22. August 2022
Heute vor 45 Jahren veröffentlichte der Dissident Rudolf Bahro sein Manifest für einen anderen Sozialismus in der DDR und den Staaten des Sowjetblocks. Es ist erstaunlich aktuell geblieben.
Rudolf Bahro
IMAGO / Friedrich Stark»Das trifft den Parteiapparat ins Herz«, titelte der Spiegel am Montag, den 22.08.1977, vor genau 45 Jahren. Anlass dazu war ein Vorabdruck aus dem Buch Die Alternative, bei gleichzeitiger Selbstenttarnung des bis zu diesem Zeitpunkt anonymen und unbekannten Ostberliner Verfassers Rudolf Bahro. Dieser liefere »die bislang unerbitterlichste Abrechnung eines scheinbar loyalen Genossen mit dem DDR-Sozialismus«. Nur einen Tag nach der Spiegel-Veröffentlichung wurde Bahro von der Stasi in seiner Weißenseer Wohnung festgenommen. Damit wurde der Fall endgültig zum Politikum und das Buch rangierte monatelang in den Bestseller-Listen der BRD.
Für die westlichen Medien war Bahro vor allem interessant, weil seine SED-Schelte aus den Reihen der Partei selbst kam. Bahro, damals 41 Jahre alt, hatte an der Humboldt-Universität Philosophie studiert und war seit 22 Jahren Parteimitglied. Mitte der 1960er Jahre hatte er es immerhin schon einmal zum stellvertretenden Chefredakteur des FDJ-Organs Forum gebracht, bevor er 1967 in die Industrie strafversetzt wurde. Dort arbeitete er für die nächsten zehn Jahre als Wirtschaftsfunktionär im Ingenieurbüro WB Gummi und Asbest. Was kaum jemand wusste: Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 brach Bahro insgeheim mit seiner Partei und arbeitete fast neun Jahre lang konspirativ an der Alternative, die er eigentlich unter dem Titel »Zur Kritik des real existierenden Sozialismus« in der DDR verbreiten wollte.
Die Alternative beschäftigt sich fast ausschließlich mit den Ländern des real existierenden Sozialismus und war als Anstoß zu einer Kulturrevolution gegen den herrschenden Partei- und Staatsapparat gedacht, welchen Bahro als »die entscheidende Schranke« zum »Fortschritt der allgemeinen Emanzipation« in den Ostblockländern ausmachte. Diese Kulturrevolution sollte von einem Bund der Kommunisten angeführt werden, der sich wahlweise durch Kräfteverschiebungen als »eine neue Partei neben der alten« formieren, oder »in die Gestalt einer erneuerten alten schlüpfen« würde. Fest stand für Bahro bezüglich der neuen Organisation lediglich, dass diese »sich tiefer von dem überlieferten Parteityp« unterscheiden müsse, »als jede reformierte Kirche von ihrer Vorgängerin«.
Anders als in der westlichen Rezeption der Mainstream-Medien wiedergegeben, war Die Alternative nicht bloß eine politische Kampfschrift gegen die SED, sondern ein philosophisches und politökonomisches Werk, gegliedert in drei Teile: Der erste behandelt das Phänomen des nichtkapitalistischen Wegs zur Industriegesellschaft und somit vor allem den Ursprung, die Entwicklung und die Hintergründe der durch die russische Oktoberrevolution eingeleiteten Epoche. Es ging darum, »zu begreifen, was für eine Gesellschaft der real existierende Sozialismus ist«. Der zweite Teil analysiert dann ausführlich die Struktur der östlichen Gesellschaftsordnung. Dabei stellt Bahro vor allem die »Untauglichkeit des bürokratischen Prinzips« und die »Tendenz zur Stagnation« der nichtkapitalistischen Industriegesellschaft, die für ihn auf der Basis der alten Arbeitsteilung beruhte, heraus.
Erst der dritte Teil lotet dann »die Alternative« aus, die »im Schoße des real existierenden Sozialismus heranreift«. Im Kern geht es dabei um die Beseitigung der alten Arbeitsteilung. Durch »tiefe Eingriffe in die Verteilung der Arbeit« sollen die Quellen der »Subalternität und Entfremdung« beseitigt, und neue Bedingungen der Sozialisation und Ausbildung geschaffen werden. Dabei lautet das Ziel, »jene neue Organisation der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens zu schaffen, auf die sich endlich ein Gemeinwesen gründen kann, das den lange vorgeprägten Namen der freien Assoziation solidarischer Individuen verdient«. Bemerkenswert ist dabei unter anderem, welch hohen Stellenwert Bahro schon damals der ökologischen Frage, bzw. der notwendigen »kollektiven Rücksicht gegenüber dem Naturzusammenhang« einräumte.
Gemessen an dem, was Bahro sich von seinem Buch erhoffte, hatte er letztlich wenig Erfolg. Sicherlich wurden etliche Exemplare der Alternative illegal in die DDR geschmuggelt und dort auch gelesen und diskutiert. Die gesellschaftlichen Umbrüche Ende der 1980er Jahre, die Bahro bereits ein Jahrzehnt zuvor prognostizierte, nahmen dann aber einen gänzlich anderen Verlauf als von diesem erhofft und erwartet.
Öffentlich diskutiert wurde seine »Kritik des real existierenden Sozialismus« dagegen vor allem im Westen. Neben groß angelegten Solidaritätsbekundungen mit dem DDR-Häftling gab es dort zumindest in gewissen linken Kreisen auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinem Buch. Ernest Mandel, Cheftheoretiker der trotzkistischen IV. Internationale, nannte Die Alternative seinerzeit »das wichtigste theoretische Werk, das uns seit Ende des II. Weltkrieges aus dem Ostblock über den Charakter der Übergangsgesellschaft erreicht hat«. Und Herbert Marcuse, der vielleicht bedeutendste Theoretiker der Studentenrevolte der 1960er Jahre, verlieh dem Buch praktisch den Adelsschlag: »Es ist der wichtigste Beitrag zur marxistischen Theorie und Praxis, der in den letzten Jahrzehnten erschienen ist«.
Die Urteile von Mandel und Marcuse kamen nicht von ungefähr: Trotz seiner durchweg verständlichen Darstellungsweise argumentiert Bahro auf einem hohen theoretischen Niveau. Und wer das Buch heute, 45 Jahre nach der Erstveröffentlichung, zur Hand nimmt, wird erstaunt sein, wie aktuell es oft wirkt und wie viele wertvolle emanzipatorische Erkenntnisse und Anregungen es enthält. Im Folgenden soll anhand von einigen Aspekten dargelegt werden, warum es für die anstehenden Debatten und Auseinandersetzungen durchaus lohnenswert ist, Die Alternative heute noch einmal zu lesen und zu diskutieren – trotz einiger Fehleinschätzungen und Bahros späterer Entwicklung.
Bahros Ansatz zur Analyse der Gesellschaften des real existierenden Sozialismus ist bereits eine Leistung an sich. Knapp aber präzise leitet er mit den Marxschen Auffassungen der unmittelbaren Vergesellschaftung der Produktionsmittel ein. Diese müsse dazu führen, das Warenwirtschaft und Geld in einer allgemeinen Arbeitszeitrechnung aufgehoben würden und der Staat als Repräsentant der verschwundenen Widersprüche wieder in der Gesellschaft aufgehe. Mit diesen Vorstellungen einer idealtypischen sozialistischen Revolution kann man die historischen Ergebnisse des russischen Weges natürlich vergleichen, man werde aber, so Bahro, zu keinen tragbaren Ergebnissen kommen, wenn man sie unter dem Blickwinkel dieses Marxschen Diktums zu fassen versucht: »Die Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums konnte für Russland nur eine geringe positive Bedeutung haben, weil es nur wenig kapitalistisches Privateigentum gab, das weit entfernt war, das ganze nationale Leben durchdrungen zu haben«.
Bahro geht es nicht darum, die entstandene Gesellschaftsformation politisch zu verklären oder zu verdammen, sondern die Sozialstruktur zu untersuchen, die sie hervorbrachte. Dabei machte er sich die Theorie der »asiatischen Produktionsweise« beziehungsweise der »orientalischen Despotie« zunutze: Die »Oktoberrevolution war die erste antiimperialistische Revolution in einem trotz begonnener eigener kapitalistischer Entwicklung noch überwiegend vorkapitalistischen Land, mit halb feudaler, halb asiatischer sozialökonomischer Struktur«.
Ergebnis des russischen und auch chinesischen Weges war nach Bahro demnach gar keine Form des Sozialismus, sondern eine nachholende Industrialisierung auf nichtkapitalistischem Wege. Dies gilt in der Analyse unabhängig davon, was die Revolutionäre sich subjektiv von ihrem Tun erhofften. »Der Schlüssel liegt in Asien«, fasst er prägnant zusammen und hat hier eine interessante Parallele zu Rudi Dutschkes Theorie des »halbasiatischen Weges zum Sozialismus«, die übrigens ungefähr zeitgleich formuliert wurde. Bahro bestand zeitlebens darauf, Dutschke nicht vor Fertigstellung des ersten Teils der Alternative gelesen zu haben. Fest steht zumindest, dass Dutschke im Westen ein viel größeres Quellenmaterial zur Verfügung stand als Bahro in der DDR.
Dieser Umstand führte aber auch dazu, dass Bahro ausgiebig Lenin studierte und eine Unmenge an Zitaten vor allem aus Lenins späteren Jahren zutage förderte, in denen klar wird, dass dieser mehr und mehr die russischen Besonderheiten zu ahnen begann. Aus dieser spezifisch russischen Vergangenheit erklärt Bahro dann »woran die Sowjetunion heute krankt«: Es ist »das alte ›Vorgesetztenwesen‹ (Lenin), das Apparatschik- und Natschalnik-Unwesen, in dem sich der alte Patriarchalismus des Bauernlandes und der neue Patriarchalismus der industriellen Despotie mit der im Ordensgehorsam erstarrten Parteidisziplin amalgamiert haben«.
Man muss Bahro nicht in jedem Punkt seiner Analyse zustimmen. Sein Postulat allerdings, dass die Ergebnisse der russischen Oktoberrevolution mehr mit nachholender Industrialisierung und »orientalischer Despotie« zu tun hatten, als mit Marx Sozialismus-Vorstellungen, bleibt zentral.
Neben diesen historischen Aspekten ist, wie eingangs erwähnt, beachtlich, welchen zentralen Stellenwert die Ökologie bei Bahro für die angestrebte menschliche Emanzipation einnimmt. Dass unendliches Wirtschaftswachstum bei endlichen Lebensgrundlagen des Menschen schlichtweg unmöglich ist, hielt er bereits in den 1970er Jahren in deutlichen Worten fest und bezog sich dabei auf Ost wie West: »Die gegenwärtige Lebensweise der industriell fortgeschrittensten Völker bewegt sich in einem globalen antagonistischen Widerspruch zu den natürlichen Existenzbedingungen des Menschen. Wir nähren uns von dem, was andere Völker und künftige Generationen zum Leben nötig hätten«.
Der dem Kapitalismus inhärente Wachstumszwang wurde dabei in den östlichen Gesellschaften keineswegs überwunden, sondern schlechterdings nachgeahmt: »Vom ökonomischen Prinzip der Profitmaximierung her, das mächtig in den real existierenden Sozialismus hineinregiert, ist es ein wesentlich quantitativer Progreß mit dem Trieb ins schlecht unendliche. Er muss aufhören, weil der Anteil der Erdrinde, den man im industriellen Stoffwechsel mit der Natur vermahlen kann, trotz aller möglichen und unsinnigen Ausdehnung und Beschleunigung des Umschlags begrenzt ist, wenn der Planet bewohnbar bleiben soll«. Der von Bahro benannte Widerspruch kommt heute mehr und mehr zum Tragen. Die Alternative besticht diesbezüglich allerdings nicht nur mit ihrer Weitsicht, sondern vor allem mit der konstanten Verbindung von ökologischen und sozialen Aspekten.
Heute werden ökologische Problemstellungen oft vor allem als Frage des persönlichen Konsumverhaltens diskutiert. Die vermeintlichen Lösungen – ökologische oder biologische Ersatzprodukte – sind infolgedessen größtenteils zu Distinktionsmerkmalen für besser betuchte Menschen aus der Mittelschicht verkommen.
Bahro dagegen ging den umgekehrten Weg. Natürlich war auch ihm klar, dass die »grenzenlose Expansion der materiellen Bedürfnisse« ein zentrales Problem ist. Er fragt aber im nächsten Schritt nach den Ursachen für dieses scheinbar individuelle Konsumverhalten und leitet her, dass es eine »unvermeidliche Reaktion darauf ist, dass die Gesellschaft die Entfaltung, Entwicklung und Betätigung zahlloser Menschen frühzeitig beschränkt und blockiert«. Diese »Subalternität« führt zu »kompensatorischen Interessen«, letztlich Ersatzbefriedigungen. Kurzum: »Man muss sich im Besitz und Verbrauch von möglichst vielen, möglichst (tausch-)wertvollen Dingen und Diensten dafür schadlos halten, dass man in den eigentlichen menschlichen Bedürfnissen zu kurz gekommen ist«.
Anders als unserer heutigen Ökobohème ging es Bahro also nicht um individuelles Umsteuern und einen erhobenen Zeigefinger, sondern die Umwälzung der Bedürfnisstruktur, die durch »Subalternität« und »kompensatorische Bedürfnisse« erzeugt wird. Die Chance für einen »Bruch mit der extensiven Wirtschaftsdynamik« und die »Wiedereinordnung des Menschen in das Naturgleichgewicht« ist für ihn deshalb »die massenhafte Überwindung der Subalternität«.
Da der Grad der »Subalternität« mit der Komplexität der gesellschaftlichen Hierarchie wächst, liegt der Schlüssel zu ihrer Aufhebung in der Abschaffung der althergebrachten sozialen Arbeitsteilung. Auch wenn eine funktionale Arbeitsteilung weiter notwendig ist, dürfen damit keine Hierarchien oder persönlichen Abhängigkeiten mehr verbunden sein, die allein auf der Arbeitsaufgabe oder der Ausbildung beruhen. Jeder ist Spezialist in einem Bereich, niemand nur Hilfsarbeiter. Eine bloße Verstaatlichung der Produktionsmittel – wie im real existierenden Sozialismus – kann diesen Anspruch nicht erfüllen. Eine echte Vergesellschaftung der Produktionsmittel bedeutet für Bahro deshalb auch eine radikale Umverteilung der Arbeit, gerade in Bezug auf eine Durchmischung von schöpferischer, entwicklungsfördernder Arbeit und solcher, die die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt.
Gerade unangenehme, schwere und monotone Arbeit verhindert die Selbstentfaltung des Menschen. Die Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit, kombiniert mit einer radikalen Verkürzung des Arbeitstages, sind laut der Alternative Voraussetzung für die Reorientierung der Bedürfnisstruktur: »Die Menschen der entwickelten Länder brauchen nicht Ausdehnung ihrer heutigen Bedürfnisse, sondern Gelegenheit zum Selbstgenuss in ihrer eigenen individualisierten Aktivität: Tatengenuss, Beziehungsgenuss, konkretes Leben in weitestem Sinne«.
Hier sind wir schon mitten in den Gedanken, die in den letzten Jahren verstärkt von der Degrowth-Bewegung postuliert wurden. Auf der Metaebene der Argumentation klingt Bahro tatsächlich oft zum Verwechseln ähnlich mit diesen zeitgenössischen Wachstumskritikerinnen. Etwa wenn er über historische Beispiele herleitet, »dass gleiche oder ähnliche Resultate menschlicher Entwicklung und menschlichen Glücks bei verhältnismäßig großer Differenz in der Qualität des verfügbaren Produkts möglich sind«. Aber auch diese konsumkritischen Gedanken präsentiert Bahro stets sozial vermittelt und ohne die heute gängige Überheblichkeit. Die Maxime »zu wissen und zu sein, statt zu besitzen« ergänzt er deshalb passend: »Es gilt die objektiven Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Menschen vorziehen können, ›zu wissen und zu sein, statt zu besitzen‹«.
Heute ist recht offensichtlich, dass gewisse Industriezweige um- wenn nicht sogar rückgebaut werden müssen, wenn eine ökologische Katastrophe noch verhindert werden soll. Mit einer generellen »Wachstumskritik« lässt sich dieses Problem allerdings nur schlecht umreißen, denn Ökolandbau und Fahrradproduktion sollten natürlich weiterwachsen, ebenso die Gesundheitsvorsorge und der gesamte soziale Sektor.
Auch dies gab Bahro schon seinerzeit zu bedenken, schließlich solle »nicht umgekehrt ›Nullwachstum‹ zum Gesetz erhoben«, sondern überhaupt »das Kriterium der Quantität von der ersten Stufe verdrängt« werden. Es handelt sich bei seinem Werk also nicht um eine »neue Predigt der Armut«, sondern um die Auslotung der »Möglichkeit des Übergangs von einem quantitativ zu einem qualitativ orientierten Wachstumstyp«. Zumindest in seiner Alternative ging es Bahro noch nicht um Gemüseanbau und Subsistenzwirtschaft, sondern um »die Entwicklung einer natur- und menschengemäßen Technik und Technologie«.
Es sollte deutlich geworden sein, warum es heute, nach 45 Jahren, durchaus lohnenswert ist, Die Alternative noch einmal zur Hand zu nehmen. Sie ist nicht nur ein spannendes Zeitdokument, sondern bietet substanzielle Ideen dafür, wie die politische Linke heute aus der Defensive kommen könnte. Bahros Erklärungen zur Geschichte des 20. Jahrhunderts machen es möglich, die Marxschen Vorstellungen zur Überwindung des Kapitalismus unabhängig von den Erfahrungen des real existierenden Sozialismus neu zu interpretieren.
Vor allem die werteproduzierende Arbeit rückt dabei ins Zentrum der Kritik, und zwar sowohl in Bezug auf ihren Warencharakter, als auch auf die erdrückenden Formen der heutigen gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Die brennenden Fragen der ökologischen Krise und einer scheinbar grenzenlosen Expansion der materiellen Bedürfnisse verhandelt Bahro ebenfalls mit Bezug auf soziale Interessenlagen und eine allgemeine Emanzipation des Menschen. Hier ist bereits angelegt, was heute zum Kernpunkt einer linken Programmatik werden müsste: dass die Menschen in einer sozialökologischen Umwälzung nach wie vor viel zu gewinnen hätten.
Dass Bahros erstes Werk, gemessen an seinem Anfangserfolg, schnell in Vergessenheit geriet, hat sicherlich viel mit dessen weiterem Lebensweg zu tun. Knapp ein Jahr nach seiner Festnahme wurde er im Sommer 1978 wegen »landesverräterischer Sammlung von Nachrichten« und »Geheimnisverrats« zu acht Jahren Haft verurteilt. Allerdings wurde er bereits ein weiteres Jahr später, pünktlich zum 30. Jahrestag der DDR, amnestiert und durfte in die BRD ausreisen. Hier genoss er zunächst eine unheimliche Popularität und war im Gründungsprozess der Grünen involviert, die er allerdings bereits 1985 wieder verließ. Er distanzierte sich immer mehr von seinen marxistischen Wurzeln und plädierte nunmehr für die Überwindung des politischen Rechts-links-Schemas. Seine Thesen wurden dabei zunehmend religiöser und esoterischer.
Mit dieser kläglichen Entwicklung war Bahro leider kein Einzelfall, sondern reiht sich tragischerweise ein in eine ganze Reihe linker Intellektueller, die mit zunehmendem Alter regressive Tendenzen entwickelten. So bedauerlich dies zweifelsohne sein mag, muss es uns nicht davon abhalten, heute zentrale Gedanken aus der Alternative erneut zu diskutieren.
Christian Hofmann veröffentlichte zuletzt gemeinsam mit Philip Broisted die Edition Linke Klassiker zum Thema »PLANWIRTSCHAFT: Staatssozialismus, Arbeitszeitrechnung, Ökologie« in welcher unter anderem Auszüge aus Bahros Alternative nachgedruckt wurden.
Christian Hofmann veröffentlichte 2022 gemeinsam mit Philip Broisted die Edition »Linke Klassiker« zum Thema »PLANWIRTSCHAFT: Staatssozialismus, Arbeitszeitrechnung, Ökologie« sowie 2020 »Goodbye Kapital« im PapyRossa-Verlag.