, einschließlich der Zinssätze für Staatsanleihen, dann gibt jede Regierung, die ihren Haushalt auf der Grundlage der Zinssätze (oder kurzfristig zu erwartender Zinsen) kalibriert, die diskretionäre Fiskalpolitik effektiv an die Zentralbanken ab.

Nirgendwo wird dies deutlicher als im Vereinigten Königreich, wo sich die amtierende Regierung selbst in die Ecke gedrängt hat. Finanzministerin Rachel Reeves amtiert nach arbiträren Haushaltsregeln, die es ihrer Regierung unmöglich machen, genug auszugeben, um das Wachstum anzukurbeln, während sie mit häufigen marktbedingten Wechselkursschwankungen und steigenden Renditen konfrontiert ist, wenn es sich nicht ausreichend fiskalisch konsolidiert.

Die Bank of England hat sich unterdessen geweigert, mit Premierminister Keir Starmer und Reeves zusammenzuarbeiten, indem sie die Kreditkosten senkt, um der Labour-Regierung mehr fiskalischen Spielraum zu verschaffen. In einem entscheidenden Moment während der kurzlebigen Regierung von Liz Truss löste die Ankündigung eines expansiven Haushaltsplans einen großen Ausverkauf des Pfund Sterling und der britischen Staatsanleihen aus, der sich auf den globalen Anleihemärkten widerspiegelte. Offensichtlich hatte die Truss-Regierung erwartet, dass die Bank zumindest die Zinssätze anheben würde, um Befürchtungen über inflationäre Auswirkungen des Haushalts zuvorzukommen.

»Es gibt klare Argumente für eine kompetente Zentralbank, die nicht jeder Laune der Regierung dient, die gerade im Amt ist. Aber ein Rückfall in die Ära, in der die Zentralbanken übergroße Macht zum Nachteil der Bevölkerung und mit zu wenig politischen Zwängen ausübten, ist ebenso unerwünscht.«

Aber was die Bank letztendlich zum Eingreifen bewegte, war die Finanzpanik, die viel mehr mit dem finanziellen Risiko im großen britischen Privatrentensektor und mit dem übereilten Zurückfahren der lockeren Geldpolitik durch die Bank selbst zu tun hatte. Wenn überhaupt, deutet dies darauf hin, dass die Zentralbanken eher auf die Instabilität reagieren, die durch das enorme, hoch verschuldete marktbasierte Finanzsystem entsteht, als auf die fiskalischen Bedürfnisse der Staaten. Sie agierten nicht als technokratischen Gottheiten, sondern defensiv und als Feuerlöscher. Dies wurde in der Panik am Anleihenmarkt im Jahr 2020 deutlich, als die globale Liquiditätsversorgung der US-Notenbank am Markt für US-Staatsanleihen neue Höhen erreichte.

In diesem Zusammenhang erklärt sich auch Powells standhafte Weigerung, der inflationären und fiskalisch leichtfertigen makroökonomischen Politik Trumps entgegenzukommen. Die Zentralbanken stehen sowohl fiskalischem als auch finanziellem Druck gegenüber, reagieren aber stärker auf den Letzteren. Sie tun dies womöglich aus reiner Not heraus. Selbst die berühmte »Whatever-it-takes«-Rede des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi im Jahr 2012, die weithin für die Beruhigung der europäischen Anleihemärkte auf dem Höhepunkt der Eurokrise verantwortlich gemacht wird, kann schwer als Behauptung technokratischer Macht gesehen werden, sondern eher als Ausdruck des stummen Zwangs des marktbasierten Finanzwesens.

Wette niemals gegen den Staat

All dies wirft die Frage nach Alternativen auf. Es gibt klare Argumente für eine kompetente Zentralbank, die nicht jeder Laune der Regierung dient, die gerade im Amt ist. Aber ein Rückfall in die Ära, in der die Zentralbanken übergroße Macht zum Nachteil der Bevölkerung und mit zu wenig politischen Zwängen ausübten, ist ebenso unerwünscht. Vor allem die politische Linke sollte sich, angestachelt von Trump, unter keinen Umständen auf die Seite der Befürworter der strikten Zentralbankunabhängigkeit stellen.

Vielleicht kann man von einer der innovativsten Zentralbanken lernen, nämlich der Bank of Japan, die in den letzten Jahrzehnten Pionierarbeit für die »unkonventionelle Geldpolitik« geleistet und in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Beamten die makroökonomischen Geschicke Japans erfolgreich geführt hat. Obwohl Japan eine der größten Finanzkrisen der Geschichte erlebte, blieb es eine hochentwickelte Industriewirtschaft mit hoher Beschäftigung und hohem Entwicklungsstand. In diesem Zusammenhang sollte man sich auch fragen, ob die »fiskalische Dominanz«, für die die monetäre Finanzierung der Bank of Japan ein extremes Beispiel ist, wirklich etwas ist, worüber man viel Schlaf verlieren sollte.

Zu befürchten ist vielmehr, dass der Apparat der wichtigsten Zentralbank in die Hände eines brutalen, kriminellen und böswillig inkompetenten Regimes wie dem von Donald Trump fällt. Dies ist die Art von politischer Unterordnung, der sich Zentralbanken ausgesetzt sehen könnten, wenn die Hierarchie ihrer Anliegen so bleibt wie sie ist. Dies wäre keine Geschichte von ikarischer Hybris, bei der Powell und andere zu nah an der Sonne fliegen. Vielmehr erinnert die jüngste Geschichte der Zentralbanker, die in eine Rolle gedrängt und in die Konfrontation mit ihren Herren gezwungen wurden, an das Schicksal von Thomas Becket und seinem Freund und König Heinrich II. von England im 10. Jahrhundert.

Becket diente zunächst als Lordkanzler, die rechte Hand des Königs, was einem Wesir im Osmanischen Reich oder einem Majordomo in der Merowinger-Dynastie entsprach, und einer idealen Version des Verhältnisses zwischen Zentralbanken und gewählten Regierungen gleichkommt. Ermüdet vom Widerstand der Kirche und konfrontiert mit schwierigen finanziellen Umständen, ernannte König Henry seinen Freund Becket zum Erzbischof von Canterbury. Doch in seiner neuen, mächtigen Position, in der es an der Mitarbeit des Königs mangelte, kollidierten die Pflichten von Erzbischof Becket mit den Interessen seines Königs, vor allem wenn es darum ging, sich den anderen mächtigen Feudalherren am Hof entgegenzustellen. Im Jahre 1170 lag Becket dann tot auf dem Boden seiner Kathedrale.

Im Kampf zwischen klerikaler und weltlicher Macht hat sich immer die letztere durchgesetzt. Zwar stimmt es, dass man als Marktteilnehmer »nie gegen die Fed wetten« sollte, aber wenn es um die Fed gegen die Exekutive geht, sollte man nie gegen den Staat wetten.

Dominik A. Leusder ist Politökonom und Autor in London. Er ist ein Forscher an der London School of Economics.