06. Dezember 2023
Ridley Scotts »Napoleon« nimmt eine der interessantesten Epochen der modernen Geschichte – die Französische Revolution und die Folgen – und macht daraus eine Moralpredigt über die Gefahren der Massenpolitik. Schlimmer noch: Spaß macht der Film auch keinen.
Ridley Scotts »Napoleon« will nichts davon hören, was Historiker zu sagen haben.
Von den ersten Bildern an macht das neue Filmepos Napoleon von Regisseur Ridley Scott sowohl seinen politischen Subtext als auch seine Einstellung gegenüber der Geschichte deutlich. »1789, Revolution in Frankreich«, verkünden die ersten Titel. »Die Franzosen sind durch Lebensmittelknappheit und eine weitreichende wirtschaftliche Depression desillusioniert. Anti-Royalisten würden König Ludwig XVI. und 11.000 seiner Anhänger bald ein gewaltsames Ende bereiten und dann die letzte Königin Frankreichs, Marie Antoinette, ins Visier nehmen. Währenddessen strebt ein ehrgeiziger korsischer Kanonenoffizier namens Napoleon Bonaparte eine Beförderung an...«
Dann wird eine verängstigte Marie Antoinette zu ihrem Schicksal auf die Guillotine geleitet, während ein grölender Pariser Mob zusieht und Beleidigungen und verrottetes Gemüse nach ihr schleudert. Während der Henker ihren abgetrennten Kopf der jubelnden Menge entgegenhält, beobachtet Joaquin Phoenix’ Napoleon Bonaparte die Szene mit einem Ausdruck rätselhafter Ambivalenz.
Big-Budget-Blockbuster, vor allem solche, die sich auf bekannte historische Persönlichkeiten und Ereignisse beziehen, gehen oft auf Nummer sicher, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Doch dieser Film trägt seinen Konservatismus von Anfang an stolz vor sich her. Die Französische Revolution, wie er sie darstellt, ist weder ein radikaler Moment der Möglichkeit und des intellektuellen Aufbruchs noch eine moralisch komplexe historische Zäsur, bei der der wirtschaftliche und institutionelle Zusammenbruch des Ancien Régime – ganz zu schweigen von der unerbittlichen Invasion durch die anderen Monarchien des alten Europa – zu einem gewaltsamen Bürgerkrieg führte.
Stattdessen steht Scott in einer Tradition, die auf Intellektuelle wie den Essayisten Thomas Carlyle und den Staatsphilosophen Edmund Burke und in jüngerer Zeit auf den zentristischen Historiker François Furet zurückgeht, und zeichnet eine Revolution, deren egalitärer Idealismus nur zu Grausamkeit, Despotismus und Blutvergießen führen konnte.
Was die historische Genauigkeit angeht, so wird jeder, der sich auch nur ein wenig mit dieser Zeit auskennt, vor dem Tempo erschrecken, das Scotts Eröffnungssequenz hinlegt. Antoinettes Hinrichtung fand 1793 statt, aber dieser Film springt von der konstitutionellen Monarchie der Jahre 1789–92 direkt zum Republikanismus der radikalen Phase der Revolution. Und er behält diese atemlose Geschwindigkeit bei, die uns in weniger als drei Stunden von diesen Anfängen bis hin zu Napoleon Bonapartes endgültigem Exil auf St. Helena befördert.
Scott scheint sich nicht für die Details der napoleonischen Geschichte zu interessieren, sondern wird von einem Drang getrieben, seinen Film um eine Reihe bekannter Ereignisse herum zu strukturieren, auch wenn die Episoden keinem höheren erzählerischen Zweck dienen. Nach der Hinrichtung von Marie Antoinette wird Bonaparte von Paul Barras (Tahar Rahim) gebeten, den französischen Angriff auf die Royalistenhochburg Toulon zu leiten. Dank seines strategischen Geschicks ist die Aktion erfolgreich, und der junge Hauptmann Bonaparte – zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ereignisse 24 Jahre alt, aber gespielt von dem 49-jährigen Phoenix – wird zum Brigadegeneral befördert.
»Wenn ich Probleme mit Historikern habe, frage ich: Entschuldigung, Kumpel, warst Du dabei? Nein? Dann halt’ gefälligst die Klappe!«
In den folgenden zwei Stunden werden wir mit einem Potpourri von Episoden aus Bonapartes Leben und Karriere konfrontiert: sein Werben um und seine Heirat mit Joséphine de Beauharnais (Vanessa Kirby); seine Expedition nach Ägypten (1798); der Sturz des Direktoriums am 18. Brumaire und sein Aufstieg zum ersten Konsul und späteren Kaiser von Frankreich; die Schlachten von Austerlitz (1805), Borodino (1812) und Waterloo (1815).
Es wäre unvernünftig, von einem Film wie diesem zu erwarten, dass er die Geschichte mit strikter Genauigkeit wiedergibt, gewisse Freiheiten mit den bekannten Fakten waren wahrscheinlich unvermeidlich. Kirby und Phoenix zum Beispiel sind beide große Schauspieltalente, und es hat keinen Sinn, sich darüber zu beschweren, dass ihr Altersunterschied so krass ist. (Kirby ist 35, Beauharnais war aber in Wirklichkeit sechs Jahre älter als Bonaparte.) Ebenso wäre es pedantisch, Scott allzu sehr dafür zu kritisieren, dass er bestimmte Ereignisse auslässt, auch wenn einige dieser Auslassungen – wie der Feldzug in Italien, der dazu beitrug, Napoleons Ruf als militärisches Genie zu begründen – wirklich verwundern. Auch die Schlachtsequenzen des Films sind großartige und unterhaltsame Spektakel, selbst wenn das Gezeigte wenig Ähnlichkeit mit der historischen Realität aufweist.
Dennoch ist es mehr als nur ein wenig seltsam, einen Film über eine der am meisten untersuchten Epochen der Menschheitsgeschichte zu drehen und sich so wenig für die tatsächlichen Ereignisse zu interessieren. Scott hat offen gesagt, dass er »keine Historiker brauche«. Seine Missachtung des gesamten Fachgebiets war so unverfroren, dass man die Chuzpe fast bewundern muss: »Wenn ich Probleme mit Historikern habe, frage ich: Entschuldigung, Kumpel, warst Du dabei? Nein? Dann halt’ gefälligst die Klappe!«
Es liegt auf der Hand, was man darauf entgegen müsste, aber das eigentliche Problem mit dieser Haltung des Regisseurs ist, dass er eine der interessantesten und komplexesten Epochen der modernen Geschichte letztlich als biederes, konservatives (und ausgesprochen britisches) Sittengemälde darstellt und nicht mehr als eine vage These über revolutionäre Exzesse und die Gefahren des Mobs abgibt.
Was dieses Problem am besten illustriert, ist die Art und Weise, wie Scott den Aufstand der Royalisten am 5. Oktober 1795 darstellt, besser bekannt unter dem Datum 13. Vendémiaire nach dem französischen Revolutionskalender. Im Film sehen wir einen jungen Bonaparte, der seine Kanone in eine wehrlose Menschenmenge feuert. In Wirklichkeit wehrte die französische Nationalgarde einen gewaltsamen Angriff einer viel größeren Gruppe bewaffneter Royalisten ab, deren einziges Ziel die Wiedereinführung der Monarchie war.
Diese Sequenz ist eine Mischung aus schlechter Geschichtsschreibung und schlechter politischer Einstellung, aber sie ist auch ein Beispiel dafür, wie wenig der Film daran interessiert ist, seine Hauptfigur zu entwickeln. Joaquin Phoenix ist wohl einer der dynamischsten Schauspieler der Gegenwart, aber von Anfang bis Ende weicht Scotts Vorstellung von Bonaparte selten von dem statischen Monolithen aus kalter Brutalität und stoischer Entschlossenheit ab. Er ist im Grunde ein Mann ohne Innenleben oder gar Charisma: weder ein ehemaliger Revolutionär, der allmählich vom Zynismus vergiftet wird, noch ein einstiger Idealist, dessen grenzenloser Ehrgeiz ihn schließlich dazu bringt, den Republikanismus zu begraben und den Versuch zu machen, sich zum Diktator Europas aufzuschwingen.
Von der Hinrichtung Marie Antoinettes über zahlreiche Episoden, die den gleichen Tenor haben wie die Szene über den 13. Vendémiaire, bis hin zu Napoleons Tod auf der abgelegenen Insel St. Helena durchläuft diese Figur praktisch keine Charakterentwicklung. Bonapartes Beziehung zu Josephine ist in vielerlei Hinsicht das emotionale und erzählerische Herzstück des Films, erweist sich jedoch als etwas abstoßend dank einer Reihe bizarrer und gelegentlich peinlicher Sexszenen, die wenig Zärtlichkeit oder Zuneigung suggerieren und – wie auch die meisten anderen Szenen des Films – durch ein hektisches Stakkato-Tempo unterlaufen werden.
»Hier wird uns die altbekannte Geschichte vorgesetzt, Massenpolitik und demokratischer Idealismus würden unweigerlich in die Tyrannei führen.«
Letztendlich liegt der größte Fehler des Films weniger in der historischen Ungenauigkeit oder der fadenscheinigen politischen Ausrichtung als vor allem daran, dass er es versäumt, ein fesselndes episches Drama zu präsentieren. Nuancen und Komplexität sind das Wesen der Geschichte, aber sie machen auch eine bessere und unterhaltsamere Erzählung aus.
Auch ein Film mit der gleichen reaktionären Auffassung von der Französischen Revolution, der gleichen unbekümmerten Haltung gegenüber der Vergangenheit und sogar der gleichen eintönigen Darstellung von Bonaparte hätte sich auch besser umsetzen lassen. Aber angesichts des im Wesentlichen mittelmäßigen Kalibers von Napoleon als Drama oder Unterhaltung (ungeachtet der schönen Kostüme und einiger wirklich unterhaltsamer Schlachtsequenzen), steht und fällt der Film letztendlich mit seiner Politik.
Hier wird uns die altbekannte Geschichte vorgesetzt, Massenpolitik und demokratischer Idealismus würden unweigerlich in die Tyrannei führen – eine Geschichte, die nicht nur den Einfluss von Burke, Carlyle und dem unfruchtbaren Liberalismus des Kalten Krieges aufweist, sondern auch an jüngere Versuche anknüpft, der Demokratie die Schuld für die anhaltende Dysfunktion unseres eigenen verfallenen Ancien Régime in die Schuhe zu schieben.
Was kann man da noch sagen? Mit etwas Glück wird die bevorstehende Verfilmung von Stanley Kubricks abgebrochenem Napoleon-Epos Ridley Scotts Film in den Schatten stellen.
Luke Savage ist fester Autor bei Jacobin.