01. September 2025
Robert Habeck verabschiedet sich vorerst aus der Politik – und schießt scharf gegen alle seine Widersacher. Diese Abschiedstournee ist eher kläglich, meint Ole Nymoen.
Robert Habeck bei Markus Lanz, 26. August 2025.
Als Christian Lindner sich im Februar voller Pathos aus der Politik verabschiedete, da haben viele gelacht. Ich auch. Rückblickend aber muss man dem liberalen Posterboy eines lassen: Nach seinem Abschied war wenigstens Ruhe. Ganz anders geht Robert Habeck vor, der ein halbes Jahr (!) gebraucht hat, um zum selben Schluss zu kommen wie Lindner – und der nun noch einmal groß austeilt: gegen die Union, die Bild-Zeitung und alle, die ihm nicht zu Füßen liegen. Das könnte einem grundsätzlich sogar sympathisch sein – wenn Habeck ebenjene Leute nicht noch vor kurzem selbst umworben hätte.
Jetzt, da seine Karriere vorerst beendet scheint, möchte der grüne Kanzlerkandidat sich als großen Gegner des Rechtsrucks inszenieren, der heldenhaft gegen die ach-so-böse CDU und den Springer-Konzern kämpft.
Dabei sieht die Wahrheit völlig anders aus: Habeck wollte bis zum Tag der Wahl mit der Union koalieren, auch nachdem Friedrich Merz im Bundestag mit der AfD gestimmt hatte. Und den Rechtsruck hatte Habeck selbst vorangetrieben, etwa indem er drei Wochen vor der Wahl die migrationsfeindliche Stimmung mit einem »10-Punkte-Plan« befeuerte, der »Deutschland wieder sicherer« machen sollte.
Genauso unglaubwürdig wie seine Distanzierung zur Union ist seine Kritik an der Bild-Zeitung: Dort ging er früher selbst hausieren, um irgendwie in die Öffentlichkeit zu kommen. Das lässt sich einem privaten Brief entnehmen, den der ehemalige Chefredakteur der Bild, Kai Diekmann, vor wenigen Tagen auf Twitter veröffentlicht hat. Das Schreiben datiert aus dem Jahr 2010. Darin erklärt Habeck, dass er und Diekmann sich einst bei einer adligen PR-Managerin getroffen hätten, und dass er sich nun »interessant machen« wolle: Er sei ein Grüner, der Patriotismus fordere und »die Karriereleiter hochgefallen sei«. Am Ende bittet er dann um eine Fortführung des Gesprächs.
Dieses Schreiben zu veröffentlichen, ist nicht gerade anständig von Diekmann. Und doch muss man ihm dankbar dafür sein, weil es Habeck so wunderbar entlarvt: Zwar stellt er sich gern als den nachdenklichen Zuhöre-Onkel dar, mit dem man am Küchentisch die ganz großen Fragen wälzen kann. In Wahrheit aber war er von Anfang an ein äußerst machthungriger Politiker, der auch Deutschlands demagogischste Dreckschleuder nicht scheute, um nach oben zu kommen.
Nun, fünfzehn Jahre später, nachdem der Schulterschluss mit der Springer-Presse und der Union gescheitert ist, will Habeck sich von all dem reinwaschen. Und verabschiedet sich vorerst aus der Politik – was natürlich nicht ohne Paukenschlag vonstattengehen darf: Erst ein Haudrauf-Interview in der taz, in dem er Markus Söder »fetischhaftes Wurstgefresse« vorwirft. Dann ein Gespräch bei Lanz, in dem er ähnlich souverän wirkt wie Gerhard Schröder in der Elefantenrunde 2005. Da werden noch einmal alle Gegner nuschelnd abgewatscht – mit Pointen, die so bemüht vorbereitet scheinen, als wären sie von Dieter Nuhr geschrieben. Manchmal ist es besser, still zu gehen – das hätte Habeck von Christian Lindner lernen können. Stattdessen verlässt er die große Politbühne wie ein Schlagerstar, der seine fünfte Abschiedstournee ankündigt. So recht glauben mag man ihm diesen Rücktritt nicht. Schade eigentlich.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN. Sein neustes Buch Warum ich nicht für mein Land kämpfen würde ist kürzlich beim Rowohlt Verlag erschienen.