23. Juni 2022
Die Konzepte des Ökonomen und Gewerkschafters Rudolf Meidner erhöhten den Lebensstandard und die Macht der schwedischen Arbeiterschaft. Hätte man seine Vorschläge vollständig umgesetzt, wäre die Wirtschaft des Landes heute vergesellschaftet.
Arbeiterinnen und Arbeiter des Betriebs AB Electrolux, Motala, 1947.
Rudolf Meidner, einer der Architekten des berühmten Schwedischen Modells der Sozialdemokratie, nannte das Privateigentum an Produktionsmitteln einmal »die Pistole an der Schläfe der Arbeiterbewegung«. Als Gewerkschaftsökonom machte er es zu seiner Lebensaufgabe, die Arbeiterschaft aus dieser Geiselnahme zu befreien.
Meidners Wirtschaftsmodell wurde in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg durch die außergewöhnlich starke Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens (SAP) und eine schlagkräftige Gewerkschaftsbewegung in die Tat umgesetzt. Der arbeitenden Bevölkerung (und aufgrund des robusten Wachstums auch der Privatwirtschaft) brachte es nachhaltige materielle Zugewinne. Schwedische Arbeiterinnen und Arbeiter genossen die Früchte eines expandierenden Wohlfahrtsstaates und beeinflussten und kontrollierten zugleich die Wirtschaft in einem für ein entwickeltes Land beispiellosen Maß.
Und doch reichte all dies nicht aus – denn die Pistole verharrte weiter an ihrer Schläfe. In den 1970er Jahren kamen Meidner und die schwedischen Gewerkschaften zu dem Schluss, dass ein alternatives Eigentumsmodell notwendig war. »Wir wollen den alten Kapitaleignern die Macht entziehen, die sie kraft ihres Eigentums ausüben«, erklärte Meidner.
»Alle Erfahrungen deuten darauf hin, dass Einfluss und Kontrolle nicht ausreichen – entscheidend ist die Frage des Eigentums. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Marx und Wigforss: Wir können die Gesellschaft nicht grundlegend verändern, ohne die Eigentumsverhältnisse ebenfalls grundlegend zu verändern.«
Dass sich Meidner sowohl auf Marx als auch auf den Proto-Keynesianer und ehemaligen schwedischen Finanzminister Ernst Wigforss bezog, ist charakteristisch für den synthetisierenden Ansatz, mit dem er sozialen Wandel herbeiführen wollte. Er war ein Radikaler, der für die gesellschaftliche Transformation stritt, sich aber auch leidenschaftlich mit den Detailaspekten ökonomischer Modelle auseinandersetzte. Seine Bemühungen gipfelten im sogenannten Meidner-Plan – dem bisher eindrucksvollsten Versuch, Macht vom Kapital auf die Arbeiterschaft zu übertragen, der je in einer fortgeschrittenen kapitalistischen Wirtschaft unternommen wurde.
Wäre Meidners Schachzug gelungen, hätte das Privatkapital entwaffnet und die Arbeiterschaft endlich aus dessen Griff befreit werden können. Doch das Vorhaben scheiterte. Die Geschichte des Meidner-Plans – wie auch Meidners Karriere im Allgemeinen – lehrt uns, was linker Reformismus erreichen kann, aber auch, wovor er sich hüten muss.
Rudolf Meidner wurde 1914 als Sohn einer jüdischen Familie in Breslau geboren, das damals zu Deutschland gehörte. Er entwickelte schon als Jugendlicher progressive Wertvorstellungen und trat einer sozialistischen Schülervereinigung bei. Nach der Machtergreifung Hitlers floh er mit dem Zug zunächst nach Kopenhagen, dann nach Malmö, und erreichte am 2. April 1933 schließlich Stockholm. Zu diesem Zeitpunkt war er erst achtzehn Jahre alt.
Meidner schrieb sich an der Universität von Stockholm ein, wo er Wirtschaftswissenschaften studierte und ein Schüler des sozialdemokratischen Ökonomen, Parlamentsabgeordneten und späteren Wirtschaftsnobelpreisträgers Gunnar Myrdal wurde.
Er hätte sich keinen besseren Studienort aussuchen können. Myrdal und die sogenannte Stockholmer Schule könnten als Keynesianer vor Keynes bezeichnet werden und prägten die sozialdemokratische Regierungspolitik der Zwischenkriegszeit. Auf ihr Anraten hin setzte die SAP ein Paket von öffentlichen Bauvorhaben sowie regulatorischen und Umverteilungsmaßnahmen um, das Ähnlichkeiten zum New Deal aufwies und sich an der von Ministerpräsident Per Albin Hansson formulierten Zielvorstellung eines Folkhemmet (Volksheim) orientierte.
1943 erhielt Meidner die schwedische Staatsbürgerschaft. Inzwischen waren auch seine Mutter und Schwester nach Schweden geflohen. Nach Kriegsende hatten sie nur wenig Grund, nach Deutschland zurückzukehren, denn viele ihrer Freunde und Verwandten waren dem Holocaust zum Opfer gefallen. Das Folkhemmet war nun auch zu Meidners Heimat geworden. 1945 erhielt er eine feste Stelle als Forschungsdirektor bei Schwedens größtem Gewerkschaftsverband, den Landsorganisationen (LO) – eine Position, die er bis 1979 innehaben würde.
Die SAP und die LO gingen davon aus, dass Schweden nach Kriegsende eine wirtschaftliche Depression erleben würde, was auch im Anschluss an den Ersten Weltkrieg der Fall gewesen war. Stattdessen kam es dank einer expansiven Finanzpolitik und einer hohen Nachfrage nach schwedischen Waren in ganz Europa (die durch den US-amerikanischen Marshallplan angeheizt wurde) zu einem Aufschwung.
Anstelle von Stagnation drohte nun eine galoppierende Inflation. Die SAP reagierte darauf, indem sie Preiskontrollen einführte und an die Gewerkschaften appellierte, ein Einfrieren der Löhne zu akzeptieren. Die LO kam dieser Forderung nach – aber Meidner gefiel nicht, was er sah. Nach seinem Dafürhalten war es nicht die Aufgabe der Gewerkschaften, die Inflation zu bekämpfen, sondern höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter zu erreichen. Indem man das Gegenteil von ihnen verlangte, untergrub man ihren Rückhalt in der arbeitenden Bevölkerung. Er war entschlossen, eine Alternative zu finden.
Im Herbst 1949 forderte die SAP von der LO, den Lohnstopp zu verlängern – lud aber zugleich Meidner und seinen Kollegen Gösta Rehn dazu ein, einen alternativen Ansatz auszuarbeiten. Meidner nahm kein Blatt vor den Mund. Er argumentierte, dass »ein Lohnstopp in einer boomenden Wirtschaft mit hohen Exportgewinnen … eine absurde Politik darstellt, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.«
Rehn und Meidner schlugen stattdessen ein arbeitsteiliges Politikmodell vor: Die Gewerkschaften müssten für die unmittelbaren Interessen der Arbeitenden kämpfen, während der Staat das gesellschaftliche Spielfeld zu ihren Gunsten umgestalten sollte. Würde sich der Staat auf die Steuerung der Gesamtnachfrage und die Förderung der Vollbeschäftigung konzentrieren, könnten die Gewerkschaften dafür sorgen, dass die Arbeiterschaft im Allgemeinen – und die Geringverdienerinnen und -verdiener im Besonderen – gesunde Lohnerhöhungen erhielten.
Rehn und Meidner konnten sich kurzfristig nicht durchsetzen – die SAP verfolgte weiterhin eine Strategie der Lohnzurückhaltung. Doch nicht einmal zwei Jahre später ließ die Regierung diese »absurde Politik« fallen und ergriff stattdessen eine Reihe von Maßnahmen, die die Handschrift von Rehn und Meidner trugen. Unter der SAP regulierte der Staat die Gesamtnachfrage und die Inflation – in der Regel mittels Steuererhöhungen. Zugleich sorgte er für Vollbeschäftigung, wobei er »Inseln der Arbeitslosigkeit« durch gezielte Interventionen beseitigte.
Dies wurde durch die von der LO verfolgten Politik des »Solidaritätslohns« komplementiert. In Verhandlungen mit dem schwedischen Arbeitgeberverband, der in weiten Teilen der Wirtschaft die Standards setzte, drängte die LO auf höhere Löhne im unteren Bereich, um so die Kluft zwischen den höchst- und den niedrigstbezahlten Beschäftigten zu verringern. Einige Unternehmen konnten sich ohne die Niedriglöhne jedoch nicht über Wasser halten. Entweder sie würden untergehen oder ihre zuvor schlecht bezahlten Arbeitskräfte entlassen. An dieser Stelle kam der Staat ins Spiel: Sozialprogramme sollten die Entlassenen unterstützen, während arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ihnen dabei halfen, neue Jobs in produktiveren Unternehmen zu finden.
Die Kombination aus harten Tarifverhandlungen, einem umfangreichen Wohlfahrtsstaat, hohen Steuern, gezielter Arbeitsmarktpolitik und Solidaritätslöhnen wurde als Rehn-Meidner-Modell oder auch einfach als das »Schwedische Modell« bekannt. Das Wirtschaftswachstum, die niedrige Arbeitslosigkeit und Inflation sowie der beständige soziale Fortschritt, die es hervorbrachte, wurden auf der ganzen Welt beneidet.
Der wirtschaftliche Erfolg des Rehn-Meidner-Modells ermöglichte der sozialdemokratischen Regierung die Einführung von allgemeiner Gesundheitsversorgung, Kindergeld, Mutterschaftsurlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, einer staatlichen Rentenversicherung und kostenloser Bildungsangebote sowie den Bau von einer Million Häuser innerhalb von zehn Jahren – alles, während zugleich die Einkommen der Haushalte massiv anstiegen. Der Zeitraum ab den späten 1940er Jahren bis zum Ölschock von 1973 ist in Schweden als die »Rekordjahre« in die Geschichte eingegangen.
Meidner sah währenddessen am Horizont Wolken aufziehen. Der natürliche, unvermeidliche Konflikt zwischen Arbeit und Kapital würde bald wieder ausbrechen – und die organisierte Arbeiterschaft brauchte eine neue Strategie, um sich den ihr bevorstehenden Herausforderungen zu stellen.
Eine Welle wilder Streiks in den Jahren 1969/70 und ein Rückgang der privaten Investitionen verschärften die Turbulenzen, in die die schwedische Wirtschaft zunehmend geriet.
Meidner vertrat die Ansicht, dass die Arbeiterbewegung, die als der »ideologische Motor« des Nachkriegsmodells fungiert hatte, unter den veränderten Umständen eine neue Agenda brauchte. Er machte die kollektive Kapitalbildung zu seinem neuen Projekt – mit dem Hauptziel, die Notwendigkeit privater Investitionen zu überwinden. In seinen Augen sollten der Staat und die Arbeiterschaft die Rolle übernehmen, die private Investoren bei der Finanzierung produktiver Unternehmungen spielten.
Außerdem versuchte Meidner, eine Lücke in dem von ihm und Rehn entworfenen Modell zu schließen. Zwar wurden unproduktive Unternehmen von produktiveren verdrängt, die produktivsten unter ihnen konnten aber beachtliche Übergewinne abschöpfen, weil ihre Beschäftigten – gemäß dem Prinzip der Lohnsolidarität – nur dieselben Tariferhöhungen erhielten wie alle anderen auch.
Auf diese Weise förderte das Rehn-Meidner-Modell einerseits ein einheitliches Lohnniveau, führte aber andererseits zu extrem hohen Kapitaleinkommen für einige wenige Menschen. Meidner hatte dies von Anfang an kommen sehen, betrachtete diesen Umstand aber zunächst als ein (zumindest kurzfristig) hinnehmbares Nebenprodukt eines Modells, das in vielen anderen Bereichen enorme soziale Fortschritte mit sich brachte. Doch gegen Ende der Rekordjahre veränderte sich seine Sichtweise.
1973 – zwei Jahre nachdem die Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Gewerkschaftsführung dazu angehalten hatten, sich mit der Frage der kollektiven Kapitalbildung zu befassen – beauftragte die LO Meidner und seine Kollegen Anna Hedborg und Gunnar Fond damit, eine Lösung für drei unterschiedliche Probleme auszuarbeiten: übermäßige Gewinne, konzentriertes Privatkapital und unzureichende Kontrolle der Beschäftigten über ihre Unternehmen.
Nach zwei weiteren Jahren und der Konsultation von 18.000 Arbeiterinnen und Arbeitern hatte die »Meidner-Gruppe« ihre Antwort formuliert: ein System, das vorsah, einen Teil der jährlichen Unternehmensgewinne an gewerkschaftlich kontrollierte »Lohnempfängerfonds« zu übertragen. Auf diese Weise würde die Beteiligung der Arbeiterinnen und Arbeiter schrittweise erhöht werden, bis sie schließlich die Mehrheit der Anteile an Unternehmen kontrollieren würden. Wäre das Konzept wie geplant umgesetzt worden, bestünde die schwedische Wirtschaft heute aus Firmen, die sich weitgehend im Besitz von gewerkschaftlich kontrollierten Sozialfonds befänden. Einfach ausgedrückt: Der Meidner-Plan hätte die Wirtschaft nach und nach sozialisiert.
Der Vorschlag wurde zum Topthema im ganzen Land. Die konservative Presse warnte vor einer »Revolution«. Die schwedische Privatwirtschaft, die sich zuvor damit begnügt hatte, Gewinne einzufahren und sich weitgehend aus der Politik heraushielt, begann sich zu organisieren und für den Erhalt des kapitalistischen Systems zu mobilisieren. Die LO zeigte sich unbeeindruckt. Sie nahm den Vorschlag auf ihrem Kongress von 1976 per Akklamation an, während die Delegierten die Internationale sangen. Im selben Jahr kündigte die SAP an, dass sie den Meidner-Plan umsetzen würde – allerdings äußerte sich der Ministerpräsident Olof Palme während des Wahlkampfs nur verhalten zu dem Konzept.
Angesichts der stagnierenden Wirtschaft infolge der von der OPEC verursachten Ölkrise verlor die SAP erstmals nach 44 Jahren die Wahlen. Es war keine katastrophale Niederlage – der Linksblock verlor nur sechs von 349 Sitzen. Dennoch wurde der Meidner-Plan auf Eis gelegt. Die Zentrumspartei, die Liberalen und die Moderaten regierten das Land für die nächsten sechs Jahre, änderten an der Wirtschaftspolitik allerdings nur wenig. Was sich aber durchaus gewandelt hatte, als die SAP 1982 an die Regierung zurückkehrte, war ihre eigene Einstellung zu Meidners Wirtschaftspolitik.
Der neue Finanzminister Kjell-Olof Feldt war der Ansicht, dass das Rehn-Meidner-Modell »eine Gesellschaft von Querulanten, Betrügern, Sonderbehandlungen, fehlgeleiteten Ambitionen und neuen Ungerechtigkeiten« geschaffen habe. Auch wurde er während einer Parlamentsdebatte gesehen, wie er ein Gedicht schrieb, in dem er über den verwässerten Vorschlag seiner Partei für einen Lohnempfängerfonds spottete. Palme äußerte sich nur geringfügig positiver und gab sich damit zufrieden, den Politikvorschlag nur dem Namen nach zu übernehmen.
Meidner selbst, der zu dieser Zeit bereits im Ruhestand war, nannte die verwässerte Reform eine »erbärmliche Ratte« und warf der SAP vor, keine der Ziele erreicht zu haben, die die LO 1971 anvisiert hatte. Er vertrat die Auffassung, dass die Sozialdemokratie stets die Ideen übernehmen sollte, die in den Gewerkschaften entstanden sind und von deren Expertinnen und Experten ausgearbeitet wurden. Die Initiative lag für ihn also bei den organisierten Beschäftigten – die ideologische Einheit der wirtschaftlichen und politischen Vertretungen der Arbeiterschaft »kann sich immer nur dann wieder einstellen, wenn die Partei den Standpunkt der Gewerkschaften übernimmt«.
Die Kehrtwende der SAP in der Angelegenheit der Lohnempfängerfonds wertete Meidner daher als einen grundsätzlichen Bruch der Solidarität. Und es sollten noch weitere solche Kehrtwenden folgen: Bald darauf kehrte die LO auf Drängen der SAP wieder zur freiwilligen Lohnzurückhaltung zurück, woraufhin sich die Arbeitgeberseite aus den zentralen Tarifverhandlungen zurückzog. Das schwedische Modell sollte den Selbstverrat der Sozialdemokratie jedoch überleben – wenn auch in deutlich weniger ambitionierter Form.
Rudolf Meidner war ein radikaler Reformist. Er plädierte für eine »Politik, die Schritt für Schritt vorgeht, und bei der kein Schritt ins Ungewisse getan wird, sondern jeder Schritt nur dort erfolgt, wo der Boden einen festen Eindruck macht«. Er befürwortete ein Wirtschaftssystem, in dem sich »die Selbstverwaltung und Einflussnahme über das einzelne Unternehmen hinausgeht, während jedoch … der Staat seine Rolle als Träger der allgemeinen Autorität beibehält«. Dabei lehnte er sowohl den »lähmenden Griff des bürokratischen Staatskapitalismus« in der Sowjetunion als auch den Kapitalismus der freien Marktwirtschaft ab.
Er war ein Sozialdemokrat – aber einer, der sich darüber im Klaren war, dass das Streben der Arbeiterschaft nach einem Leben in Würde unweigerlich auf den Widerstand der Privatwirtschaft trifft. »Arbeit ist keine Ware, und Löhne sind kein Preis«, schrieb er 1980. »So bescheiden ihre Anfänge auch gewesen sein mögen, haben die Gewerkschaften durch ihre bloße Existenz ein Element in die Marktwirtschaft eingeführt, das ihr fremd ist, das ihren Tendenzen zuwiderläuft und das schließlich ihre Grenzen zu sprengen droht.«
Meidners Hauptanliegen war es, die Einheit der Arbeiterbewegung zu erhalten. Spaltung, so argumentierte er, »überlässt dem Spiel der Marktkräfte ein weites freies Feld«. Die Erfolge der schwedischen Arbeiterbewegung rührten daher, dass die Gewerkschaften mit einer Stimme sprachen – die relative Schwäche anderer Arbeiterbewegungen war darauf zurückzuführen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter innerhalb eines Unternehmens und zwischen Firmen oder Branchen gegeneinander ausgespielt wurden. Laut Meidner war es die Aufgabe der Politik, die Solidarität der Gewerkschaften stärken, damit diese sich wirksam gegen die Angriffe des Kapitals zur Wehr setzen konnten.
Am Ende seines Lebens war das Gegenteil eingetreten: Der Neoliberalismus hatte die Welt erobert und die Arbeiterschaft in die Defensive gedrängt. 1998, sieben Jahre vor seinem Tod, nahm Meidner an, das neue Modell sei derart fest verankert, dass es »die Erfahrung eines totalen Systemversagens« bräuchte, bevor die Gesellschaft wieder von ihm Abrücken könnte. Erst müssten »fast alle deutlich spüren, dass der derzeitige liberale Marktansatz nicht funktioniert«. Auf die Frage, wie lange sich die Linke intellektuell und politisch auf dem Rückzug befinden würde, antwortete er: »Es wird lange dauern – vielleicht zwanzig Jahre.«
Zehn Jahre später ging die Weltwirtschaft durch die Finanzkrise in die Knie. Zwanzig Jahre später ist die Privatwirtschaft immer noch sehr mächtig, Sparpolitik hat Millionen von Menschen ins Elend gestürzt, und viele sozialdemokratische Parteien ringen ums Überleben.
Dennoch hatte Meidner recht. Das Scheitern der liberalen Märkte und der Austeritätspolitik hat das intellektuelle und politische Interesse an echten Alternativen wiederbelebt – einschließlich solcher, die eine grundlegende und unumkehrbare Verschiebung des Gleichgewichts von Macht und Wohlstand zugunsten der arbeitenden Menschen und ihrer Familien bewirken könnten.
Saoirse Gowan ist Mitglied der Democratic Socialists of America, Mitglied Vorstands des Regionalverbands Washington D.C. und des Ausschusses für Wohnungsgerechtigkeit.