31. Oktober 2022
Bei Kaufland gelten Antifa-Pullis und rechtsextreme Hetzschriften als gleichermaßen demokratiegefährdend. Warum wir die Auseinandersetzung über politischen Extremismus nicht den Konzernen überlassen dürfen.
Der Konzern zieht sich bislang mit Verweis auf das eigene Geschäftsmodell aus der Verantwortung.
IMAGO / Michael GstettenbauerDer Konzern Kaufland hat sich kürzlich dazu entschieden, harmlosen Antifa-Merch aus seinem Onlineshop zu verbannen. Warum? Weil sich Rechtsextreme auf Twitter darüber beschwerten, dass einige Händler diese Artikel auf Kauflands Onlinemarktplatz anboten. Von der rechten Szene wurde Kaufland daraufhin im Netz gefeiert. Der Konzern rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass es sich um extremistisches und demokratiegefährdendes Material handele – ein mutiges Statement, wenn man bedenkt, dass der Konzern seit Jahren dafür in der Kritik steht, in seinen Filialen rechtsextreme Magazine wie Compact zu vertreiben.
Meine kleine Recherche startete mit dem Hinweis, dass in Kauflands Onlineshop sogar Hitlers Hetzschrift Mein Kampf in unkommentierter Version verfügbar sei. Recht schnell musste ich feststellen, dass die Supermarkt-Kette ein breites Angebot von Publikationen bekannter rechtsextremer Verlage, Schriften von Holocaustleugnerinnen und -leugnern sowie Massen an neurechter Literatur vertrieb, etwa auch die Bücher von Karlheinz Weißmann, einem Vordenker der Neuen Rechten. Verlegt werden seine bemüht intellektuell klingenden Bücher von der rechtsextremen Jungen Freiheit.
Auch die Bücher des Kopp-Verlages waren im Sortiment zu finden. Kopp ist vor allem für seine pseudowissenschaftlichen und verschwörungsmythischen Veröffentlichungen bekannt. Wer auf eine wilde Mischung aus Esoterik, germanischer Mythologie, angeblichen Ufo-Sichtungen und rechtsextremen Inhalten steht, ist hier genau richtig. Die Werke des Verlages tragen Titel wie Staats-Antifa oder Generation Maske und beschäftigen sich mit germanischen Kraftrunen und angeblichen »Korrekturen« unseres Blicks auf Hitler.
Auch wer sich für die Richtigstellung zur Zeitgeschichte des NPD-Politikers und Neonazis Rolf Kosiek interessiert, wurde bei Kaufland fündig. Kosiek saß für die NPD im Landtag, war bekennender Antisemit und bezeichnete die seriöse Geschichtsforschung als »Umerziehung«. In einem seiner Werke, das ebenfalls in Kauflands Onlineshop vertrieben wurde, leugnet er die Existenz von Gaskammern zur Ermordung von Menschen im Vernichtungslager Auschwitz.
Ich stieß auch auf die Werke des rechtsextremen Hohenrain-Verlags, der als Standard-Verlag derjenigen gilt, die den Holocaust leugnen. Laut dem Verfassungsschutz Baden-Württemberg zählt er zu den ältesten und »bedeutendsten rechtsextremen Verlagen« des deutschsprachigen Raums.
Kaufland vertrieb auch Publikationen des verurteilten Holocaustleugners David Irving, der für die wiederholte Leugnung der Shoa mehrere Haft- und Geldstrafen verbüßte und als Hauptredner auf einem Neonazi-Kongress mit dem Motto »Wahrheit macht frei« auftrat. Irving wurde aufgrund seiner Gesinnung ein Einreiseverbot in fünf Ländern erteilt und er ist stolzer Besitzer des antisemitischen Monopoly-Spiels »Pogromly«, das er den Rechtsterroristinnen und -terroristen des NSU abkaufte. Auch seine geschichtsverfälschenden Bücher über NS-Größen wie Göring oder Goebbels waren bei Kaufland gelistet.
Doch was sagt eigentlich der Multimilliarden-Konzern Kaufland dazu? Nachdem ich meine Rechercheergebnisse bei Twitter veröffentlicht hatte, geriet Kaufland in die Kritik. Der Spiegel, Deutschlandfunk und das ZDF berichteten über die rechte Literatur im Onlineshop. Kaufland äußerste sich lange Zeit gar nicht, während die von mir kritisierten Artikel heimlich aus dem Store entfernt wurden. Vier Tage, einen Shitstorm und etliche Medienanfragen später kam das lang erwartete Statement. Der Konzern verkündete auf Twitter, dass man es bedaure, Rassismus, Volksverhetzung und Extremismus nicht vom Kaufland-Marktplatz ferngehalten zu haben. Die Kontrollmechanismen und das Sortiment des Onlineshops würden aber nun geprüft.
Zu einem zentralen Vorwurf schweigt sich Kaufland bis heute aus. Warum wurden eigentlich Produkte mit dem Logo der Antifaschistischen Aktion aus dem Sortiment entfernt? Während für Kaufland das rechtsextreme Magazin Compact zu den Dingen gehört, die eine Demokratie nun mal aushalten können muss, überschreitet antifaschistisches Material offensichtlich eine selbst gezogene Grenze.
Laut dem Unternehmen möchte man natürlich Haltung zeigen und sich daher gegen »jeden Extremismus« stellen. Mit dieser Hufeisen-Logik versuchen nicht nur Unternehmen, sondern auch staatliche Institutionen und Teile der Gesellschaft eine Art von demokratischem Minimalkonsens herzustellen. Doch wie man an Kauflands Onlineshop sehen kann, gerät dieser Versuch spätestens dann ins Wanken, wenn Antifaschismus als extremistisch wahrgenommen wird, während gleichzeitig neurechte Schriften als unproblematisch gehandelt werden.
In den meisten größeren Onlineshops sieht es übrigens nur geringfügig anders aus. Es gibt Händler wie Amazon, die fast alles verkaufen, was sich verkaufen lässt. Und wenn Konzerne ihre Online-Shops nach dem Marktplatz-Prinzip für kleinere Händler öffnen, wird diese Gelegenheit nicht nur genutzt, um mehr Geld zu verdienen, sondern auch, um sich von jeglicher Verantwortung für die vertriebenen Produkte freizusprechen. Artikel werden erst aufgrund von politischem Druck aus dem Sortiment genommen. Moral oder Wertvorstellungen gibt es bei Unternehmen nicht; sie verkaufen, was sich halbwegs legal zu Geld machen lässt.
Doch es ist die Gesellschaft, die nicht nur aus Konsumentinnen und Konsumenten besteht, die darüber entscheiden sollte, welche Produkte volksverhetzend sind und an die Grenzen dessen stoßen, was akzeptabel ist. Was als sagbar und demokratisch gilt und was nicht, wird nicht in den Online-Shops und von Unternehmen entschieden.
Gesellschaftlicher Druck kann dahingehend etwas bewirken. Kaufland wird zumindest die Einnahmen durch das Compact-Magazin zukünftig spenden.