13. Dezember 2021
Mark Fishers hellsichtiger Essay über den toxischen Umgang unter Linken.
Im Vampirschloss
Am 22. November 2013 veröffentlichte die britische Website The North Star einen Essay des Kulturtheoretikers Mark Fisher unter dem Titel »Exiting the Vampire Castle«. Auf Deutsch erschien er in k-punk in der Edition Tiamat. Über den Hintergrund des Essays schrieb Anton Jäger hier.
Im Sommer habe ich ernsthaft überlegt, mich aus sämtlichen politischen Zusammenhängen zurückzuziehen. Erschöpft wegen völliger Überarbeitung und unfähig, produktiv zu sein, zog ich durch die sozialen Netzwerke und spürte, wie meine Depression und Ermüdung wuchsen.
Die »linke« Twitter-Blase ist häufig frustrierend und entmutigend. Anfang dieses Jahres gab es ein paar prominente Twitterskandale, bei denen vor allem sich als links bezeichnende Personen denunziert und verurteilt wurden. Zum Teil war das, was sie gesagt hatten, bedenklich; trotzdem hinterließ die Art und Weise, wie sie persönlich angegriffen und fertig gemacht wurden, einen üblen Nachgeschmack: das miefige Gefühl von schlechtem Gewissen und inquisitorischem Moralismus. Der Grund, warum ich bei keinem dieser Vorfälle meine Stimme erhoben habe, ist – und ich schäme mich, das zu sagen – Angst. Die Mobber waren am anderen Ende des Spielplatzes und ich wollte ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehen.
Die offene Brutalität dieser Diskussionen wurde von etwas begleitet, das noch verbreiteter war und darum noch lähmender ist: einer Atmosphäre höhnischen Ressentiments. Das häufigste Ziel dieses Ressentiments ist Owen Jones und die Angriffe auf Jones – der in den letzten Jahren am meisten für die Bildung des Klassenbewusstseins in Großbritannien getan hat – waren ein Grund, warum ich so niedergeschlagen war. Wenn das einem Linken widerfährt, der erfolgreich den Kampf in die Mitte der britischen Gesellschaft trägt, warum sollte ihm irgendjemand in den Mainstream folgen wollen? Ist die einzige Möglichkeit, diesen konstanten Tropf von Beleidigungen zu vermeiden, dass man in einer Position der machtlosen Marginalität bleibt?
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